Im Test: Ein Regentanz auf vier Rädern
Regendusche von oben und unten
Puh, das war knapp! Mit Mühe und Not fange ich mein schlitterndes Fahrzeug mit einer guten Reaktion ab, nachdem ich die Pfütze am Scheitelpunkt der Kurve kurz mit zwei Reifen erwischt hatte. Dabei bin ich bei diesem Sauwetter doch schon vorsichtig gefahren. Vor allem auch deshalb, weil ich kurz vorher weniger Glück hatte: Mit Vollgas raste ich durch einen kleinen See, der sich nach den Regengüssen in einer kleinen Senke auf dem Asphalt gebildet hatte. Das Wasser schwemmte die Reifen meines Boliden auf, sie verloren jegliche Bodenhaftung und ich konnte nur machtlos dabei zusehen, wie ich plötzlich ins Schleudern kam, von meinem eigenen Heck überholt wurde und der Wagen unkontrolliert ins Kiesbett schlitterte. Autofahrer kennen das gefährliche Phänomen, vor dem auch immer wieder auf Verkehrsschildern gewarnt wird: Aquaplaning. Und keine andere Rennsimulation hat Regenrennen im Allgemeinen und das Aufschwimmen der Reifen bisher so überzeugend eingefangen wie Forza Motorsport 6 mit seinen 3D-Pfützen. Selbstverständlich ist die Idee nicht neu, denn schon
das kultige Amiga-Rennspiel Lotus Esprit Turbo Challenge brachte die Boliden neben Ölspuren auch mit Wasserpfützen ins Schleudern. Doch eine so akkurat und bedrohlich wirkende Umsetzung von Aquaplaning habe ich bisher noch nicht erlebt!
Etwas weniger spektakulär, aber trotzdem willkommen ist die zweite große Neuerung, die sich Forza-Fans neben dem Wetterwechsel gewünscht hatten: Nachtrennen. Dreht man seine abendlichen Runden auf einem Kurs wie Yas Marina, hält sich der Unterschied zum Tageslicht aufgrund der starken Scheinwerfer am kompletten Streckenrand noch in Grenzen. Doch prescht man z.B. auf dem Nürburgring oder Spa Franchorchamps durch die Dunkelheit und kann sich nur auf die Lichtkegel seiner Autolampen verlassen, wird die Kombination aus hoher Geschwindigkeit und mangelnder Übersicht ähnlich beängstigend wie die Fahrt durch die nächste Pfütze. Hinzu kommt, dass sich Nacht- und Regenfahrten eine weitere Gemeinsamkeit teilen: Genau wie bei nassen Oberflächen verringert sich aufgrund der niedrigeren Asphalt-Temperaturen in der Nacht ebenfalls die Bodenhaftung und die Pneus verlieren schneller an Traktion, so dass die Boliden früher über das Limit und entsprechend häufiger ins Rutschen kommen als auf trockenen Pisten bei Sonnenschein. Doch selbst bei idealen Streckenbedingungen ist mehr Feingefühl gefragt als im Vorgänger, denn obwohl die Flitzer nicht mehr so übertrieben stark zum Übersteuern neigen, erfordert das überarbeitete Reifenmodell jetzt mehr Aufmerksamkeit vom Fahrer, um die Belastungsgrenze der Räder nicht zu überschreiten. Denn schmeißt man die Karren zu aggressiv in die Kurven, folgt schnell die Retourkutsche in Form von quietschenden Reifen, die aufgrund der zu hohen Belastung und Temperaturen keinen ausreichenden Grip mehr bieten. Genau wie in der Realität kommt es auf die Mischung an: Von Straßen- über Sport- bis hin zu Rennpneus nimmt die Bodenhaftung zusammen mit dem Anschaffungspreis kontinuierlich zu. Für Drag-Rennen lassen sich sogar spezielle Slicks aufziehen. Ein Glück, dass man sich sowohl mit dem Controller und seinen nützlichen Impuls-Triggern als auch mit einer erhöhten Auswahl an Force-Feedback-Lenkrädern wunderbar an das jeweilige Limit heran tasten kann.
Welch ein Fahrgefühl!
