Deus Ex: Mankind Divided19.08.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: Actio und Reactio

Apartheid: Eidos Montreal nutzt einen schweren Begriff, um die Geschichte eines Videospiels zu beschreiben. Selbstzweck? Marketing? Oder gelingt es dem kanadischen Studio tatsächlich, die Realität der Rassentrennung auf eine Zukunft zu übertragen, in der Menschen mit künstlichen Körperteilen an den Rand der Gesellschaft geschoben werden? Im Test könnte Deus Ex: Mankind Divided (ab 9,00€ bei kaufen) beweisen, dass Videospiele mehr tun als spannend zu unterhalten.

Am eigenen Leib

Mit „mechanische Apartheid“ beschreiben die Entwickler um Spieleregisseur Jean-Francois Dugas und Autorin Mary DeMarle ihr fiktives Szenario in Anspielung auf die Verachtung, die Personen mit leistungsfähigen Prothesen, so genannten Augmentierungen, dort widerfährt. Die Bevölkerung ihrer Science-Fiction fürchtet sich davor, dass die fortschrittliche Technologie gegen sie verwendet oder anderweitig missbraucht wird – zu Recht, denn genau das ist im Vorgänger Human Revolution bereits passiert.

Augmentierte Menschen benötigen deshalb spezielle Zulassungen, müssen sich stets ausweisen und werden von vielen ihrer Mitbürger verschmäht. Dutzende Polizisten patrouillieren in den Straßen von Prag, einem Brennpunkt des Konflikts. Verhaftungen sind an der Tagesordnung, Cafés und Restaurants reservieren ihre Tische für „Naturals“.

„Augs“ hingegen müssen sich auf dem Weg zur U-Bahn durch einen abgesperrten Gang zwängen. Gehen sie die breite Treppe herunter, werden sie zur Seite gewunken, kontrolliert. Und steigen sie anschließend nicht in den für sie vorgesehenen letzten Wagon, ernten sie sogar angewiderte Blicke, bevor sie nach dem Aussteigen erneut nach den

Prag ist der zentrale Schauplatz des vierten großen Deus Ex.
Papieren gefragt und zurechtgewiesen werden.

Das ist keine Filmszene. Das ist das Spiel, wie man es beim langsamen Erkunden etwa 60 Stunden lang erlebt. Den Großteil dieser Zeit verbringt man in der tschechischen Metropole und wer einmal damit anfängt, den für Augmentierte bestimmten Gang zu nehmen und in den hintersten Wagen einzusteigen, damit die ständigen Kontrollen nicht das Vorankommen verzögern, der erfährt eine auf den ersten Blick profane, gleichzeitig aber nervenaufreibende Form der Segregation am eigenen Leib. Klasse, dass Eidos diesen Augen öffnenden Aspekt auf so mühelose Weise und ohne erhobenen Zeigefinger zu einem Teil des Spiels macht!

Shooter, Rollenspiel und Schleichen

Natürlich soll auch Mankind Divided unterm Strich vor allem eins: unterhalten. Und das tut es auf dieselbe Art wie seine Vorgänger. Deus Ex ist damit erneut eine Mischung aus heimlichem Schleichen, einem Shooter und einem Rollenspiel, in der Spieler die Wahl haben, ob sie Gegner mit Gewalt ausschalten, sie lediglich bewusstlos schlagen oder gar komplett umgehen. Einen großen Platz nehmen wie in Human Revolution Unterhaltungen mit Figuren ein, von denen viele den roten Faden weiter spinnen, mindestens ebenso viele jedoch für die zentrale Erzählung keine Rolle spielen.

Aus diesen Gesprächen ergeben sich oft Aufgaben, die man lösen kann, aber nicht muss. So lernt man die Welt kennen, in der sich Hauptfigur Adam Jensen frei bewegen kann – immer mit der Wahl, ob er einen Raum durch den bewachten Haupteingang, über das Hacken eines elektronischen Schlosses, einen Lüftungsschacht oder auf andere Weise betritt. In vielen Dialogen hat er zudem die Wahl, wie er seinen Gesprächspartnern antwortet. Aus seinem Auftreten folgen unterschiedliche Reaktionen, oft mit verschiedenen Folgen für die Handlung.

Barock statt Exotik

Dugas und DeMarle erweitern das Konzept aber nicht in der Breite, wie es fast jede Fortsetzung macht. Sie spinnen nicht einen noch längeren roten Faden an noch mehr exotischen Schauplätzen. Vielmehr spielt Mankind Divided fast durchgehend in Prag, nachdem Jensen zuletzt eine Insel vor Shanghai sowie die Arktis besuchte. Nur für kurze Aufträge verlässt der Agent die Stadt.

