Redout12.09.2017, Benjamin Schmädig

Im Test: Mit Bluthochdruck auf Speed

“Blackout” ist klar, aber “Redout (ab 7,99€ bei kaufen)”? Die Begriffe beziehen sich auf zwei Seiten ein und desselben Phänomens: das Einwirken der Fliehkraft in der Luftfahrt. Wünschenswert ist dabei weder das eine noch das andere – es sei denn, man rast mit fast tausend Sachen durch die Zukunft. Dort passt es nämlich ganz hervorragend, wenn man inzwischen nicht nur am PC, sondern auch vor PlayStation 4 und Xbox One am Steuerknüppel sitzt. Was das für den Blutdruck bedeutet, lest ihr in unserem Test der seit kurzem erhältlichen Konsolenversionen.

Wenn Kräfte fliehen

Wie Redout zu seinem Namen kommt? Weil es Spielen der Marke F-Zero oder WipEout einen Aspekt hinzufügt, den sie in dieser Form noch nicht nachgeahmt haben: Donnert man an Bord eines Hochgeschwindigkeit-Gleiters so schnell durch einen Looping, dass nicht nur der Hintern, sondern auch das Blut buchstäblich in den Sitz gedrückt wird, fehlt selbiges im Kopf und man sieht Schwarz. Brettert man hingegen über eine Kuppe, während das Magnetfeld den Flieger weiterhin auf der Strecke hält, wird so viel Lebenssaft in die Rübe, dass man einen Redout erlebt.

Reale Phänomene, die für Piloten echte Gefahren darstellen – im Arcade-Racer des italienischen Studios 34BigThings aber selbstverständlich nur einen Zweck erfüllen: zeigen, dass man mit knapp tausend Sachen durch die Zukunft rast. Und obwohl es im Spiel statt des angeblichen Blackouts nur dessen Vorstufe, den Greyout gibt, gelingt ihnen das auf Anhieb verdammt

Auch auf PS4 und Xbox One überzeugt Redout mit einem famosen Geschwindigkeitsgefühl.
gut!

Bis an die Schallmauer

„Auf Anhieb“, da 34BigThings erst vor vier Jahren von abgehenden Studenten gegründet wurde und gerade mal zwei vergleichsweise kleine Spiele veröffentlicht hat. Das heißt aber offensichtlich nichts, denn Redout ist gemeinsam mit Fast RMX auf Nintendo Switch genau das, was WipEout und F-Zero einst populär gemacht haben: schnelle, todschicke Rennspiele, die Reaktionsgeschwindigkeit und Fingerspitzengefühl alles abverlangen.

Will heißen, man steigt auch hier in einen der Gleiter, die mit absurd hoher Geschwindigkeit durch einen High-Tech-Entwurf unserer Zukunft zischen – am Anfang noch mit etwa 600 Sachen, später knapp vor der Grenze zur Schallmauer. Im Rahmen der angenehm ausführlichen Karriere spult man Rennen verschiedener Art ab, erhält dabei Zugang zu immer höheren Geschwindigkeitsklassen und kauft vom Preisgeld neue Schiffe sowie Module, die deren Flugeigenschaften verändern. In Einzelrennen übt man zudem nach Lust und Laune, während sich online bis zu sechs Schnellflieger an Start und Ziel begegnen, während es im PC-Original noch zwölf waren.

Die Kulissen der V.E.R.T.E.X.-Umgebung bestechen mit geometrischem Minimalismus. Redout setzt auf absraktes Artdesign.

Rallyeflieger

Die Gleiter fühlen sich klasse an, weil sie präzise auf Eingaben reagieren, aber so behäbig ihre Trägheit überwinden, dass man mit entsprechendem Schiff und Können schon mal wie im Rallyewagen durch eine Haarnadel fliegt, während die Nase auf die innere Streckenbegrenzung zeigt. 34BigThings beweist viel Fingerspitzengefühl für den notwendigen Anspruch im Arcade-Bereich.