Doch egal ob Lenkrad oder Gamepad, ob Trocken-, Nacht- oder die fantastischen Regenrennen: Die Fahrphysik überzeugt bei diesem Forza Motorsport mehr denn je und vermittelt erneut die Authentizität, die man von einer Rennsimulation erwartet. Es fühlt sich schlichtweg fantastisch an, mit den detailliert modellierten Boliden in der immersiven Cockpitansicht über lizenzierte Pisten wie Laguna Seca, Catalunya, Sebring oder die Nürburgring Nordschleife zu heizen, wobei die potente Grafikengine vor allem auf den wunderschönen Stadtkursen in Prag oder dem Neuzugang Rio de Janeiro zeigen kann, welche Power in ihr steckt. Obwohl es immer noch zu deutlicher Kantenbildung und vereinzelten Pop-ups kommt, ist es erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit die prachtvolle Kulisse im Zusammenspiel mit bis zu 24 Fahrzeugen hier offenbar gestemmt wird, ohne dass die Bildrate unter dieser Masse an Details leidet. Denn egal ob Regen oder Sonnenschein, Innen- oder Außenansicht, beim Solo-Lauf oder mit vollem Starterfeld: Die Engine bleibt konstant bei einer Darstellung von butterweichen 60 Bildern pro Sekunde und trägt damit ebenfalls ihren Teil zum herausragenden Fahr- und Geschwindigkeitsgefühl bei.
Hilfe!
Nicht zu vergessen die umfangreiche Auswahl an Hilfen, wie man sie von Forza kennt und schätzt: Während Profis auf Traktions- und Stabilitätskontrolle genauso verzichten wie auf ABS oder die Einblendung der dynamischen Ideallinie, können sich Anfänger zusätzlich mit einer Lenk- und Bremsunterstützung langsam an die Faszination Motorsport heran tasten, zumal ärgerliche Fahrfehler erneut mit der optionalen Rückspulfunktion ungeschehen gemacht werden können. Das erspart nicht nur Frust, sondern führt im Idealfall zu einem Lerneffekt, wie man es nicht machen sollte – und das, ohne eine weitere Runde für einen neuen Versuch warten zu müssen. Darüber hinaus werden auch wieder zwei Modelle für die Physik angeboten: Unter normalen Bedingungen wird das Fahrverhalten leicht entschärft und die Fahrzeuge besitzen generell eine höhere Bodenhaftung, während bei der Wahl auf Simulation deutlich mehr Arbeit und Feingefühl am Steuer gefordert ist. Dabei zeigte sich dann auch, dass der Anspruch hier generell etwas höher liegt als im fünften Teil, denn drehte ich dort auch mit dem Controller unter Simulationseinstellungen noch recht komfortabel meine Runden, hatte ich hier deutlich mehr Probleme und kam erst am Lenkrad besser mit der höheren fahrerischen
Herausforderung zurecht. Reifenverschleiß und Benzinverbrauch lassen sich ebenfalls als Kollektiv aktivieren, spielen angesichts der meist kurzen Rennen aber zumindest innerhalb der neu und motivierender konzipierten Karriere mit ihren Mini-Serien und eingestreuten Schaurennen genauso wenig eine Rolle wie in den Vorgängern. Schade ist, dass im Gegensatz zu Project Cars oder Assetto Corsa hier keine „reale“ Fahrhilfenkonfiguration angeboten wird, die sich an den tatsächlichen Motorsportserien orientiert. So schalten Profis zwar alles ab, um den Anspruch zu erhöhen und mehr Preisgelder abzusahnen, aber bekommen de facto nicht das Rennerlebnis, was der Realität vielleicht näher kommen würde. Hier wählen die beiden Mitbewerber einen eleganteren Weg.
Keine großen Fortschritte gibt es beim Schadensmodell: Zwar hat man wieder die Wahl zwischen dem Deaktivieren, einer rein kosmetischen Variante oder der vollen Simulation, doch gerade Letztere wird ihrer Bezeichnung kaum gerecht. Schon visuell enttäuscht die Darstellung trotz vereinzelt abfallender Teile wie Außenspiegeln oder zersplitterter Scheiben, denn es bedarf teilweise schon einer enormen Kraftanstrengung, um die Karossen halbwegs in ein Wrack zu verwandeln. Doch auch die mechanischen Konsequenzen nach Kollisionen scheinen weit von der Realität entfernt zu sein und lassen sich oft nicht nachvollziehen, wenn man z.B. mit Vollgas in einen Reifenstapel kracht, aber es weder große Beulen zu sehen gibt noch der Motor einen Schaden von dem schweren Einschlag aufweist. In diesem Bereich besteht definitiv noch Luft nach oben, auch wenn sich viele Hersteller vermutlich weiter dagegen sträuben, dass ihre Modelle in Videospielen überhaupt einen Kratzer abbekommen – immerhin fungieren Titel wie Project Cars, Gran Turismo & Co mittlerweile auch als Marketing-Plattform, um die eigene Marke und das Sortiment dem Publikum sowie potenziell zukünftigen Kunden möglichst gut (und schadenfrei) zu präsentieren.
