Im Test: Der tote Planet
Tyrannei auf dem Mars
Wie würde der Mars aussehen, wenn statt grüner Männchen humanoide Faschisten oder Kommunisten dort regieren? Vermutlich so düster und deprimierend wie in diesem Abenteuer von Spiders, das in eine Welt entführt, die die Franzosen bereits in Mars: War Logs vorgestellt haben. Das Intro skizziert eine dystopische Zukunft auf dem Roten Planeten, wo mutierte Menschen wie Aussätzige behandelt werden, das Artdesign setzt auf monumentale Symbolik und großflächige Propaganda im Stile der Sowjetunion und des Dritten Reichs. Schon früh wird man zudem Zeuge brutaler Gewalt gegenüber Zivilisten und fühlt sich aus den eigenen Reihen beobachtet. All das sind interessante Ansätze.
Zwischen Gabe und Fluch
Dass man sich nicht für eine Frau entscheiden kann, ist nicht das Problem. Viel wichtiger ist abseits der wirklich langweiligen ersten Schritte in einer Grau-in-Grau-Kulisse: Wie will die Story diesen gelackten Befehlsempfänger zur moralisch handelnden Figur machen? Wie soll man sich mit ihm identifizieren? Zum einen gibt es innerhalb der Technomancer die Bösen und die Guten; wie etwa den Ausbilder und Mentor von Zachariah, der ein wenig an Wesker aus Resident Evil erinnert und seinen Schützling verständnisvoll einweiht. Und natürlich gibt es den entsprechenden Antagonisten, der skrupellos führt. Zum anderen gelten sie zwar als Orden mit heiliger Gabe, aber was wäre, wenn diese zauberhafte Elektromacht gar nicht von den Göttern käme, sondern Ausdruck der marsianischen Mutation wäre? Dann wären die Elitepolizisten ja selbst Aussätzige...
Politische Fraktionen und Entscheidungen
Auch wenn Zachariah selbst nach Stunden voller Entscheidungen als Charakter blass bleibt und kaum eine Nebenfigur wirklich charismatisch schauspielt: Man muss der Regie zugute halten, dass sie eine innenpolitische und eine außenpolitische Spannung aufbaut, denn schon bald wird man verfolgt, begegnet unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb der Stadt sowie der Bedrohung von außen durch eine andere Technomancer-Organisation namens Aurora. Man bewegt sich aber nicht frei in einer offenen Welt, sondern wird meist durch Quests geleitet und erkundet dabei schrittweise die Stadtviertel oder marsianische Außenbezirke. Obwohl es einige ansehnliche Panoramen gibt, will sich bei diesen Ausflügen keine Begeisterung einstellen - zu ähnlich und zu leblos wirken die Gebiete.
Aufträge, Ruf und Karma
Die Quests sind weder komplex noch tief, aber abwechslungsreich: Neben klassischem Holen und Bringen gibt es z.B. Eskorten und Befreiungsaufträge, man soll auch mal überzeugen oder zunächst recherchieren, eine Person verfolgen oder etwas auf Zeit lösen. Die kann man übrigens in seinem kleinen Hauptquartier über den Schlaf vorspulen, um
Neben dem außenpolitischen Ruf von Zachariah gibt es auch sein persönliches Karma: Wer den Leuten hilft, gewinnt welches; wer seine Opfer nach den Gefechten skrupellos ausblutet, um mehr Flüssigkeitsbeute zu machen, verliert Karma. Und wenn das schlechte Regionen erreicht, reagieren die Gefährten vielleicht negativ oder verweigern Befehle. Ja, man ist nicht alleine unterwegs, sondern als Trio: Recht früh bekommt man zwei Soldaten an die Seite gestellt, die unterschiedliche Persönlichkeiten sowie Kampfstile besitzen. Schade ist, dass man ihre Talente nicht entwickeln kann. Man kann aber mit ihnen sprechen, erfährt mehr über ihre Ansichten und bekommt vielleicht Quests. Schön ist auch, dass sie die eigenen Aktionen ab und zu kommentieren. Und wenn man die Beziehung zu ihnen verbessert, gibt es einen Talentbonus.
Kampf mit Gefährten und Stil
Im Echtzeit-Kampf agieren sie selbstständig, aber man kann ihnen taktische Anweisungen von offensiv über normal bis defensiv geben. Leider befolgen sie diese mehr schlecht als recht; vor allem der Schütze hat Probleme, seine Distanz zu halten. Man kann sie auch nicht klug im Raum positionieren oder Höhenvorteile nutzen, so dass sie eher wie aufgescheuchte Hühner agieren. Trotz taktischer Optionen laufen die Kämpfe in der Gruppe also eher hektisch ab. Aber man hat in der Rolle von Zachariah einige interessante Möglichkeiten, denn man kann dynamisch von einem zum anderen Kampfstil oder Zaubereinsatz übergehen - oder sich zwischendurch heilen, Bomben legen etc. Und all das wird solide animiert, nur die Bildrate kommt dabei schonmal ins Stottern.
