Battlefield 121.10.2016, Michael Krosta

Im Test: Action im Ersten Weltkrieg

EA und DICE reisen mit Battlefield 1 (ab 9,22€ bei kaufen) etwas weiter zurück in die Vergangenheit als üblich: Erstmals thematisiert ein Spiel aus der Reihe den Ersten Weltkrieg mit seinen frühen Panzern, Jagdflugzeugen und erbarmungslosen Grabenkämpfen. Funktioniert das ungewöhnliche Szenario in den Mehrspieler-Gefechten und der episodisch konzipierten Kampagne? Bevor wir uns in dem Shooter auf die Online-Schlachtfelder stürzen, wollen wir uns im ersten Teil des Tests zunächst den Kriegsgeschichten für Solisten widmen...

Die Achillesferse

Das Designen von Kampagnen war bisher nicht unbedingt eine Stärke der Schweden. Im Gegenteil: Battlefield 4 war mit seiner bescheuerten Story, miesen Dialogen und langweiligen Missionen über weite Strecken nur schwer zu ertragen. Die Vorzeichen stehen also entsprechend schlecht und die Erwartungen könnten kaum niedriger sein. Dazu die Frage, ob der episodische Ansatz mit sechs Kriegsgeschichten ohne inhaltliche Verknüpfungen überhaupt sinnvoll ist. Nach dem gelungenen Prolog „Stahlgewitter“, der das Verheizen von Soldaten und die Aussichtslosigkeit an der Front wirkungsvoll abbildet, scheinen sich die Befürchtungen zu bestätigen: Die erste Geschichte, die sich um den britischen Panzerpiloten eines anfälligen Mark V dreht, startet zwar mit viel Kawumm, gerät in den beiden Kapiteln aber zu schnell in einen langweiligen Trott. Zudem hat man häufig das Gefühl, in einem Tutorial für den Mehrspielermodus gelandet zu sein, wenn man bei der Eroberung von Stellungen beobachten muss, wie sich ein Icon blau färbt und die Flagge gehisst wird. Die Reparaturmechanik weckt ebenfalls Erinnerungen an Mehrspieler-Partien, denn auch hier steigt man aus, „streichelt“ den Panzerstahl kurz mit einem Schraubenschlüssel und setzt ein brennendes Wrack innerhalb weniger Sekunden wieder instand – Hochglanzpolitur inklusive. Das mag auf den Online-Schlachtfeldern durchaus angebracht sein, wirkt innerhalb der Kampagne aber völlig unpassend und stört die Immersion. Gleiches gilt für manche Areale, bei denen man sich teilweise gar nicht erst die Mühe macht, sie sinnvoll und nachvollziehbar zu begrenzen. Sogar mitten in der Erkundung von Gebäuden bekommt man später teilweise die Warnmeldung, dass man das Schlachtfeld verlassen hat und sich innerhalb weniger Sekunden dorthin zurückbegeben

Die Kampagne besteht aus fünf nicht zusammenhängenden Episoden, jede mit einem eigenen Protagonisten.
muss. An anderen Stellen wird man durch diese Masche künstlich daran gehindert, feindliche Stellungen zu umgehen: Man sieht den deutlich sichereren Weg quasi direkt vor sich, darf ihn aufgrund dieser spielerischen Einschränkung aber nicht nehmen.

Immerhin wird das dritte Kapitel der Panzer-Geschichte etwas besser, in dem man sich nach einer Panne auf die Suche nach Ersatzteilen begeben und dabei ein besetztes Dorf infiltrieren muss. Das bringt nicht nur Abwechslung in den Alltag als Panzerfahrer, sondern auch eine neue Facette: Anstatt mit der Kanone alles in Schutt und Asche zu legen, ist in diesem Abschnitt ein unauffälliges Verhalten deutlich sinnvoller. Denn schlagen die feindlichen Wachen Alarm, lässt die Verstärkung nicht lange auf sich warten. Obwohl die KI generell ein Moorhuhn-ähnliches Verhalten aufweist und oftmals lebensmüde direkt in den Kugelhagel rennt anstatt nach Deckung zu suchen, bleibt eine größere Anzahl an Dummköpfen trotzdem gefährlich – vor allem, wenn sie später über mächtige Waffen wie den Flammenwerfer oder starke Panzerungen verfügen. Heckenschützen erfordern irgendwann ebenfalls erhöhte Vorsicht, wenn man nicht selbst mit einem Scharfschützengewehr ausgestattet ist. Allerdings wird man in den Schleichabschnitten ebenfalls schnell feststellen, dass die gegnerischen Soldaten auch abseits der offenen Gefechte nicht gerade zur hellsten Sorte gehören: Der Wurf einer Patronenhülse reicht aus, um sie von ihrer aktuellen Position wegzulocken. Und man kann dieses Spielchen weiter treiben, bis man den Widersacher an der gewünschten Stelle hat, um anschließend einen nach dem anderen mit einem Nahkampfangriff von hinten auszuschalten. Das ist zwar ein willkommener Kontrast zum Dauerfeuer und mit einer gewissen Spannung verbunden, aber trotzdem liefert DICE nur eine halbherzige, abgespeckte Stealth-Erfahrung. So ist es z.B. nicht möglich, die Körper zu verstecken oder zumindest wegzutragen. Auch hat man im Gegensatz zu einem Metal Gear Solid oder Hitman keine Wahl, über Leben und Tod zu entscheiden.    