Wie ein Besuch beim Autohändler
Das gilt speziell für Forza Motorsport und den großartigen ForzaVista-Modus, der dem Besuch beim Autohändler schon verdammt nah kommt. Hier lässt sich jedes einzelne Modell des etwa 450 Wagen starken Fuhrparks nicht nur im Detail von außen betrachten. Man kann auch Türen, Motorhauben sowie Heckklappen öffnen, einsteigen und sogar den Motor anlassen. Zusätzlich warten sowohl draußen als auch im Cockpit Detailbetrachtungen auf Knopfdruck sowie Infokästen mit Maßen und weiteren Angaben. Auch eine kommentierte Vorstellung von Herstellern und ausgewählten Modellen wird wieder geboten, doch wird ein Großteil der professionell eingesprochenen und informativen Texte 1:1 aus dem fünften Teil übernommen. Trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, vor allem bei PS-starken Luxus-Sportwagen von Ferrari bis Lamborghini einzusteigen und bei ForzaVista erneut den Ausführungen zu lauschen oder einfach mal den Motor aufheulen zu lassen. Leider wird man vor allem im Rennbetrieb feststellen, dass man ausgerechnet im Referenzbereich Audio einen kleinen Rückschritt gemacht hat: Die Motoren klangen im fünften Teil satter, kräftiger und überzeugten im direkten Vergleich mit mehr kleinen Details. Zudem veränderte sich dort noch der Klang, wenn man während der Fahrt nach hinten schaute – hier nicht mehr. Und auch die Soundeffekte, etwa bei Kollisionen, kommen längst nicht mehr so wuchtig rüber. Das heißt nicht, dass sich Forza 6 schlecht anhört. Im Gegenteil: Man verbläst hinsichtlich der Klangkulisse auch jetzt noch locker einen Großteil der versammelten Konkurrenz, doch hinterließ der Vorgänger qualitativ einen besseren Eindruck.
Trotz des üppigen Fuhrparks vermisst man die eine oder andere Marke: Hiesige Opel-Freunde müssen ihre Lieblings-Boliden beim britischen Pendant Vauxhall suchen, während Porsche-Ersatz RUF völlig mit Abwesenheit glänzt. Das nährt zwar die Hoffnung, dass Turn 10 nach Absprache mit Lizenz-Eigner Electronic Arts wie bei Forza Horizon 2 ebenfalls ein (vermutlich) kostenpflichtiges Paket mit den Sportwagen aus Zuffenhausen nachreichen wird, ist aber trotzdem schade.
Schönes Streckenpaket
Schön dagegen, dass man das Streckenangebot aufgestockt hat: Während Forza 5 zum Start noch mit einer mageren Auswahl enttäuschte, finden sich hier zum einen die per DLC im letzten Teil nachgereichten Kurse wie Long Beach oder der Nürburgring mit seinen diversen Layouts, sondern auch einige Neuzugänge. Dazu zählen u.a. die amerikanische Traditionsstrecke Watkins Glen, der noch relativ junge Circuit of the Americas in Texas, das Tifosi-Hauptquartier in Monza oder Exoten wie Lime Rock Park, die man sonst nicht aus Rennspielen kennt und Klassiker wie Le Mans, Silverstone, den Mount Panorama Circuit im australischen Bathurst, den Hockenheimring oder Indianapolis hervorragend ergänzen. Zwar fällt auf, dass die Auswahl mit weiteren Abstechern nach Sebring, Road Atlanta, Road America und dem weiteren Neuzugang Daytona sehr USA-lastig ist und ruhig noch mehr internationale Rennschauplätze wie Suzuka, Imola oder Zandvoort auffahren könnte, doch liefert Turn 10 gerade im Vergleich zum mageren Vorgänger ein überzeugendes Paket ab, das auch durch die zusätzlichen Variationen beim Streckenlayout für Abwechslung sorgt.
