Zheros19.01.2016, Mathias Oertel
Zheros

Im Test: Krawall im All

Die Indie-Szene ist nicht nur ein Fundort für neue Konzepte. Auch das Wiederauffrischen bekannter, aber in Vergessenheit geratener Mechaniken scheint hier gut aufgehoben. Mit Zheros versucht sich das Team der Rimlight Studios an einer modernen Interpretation von Titeln wie Streets of Rage oder Final Fight. Ob das Konzept immer noch zünden kann, klärt der Test.

Von links nach rechts

Früher war alles so einfach: Man steuerte vor  gut 25 Jahren in Prüglern wie Streets of Rage oder Golden Axe seine Kämpfer von links nach rechts. Man machte mit wenigen Kombos, clever eingesetzten Sprüngen sowie dem Einsatz von Specials und der gelegentlich aufgesammelten Waffe die Gegner platt, die unaufhörlich auf einen zustürmten. Interessanterweise hat sich diese Art des Beat-em-ups nur unwesentlich weiterentwickelt - obwohl Spiele wie Tobal No.1 oder Brave Fencer Musashi auf der PSone versuchten, diesem den Spielhallen entsprungenen Genre neue Facetten hinzuzufügen.

Im Kern bietet Zheros klassischer Haudrauf-Action à la Streets of Rage.
Auch das auf Xbox One erschienene Zheros erfindet das Rad nicht neu, ergänzt das Konzept aber um einige Elemente. So kann man nicht nur seitwärts laufen, sondern auch in den Bildschirm oder aus dem Bildschirm heraus - beinahe so wie in einem 2,5D-Hüpfer à la Assassin’s Creed Chronicles. Neben zwei Angriffstasten, mit denen sich schicke Kombos basteln lassen, kann man springen oder per Ausweichrolle versuchen, gegnerischen Attacken zu entgehen.  Zusätzlich kann man auf Knopfdruck einen Schild aktivieren oder die Projektilwaffe nutzen, die extrem verschwenderisch mit der sich nur langsam wieder aufladenden umgeht, dafür aber eine breite Streuung hat. Schneller geht es mit den Kisten, die in den etwa zehn bis 20 Minuten langen Abschnitten verteilt sind und sowohl für Gesundheit als auch Spezialenergie zur Verfügung stehen. Neben den Standardgegnern warten zahlreiche Bosse sowie die sporadische Sprungsequenz bzw. Fallen, denen man tunlichst ausweichen sollte.

Zwei Helden, eine Spielweise

Obwohl mit dem tumben, leicht an Captain Qwark erinnernden Muskelprotz Mike und der grazilen Dorian zwei prinzipiell unterschiedliche Figuren zur Verfügung stünden, spielen sich beide weitgehend identisch. Selbst die Upgrades, die man in den Bereichen Kombos, Schild und Projektilwaffe freischalten kann, wenn man genügend Kristalle in den teils verschachtelten und mit Geheimräumen versehenen Abschnitten sammelt, bleiben gleich. Schade, denn hier lässt man eine Chance ungenutzt, dem Spieler mit einer leicht anderen Herangehensweise eine weitere Herausforderung zu bieten. Andererseits wird so gewährleistet, dass beim kooperativen Spiel kein Streit ausbricht, wer jetzt mit wem antritt.

Die Schusswaffe leert die blaue Energieleiste im Handumdrehen.
Und Herausforderung gibt es genug. Für meinen Geschmack sogar etwas zu viel. Was allerdings nicht an den Gegnern per se, ihren Verhaltensweisen oder den Feindesgruppen liegt, denen man sich gegenüber sieht. Diese unterscheiden sich in der Art der Zusammensetzung kaum von anderen Spielen dieser Art. Doch sowohl Steuerung als auch die gesetzten Kontrollpunkte sorgen in entscheidenden Momenten für eine Menge Frust. Ich störe mich nicht daran, wenn mich ein Spiel bis zum Letzten fordern möchte, mir vielleicht sogar hier und da meine Grenzen aufzeigt und mich ggf. sogar dazu nötigt, einen anderen Schwierigkeitsgrad zu wählen - was ich natürlich niemals zugeben würde. Doch dann sollte es wenigstens konsequent mit dem sein, was es macht. Und genau hier zeigt sich Zheros von seiner schwachen Seite.

Unberechenbarkeit inklusive

Um bei einigen Bossen eine Chance zu haben, sollte man tunlichst ihre Angriffsmuster studieren und sich entsprechende Konter- bzw. Ausweichtaktiken zurechtlegen - das ist gut. Dass es jedoch zwischen dem Drücken der Ausweichtaste zu einer uneinheitlichen Verzögerung kommt, bis die Bewegung umgesetzt wird, ist schlecht. Denn mitunter muss man eine verdammt gute Reaktion zeigen, um auf die gelegentlich subtilen Angriffssignale der Gegner zu reagieren. Und wenn man drückt, nix passiert und man dann getroffen wird, ist das sehr ärgerlich. Zwar lernt man irgendwann, diese Verzögerung einzukalkulieren, doch zum einen ist dies ein schmerzhafter Lernprozess, zum anderen ist das einfach schlampig. Beim Schild und den Angriffstasten gibt es dieses merkwürdige Lag nicht so prägnant, ist aber ab und an spürbar - jedoch nie das Spielgefühl so negativ beeinflussend wie beim Ausweichen.