Der volle Durchblick

Als Gauner mit Piloten-Ambitionen schwingt man sich in die Lüfte.
Apropos: DICE bedient sich auch einer wirkungsvollen Mechanik, die man von den beiden genannten Schleichern kennt. Gesichtete Gegner sowie Geschütze, Nachschub-Basen und Vehikel lassen sich auch hier im Stil von Snake entweder automatisch beim Blick durch das Fernglas oder manuell mit Hilfe der Sichtlinie und auf Tastendruck markieren. Und nicht nur das, denn ihre Bewegungen behält man dank der visualisierten Silhouette anschließend sogar über weite Distanzen und selbst durch Häuserwände hindurch im Blick. Praktischerweise wird dabei sogar gleich angezeigt, mit welchem Gegnertyp man es zu tun bekommt und auf welche Bewaffnung man sich einstellen muss. Von einem solchen Luxus hätten die Soldaten damals vermutlich nicht einmal zu träumen gewagt. Wer sich näher an der damaligen Realität orientieren möchte, schaut allerdings in die Röhre, denn ich habe in den Optionen keine Möglichkeiten gefunden, diese übermächtige Markierungsfunktion alternativ zu deaktivieren.Auch hier zeigt sich wieder, dass man vielleicht doch etwas zu viel vom Mehrspielermodus in die Kampagne einfließen ließ, obwohl diese Komfortfunktionen durchaus ihren Reiz haben und schon mal auf die Rolle von Trupp-Führern in den Online-Gefechten vorbereiten.

Viel Abwechslung und bedrückende Atmosphäre

Während mich die Panzer-Episode erst in der zweiten Hälfte langsam aus der anfänglichen Ernüchterung herausgezogen hat, nimmt die Kampagne mit der zweiten Kriegsgeschichte um einen kleinen Halunken mit Piloten-Ambitionen ordentlich Fahrt auf. Zwar besitzt der Einstieg rund um einen Testflug des britischen Jägers Bristol F2.A. erneut einen starken Tutorial-Charakter, doch beim anschließenden Luftkampf geht schon ordentlich die Post ab, obwohl auch hier die unglaubwürdige Reparaturmechanik negativ aufstößt. Doch es macht unheimlich viel Spaß, in den Dogfights die deutsche Luftwaffe aufs Korn zu nehmen. Aber wo ist die Cockpitperspektive? Stattdessen wird abseits der Außenkamera nur eine Zoom-Funktion angeboten, um das Visier in der Ego-Ansicht auf Feinde zu richten.

Einen atmosphärischen Höhepunkt bildet das dritte Kapitel innerhalb der zweiten Story-Mission, in dem man sich nach einem Absturz hinter den feindlichen Linien durch die Schützengräben bis zur eigenen Basis durchschlagen muss. Alles ist düster, dreckig, beklemmend – und würde man auf Orks treffen, wäre man gedanklich endgültig bei Der Herr der Ringe und mitten in Mordor. Nach dem krachenden Einstieg der Panzer-Mission zeigt sich die beeindruckende Audio-Abmischung erneut von ihrer besten Seite: Man vernimmt ständig das Zischen von Patronen, das Rattern von Geschützen oder das Donnern von Explosionen – mal fern, mal ganz nah und aus allen Richtungen. Und jeder Schritt durch die matschigen Gräben wird von einem nahezu konstanten Grollen untermalt, das die düstere Kriegs-Atmosphäre ebenfalls mitträgt und unterstreicht. Das war für mich einer der intensiveren Abschnitte der Kampagne, auch wenn sich viele Dialoge zwischen Wachen leider zu oft wiederholen und daher das künstliche Skript offenbaren.

Die gut gepanzerten Einheiten mit Flammenwerfern gehören zu den gefährlichsten Gegnern.
Immerhin ist die Lokalisierung dank überzeugender Sprecher gelungen. Insgesamt gefällt mir die zweite Geschichte mit am besten, denn auch die abschließende Luftschlacht über London sowie das dramatische Finale an Bord eines Zeppelins haben es in sich.          