Statik statt Dynamik
So schön die lang ersehnte Ankunft von Regen- und Nachtrennen innerhalb von Forza Motorsport und deren famose Umsetzung auch ist, gibt es leider den einen oder anderen Dämpfer zu verdauen: Zum einen stehen beide Variationen – übrigens genau wie bei Wettbewerber Gran Turismo – nicht auf allen, sondern nur auf recht wenigen ausgewählten Strecken wie Spa, Le Mans oder dem ebenfalls neu dazugestoßenen Brands Hatch zur Verfügung, das zusammen mit Silverstone dem britischen Schmuddelwetter alle Ehre macht. Dies allerdings niemals in Kombination mit der Dunkelheit, denn bei Nachtrennen ist der Asphalt immer trocken.
Zum anderen fehlt die Dynamik, durch die sich zuletzt Project Cars oder auch F1 2015 ausgezeichnet haben. Man wird hier also genauso wenig eine Wetterentwicklung beobachten können wie ein Voranschreiten der Tageszeit – sei es in Echtzeit oder skaliert. Stattdessen wird für alle Strecken nur ein vorbestimmter „Ist-Zustand“ an einem festgelegten Zeitpunkt geboten, der sich nicht verändert. Pfützen befinden sich folglich immer exakt an der gleichen Stelle und auch die Asphalttemperatur bleibt zusammen mit den Streckenbedingungen konstant – ganz im Gegensatz zu PC-Simulationen wie Assetto Corsa oder iRacing, wo der zunehmende Gummiabrieb auf der Ideallinie z.B. das Grip-Niveau merklich beeinflusst. Das dürfte dann auch eine der Baustellen werden, denen sich Creative Director Dan Greenawalt und sein Team bei der Weiterentwicklung zu Forza Motorsport 7 annehmen könnten. Gleichzeitig fällt durch die Festlegung ein Faktor weg, der in anderen Rennspielen für Spannung sorgt: der Reifenpoker. Doch Boxenstopps spielen abgesehen von den kurzen Veranstaltungen
ohnehin keine große Rolle, denn obwohl man die Schäden beim Besuch an der Garage wieder reparieren lassen kann, fehlt von einer animierten Boxencrew immer noch jede Spur – schade.
Das perfekte Setup
Allerdings kann man nicht nur als Pilot mit der Fahrkunst hinter dem Steuer glänzen, sondern auch die Aufgaben des Mechanikers selbst in die Hand nehmen. Die Setup-Einstellungen offerieren wieder die gewohnt umfangreichen Möglichkeiten, wie man sie aus den Vorgängern kennt: Vom Reifendruck über die Getriebeübersetzung bis hin zu Feinjustierungen am Fahrwerk, der Aerodynamik, den Bremsen oder dem Differenzial sind wieder zahlreiche Handgriffe erlaubt, um die Boliden perfekt auf die jeweilige Strecke und den eigenen Fahrstil abzustimmen. Die Auswirkungen werden umgehend an Echtzeit-Messungen demonstriert, an denen man sehen kann, wie sich die Einstellungen auf die Beschleunigung, den Bremsweg und die Querbeschleunigung auswirken. Wer dagegen praktische Erfahrungen machen möchte, kann das getätigte Setup in Testfahrten ausprobieren und sich dabei sogar an einer Echtzeit-Telemetrie erfreuen.
Wer sich trotz der nützlichen Hilfetexte nicht in die Kunst der Fahrzeugabtimmung einarbeiten will oder wem schlichtweg die Geduld fehlt, schnappt sich einfach vorgefertigte Setups, die von anderen Spielern erstellt und freigegeben wurden. Umgekehrt steht es einem selbst ebenfalls offen, die eigenen Einstellungen mit der Community zu teilen. Schön: Wurde der Setup-Aspekt im Vorgänger noch etwas ins Abseits gedrängt, ist er jetzt wieder prominenter in den diversen Menüs vertreten.
Mehr Leistung, mehr Fahrspaß?