Eine offene Welt ist Prag dabei nicht. Zum einen teilen Ladebildschirme den zentralen Schauplatz in zwei Hälften, zum anderen haben die begehbaren Viertel ohnehin nicht die Größe der realen Metropole. Tatsächlich wirkt das zweite moderne Deus Ex im Umfang kleiner als sein Vorgänger...

Wie liest man einen interaktiven Roman?

... in der Tiefe dafür umso beeindruckender. Schon die Straßen wirken lebendiger als zuvor, auch weil es keine Ladeunterbrechungen beim Betreten von Gebäuden oder angrenzender Areale gibt. Passanten unterhalten sich angeregter, häufiger und beziehen sich viel öfter auf aktuelle Ereignisse. Bemerkenswert ist die Präsenz zahlreicher Polizisten: Bullige Einsatzwagen parken auf großen Plätzen, Patrouillen kontrollieren fast alle Straßen und Jensen

Einzelne Missionen führen Jensen aber auch in andere Teile der Welt - den stärksten Eindruck hinterlässt ein Komplex, in dem Augmentierte untergebracht sind.
wird Zeuge gleich mehrerer Verhaftungen. Es gibt keinen Tag/Nacht-Wechsel und die Bewohner gehen keinen wechselnden Beschäftigungen nach – ein waschechtes Rollenspiel ist Deus Ex eben nach wie vor nicht. In jenem Augenblick, in dem Jensen an einem Menschen vorüber geht, ist dieser aber mehr als zuletzt ein glaubwürdiger Akteur des Moments.

Vor allem aber ist die Stadt selbst als Spielwiese gewachsen, auf der man die Welt der mechanischen Apartheid kennenlernt. Wer den Menschen zuhört, ihre E-Mails liest, ihnen Gefallen tut und nach Geheimnissen gräbt, der schaut tief in die nahe Zukunft des Jahres 2029. Das interaktive Prag ist wie ein Roman, in dem man quer blättern kann, ohne den roten Faden zu verlieren. Das war im Detroit und Hengsha des Vorgängers schon so, ist diesmal aber ein noch dichteres, enger zusammenhängendes Geflecht. Bücher, Zeitungsartikel und Personen nehmen Bezug aufeinander, jede noch so kleine Geschichte ist irgendwie an das große Ganze gebunden. Man lernt Gebäudekomplexe und ihre Bewohner kennen, anstatt durch hübsche, aber bedeutungslose Kulissen zu sprinten. Man kann mitunter sogar die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, ohne sie in den optionalen Aufgaben einer Mission zu erspielen. Dieses vielschichtige Ineinandergreifen des freien Erkundens sowie der einfallsreichen Aufgaben macht das augenscheinlich kleine Prag zu einem großen Schauplatz!

Krimi auf dem Reißbrett

Die Arbeit für eine von Interpol ins Leben gerufene Eingreiftruppe hat Jensen in die tschechische Metropole geführt. Im Hauptquartier beobachtet er eifrige Analysten bei der Arbeit, soll für ein Gutachten bei der neuen Psychiaterin vorstellig werden und tut sich schwer im Austausch mit Kollegen, denen augmentierte Agenten ein Dorn im Auge sind. Die zentrale Anlaufstelle ist Eidos Montreal besonders gut gelungen; eine clevere Idee ist das Ausfragen eines Mitarbeiters zu Informationen der auf einer Tafel angebrachten Verdächtigen. Man fühlt sich als Ermittler einer gut organisierten Verbrechensbekämpfung.

Deren aktueller Fall dreht sich um eine Organisation namens Augmented Rights Coalition, die mit terroristischen Anschlägen in Verbindung gebracht wird. Jensen soll die Attentate untersuchen und den Führer der angeblich friedfertigen Vereinigung stellen. Was hinter den Anschlägen steckt, ahnt er selbstverständlich nicht und dass auch die Motive seiner Kollegen alles andere als offensichtlich scheinen, ist das Reißbrett, auf dem DeMarle einen für Deus Ex

Deus Ex: Mankind Divided enthält Download-Inhalte, die man u.a. mit dem Kauf eines Season-Pass erhält. Die "Jensen's Stories" genannten Missionen sind zwar Teil der Welt von Mankind Divided, allerdings spielt man mit einem Adam Jensen, dessen Fähigkeiten man unabhängig vom Hauptspiel erweitert.

Weitere Informationen zu später erscheinenden Dowloadinhalten behält Square Enix derzeit noch für sich. typischen Verschwörungskrimi zeichnet.