Von den Alpen bis in die Wüste

In der dritten Geschichte verschlägt es den Spieler in die italienischen Alpen, wo man als Teil einer Schocktruppeneinheit bei den Arditi kämpft und zunächst in einen gut gepanzerten Anzug gesteckt wird. Die malerische Idylle mit ihren imposanten Bergzügen, Wiesen und Wäldern täuscht, denn der Krieg macht auch vor schönen Panoramen keinen Halt. In dieser Episode stehen vor allem der Bodenkampf auf weitläufigeren Flächen im Mittelpunkt, aber auch die rückblickende Erzählstruktur wird stärker in den Fokus gerückt, wenn die Suche nach dem Zwillingsbruder immer wieder von Dialogen des gealterten Protagonisten mit seiner Tochter aus dem Off begleitet wird. „Der Meldegänger“ erzählt dagegen die Geschichte des Australiers Frederick Bishop, der für das britische Empire an der neu eröffneten Front bei den Dardanellen gegen die Osmanen in den Krieg zieht und sich dabei nicht nur um das Töten der Feinde, sondern auch das Überleben seiner Mitstreiter kümmern muss. Die fünfte und letzte Geschichte dreht sich dagegen um den Wüstenfeldzug von Lawrence von Arabien, bei dem man als Beduinen-Rebellin in weitläufigen Landschaften voller Sand und kleinen Siedlungen gegen die Osmanen ins Feld zieht – zur Not mit Pferd und Säbel. Hier steht vor allem wieder ein unauffälliges Vorgehen auf dem Programm, wenn man ganz im Stil von The Phantom Pain die Kommandanten eines Lagers erst ausfindig und dann unschädlich machen muss. Zum großen Finale lässt man es dagegen nochmal richtig krachen und serviert einen gefährlichen sowie gut gepanzerten „Bossgegner“, der einen ordentlich ins Schwitzen bringt.

Kritische Auseinandersetzung

Audiovisuell ist Battlefield 1 der Hammer.
Bis dahin ist man – je nach Spielweise – zwischen acht und zehn Stunden in der Kampagne unterwegs und erfreut sich neben der beeindruckenden Klangkulisse auch an einer grafischen Pracht, die vor allem am PC richtig zur Geltung kommt. Doch trotz Abstrichen bei Texturendetails sowie kleinen Einbußen bei Licht- und Partikeleffekten überzeugt Battlefield 1 auch auf den beiden Konsolen mit guter Frostbite-Technologie, bei der im Vergleich zum Vorgänger auch endlich wieder deutlich mehr zu Bruch geht. Neben der überzeugenden Technik gefällt mir der kritische Unterton besonders gut. Man findet die richtigen Worte und inszeniert selbst emotionale Momente und Einzelschicksale, ohne dabei heuchlerisch zu wirken. Auch die damalige „Kriegs-Geilheit“ der jungen Generation und die anschließende Desillusionierung auf dem Schlachtfeld werden treffend thematisiert. Allerdings hätte ich es noch interessant gefunden, mindestens eine Episode auch in der Rolle der Gegenseite erleben zu dürfen. Battlefield 1 bleibt trotz der Bezüge zu realen Ereignissen in erster Linie Entertainment und versteht sich zum Glück nicht als spielbare Dokumentation oder Edutainment. Der Erste Weltkrieg dient als Szenario für ein Spiel, das Spaß machen soll und dank intensiver Gefechte, einem großen Waffenarsenal und krachender Action viel Spaß macht. Dennoch wird schön und ohne einen gehobenen Zeigefinger veranschaulicht, dass Krieg und Spaß in der Realität kaum weiter voneinander entfernt sein könnten.

Aktualisierung vom 25. Oktober 2016: ab hier folgt der Multiplayer-Test von Jan Wöbbeking

Trotz gelungener Ansätze bleibt die Kampagne auch in Battlefield 1 nur ein Nebenschauplatz, denn der wahre Krieg tobt nach wie vor im Netz. Auf allen Systemen kämpfen bis zu 64 Spieler mit der Hilfe allerlei Vehikel um Stützpunkte, die Verschiebung der Frontlinie oder in kleineren Infanterie-Modi. Vor allem im neuen Mehrspieler-Modus Operationen brennt die Luft: Dort finden sich die Spieler in einer Reihe verknüpfter Schlachten wieder, die auf tatsächlichen Gefechten des Ersten Weltkriegs basieren und sich über mehrere Karten erstrecken. Während der finalen italienischen Offensive erobert man z.B. nach und nach die an einem Alpenhang liegenden Festungen von der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zurück. Vor dem Einsatz gibt es eine kurze Erläuterung der Schlacht – kein Geschichtsexkurs, aber lang genug, um dem folgenden Gemetzel Kontext zu verleihen. Auch die Länge des Matches sorgt für eine ganz andere Dynamik: Hier wird man nicht wie anderswo zusammenhanglos durch verschiedene Karten und Modi gewürfelt, sondern bleibt mitunter eine komplette Stunde lang bei der Sache und startet Seite an Seite mit den Teammitgliedern mehrere Angriffe. Oder man versucht eben, die Stellung zu halten und die drei Bataillone der Angreifer aufzureiben. Das kann mitunter richtig anstrengend, bei einem haarscharfen Sieg aber auch herrlich erhebend sein.