Der Tuning-Aspekt, den vor allem Gran Turismo eingeführt und populär gemacht hat, darf ebenfalls nicht fehlen. Und so wartet erneut die typische Auswahl an Teilen, mit denen man die Leistung ordentlich aufbohren, das Fahrverhalten verbessern und sogar den Bling-Faktor mit schicken Felgen ,breiten Schlappen und Bodykits erhöhen kann. Motoren-Upgrades vom Luftfilter über die Nockenwelle bis hin zum Turbolader geben sich die Klinke in die Hand mit stärkeren Bremsen, Front- und Heckstabilisatoren sowie einem verbesserten Antrieb durch eine optimierte Kupplung oder ein Renngetriebe. Selbst Überrollkäfige können eingebaut und komplette Motoren samt Antrieb umgebaut werden. Diese Fülle an Optionen ist immer noch bemerkenswert und es macht einen Heidenspaß, selbst lahme Krücken in pfeilschnelle Rennwagen zu verwandeln. Trotzdem gibt Turn 10 auch hier Faulpelzen eine Hilfestellung an die Hand und lässt Tuning-Maßnahmen optional automatisch für die gewünschte Klasse durchführen.
Ein Paradies für Künstler
Ich gebe zu: Was den Design-Editor angeht, bin ich vollkommen talentfrei. Schon das Basteln unseres 4P-Logos hat mich Stunden gekostet und die Qualität war am Ende...nun ja...nicht sonderlich berauschend. Und so bin ich immer wieder erstaunt darüber, welche Kunstwerke andere Leute mit diesen mächtigen Werkzeugen erschaffen können, um sie anschließend mit der Community zu teilen. Hier stehen jetzt noch mehr vorgefertigte Muster, Schriftarten & Co zur Verfügung, mit deren Hilfe sich kreative Lackierer austoben können. Schön: Werke aus Forza Motorsport 5 und Forza Horizon 2 können einfach importiert werden. Und so dürfte es schnell wieder mehr als genug Alternativen zu den ohnehin schon umfangreichen Lack-Optionen geben, die neben offiziellen Herstellerfarben auch interessante Alternativen wie einen Holz-Look, Tarnmuster oder einen Chamäleon-Anstrich umfassen. Dabei lassen sich Motorhaube, Außenspiegel, Heckspoiler und sogar die Felgen getrennt lackieren, während man den Scheiben eine Tönung verpassen darf.
Evolution statt Revolution
Bei den Spielmodi setzt man auf den ersten Blick ebenfalls auf Bewährtes: Bei den Rivalen kämpft man beim Hotlapping um die schnellsten Rundenzeiten und erfreut sich an einer höheren Anzahl an Filtern bei der Bestenliste, bei der saubere, aber langsamere Runden immer noch wertvoller sind als schnellere Zeiten mit Fehlern und auch die verwendeten Fahrhilfen sowie Setups aufgeführt werden. Was leider immer noch fehlt, ist eine Angabe, ob jemand mit der normalen oder der Sim-Steuerung unterwegs war, aber das lässt sich verschmerzen. Im freien Spiel lassen sich wie gewohnt Einzelrennen veranstalten, wobei man Strecke, Auto, Gegner- und Rundenanzahl neben weiteren Optionen nach eigenen Wünschen einstellen kann. Nette Neuerung: Nach dem Abschluss eines Rennens werden umgehend weitere Strecken unter gleichen Voraussetzungen vorgeschlagen, so dass man gleich weitermachen kann. Leider fehlt immer noch die Möglichkeit, sich das Starterfeld komplett selbst zusammenstellen zu können – so wie es früher z.B. bei PGR der Fall war. Es nervt einfach, wenn aufgrund der gleichen Klasse plötzlich Formel-Flitzer in einem Tourenwagenrennen mitmischen. Zudem wäre es schön, auf Knopfdruck ein freies Rennen auf ein Fahrzeugmodell beschränken zu können, also quasi eine Cup-Option zu bekommen.
Mods halten Einzug
Die Karriere bekommt ein leichtes Facelifting, indem man sie jetzt in einzelne Staffeln und Serien unterteilt. Ingesamt werden fünf Staffeln geboten die von anfänglichen Straßenrennen mit Serienwagen über Gran-Turosmo-Events bis hin zum ultimativen Motorsport mit LeMans-Prototypen und Formelwagen reichen. Die Serien innerhalb der Staffeln widmen sich dagegen bestimmten Themen, so z.B. Mini-Meisterschaften, in denen ausschließlich Nachtrennen oder US-Pisten auf dem Programm stehen. Vor jeder Serie legt man sich auf einen Wagen fest und hat dabei die Auswahl zwischen verschiedenen Klassen und Modelltypen. Die „Geschichte des Motorsports“ lässt sich zwischendurch mit Schaurennen auflockern, die man nach und nach freischaltet. Hier darf man nicht nur erste Luft in sündhaft teuren Rennmaschinen schnuppern, sondern sich auch Herausforderungen stellen, die man schnell mit Project Gotham Racing verbindet – Stichwort: Pylonen-Rennen und Überhol-Challenges. Und auch Stig der TV-Sendung Top Gear steht dort für Duelle bereit, während die (Ex-)Moderatoren der kultigen Auto-Show in die einzelnen Staffeln und Serien vorstellen. Selbst echte Rennfahrer kommen vereinzelt zu Wort.