Der Saft der Zukunft

Mit dem gelungenen Einbinden eines begrenzten Energievorrats fügen die Entwickler dem Fliegen zudem eine interessante Komponente hinzu: Die Batterie liefert nicht nur den Kraftstoff für kurze Geschwindigkeitsschübe – um etwa schnell aus einer Kurve zu beschleunigen –, sondern dient auch als Ressource für aktive Module, darunter ein besonders aggressiver Turbo, ein Aufladen beschädigter Schilde, zusätzliche Magnetstärke (a.k.a. Bodenhaftung) und ein Umleiten der Energie gegnerischer Gleiter in den eigenen Akku.

Man muss daher abwägen, ob man ein Modul aktiviert, den kurzen Schub nutzt oder ob eine andere Zusammenstellung aktiver und passiver Module vielleicht von vornherein sinnvoller ist. Immerhin verleihen passive Erweiterungen dem Schiff u.a. ein schnelleres Aufladen der Batterie, einen stärkeren Schild, höhere Beschleunigungswerte oder andere Vorteile. Man könnte also das flinke Aufladen des Akkus nutzen, um die zusätzliche Bodenhaftung ständig aktiviert zu lassen. Oder ist es besser, mit dem passiven Modul die eigene Geschwindigkeit im Windschatten eines Kontrahenten zu erhöhen, um ihm anschließend manuell Energie abzuzapfen?

Die Umsetzung für PlayStation 4 und Xbox One enthält alle Inhalte, die auf Steam nach der ursprünglichen Veröffentlichung und tlw. als kostenpflichte Pakete hinzugefügt wurden, darunter 15 Strecken in drei Umgebungen.

Spielerisch und inhaltlich gleicht die aktuelle PC-Fassung ansonsten der Konsolen-Version, lässt aber zwölf statt sechs Teilnehmer in Online-Rennen zu. Mitspieler findet man zum gegenwärtigen Zeitpunkt dabei leider kaum.

Schön, dass 34BigThings ähnlich wie Fast RMX auf die sonst üblichen Raketen und Minen verzichtet, um stattdessen das taktische Fliegen zu stärken! Das Individualisieren mit der gelungenen Energieverwaltung im Mittelpunkt steht dem Spiel jedenfalls hervorragend.

Mehr Quantität als Qualität?

Eine kleine Schwäche ist hingegen die fehlende Abwechslung auf den 35 Strecken. Dort gibt es zwar Loopings, Spiralen sowie weite und enge Kurven, währnd die auf PC nur als kostenpflichtiger Downloadinhalt erhältlichen drei Umgebungen mit insgesamt 15 Kursen den Umfang sowohl visuell als auch spielerisch erweitern. Insgesamt fehlen aber nach wie vor einfallsreiche Hindernisse wie in Fast RMX oder den Strecken der WipEout Omega Collection, Weggabelungen oder andere Besonderheiten. Die meisten Kurse ähneln sich schlicht und ergreifend zu sehr. Man vermisst Finessen wie besonders schmale oder breite Abschnitte sowie Kombinationen von Schikanen, durch die man mit dem richtigen Einsatz der Luftbremsen beinahe geradeaus rast.

Grundsätzlich ist die Qualität der Kurse dabei sehr hoch: Lange Geraden wechseln sich mit Unterwasser-Abschnitten, engen Kurven und spektakulären Über-Kopf-Passagen ab und sowohl die wie einer Designstudie entwachsenen Umgebungen als auch viele Streckenteile sehen grandios aus! Spätestens, wenn man unter Einfluss eines Redouts in den Schleier eines Sandsturms donnert, durch den matt die Sonne scheint, spielt es fast keine Rolle mehr, dass es in dieser Konsolengeneration wohl kein neues WipEout geben wird.