Hiah!
Immer wieder geht es darum, zwei bis drei Punkte einzunehmen, um die Frontlinie zu verschieben – so dass sich die verteidigende Mannschaft während des Artilleriefeuers in eine andere Festung zurückfallen lässt. Zurückliegende Teams werden in späteren Runden von schwebenden oder auf dem Meer schwimmenden Plattformen aus unterstützt. So erscheint z.B. ein imposantes Luftschiff, von dessen Kanzel aus man die ameisengroßen Gegner mit einem Geschütz piesackt. Eindrucksvoll inszeniert ist auch der Absturz des brennenden Monstrums, von dem nach dem Inferno nur ein erstaunlich mickriges Gerüst übrig bleibt. Ein bizarres Schauspiel!

Tödliche Idylle

Besonders schön dabei ist, wie abwechslungsreich die Areale ausfallen: An den Alpenhängen finden sich nicht nur hübsche Ausblicke für Scharfschützen, sondern auch viele natürliche Nischen, an denen man sich geschickt an die Bunker-Anlagen vorarbeiten kann. Sicher, der verbissene Grabenkampf ergibt sich auch in DICE‘ Version des virtuellen Ersten Weltkriegs, z.B. vor einer großen Kirche. Wenn man mit einem der größeren frühen Panzer angerumpelt kommt, sollte man sich nicht zu schnell an das in den Boden gegrabene Geflecht heranwagen – es sei denn, man möchte von den verschanzten Gegnern mit ein paar netten Gastgeschenken aus der Panzerbüchse der Sturmsoldaten bedacht werden.

Sogar die berühmt-berüchtigten Grabenkämopfe gestalten sich in Battlefield 1 nicht zäh, sondern spannend.
Auch andere Klassen wie der Sani können ihr Arsenal schon nach wenigen Matches gut gegen die Aggressoren auf Ketten abstimmen. Ein Granatwerfer hier, eine Mine vor dem Tunnel oder ein zusammen gebundenes Granatenpäckchen – und schon muss sich die eben noch so stolze Rumpelkiste hinter den nächsten Felsvorsprung zur Reparatur zurückziehen. Trotzdem gehören die mitunter schrägen, stacheligen Panzer nicht nur zu den spaßigsten, sondern auch zu den effektivsten Fahrzeugen, mit denen man schön im Trupp die Karte unsicher machen kann. Ein paar gezielte Treffer aus der Distanz und wenn das verteidigende Squad ausgelöscht wurde, wagt man die Eroberung des Tunnels. Zwischendurch zieht man sich immer wieder zur Reparatur zurück, während die Mitfahrer vorlaute Angreifer seitlich mit dem Flammenwerfer rösten. Derart motivierende Fahrzeugschlachten gab es schon lange nicht mehr! Etwas stärker krachen könnte es allerdings schon, wenn die Stahlbiester feuern. Im Vergleich zu den hervorragend abgemischten Vorgängern haben EAs Sounddesigner leider Tiefbass und Dynamik zurückgefahren. Davon abgesehen klingt die Geräuschkulisse aber sehr authentisch und räumlich.

Intensiver geht es kaum

Die „Kaiserschlacht“ ist ebenfalls ein echtes Highlight der großen Mehrspieler-Operationen: Sie spielt sich auf zwei äußerst gelungenen Karten ab. Das kleine Dörfchen an der „Narbe von St. Quentin“ bietet mit einer Mühle, dampfenden Feldern, einigen flachen Gehöften und höheren Cafés am Ortskern einen tollen Mix für dynamische Scharmützel aller Klassen. An zerbombten Punkten des Areals geht es häufiger durch die Schützengräben. Hier spürt man regelrecht die stickige Luft und die verbrannte Erde in der Nase, so schauderhaft detailverliebt hat DICE das Szenario umgesetzt. Dabei werden immer wieder Gedanken an Helms Klamm wach; Tolkien ließ seine Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg übrigens in Der Herr der Ringe einfließen. Auf der zweiten Karte Amiens wird deutlich, wie stark sich die Umgebung zerlegen lässt: Zum Ende des Gefechts sehen Teile der Karte ganz anders aus als zu Beginn: Eine massive Brücke kollabiert unter dem Panzerzug, der mit seiner Kanone bereits die halbe Fassade eines Scharfschützennests abgerissen hat. Wer in einem größeren Panzer unterwegs ist, kann dünnere Wände vor verschanzten Trupps einfach zerschießen oder hindurch fahren.