Keine Statue für Adam Jensen

Auch die Handlung führt sie dabei weniger in die Breite – es geht nicht um das ganz große, die Welt verändernde Epos. Jensen kommt zwar einem Komplott auf die Schliche, das in den höchsten Kreisen Wellen schlägt. Viel wichtiger sind allerdings die Personen in seiner unmittelbaren Nähe. Tatsächlich steht der Agent viel stärker als bisher selbst im Mittelpunkt, weil er als Hauptfigur nicht nur den zentralen Fall löst, sondern sein eigenes Dasein als „Aug“ infrage gestellt wird. Viele der für den roten Faden unwichtigen Aufgaben nehmen Bezug auf seinen zum großen Teil künstlichen Körper. Zahlreiche Anmerkungen sowie ganze Unterhaltungen drehen sich um die Augmentierungen, in vielen muss man aktiv für ihn Stellung beziehen. Immerhin soll ausgerechnet er den Rebellen einen Riegel vorschieben, die für die Rechte der Augmentierten kämpfen...

Das ist das Wichtigste an der mechanischen Apartheid: Sie dient nicht nur dem Ausmalen der erzählerischen Kulisse. Sie macht den Spieler zum Dreh- und Angelpunkt des Cyber-Thrillers, ohne ihn wie eine Heldenstatue aus der Welt hervorzuheben.

Wenn Freiheit zu viel ist

Einen grundlegenden Widerspruch konnten Autorin DeMale und Game Director Dugas jedoch nicht auflösen: Während die Geschichte um Adam Jensen die eines zielstrebigen Agenten ist – jede seiner oft sehr unterschiedlichen Antworten zeichnet dieses Bild –, so muss man ihn doch als dreisten Einbrecher spielen, der grundlos Schlösser knackt, Computer hackt und private Notizen liest, um seine Welt so gut wie möglich kennenzulernen. Oft hüpft Jensen über Absperrungen und kriecht durch die Kanalisation... schlicht, weil er es kann. Aus demselben Grund werden die meisten Spieler seine Taschen mit dem recht üppigen Diebesgut füllen, das sie in fast jedem Raum finden.

Und leider reagiert Adams Umfeld oft nicht auf das mitunter illegale Verhalten. Durch manche Fenster kann er etwa steigen, ohne dass die dort Wohnenden den Einbruch auch mit nur einem Wort erwähnen. Einige Sicherheitsmechanisem hackt er, ohne dass er zumindest schief angeschaut wird. Büros darf er im Anwesen ihrer Benutzer leerräumen, ohne dass sie seine freche Art zumindest kommentieren.

Spielerisch ist diese Freiheit natürlich sinnvoll. Erzählerisch stellt sie aber einen Bruch dar. Zumindest das Kennenlernen der Welt und ihrer Besonderheiten sollte auf andere Weise möglich sein als durch profanes Überallhingehen. Lobenswert immerhin, dass man sich gegen den Diebstahl entscheiden und das komplette Spiel auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad bewältigen kann, ohne einen einzigen Gegenstand einzustecken, den man nicht

Die ikonischen "Engelsflügel" sind ein Highlight der futuristischen Umgebung.
kauft oder geschenkt bekommt oder im Sinne der Handlung mitnehmen muss.

Titan auf nackter Haut

Die spielerische Freiheit ist selbstverständlich ein wichtiger Teil der Formel „Deus Ex“ und nach Human Revolution verändert Eidos Montral wenig am grundlegenden Spielfluss, an Adams Fähigkeiten und seinem wesentlichen Arsenal. Wie gehabt unterhält er sich mit zahlreichen Personen, hackt Computer sowie elektronische Schlösser, kriecht durch Lüftungsschächte oder hebt Kisten, um hohe Vorsprünge zu erreichen und verborgene Durchgänge freizulegen. Seine Möglichkeiten sind zahlreicher als je zuvor. Sie führen ihn außerdem in neue Höhen, weil viele Areale mehrere Ebenen hoch sind oder die Simse des zweiten und dritten Stockwerks zusätzliche Wege öffnen.

Natürlich hängt die Anzahl der Zugänge davon ab, welche seiner Fähigkeiten man im Laufe des Abenteuers so steigert, so dass er schwere Kisten heben, gut geschützte Rechner knacken oder Laserschranken über mehrere Meter Entfernung deaktivieren kann. Die bevorzugte Spielweise sollte Wegweiser für die Entwicklung der Fähigkeiten sein – zu den coolen zählen die kurze Unsichtbarkeit oder der Ikarus-Sprung aus großer Höhe. Verstärkte Beine ermöglichen weite Sprünge sowie geräuschloses Laufen, während elektrische Geschosse bis zu vier Wachen gleichzeitig ausschalten.

Weniger zart Besaitete töten Gegner mit Wurfklingen oder einer augmentierten Faust, die Wände durchbricht. Wer Jensen häufig ins Feuergefecht schickt, sollte außerdem über die neue Titanlegierung nachdenken: ein starker Schutz, der ihn kurzfristig unverwundbar macht und wertvolle Sicherheitsmaßnahme gegen Feinde in Exoskeletten oder Kampfroboter.