Die größte Neuerung stellen allerdings die Mods für die Karriere dar. Bevor jetzt alle freudig aufschreien und sich eigene Strecken und Auto erhoffen: Nein, Modifikationen im Forza-Sinn entsprechen eher dem, was im Shooter-Genre Perks verrichten. So verschafft man sich mit Karten in Mod-Paketen, die man entweder per Los gewinnen oder mit Spielwährung kaufen kann, gewisse Vorteile wie etwa eine verbesserte Traktion oder stärkere Bremsen. Neben solch permanenten und unbegrenzt einsetzbaren Mods gibt es aber auch solche, die sich nur einmal verwenden lassen, um sich z.B. in der Startaufstellung weiter nach vorne setzen zu lassen oder sich einen Preisbonus zu sichern. Und dann gibt es noch Variationen, welche die Rennen nicht einfacher gestalten, sondern die Herausforderung bei Ausrüstung erhöhen. Dazu zählt z.B. die Deaktivierung der Rückspulfunktion, das Abschalten von Fahrhilfen oder längere Schaltzeiten im jeweiligen Rennen, bei dem man selbstverständlich mehr Geld verdienen kann. Ich stand dieser Mod-Mechanik zunächst eher skeptisch gegenüber, doch mittlerweile habe ich hier einen ähnlichen Spaß daran, mit verschiedenen Kombinationen zu experimentieren, wie ich ihn damals bei der Ausrüstung meines Fahrers im Renn-Rollenspiel SCAR hatte. Hinzu kommt, dass sich meine Befürchtungen nicht bestätigt haben, dass man sich durch die Mods unfaire Vorteile für den Rang auf der Bestenliste verschaffen könnte, denn genau wie bei Fahrfehlern wird auch die Verwendung von Mods entsprechend markiert. Schade finde ich in diesem Zusammenhang, dass ich nicht mehr umgehend nach einem Karriererennen zum Rivalen-Modus übergehen darf, sondern dafür den längeren Weg über das Hauptmenü gehen und anschließend wieder die besagte Strecke suchen muss. Das war im Vorgänger deutlich komfortabler gelöst.
Kein klassisches Wochenende
Was ich darüber hinaus immer noch vermisse, sind klassische Rennwochenenden inklusive einer Qualifikation, denn in der Karriere startet man wie gehabt auf einer festgelegten Position, die sich meist mitten im Feld befindet. Wie schön wäre es, im Vorfeld um die Pole Position kämpfen oder sogar eigene Meisterschaften ausrichten zu können... Zwar versicherte mir Dan Greenawalt im Gespräch, dass nur ein bedeutend geringer Anteil der Spieler ein Interesse an einem klassischen Rennwochenende habe und sich Hotlapper stattdessen im Rivalen-Modus austoben, aber hey: Wie schwer kann es sein, ein Qualifying als Alternative anzubieten, selbst wenn es nur für eine Minderheit ist? Das gilt auch für die Anpassung des Sichtfeldes, die am PC zum guten Ton gehört. Gerade in der Cockpitansicht wünsche ich mir oft, den Sitz ein wenig nach vorne oder hinten stellen zu können, um entweder die Übersicht auf die Strecke oder aber in den Außenspiegel zu erhöhen. Je nach Modell kann es hier nämlich passieren, dass die Sitzposition so ungünstig ist, dass man keinen Blick in den Seitenspiegel mehr erhaschen kann.
Beeindruckende Drivatar-Technologie...mit Abstrichen
Als Konkurrenz schickt man weiterhin die Drivatare auf die Piste – also eine KI, die keinen festen Skripts folgt, sondern spontan reagiert und sogar lernfähig ist. Genau wie beim Vorgänger und Forza Horizon 2 bringt das auch hier Vor- und Nachteile mit sich: Ein Vorteil ist auf jeden Fall, dass kein Rennen dem anderen gleicht. Egal für welchen Schwierigkeitsgrad man sich entscheidet, wird das Verhalten der KI nie berechenbar und man erlebt immer wieder Überraschungen – wie im richtigen Leben halt. Das Problem dabei: Viele Spieler fahren nicht wie echte Rennfahrer. Und obwohl beide den unbedingten Siegeswillen teilen, könnten ihre Methoden für das Erreichen dieses Ziels kaum unterschiedlicher sein. Während sich der gemeine Spieler ohne Rücksicht auf Verluste durch das Feld rempelt, muss ein echter Rennfahrer wesentlich vorsichtiger und cleverer agieren, um nicht das Material zu gefährden oder eine Strafe zu riskieren.