Romantik in den italienischen Alpen.
Auch die Wüste ist um einiges schicker geworden als noch in der Beta. Am Rande der Festung von Faw gibt es dank der dynamischen Beleuchtung tolle Spiegelungen, welche den Beobachter schnell das Leben kosten können. Während der großen Operation wird das offene Terrain am Rande der Halbinsel und in der Wüste Sinai mitunter zum nervigen Verhängnis. Aus dem Gebirge nerven massenhaft Scharfschützen. Zu nah an die Küste darf man sich während der Schiffssalven aber ebenfalls nicht trauen - und zusätzlich wird man noch frontal derart mit Mörserfeuer eingedeckt, dass nicht einmal die kleinen Felsen Schutz bieten. Hier sollte DICE noch einmal an der Balance schrauben.

Ausgenommen von der Kritik ist die Festung selbst, denn innerhalb der Burgmauern ergeben sich traumhaft dynamische Schusswechsel, bei denen man sich von der Seeseite aus einschleicht, auf Mauern postiert oder rund um den Keller schnelle Schusswechsel liefert. Auf anderen Karten wird der Sniper-Overkill übrigens oft geschickt durch Rauch, Nebel oder das sich verformende Terrain verhindert. Da die Arbeitsstunden der Kartendesigner offenbar allgemein eher in Qualität statt Quantität geflossen sind, wird Battlefield 1 zum Start nur mit neun Schauplätzen ausgeliefert. Außerdem will EA natürlich später noch mit dem einträchtigen DLC-Modell Gewinn Kasse machen. Auch die französischen und russischen Fraktionen sollen erst nachgeliefert werden.

Teamwork gewinnt!

Wer sich immer schön auf die vom Truppführer zugeordneten Ziele konzentriert, wird fürstlich belohnt. Selbst wenn man in einem dieser verdammten Matches steckt, in denen man fast alle Duelle verliert, kann es sein, dass man sich fast an der Spitze der Endabrechnung wiederfindet. Teamwork-Aktionen bringen noch etwas mehr Punkte ein als früher und helfen gleichzeitig den Mitstreitern, z.B. die Einnahme von markierten Zielen, Schwächung von Soldaten und Vehikeln, Kill-Hilfen oder die massenhafte Versorgung des Teams mit Munition und Verbandskästen. Auch das Commo-Rose-Menü ist wieder dabei, um nonverbale Anfragen wie Heilung oder Abholung abzusenden. In der hektischen Praxis ist es meist aber sinnvoller, kurz per Sprach-Chat nachzufragen – und am besten gleich mit ein paar verlässlichen Freunden in einem privaten Squad loszuziehen. Vor allem auf den Konsolen vergessen nämlich rund die Hälfte der „offenen“ Truppführer, Ziele zu markieren, was eine Menge Punkte kosten kann.

Einige der freispielbaren Mörser können den Panzern ordentlich zusetzen: Einfach Ziel auf der Karte markieren und es rumst. Andere Spieler sollten währenddessen allerdings die Ziele markieren.
Wer eine authentische Simulation erwartet, wird vermutlich nicht besonders froh mit dem Spiel werden (und wird mit Verdun authentischer bedient). Dafür sind z.B. zu viele automatische Waffen im Einsatz und auch die bedrückenden Hintergründe des Gemetzels werden nicht beleuchtet. Zudem wirken die Panzer beim Durchbruch zu robust und lassen sich sogar bequem im Fahrzeug sitzend reparieren, so lange sie still stehen und keine massiven Treffer einstecken. Ich bin allerdings heilfroh darüber, dass sich die Entwickler die historischen Hintergründe nur als Grundlage ausgewählt haben, um sich mit einem starken Waffen-Arsenal auf den Mehrspieler-Spaß zu konzentrieren. „Was wäre wenn die modernsten und coolsten Erfindungen der damaligen Zeit in großer Stückzahl zur Verfügung gestanden hätten?“, war offenbar die Maxime bei der Entwicklung. In meiner Lieblingsklasse als Support z.B. bin ich beim leichten Maschinengewehr schnell von der Lewis Gun zur M1909 Benét–Mercié gewechselt, die nach dem ersten Schuss ein wenig verzieht, sich dann aber wieder schön stabilisiert. Außerdem im Spiel vertreten sind Bleispritzen wie die Maschinenpistole MP18, das halbautomatische Cei-Rigotti des Sanitäters oder zeittypische Karabiner wie das deutsche Mauser Modell 98.