Mit Gas, Gewehr und Granaten

Die Action ist dabei nach wie vor nicht die Stärke des Spiels. Jensen nutzt zwar ein größeres Arsenal und die Steuerung gleicht eher als im Vorgänger der eines Shooters. Der Agent modifiziert Waffen zudem nicht nur, sondern sammelt auch Material, um Eigenschaften wie Schussfrequenz, Stabilität und Magazin zu verbessern – die Schusswechsel sind durchaus spannend und dank der vielen Möglichkeiten taktisch abwechslungsreich.

Rauch-, Gas- oder EMP-Granaten setzen unterschiedliche Gegner auf verschiedene Art außer Gefecht, Jensen ändert mit der entsprechenden Fähigkeit die Programmierung der Wachroboter, so dass sie ihre eigenen Leute attackieren und dank der vielzähligen Wege ist es ein leichtes, Feinde an einen bestimmten Ort zu locken, um ihnen kurze Zeit später in den Rücken zu fallen. Vorbildlich auch, dass augmentierte Widersacher zum Teil die gleichen

Ein typischer Jensen...
Fähigkeiten nutzen wie Adam selbst, allen voran der Satz auf hohe Plattformen sowie das schnelle horizontale Gleiten über mehrere Meter. Sie rücken dem Agenten zudem angenehm verbissen auf die Pelle und nehmen ihn gerne ins Kreuzfeuer.

„Ich hau dir! Gleich...“

Wirklich explosiv und dynamisch fühlen sich die Schusswechsel allerdings nicht an. Zum einen reagieren getroffene Gegner schlecht erkennbar auf Treffer, zum anderen ist die Steuerung noch immer eine Idee zu umständlich: Der Waffenwechsel dauert gemeinsam mit dem Umschalten vom Schleichen auf das offene Gefecht zu lange und zumindest die vom Spiel empfohlene Tastenbelegung ist so ungewöhnlich, dass man zu lange über notwendige Eingaben nachdenkt, anstatt sich vollständig auf den Kampf zu konzentrieren.

Besonders der Nahkampf steht dem brachialem Vorgehen noch immer im Weg, weil Jensen wie im Vorgänger Energie benötigt, um einen oder zwei Gegner mit einem mächtigen Schlag auszuknocken. Ohne Strom machen seine augmentierten Arme leider keinen Finger krumm, wenn man panisch die Nahkampftaste malträtiert, weil sich ein Feind unmittelbar vor ihm aufbaut. Schade: Das steht dem starken

... und noch einer.
Agenten einfach nicht.

Es ist gut, dass Dugas seinen Protagonisten nicht als übermächtigen Roboter überzeichnet, der alle Feinde jederzeit per Knopfdruck ausschaltet. Doch warum schielt er nicht stärker in Richtung Splinter Cell: Blacklist, dessen automatischen Deckungswechsel Deus Ex nutzt? Dort kann Sam Fisher jede Wache auch ohne Energievorrat oder gesammelte Ausdauer KO schlagen – allerdings nicht, sobald er entdeckt wurde. Dann geht er zwar noch immer in den Nahkampf, wird von starken Gegnern aber zurückgeworfen. Dieser kurze Moment gibt Zeit zum Nachzudenken, so dass man anschließend reagieren kann. Jensen hingegen bleibt mit leerem Akku einfach stehen, haut aber selbst gepanzerte Einheiten um, falls er mitten im Feuergefecht nah genug heran kommt. Die Logik stimmt einfach nicht. Es kommt zu ulkigen Situationen und frustrierenden Neustarts.

Wer spielt Deus Ex und wie?

Ganz in seinem Element ist der Agent zum Glück, wenn er heimlich durch Verbrecherlager schleicht, streng bewachte Forschungskomplexe infiltriert oder in eine Bank eindringt und diese Momente machen immerhin den Großteil des Spiels aus. Wer mit Deus Ex liebäugelt, sollte sich im Klaren darüber sein, dass er es guten Gewissens wie einen herkömmlichen Shooter nehmen kann. Besser zurechtgeschnitten ist es aber auf Spieler, die sich Zeit lassen, um Computer und Sicherheitsschlösser hacken, anstatt durch streng bewachte Säle zu marschieren und sich zumindest über weite Strecken von Deckung zu Deckung bewegen, anstatt den aufmerksamen Gegnern ins offene Messer zu laufen.

Spannende Situationen entstehen, wenn Jensen z.B. eine Sicherheitskamera vorübergehend abschaltet und deshalb binnen kurzer Zeit an den nächsten Wachen vorbei muss. Die blicken schließlich nicht stur geradeaus, sondern drehen sich gelegentlich auch um oder sehen zur Seite. Mit einem Blick durch Wände erkennt Adam dabei nahe Patrouillen, selbst voll ausgebaut kann er diese Fähigkeit aber nur wenige Sekunden nutzen, bevor sich der Akku

Die Action ist vielseitiger als im Vorgänger.
erholen muss. Mit diesem Zeitfenster schafft Dugas einen hervorragenden Kompromiss aus notwendiger Aufklärung und spielerischem Anspruch.