Das spiegelt sich im Verhalten vieler Drivatare wider, die durch ihr aggressives Auftreten hier etwas zu häufig den Pistenrowdie markieren und mit dem Messer zwischen den Zähnen fahren. Vielleicht würde ein längst überfälliges Straf- oder Flaggensystem diesen Umstand etwas minimieren, doch bietet Turn 10 jetzt zumindest im Rahmen der Fahrhilfen an, das Aggressionspotenzial der KI etwas zu zähmen. Im Gegenzug verlieren die Positionskämpfe allerdings spürbar an Biss, so dass ich mir manchmal einen Mittelweg zwischen beiden Extremen gewünscht hätte. Auf der anderen Seite gibt es auch viele großartige Momente – nämlich dann, wenn die Verfolger zwar ordentlich Druck machen und den Windschatten nutzen, dabei aber fair bleiben und auch mal freiwillig zurückstecken, falls das geplante Überholmanöver zu riskant erscheint oder keinen Sinn ergibt. Was generell auffällt: Die Drivatare wirken stärker als im Vorgänger und setzen mich schon auf niedrigeren Stufen stärker unter Druck. Außerdem zieht sich das Feld überraschend schnell auseinander und zwei bis drei Fahrzeuge setzen sich an der Spitze ab. Enge Schikanen oder Kurven bereiten der KI vor allem im Pulk immer noch gewaltige Probleme, die sogar über unvermeidbare Kollisionen hinausgehen und Totalaussetzern bei ihrer Orientierung führen können. Teilweise fragt man sich sogar in völlig harmlosen Situationen, warum der Drivatar auf gerader Strecke einen Abflug macht, ohne großartig bedrängt zu werden.
Regelmäßige Sektorenzeiten mit entsprechenden Abständen zu Vorder- und Hintermann gibt es zwar nicht, doch genau wie in den Mehrspieler-Partien lässt sich in den Optionen eine Echtzeit-Angabe aktivieren, die permanent die aktuellen Abstände misst und einblendet. Ich nutze diese Angaben in anderen Rennspielen immer gerne als Orientierung, um zu erfahren, wie ich mich aktuell im Vergleich zur Konkurrenz schlage. Fahre ich einen Abstand heraus oder kommt der Verfolger näher? Setzt sich der Führende ab oder komme ich näher ran? Standardmäßig ist diese Funktion leider nur für Mehrspieler-Rennen aktiviert. Möchte man sie auch in Offline-Rennen und damit auch im Rahmen der Kampagne nutzen, muss man zuerst einen Blick in die HUD-Optionen werfen.
Fehlende Community-Funktionen
Die Community ist ohne Zweifel ein starker Stützpfeiler der Forza-Serie. Und obwohl immer noch sehr viel geboten wird – neben Tuning-Setups und Lackierungen lassen sich weiterhin auch Videos und Fotos dank entsprechend aufwändiger Werkzeuge teilen – ist es auf der anderen Seite traurig zu sehen, was mittlerweile alles gestrichen wurde. Allen voran die Clubs, die im Ableger Horizon noch vorhanden sind und die ich auch hier gerne wieder sehen würde. Zudem vermisse ich das Auktionshaus für Fahrzeuge und Lackierungen, in dem ich früher immer gerne herumgestöbert habe.
Immerhin lässt man mittlerweile wieder den Autoverkauf zu – allerdings nicht an andere Spieler, sondern gegen die Hälfte der Anschaffungskosten für das jeweilige Fahrzeug. Schade, wenn man bedenkt, dass man im vierten Teil sogar noch Autos an seine Freunde verschenken konnte. Zumindest die Ökonomie innerhalb des Spiels hat man im Vergleich zum Vorgänger massiv verbessert: Preisgelder und Anschaffungskosten für Zubehör sowie Wagen stehen in einer guten Relation zueinander – zusätzlich heimst man durch Glückslose beim Rangaufstieg weitere Gewinne ein, die Spielwährung, Mod-Pakete oder Neuwagen umfassen können. Und das Beste: Von den unsäglichen, unverschämten Mikrotransaktionen fehlt jede Spur und Reste der Boost-Mechanik finden sich lediglich in den Mods, wo sie zudem wesentlich cleverer eingebunden wurde.