Martialisches Arsenal

Die Waffenauswahl fällt nicht übermäßig vielfältig aus und bietet lange nicht so viele Konfigurationsmöglichkeiten wie in einem Call of Duty. Trotzdem ist es eine ganze Weile lang ziemlich motivierend, mit neuen Errungenschaften zu experimentieren, sie mit verschiedenen alten Visieren oder Vergrößerungsstufen auszustatten. Für zusätzlichen Ansporn sorgen Shooter-typische Neben-Herausforderungen, die Erfahrungspunkte einbringen und hier „Medaillen“ heißen: Erledige x Gegner mit dem leichten Maschinengewehr, versorge y Squad-Mitglieder mit Munition usw. Unter den zeitlich wechselnden Medaillen finden sich sowohl komplexere Exemplare für Profis als auch schlichtere für Einsteiger. Das interessanteste am Arsenal ist nicht die Anzahl, sondern eher der Abwechslungsreichtum: Hartnäckig verschanzte Gegnergrüppchen z.B. lassen sich effektiv mit Gasgranaten aus dem Konzept bringen. Wer nicht schnell genug die Maske überstreift, ist beim folgenden Überfall schon geschwächt und kann nicht mehr anlegen, sondern nur noch aus der Hüfte schießen. Auch die kontrovers diskutierten Eliteklassen gefallen mir bislang gut. Wer einmal im dichten Wald der Argonnen im Bunker gehockt hat, weiß, wie hartnäckig der Benzinstrahl des Flammschützen sein kann: Selbst wer mit den Reflexen einer Katze zurückweicht, kann noch von einem brennenden Kameraden ins Verderben gerissen werden oder wird zumindest soweit geschwächt, dass man beim folgenden Überfall den Kürzeren zieht. An das Kit der gepanzerten Supersoldaten kommt man mitten im Match: Ähnlich wie in Star Wars Battlefront erscheint die jeweilige Ausrüstung in gekennzeichneten Waffenkisten. Der stark gepanzerte „Wachsoldat“ etwa trägt ein wassergekühltes automatisches MG an der Hüfte. Übertrieben stark sind die Elitesoldaten aber nicht: Der Wachsoldat z.B. ist relativ langsam und mangels Gasmaske anfällig gegen Gas, so dass er sich mit einem konzentrierten Squad-Überfall problemlos ausschalten lässt.

Kurzweilige Abwechslung

Cheese!
Wer ohnehin lieber in kleinen Infanteriemodi unterwegs ist, kann sich ins klassischere Team-Deathmatch stürzen oder in Domination auf wenige Stützpunkte stürzen. Ebenfalls schnell geht es im neuen Modus „Kriegstauben“ zu, das an Flaggeneroberungen oder Halos Oddball erinnert. Ein Spieler schnappt sich die Brieftaube und muss so lange still stehen und beschützt werden, bis der Brief zu Ende gekritzelt wurde. Flattert der Vogel los, kann er noch im letzten Moment vom Gegner mit Projektilen aus der Luft gepflückt werden. Auf Dauer etwas hektisch, aber eine angenehme Abwechslung von den großen Schlachten.

Für alte Hasen stehen natürlich auch die zwei bislang wichtigsten Modi zur Verfügung: Bei Rush konzentriert sich die Action auf das Sprengen nah aneinander liegender Ziele, deren Sprengsätze auch entschärft werden können. So lange die Telegrafenmasten noch nicht in die Luft gejagt wurden, lässt sich damit übrigens Artillerieunterstützung anfordern. Bei der Eroberung werden ganz nach Vorliebe des Spielers diverse Punkte auf der großen Karte erobert – eine Spielart, die noch besser zum Design der abwechslungsreichen Karten passt als in den eher auf Rush zugeschnittenen Vorgängern. Wer in anderen Spielen die Nase voll vom blitzschnellen Krieg der Zukunft mit all seinen Wallruns und Drohnen hat oder es allgemein lieber etwas gemütlicher angeht, kommt hier auf seine Kosten.