Niemand lauert hinter dieser Ecke!

Trotzdem liegen auch im Heimlichtun Schwächen, die Mankind Divided zum Teil von seinem Vorgänger geerbt hat. Dazu zählen Wachen, die nicht hartnäckig genug suchen, wenn sie etwas Verdächtiges entdeckt haben: Oft laufen sie nicht um die entscheidende Ecke, verzichten auf Augmentationen u.a. zum schnellen Fortbewegen und laufen fast ausschließlich auf sehr vorhersehbaren Linien. So wie Deus Ex weder ein waschechtes Rollenspiel noch pure Action ist, gehört es auch nicht komplett in den Bereich der Stealth-Action, wie Metal Gear Solid sie z.B. inszeniert. Mit diesem Genre ist das Spiel allerdings am engsten verwandt und so fallen die Unterschiede, etwa zu dem in diesem Bereich herausragenden The Phantom Pain, vor allem im Verhalten der Gegner auf.

Mankind Divided unterstützt übrigens das Eye-Tracking des EyeX-Systems .

Die Technologie erkennt, auf welchen Teil des Bildschirms man schaut und blendet u.a. HUD-Elemente nur dann ein, wenn man sie ansieht - eine praktische Lösung, mit der fast das komplette Bild die meiste Zeit über frei von ein Einblendungen bleibt. Man kann außerdem mit Gegenständen interagieren, die man ansieht, ohne dass das Fadenkreuz genau auf sie zeigt.

Wie in anderen Titeln mit EyeX-Unterstützung genießen Spieler mit dem Eye-Tracking kleine, unterm Strich aber auch vernachlässigbare Vorteile.

Ärgerlich sind unlogische Entwicklungen, durch die Jensen aus unerkennbaren Gründen plötzlich entdeckt wird oder Zivilisten grundlos in Panik ausbrechen. Ob es sich dabei um Programmfehler oder einen eigenen Fehltritt handelt, lässt sich schwer erkennen – mindestens das fehlende Anzeigen des spielerischen Fehlers wäre aber ein Versäumnis der Entwickler. Eidos hätte außerdem dafür sorgen sollen, dass während des Hackens deutlich hörbar ist, ob sich eine Wache nähert. Stattdessen werden die Umgebungsgeräusche fast komplett ausgeblendet, obwohl alternative Informationen fehlen. Besser wäre, wenn man Adams Aufmerksamkeit während des Hackens auf die Umgebung lenken könnte, um sich gelegentlich umzusehen oder umzuhören.

Nicht zuletzt leidet die Steuerung auch beim Schleichen und Erkunden unter kleinen Stolpersteinen: Jensen sprintet auf Treppen z.B. nicht und zieht sich nicht an allen Kanten hoch, die er mühelos erreicht. Selbst niedrige Kisten erklimmt er mitunter nicht, was sein Vorankommen nicht verhindert, aber gelegentlich seltsam ungelenk erscheinen lässt. Dass sich Kisten und Müllcontainer wie auf Federn gelagerte Papierkartons verhalten, macht das Stapeln übrigens zur mühseligen Tortur.

Actio = Reactio

Doch so ärgerlich die kleinen Unzulänglichkeiten auch sind, so sehr verblassen sie gegenüber der Art und Weise, mit der das eigene Vorgehen alle wichtigen und unwichtigen Momente beeinflusst. Mankind Divided erfindet das Rad der Entscheidungen und Konsequenzen dabei nicht neu. Es macht die Folgen des eigenen Verhaltens aber auf unscheinbare und logische Weise zu einem Teil der Entwicklungen – das ist in dieser Form bemerkenswert

Eine zentrale Rolle spielen erneut die so genannten „sozialen Bosskämpfe“; Diskussionen mit zentralen Figuren, denen man wichtige Informationen entlockt, falls man den richtigen Ton trifft. Wahlweise zeigt diesmal eine Augmentierung die Momente an, in denen man einem Gegenüber mit der entscheidenden Vehemenz unterbrechen sollte, um das Gespräch in die gesuchte Richtung zu lenken. Gibt man die falschen Antworten zur falschen Zeit, muss man die gesuchten Informationen vielleicht auf anderem Weg beschaffen.