In den Gefechten fallen nicht nur die Effekte, sondern auch die Tearing-Probleme auf.
Ebenfalls problematisch ist die Uneinheitlichkeit beim Kontrollpunkt-System. Mal kommt nach einem Luschenkampf ein Wiederaufnahmepunkt, dann wiederum wartet man nach einem Boss vergeblich darauf, dass man nach einem der häufigen Ableben wenigstens danach weitermachen kann, man aber stattdessen am Levelbeginn wieder aufwacht. Vor allem später, wenn sich auch noch Trial&Error-Passagen und ebenfalls das Ausweichen nutzende Feinde hinzugesellen, wird das Sterben bzw. das Aufwachen zu einem Vabanque-Spiel, das zusätzlich an den Nerven nagt. Da zudem der Schwierigkeitsgrad etwa ab dem fünften Abschnitt der ersten Welt (und damit etwas mehr als einem Viertel des Gesamtspiels) sprunghaft ansteigt, kommt hier viel zusammen. Zu viel, als dass ich es einfach ignorieren könnte. Und daran kann auch der potente Kampfanzug nichts ändern, mit dem man im Handumdrehen eine Schneise durch die Feinde schneidet.

Stereotypes Zukunftsdesign

Dabei wird trotz technischer Defizite wie Tearing und Treppchen eine durchaus stimmungsvolle Zukunfts-Kulisse gezeichnet. Während in der ersten Spielhälfte sterile Metall-Strukturen dominieren, kommen in der zweiten Welt Höhlenstrukturen und organische Elemente hinzu. Wie bei den Mechaniken wird man auch hier keine Überraschungen finden. Doch im Gegensatz zu den spielerischen Inhalten hinterlässt das audiovisuelle Design einen soliden Eindruck.

Zheros könnte vor allem zu zweit richtig Spaß machen - wenn die Balance nicht aus dem Ruder laufen würde.
Die Animationen der Hauptfiguren passen. Die zahlreichen Gegner, die in der ersten Hälfte meist robotischen Ursprungs sind, in der zweiten außerirdischen Lebensformen mit z.B. mehreren Köpfen oder massiven Muskelpaketen entsprechen, passen zur jeweiligen Umgebung. Die Zwischensequenzen werden zwar leicht humoristisch inszeniert, verpassen aber mit fehlender Sprachausgabe, die Pointen zu setzen. Neben den üblichen Schuss- oder Schlaggeräuschen gibt es musikalisch einen Mix elektronischer Kompositionen mit meist treibenden Beats, die das Dauerprügeln stilgerecht untermalen.

Fazit

Technische Probleme wie Tearing oder Treppchenbildung hin, fehlende Variation der zwei Figuren her: Zheros hätte als moderne Interpretation von Streets of Rage ein netter Zeitvertreib  werden können - vor allem kooperativ. Die Kulisse geht ebenso in Ordnung wie die zweckmäßige Akustik, beide reißen aber auch keine Bäume aus. Doch bereits bei der Steuerung gehen die Probleme los. Alles fließt weitgehend locker aus den Fingern: Kombos, Schildaktivierung, Sprung. Doch ausgerechnet bei der Ausweichrolle gibt es immer wieder Verzögerungen, die über Treffer und Rettung und damit in Bosskämpfen über Leben und Tod entscheiden. Was an sich kein Problem wäre, wenn nicht zusätzlich die vollkommen uneinheitlich und bar jeglicher Vernunft gesetzten Kontrollpunkte für weiteren Frust sorgen würden. Schade, denn durch diese Mankos sorgt ein eigentlich solider Arcade-Prügler für Ernüchterung.

Pro

im Kern seitwärts scrollender Prügler alter Schule
passable Steuerung...
aufrüstbare Kombos und Fähigkeiten
ordentliche Gegnerauswahl
Bosskämpfe
Ko-op-Modus

Kontra

uneinheitlich gesetzte Kontrollpunkte sorgen für Frust
... bei der die Ausweichrolle mit Verzögerungen ausgeliefert wird
technische Mankos (Tearing, Treppchen)
die beiden Figuren spielen sich identisch

Wertung

XboxOne

Die moderne Interpretation von Titeln wie Double Dragon hätte vor allem zu zweit ein netter Spaß für zwischendurch sein können. Doch Probleme bei Steuerung und Balance sorgen für großen Frust.

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