Chaos auf den Online-Pisten!
Und wie schlägt sich Forza 6 bei Online-Rennen? Das wollten wir in den letzten Tagen herausfinden und sehen, wie sich die Server nach den positiven Eindrücken im Vorfeld der Veröffentlichung in geschlossenen Tests jetzt „in freier Wildbahn“ schlagen. Dabei scheint die Performance unter der steigenden Spielerzahl spürbar zu leiden: Vor allem in den Abendstunden gibt es kaum Rennen, in denen nicht die Meldung „schwache Onlineverbindung“ eingeblendet wird, was sich auch in mitunter starken Lags widerspiegelt. Teilweise ist es sogar nicht mehr möglich, eine Verbindung zum Mehrspieler-Modus aufzubauen – hier schafft ein Neustart des Spiels meist Abhilfe. Zwar scheint sich die Situation etwas zu bessern – gestern und heute hatte ich z.B. kaum noch technische Probleme – aber zwischendurch trifft man trotzdem immer wieder auf lagverseuchte Events. Vielleicht wäre es klüger, wenn das automatische Matchmaking die Leistungsqualität der einzelnen Teilnehmer stärker beim Zusammenwürfeln berücksichtigen würde, doch gibt es weder eine entsprechende Anzeige in den Lobbys noch Filteroptionen. Letztere kommen generell bei der Suche etwas zu kurz, wenn man schon keinen echten Server-Browser anbietet. So wäre es z.B. clever, auf Wunsch nur in offene Sitzungen vermittelt zu werden, in denen z.B. jeder Teilnehmer mit der Sim-Physik oder einem vollen Schadensmodell unterwegs ist. In diesem Zusammenhang ist es auch schade, dass man seine Fahrhilfen nicht mehr ändern bzw. anpassen kann, sobald man in einer Lobby gelandet ist. Manchmal wird man außerdem kurz vor dem Rennstart einem Spiel zugewiesen, so dass man nicht einmal mehr die Zeit hat, sich ein konkurrenzfähiges Auto auszusuchen. Wer schnell genug reagiert, entscheidet sich in solchen Situationen besser für den gelungenen Zuschauermodus, zu dem man auch in laufenden Partien schalten kann. Hier lassen sich alle Teilnehmer nach Belieben mit einer großen Auswahl an Kameraansichten durchschalten – nur ein Blick in die Cockpits darf man leider nicht werfen.
Lieber mit Freunden
Fazit
Turn 10 und Microsoft haben aus den Fehlern des Vorgängers gelernt: Forza Motorsport 6 präsentiert sich mit der Kombination aus traumhafter Fahrphysik und großem Umfang als die Rennsimulation, die ich mir schon 2013 vom fünften Teil gewünscht hätte. Dank des überarbeiteten Reifenmodells tastet man sich jetzt noch authentischer ans Limit der zahlreichen Modelle heran und neben den neuen Nachtrennen sind es vor allem die spektakulären Ausflüge auf nasse Pisten, die mit ihren 3D-Pfützen die neue Referenz markieren. Leider fehlt die Dynamik bei Wetter und Tageszeiten – auch auf klassische Rennwochenenden und Meisterschaften muss ich weiter verzichten. In dieser Hinsicht und bezüglich der dynamischen Veränderung der Streckencharakteristik haben andere Simulation die Nase vorn - vor allem am PC. Ein Assetto Corsa mag sich insgesamt besser anfühlen, ein Project Cars inhaltlich näher am realen Rennzirkus dran sein. Aber Forza 6 bietet derzeit das beste Gesamtpaket im virtuellen Motorsport! Diese Mischung aus realistischer, aber dennoch zugänglicher Fahrphysik, massig Tuning-, Setup- sowie Lackierungsoptionen sowie ein gewaltiger Umfang sucht ihresgleichen – und das alles stylisch präsentiert in überragender Technik.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Forza Motorsport 6 markiert zum Jubiläum die Krönung innerhalb der Reihe und ist der neue Regen-König unter den Rennsimulationen.
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