Harmonische Showdowns

Und auch die wenigen herkömmlichen Bosskämpfe, also kämpferische Aufeinandertreffen mit erzählerisch wichtigen Widersachern, fügen sich harmonischer in den Spielfluss ein, weil sie nicht wie losgelöste Abschnitte wirken, sondern als besondere Herausforderungen aus dem normalen Spielverlauf hervorgehen. Ihr Verlauf wird zudem nicht nur davon beeinflusst, wie man sich während des Gefechts verhält, sondern auch davon, wie man sich darauf vorbereitet

Eine große Stärke sind die vielen Handlungsmöglichkeiten und ihre nahtlos ins Spiel einfließenden, meist logischen Folgen.
hat.

Es gibt kleine Logikfehler, besonders in und nach Unterhaltungen: ärgerlich z.B., dass Jensen eine Chipkarte nicht aus einem normalen Schubfach nehmen darf, die sein Dialogpartner in einem anderem Gesprächsverlauf dort hinaus holt. Nicht immer kann man beim freien Erkunden gewonnene Erkenntnisse außerdem als Lösungen verwenden – nicht alle denkbaren Antwortmöglichkeiten haben Dugas und DeMarle als Teil der Wortwechsel vorgesehen. Man muss ihnen allerdings zugute halten, dass diese Kleinigkeiten keine Besonderheit dieses Spiels sind, sondern nur deshalb überhaupt auffallen, weil Handlungsfreiheit und ihre Folgen sonst so gelungen im Mittelpunkt des Cyper-Thrillers stehen.

Grafik: Ist „empfohlen“ gut genug?

Nur grafisch zeigt sich das Spiel nicht von einer starken Seite, da selbst ein Rechner über den empfohlenen Systemvoraussetzungen lediglich die dritthöchste Detailstufe mit meistens 60 Bildern pro Sekunde darstellt. Die Ladezeiten sind mit bis zu knapp zweieinhalb Minuten beim Wechsel zwischen den zwei Prager Stadtteilen zudem ausgesprochen hoch.

Mankind Divided sieht gut aus, überschreitet sowohl auf PC als auch auf PS4 allerdings die Grenzen seiner Technik.

Die Kulissen sehen hervorragend aus! Die tschechische Metropole ist mit dem teils abblätternden Putz ihrer farbigen Altbauten eine erfrischende Abwechslung unter den dystopischen Schauplätzen und eins der ersten Einsatzgebiete außerhalb der Stadt bringt das große Problem die mechanischen Apartheid auf ebenso eindrucksvolle wie erschreckende Weise auf den Punkt. Doch technisch scheint die Dawn-Engine genannte Technik ein hartes Brot zu sein; angenehm rund lief das Spiel erst durch minutenlanges Anpassen der Optionen.

Auch auf PlayStation 4 und Xbox One stößt das Spiel an seine Grenzen - die Bildrate sinkt gelegentlich unter 30, auf der Microsoft-Konsole häufer als auf PS4. Auf Xbox One fallen zudem deutlicheres Flimmern und Tearing auf. Abgesehen davon sind uns aber keine grafischen Probleme aufgefallen.

Datenklau auf Zeit

Abschließende Worte noch zu einem Teil des Spiels, der mit der Geschichte um Adam Jensen nichts zu tun hat: Breach. So nennt Eidos Montreal einen Modus, in dem man als Hacker Computer infiltriert, um Daten zu stehlen. Im Gegensatz zum zentralen Abenteuer geht es dabei um den Vergleich in weltweiten Ranglisten, bei dem die Zeit eine wesentliche Rolle spielt. Denn je schneller man einen der kurzen Einsätze abschließt, desto größer ist der Multiplikator jener Punkte, die man für das Ausknocken von Gegnern, das Aufspüren zusätzlicher Datenknoten oder dafür erhält nicht entdeckt zu werden.

Stilistisch bricht Breach mit der von Jonathan Jacques-Belletêtes geprägten technokratischen Realwelt und versetzt Spieler in eine minimalistische Virtual Reality. Gläserne Decken und dunkle Wände setzen dort Akzente – spielerisch ändert sich fast nichts. Das digitale Alter Ego des Hackers agiert wie Adam Jensen, lernt fast genau dieselben

Schnelligkeit statt Taktik: In Breach geht es um Punkte für weltweite und lokale Ranglisten.
Fähigkeiten und umgeht Wachen (die Visualisierung von Sicherheitsmechanismen) oder kämpft genau so, wie der Agent es tut.

Highscore mit Geldeinlage

Das Vertraute ist eine große Schwäche, denn während die Steuerung ohnehin nicht allzu eingängig und präzise ist, scheint sie beinahe ungeeignet für eine Spielvariante, in der sich alles um Geschwindigkeit und Präzision dreht. Immerhin bringt es für die Rangliste unentbehrliche Punkte, nicht nur den Datenknoten auf einer höheren Ebene zu erreichen, sondern während des Sprungs auch noch einen Gegenstand zu hacken, den man für das Erreichen des primären Ziels gar nicht benötigt. Ähnlich unpassend ist das sanfte Aufblenden des Bildes am Beginn eines Levels, obwohl man die Figur längst bewegen kann. Aus Zeitgründen rennt man also blind los und muss gelegentlich bereits Aktionen ausführen, ohne dass man die dazugehörigen Objekte überhaupt sehen kann.