Veraltete Nutzerführung

Ebenfalls ziemlich altertümlich wirkt übrigens die Menüführung: Einen Server darf man nur sofort nach einer Runde oder während des nächsten Matches verlassen. Verpasst man das Zeitfenster, um noch ein wenig im Endergebnis zu schmökern, findet man sich in einem der langwierigen Ladebildschirme wieder. Außerdem darf man nur während eines Matches die Klassen editieren, wodurch man zu Beginn des Matches oft erst einmal das Squad im Stich lassen muss und die Chance auf eine schönen Panzer vergibt. Ist das etwa keinem Testspieler aufgefallen? Etwas verwirrend und deplatziert wirken auch die nach einem Match verdienten Battlepacks im Wundertütenformat mit ihren kosmetischen Waffenskins und Puzzleteilen für Nahkampfwaffen wie eine stachelige Keule. Konsolenbesitzer müssen zudem mit träge über den Schirm ruckelnden Menüs leben, vor allem auf der Xbox One. Auf Microsofts Konsole kommt es in seltenen Fällen sogar vor, dass eine Tasteneingabe nicht erkannt wird, etwa beim Nachladen, Aktivieren des Mörsers oder Ähnlichem.

Heiß begehrter Zug: Um den Behemoth konzentrieren sich gelegentlich die Scharmützel.
PS4-Fans sollten jetzt aber nicht in hämisches Gelächter ausbrechen, denn auch sie müssen eine bittere Pille schlucken. Auf Sonys Konsole kommt es etwas häufiger zu kleinen Rucklern als auf der Xbox One. Das Problem bleibt zum Glück auf beiden Systemen so klein, dass es irgendwann kaum noch auffällt und tritt vor allem in den ersten Spielstunden auf. Vielleicht wird bei neuen Karten im Hintergrund noch fleißig installiert? Auch eine Hand voll Abstürze haben wir in den Konsolenfassungen während der Spielsuche erlebt. Von solchen Mankos abgesehen sehen die Konsolenfassungen aber bemerkenswert gut aus. Klar, wenn man das Schauspiel vorher perfekt flüssig auf Ultra mit einer GTX 1070 vor Augen hatte, fallen kleine Einschnitte beim Detailgrad, Bildschärfe, Bildrate und Partikeleffekten auf. Trotzdem muss man schon genau hinschauen, denn selbst auf der technisch schwächeren Xbox One bietet das teils idyllische, teils martialische Explosionschaos ein beeindruckendes Gesamtbild.

Grafikpracht ohne Lags

Nicht noch ein Scharfschütze: Zentrale Wüstenbewohner werden regelmäßig von den Rändern der Karte gepiesackt.
Eine echte Freude ist auch, wie flüssig die Matches ablaufen: Lags bleiben hier eine seltene Ausnahme und sogar auf den Konsolen kann man sich schön im Server-Browser den gewünschten Kriegsort und Spielmodus mit europäischen Mitspielern herausfiltern. Alternativ ist auch eine schnelle Spielervermittlung möglich. Wer mit Freunden spielen will, kann ihnen sehr unkompliziert vom Hauptmenü aus beitreten. Später soll man auch eigene Server mieten können – allerdings nur von EAs exklusivem Vertragspartner und direkt innerhalb der Spielmenüs. Schade auch, dass private Matches, der Hardcore-Modus und der neblige Modus Fog of War noch fehlen: In letzterem muss man mit stark eingeschränkten Sichtverhältnissen und ohne Minikarte zurechtkommen. Auch ein LAN-Modus fehlt.

Fazit

In Battlefield 1 liefert DICE seine beste Kampagne ab! Das ist angesichts der bisherigen Enttäuschungen in diesem Bereich aber noch keine große Kunst. Mit der zähen Panzer-Story, grenzdebiler Moorhuhn-KI oder der unpassenden Reparaturmechanik gibt es immer noch Dinge, die mich auch hier stören. Manchmal hat man außerdem zu sehr das Gefühl, in einem XXL-Tutorial für den Mehrspielermodus gelandet zu sein, wenn man nach klassischer Conquest-Manier Stellungen einnehmen muss oder nach und nach an die Bedienung der Vehikel herangeführt wird. Auf der anderen Seite macht das Team aus Schweden bei seinen Kriegsgeschichten viel richtig: Die Aufteilung in unabhängige Episoden hat sich bewährt und bringt hinsichtlich Spielablauf, Schauplätzen und Charakteren viel Abwechslung sowie unterschiedliche Einblicke mit sich. Schön, dass neben der bombastischen Inszenierung und intensiven Action mit teils brutalen Aktionen auch nachdenkliche Töne einen Platz bekommen und dabei weder aufdringlich noch heuchlerisch wirken.