Charakterentwicklung und Talente
Bei der Charakterentwicklung empfiehlt sich letztlich die Spezialisierung auf einen der drei Pfade Kämpfer, Gauner oder Wächter sowie die Erweiterung der aktiven und passiven Technomancer-Fähigkeiten. Letztere sind zwar in ihrer Anwendung begrenzt, aber dennoch sehr mächtig: Vor allem der Elektroblitz aus der Distanz erledigt später viele Gegner, ohne dass man danach noch groß in den Nahkampf gehen müsste. Sehr ernüchternd ist es, wenn man dann selbst kleinere Bosse auf diese Art recht schnell erledigt. Hinzu kommt, dass man die beschränkte Wegfindung seiner Feinde immer ausnutzen kann - sie laufen dumm in Bomben, selbst wenn man sie vor ihren Augen gelegt hat, oder kehren ab einem Punkt immer um, so dass man ihnen in den Rücken schießen kann.
Man kann neben kämpferischen Pfaden auch sechs Talente von Charisma, Wissenschaft, Herstellen, Tarnung Fallen und Schlösser bis hin zu Erkundung in drei Stufen entwickeln, um entweder in Dialogen rhetorisch zu überzeugen oder neue Aktionen wie das Öffnen von Truhen freizuschalten. Auch hier wird mehr Vielfalt suggeriert als letztlich dahinter steckt.
Immerhin gibt es rudimentäre Schleichelemente: Man kann auf Knopfdruck in die Hocke gehen und seine Lampe ausschalten, um sich unbemerkt an Feinde zu pirschen - bei Erfolg darf man einen "kritischen" Treffer landen, der aber zu Beginn noch recht belanglos verpufft, zumal es zu selten wirklich gelungene Infiltrationssituationen gibt - das Leveldesign bietet viel zu wenig Abzweigungen oder Geheimgänge. Richtig ärgerlich ist, dass man Türen nicht leise öffnen kann, so dass man immer wie ein Elefant in den Porzellanladen stürzt und die Entdeckung unvermeidlich ist.
Fazit
The Technomancer hat sich bemüht. Das futuristische Abenteuer auf dem Mars bietet auf den ersten Blick zig Aspekte, die Rollenspiele auszeichnen: eine Charakterentwicklung mit mehreren Pfaden, Party-Interaktion mit Gefährten, sogar ein Karma-Prinzip, moralische Entscheidungen, einige Konsequenzen, diverse Questtypen, Schleichaspekte und Crafting. Aber hinter dieser Masse steckt in allen Bereichen zu wenig Klasse: Überall vermisst man mehr Qualität und Tiefe. Man kann hundert Sachen machen, aber alles bleibt an der Oberfläche. Hinzu kommen trotz einiger stimmungsvoller Panoramen ein generisches Artdesign sowie technische Probleme in der Bildrate, sporadische Grafikfehler und Bugs. Lediglich das dynamische Kampfsystem kann mit seinen Manövern sowie Zaubern unterhalten. Aber das größte Problem dieses Rollenspiels ist seine Dramaturgie: Schon im Einstieg fällt es schwer, sich mit dem stereotypen Helden zu identifizieren. Zwar kann man ihn vom Befehlsempfänger zum Rebellen entwickeln, aber auch die Dialoge mit sowie die Charakterzeichnung der anderen Protagonisten enttäuschen. Obwohl man über Leben und Tod entscheiden kann, wird man kaum von den innnenpolitischen Konflikten berührt. Die Regie entwickelt nichts, sondern tischt immer mehr auf. Neben dieser trügerischen Vielfalt blitzen ab und zu die Stärken der ansehnlich inszenierten Kämpfe auch gegen Bosskreaturen auf. Aber ansonsten schlägt man sich ohne besondere Spannung oder emotionale Anbindung durch eine weitgehend sterile Spielwelt, die im Zeitalter von The Witcher 3 oder Fallout 4 einfach keine Anziehungskraft besitzt.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Technomancer bietet vieles, was man von Rollenspielen wie Mass Effect oder Fallout 4 kennt. Aber in keinem Bereich erreicht es die Klasse der Vorbilder und sowohl Spielwelt als auch Dramaturgie ernüchtern. Hinzu kommen Bugs und technische Probleme.
XboxOne
Technomancer bietet vieles, was man von Rollenspielen wie Mass Effect oder Fallout 4 kennt. Aber in keinem Bereich erreicht es die Klasse der Vorbilder und sowohl Spielwelt als auch Dramaturgie ernüchtern. Hinzu kommen Bugs und technische Probleme.
PlayStation4
Technomancer bietet vieles, was man von Rollenspielen wie Mass Effect oder Fallout 4 kennt. Aber in keinem Bereich erreicht es die Klasse der Vorbilder und sowohl Spielwelt als auch Dramaturgie ernüchtern. Hinzu kommen Bugs und technische Probleme.
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