Eine Abwechslung zum vorsichtigen Taktieren ist Breach allemal.

Zu allem Überfluss erreicht man konkurrenzfähige Bestmarken schließlich nur, indem man Extras einsetzt, die z.B. die Laufgeschwindigkeit erhöhen. Diese nur einmal verwendbare Boni erhält man aber nur mit Glück beim Öffnen von Booster-Paketen, die es als Belohnung nach erfolgreichen Abschlüssen gibt – oder für unterschiedlich hohe Echtgeld-Beträge im Square-Enix-Shop.

Das alles sind überraschend offensichtliche Designfehler, wenn es um den sportlichen Vergleich von Geschick und Schnelligkeit geht. Im Kern ist Breach eine gelungene Abwechslung: Das Prinzip Deus Ex mal nicht mit Rücksicht auf das Leben gegnerischer Wachen zu erleben, kann sich befreiend anfühlen – Programme auszuschalten tut der moralinsauren Seele nicht weh. Um als Arcade-Herausforderung zu funktionieren, ist der Modus aber nicht durchdacht genug.

Fazit

Schwächen im Verhalten feindlicher Wachen, kleine Logikfehler, eine unhandliche Steuerung und ulkige Situationen, in denen ein starker Agent selbst in höchster Not keinen Finger krumm macht: Es wäre ein leichtes, Deus Ex: Mankind Divided anhand seiner technischen Schwächen als gutes, aber nicht ganz ausgereiftes Projekt abzutun. Das würde dem spielerischen Kern allerdings nicht gerecht werden. Denn Game Director Jean-Francois Dugas und Autorin Mary DeMarle haben einen interaktiven Roman geschaffen, der Spiel und Erzählung auf sehr reife Art miteinander verbindet. Die Geschichte um die Ängste vor Menschen mit fortschrittlichen mechanischen Körperteilen ist spannend und glaubwürdig. Gut geschriebene Charaktere tragen dabei nicht nur den spannenden Plot um das Verhindern eines terroristischen Komplotts, sondern vor allem eine persönliche Geschichte um einen stark augmentierten Adam Jensen, der als gesetzestreuer Agent zwischen den Fronten des gesellschaftlichen Konflikts steht. Das Besondere ist, dass man diesen Konflikt nicht als außenstehender Held beobachtet oder einfach auflöst, sondern selbst hineingezogen wird. Man spürt die „mechanische Apartheid“  am eigenen Leib. Man erlebt kleine und große Geschichten, die alle mit dem roten Faden oder Adams Person verbunden sind und erschließt einen Schauplatz, der im Gegensatz zu vielen offenen Spielewelten nicht in die Breite gezogen wurde, sondern in die Tiefe geht. Die Entscheidung über das Auftreten gegenüber anderen Charakteren und das Anwenden von Gewalt liegt immer beim Spieler. Alle Folgen ergeben sich aus dem gewählten Weg. Das zum Kennenlernen der Welt oft illegale Erkunden der weitläufigen Umgebung beißt sich zwar mit der Charakterisierung des zielstrebigen Agenten – dennoch ist Deus Ex: Mankind Divided ein ebenso erwachsener wie fesselnder Cyberpunk-Thriller!

Pro

gut erzählte Geschichte mit interessanten Entwicklungen
enges Einbinden des Spielers in Erzählung und Umgebung Jensen löst Probleme nicht als Held von außen
glaubwürdige, vielschichtige Charaktere
interessante Geschichten und Aufträge abseits des roten Fadens
schwierige Entscheidungen und nachvollziehbare Konsequenzen in kleinen und großen Situationen
glaubwürdiger Schauplatz mit vielen spielerisch und erzählerisch zusammenhängenden Elementen
große Handlungsfreiheit beim Erkunden der Umgebung und Erledigen von Aufgaben
viele Wege führen an und um jedes Ziel Charakterentwicklung bestimmt mögliches Vorgehen
etliche Informationen über Welt und Personen über E-Mails, Bücher, Unterhaltungen und mehr
gute Übersicht dank Blick durch die Wand, dessen Einsatz zeitlich stark begrenzt ist
augmentierte Gegner verfolgen Jensen im Kampf sehr schnell und über verschiedene Geschosse
modifizieren und verbessern aller Schusswaffen sowie schneller Wechsel der Waffen-Funktionen
umfassende taktische Optionen im Kampf durch verschiedene Munitionstypen, Minen, Granaten, Wege und mehr
cool: Analyst im Hauptquartier beschreibt auf Wunsch Verdächtige im Zentrum der Ermittlungen
stilistisch eindrucksvolle Schauplätze vor allem im ersten Drittel des Spiels
zahlreiche Optionen zum An- und Abwählen hilfreicher HUD-Anzeigen
New Game mit allen zuvor erspielten Fähigkeiten und Gegenständen
Breach-Modus: kurzzeitig unterhaltsame Herausforderungen abseits des eigentlichen Spiels