Aktualisierung zum Multiplayer von Jan Wöbbeking, 25. Oktober 2016:

Was für eine Zerstörungsorgie – und was für ein Suchtmittel! Selbst als ich vor ein paar Tagen mit Fieber im Bett lag, drehten sich meine Gedanken komplett um Battlefield 1 und ich musste ab und zu immer wieder wieder eine Runde einlegen. Vor allem der neue Operationen-Modus sorgt für ein Spielgefühl, das ich derart intensiv noch nie erlebt habe. Wenn man sich über eine Stunde lang verbissen über mehrere Schlachtfelder kämpft, die zudem noch in einen historischen Kontext eingebettet werden, entsteht eine unheimlich starke Atmosphäre, die all das noch verstärkt, was die Serie schon früher so unterhaltsam machte. Dabei ist es mir auch mehr als recht, dass DICE bei Waffen, Technik und Pietät Fünfe gerade sein lässt und die Armeen mit massenhaft „moderner“ Kriegsmaschinerie ausstattet, die in derartigem Umfang damals noch gar nicht zur Verfügung stand. Das ist „Krieg spielen“ in seiner klassischen Form: Die unheimlich coolen frühen Panzer, Schusswaffen und fiesen Gagdets wie Flammenwerfer und Gasgranaten passen prima zu den abwechslungsreich designten Karten. Sicher, es gibt eine Reihe von Problemen, darunter nervende Scharfschützen im offenen Terrain sowie kleine technische Schwächen auf den Konsolen. Trotzdem sind die großen Schlachten derart mitreißend und vereinnahmend, dass Battlefield 1 ein ganz heißer Kandidat für mein Spiel des Jahres ist!


Pro

großartiges Schlachtfeldgefühl in langen Mehrspieler-Operationen
auch Eroberung und Rush vermitteln viel Spannung
realgetreue Zerstörung, bis hin zum Einreißen von Wänden
mächtige Explosionen zerbersten mitunter die halbe Innenstadt
abwechslungsreiche Schauplätze
detailreiche Kulissen
stimmungsvolle Beleuchtung und gleißende Reflexionen
dichter Rauch, Nebel und Partikeleffekte erfordern Anpassung der Strategie
realgetreue und räumlich präzise Soundeffekte (allerdings weniger Bass und Dynamik als in den Vorgängern)
martialische, schön auf den Multiplayer abgestimmte Waffen
Zusammenarbeit mit Squad und Team wird auf vielfältige Weise belohnt
fiese aber nützliche Gadgets wie Gasgranaten und Mörser
coole frühe Kriegsvehikel, Luftschiffe und Pferde
vor allem die Panzer mit mehreren Kanonen oder Flammenwerfern rocken
saubere Online-Performance während der Matches
Server-Browser und aufsetzbare Server (allerdings nur im Spiel vom offiziellen Partner)
Kriegsgeschichten zeigen verschiedene Perspektiven und Schauplätze
nachdenkliche Töne zum Thema Krieg
umfangreiches Waffenarsenal
schicke Zwischensequenzen und gelungene Übergänge
gute Lokalisierung mit professionellen Sprechern

Kontra

offene Areale fördern nervigen Dauerbeschuss von Scharfschützen, Mörsern oder Schiffen
sehr leichtes (One) bzw. leichtes Ruckeln (PS4), vor allem in ersten Runden
Menüs und Controller-Eingaben reagieren manchmal nicht oder verzögert (PS4 und vor allem One)
mitunter Probleme oder Abstürze bei Server-Beitritt und Spielersuche
Hardcore-Modi und eigens konfigurierbare Matches noch nicht verfügbar
verwirrendes Battlepack-System
Klassen-Anpassung und Verlassen des Servers umständlich gelöst
nur neun Karten, die allerdings groß ausfallen
französische und russische Truppen kommen erst später als kostenpflichtiger Download
nerviger deutscher Multiplayer-Kommentar (lässt sich auf Englisch wechseln)
Figuren bleiben manchmal seltsam verrenkt im Terrain stecken
lange Ladezeiten (vor allem auf den Konsolen)
kein LAN-Modus
Kampagne besitzt stellenweise Tutorial-Charakter
grenzdebile KI mit Suizid-Ambitionen
sehr oberflächliche Schleichmechanik
Mechaniken wie Reparatur wirken in Kampagne unpassend / zu künstlich
keine Story-Episode beleuchtet aktiv die deutsche Seite
seltene Abstürze in der Spielersuche (Xbox One und PS4)

Wertung

XboxOne

Pompös, zerstörerisch und unheimlich mitreißend: Battlefield 1 bietet das intensivste Schlachtgefühl der Seriengeschichte - trotz kleiner technischer Probleme auf den Konsolen.

PlayStation4

Pompös, zerstörerisch und unheimlich mitreißend: Battlefield 1 bietet das intensivste Schlachtgefühl der Seriengeschichte - trotz kleiner technischer Probleme auf den Konsolen.

PC

Pompös, zerstörerisch und unheimlich mitreißend: Battlefield 1 bietet das intensivste Schlachtgefühl der Seriengeschichte!

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