Die vom Spiel gesteuerten Kontrahenten stellen auch Könner vor eine Herausforderung.

Farbe und Fehler

Farbe bringen außerdem solche Rennen in die Karriere, die satte 14 Runden dauern oder über sämtliche fünf Kurse eines Schauplatzes führen. Gut auch, dass sich in der Karriere Wettläufe mit und ohne eingeschaltete Module abwechseln und es sogar verschiedene Arten von Zeitrennen gibt: mal mit, mal ohne Module, mal gegen einen ständig ablaufenden Countdown, mal mit so schwachen Schilden, dass man sich kaum Fehler leisten darf.

Und wie ärgerlich ist es gerade deshalb, dass es keine weltweiten Ranglisten gibt! So umfangreich die Karriere auch ist, so wichtig wäre es für den langfristigen Ansporn, dass man nicht nur die eigenen Bestzeiten schlagen, sondern sich auch mit Freunden und Fremden messen könnte.

Schade außerdem, dass man für Onlinerennen lediglich drei der Wettkampfarten wählen darf. Im Gegensatz zum ursprünglichen veröffentlichten PC-Spiel bestimmt man jetzt immerhin die Geschwindigkeitsklasse selbst. Man kann sogar in Fliegern an den Start gehen, die in der Karriere noch nicht freigeschaltet sind, verfügbare Strecken muss man jedoch freischalten. Während man mit einem Kumpel außerdem am geteilten Bildschirm um die Wette rast, seien ambitionierte Online-Raser gewarnt: Mitspieler findet man leider kaum.

Fazit

Schade: Nach hinten raus vergeben die Entwickler wichtige Chancen, um ihr im Kern sehr gutes Spiel auf lange Sicht auf diesem Niveau zu halten. Die Streckenführung gleicht sich auf den meisten der 35 Kurse sehr und das Fehlen von Online-Ranglisten für den Vergleich der Bestzeiten, also der wichtigste Aspekt späterer Spielsitzungen, ist richtig ärgerlich. Abseits dieser Einschränkungen ist Redout allerdings einer der besten Hochgeschwindigkeit-Racer der vergangenen Jahre! Es sieht umwerfend gut aus und lebt von einem ausgezeichneten Fluggefühl, das man über den Einsatz aktiver und passiver Module an eigene Vorlieben anpasst – die clevere Energieverteilung auf den Einsatz von Boost oder Modul erweitert das Rasen um eine interessante taktische Komponente. Klasse sind auch die beinharten Kontrahenten: Manche Rennen der erfreulich langen Karriere muss man wiederholen, um nach Bronze oder Silber irgendwann die Goldmedaille einzusacken. Weil die Umsetzungen für PlayStation 4 und Xbox One von einigen Ergänzungen profitieren, die dem PC-Original im Nachhinein zuteil wurden, kann man seinen Durst nach WipEout oder F-Zero derzeit nicht besser stillen als mit Redout!

Pro

überzeugende Flugphysik
ausführliche, abwechslungsreiche Karriere mit freier Wahl des nächsten Rennens
beinharte Kontrahenten
variables Energiesystem kann verschieden genutzt werden
motivierendes Erweitern mit aktiven und passiven Modulen sowie Ausbau der Grundeigenschaften
verschiedene Renntypen, einschließlich Langstreckenläufen
schnell vorbei rauschende Kulissen in hohen Geschwindigkeitsklassen
sehr schicke Umgebungen
Online- und Splitscreen-Rennen

Kontra

überschaubare Abwechslung in Sachen Streckenführung
keine Onlineranglisten für schnellste Runden
und Rennzeiten
nicht alle Rennarten können online geflogen werden

Wertung

PlayStation4

Schicker Racer in der Tradition von WipEout mit tollem Fluggefühl und umfangreicher Karriere.

XboxOne

Schicker Racer in der Tradition von vor allem WipEout mit tollem Fluggefühl und umfangreicher Karriere.

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