Kontra

Wachen patrouillieren auf komplett vorgezeichneten Routen
auch spätere Gegner suchen nicht hartnäckig genug
Figuren reagieren mitunter gar nicht oder auf nicht nachvollziehbare Weise z.B. auf Einbrüche in ihre Wohnungen
relativ unhandliche/träge Steuerung, Jensen greift Vorsprünge beim Springen z.B. nicht zuverlässig
gelegentliche unlogische oder fehlerhafte Ereignisse lassen Jensen entdeckt sein oder Zivilisten unvermittelt in Panik ausbrechen
fehlender Nahkampf ohne aufgeladene Batterie wirkt noch immer unangenehm starr
Umgebung beim Hacken kaum hör
und sehbar bevorstehendes Entdecktwerden ist praktisch nicht erkennbar
kleine logische Brüche in Missionsstruktur: Zugangskarte kann z.B. nicht aus einfachem Schubfach genommen werden
Kistenstapeln dank seltsamer Physik mühevoll und frustrierend
Breach-Modus: Schwerpunkt auf schnellem Erledigen passt nicht zu Steuerung und Spielkonzept
Breach: Manche Bestmarken nur durch in Booster-Packs erhältliche Extras erreichbar
schwache Technik: Rechner über empfohlenen Systemvoraussetzungen stellt stotterndes Bild dar Einstellungen erst zwei Stufen niedriger meistens flüssig
sehr langes Laden beim Wechsel zwischen den zwei Stadtteilen

Wertung

XboxOne

Packender Cyberpunk-Thriller mit spielerischen Schwächen, aber großer Handlungsfreiheit und einer überzeugenden Welt, die sich wie ein interaktiver Roman öffnet.

PC

Packender Cyberpunk-Thriller mit spielerischen Schwächen, aber großer Handlungsfreiheit und einer überzeugenden Welt, die sich wie ein interaktiver Roman öffnet.

PlayStation4

Packender Cyberpunk-Thriller mit spielerischen Schwächen, aber großer Handlungsfreiheit und einer überzeugenden Welt, die sich wie ein interaktiver Roman öffnet.

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Kommentare

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Hokurn

Yo, toller Preis !
Ich hatte es mir bereits vor längerer Zeit günstig gekauft.
Ah ich hatte gestern paar Testthreads auf der aktuellen Seite durchgeschaut und dachte du müsstest es noch erwerben. ;)

vor 3 Jahren
Ernesto Heidenreich

Ich wollte das Spiel auch schon immer spielen und bin nicht dazu gekommen. Kann man das Spiel auch als Shooter spielen ? Bin gerade im Baller - Modus.
4,49€ im PSN. ;)
Yo, toller Preis !
Ich hatte es mir bereits vor längerer Zeit günstig gekauft.

vor 3 Jahren
Hokurn

Ich wollte das Spiel auch schon immer spielen und bin nicht dazu gekommen. Kann man das Spiel auch als Shooter spielen ? Bin gerade im Baller - Modus.
4,49€ im PSN. ;)

vor 3 Jahren
Ernesto Heidenreich

Ich wollte das Spiel auch schon immer spielen und bin nicht dazu gekommen. Kann man das Spiel auch als Shooter spielen ? Bin gerade im Baller - Modus.
Kann man. Allerdings bleiben natürlich die RPG-Elemente erhalten, d.h. Waffen und zugehörige Elemente des Fertigkeitenbaums müssen ausgebaut werden, Inventarraum muss gemanaged werden, Queststrukturen und Dialogsequenzen bleiben erhalten und sind relevant. Reines Run and Gun wird es nicht.
Danke dir !

vor 3 Jahren
mr archer

Ich wollte das Spiel auch schon immer spielen und bin nicht dazu gekommen. Kann man das Spiel auch als Shooter spielen ? Bin gerade im Baller - Modus.
Kann man. Allerdings bleiben natürlich die RPG-Elemente erhalten, d.h. Waffen und zugehörige Elemente des Fertigkeitenbaums müssen ausgebaut werden, Inventarraum muss gemanaged werden, Queststrukturen und Dialogsequenzen bleiben erhalten und sind relevant. Reines Run and Gun wird es nicht.

vor 3 Jahren
mr archer

Der Staffelstab wird doch an Cyberpunk weitergereicht. Das sollte passen.
Nein, das ist für mich kein Ersatz.

vor 3 Jahren
vor 3 Jahren