MXGP2 - The Official Motocross Videogame26.04.2016, Michael Krosta

Im Test: Angestaubtes Motocross

Milestone ist zurück in seinem Metier: Die Italiener widmen sich nach dem durchschnittlichen Sebastien Loeb Rally jetzt wieder den Zweirädern und bitten in MXGP 2 erneut zum Ritt über die staubigen Berg- und Talpisten mit ihren waghalsigen Sprüngen sowie intensiven Positionskämpfen. Inszeniert das offizielle Spiel zur FIM Motocross-Serie packende Offroad-Rennen oder bleibt man einmal mehr im Mittelmaß stecken? 

Viel zu tun, wenig Begeisterung

MXGP 2 ist mal wieder ein typisches Milestone-Spiel: Beim Umfang gibt es abgesehen vom fehlenden Drumherum wie Siegerehrungen nicht viel zu meckern, doch auf der Piste übertreffen die Schwächen weiterhin die Stärken innerhalb der Rennen auf den Bikes der MX- oder der schwächeren MX2-Klasse. Entweder absolviert man den offiziellen Kalender der vergangenen Saison, stellt sich eine Meisterschaft mit eigenen Strecken zusammen oder fährt ein Einzelrennen. Dabei hat man stets die Wahl, ob man sich sofort in die Startaufstellung begibt oder den Umfang auf ein komplettes Wochenende inklusive Training, Qualifikation und Doppelrennen steigert.

Mit einem gut getimten Scrub lässt sich die Flugbahn nach Sprüngen beeinflussen.
Zählt in der klassischen Meisterschaft nur die Punkte für Fahrer und Team, tritt man im Modus Monster Energy FIM MXON für die Nation seiner Wahl an und kämpft als Trio um die wichtigen Punkte. In der Stadium Series werden die Positionsduelle dagegen von der Natur in vier Indoor-Arenen verlegt. Auch dort hat man die Wahl zwischen Einzelrennen, einer Meisterschaft oder Zeitrennen. Bei den realen Events findet man dagegen kleine Missionen, die im Kontext zu Ereignissen stehen, die tatsächlich während der letztjährigen MX-Saison passiert sind. Wer sich dagegen eine kleine Auszeit von den lizenzierten Teams und Fahrern gönnen will, um mit seinem selbst erstellten Piloten durchzustarten, wird im Karrieremodus fündig. Hier startet man wie gehabt ganz unten, stellt sich Personal zusammen und kümmert sich neben guten Ergebnissen auf der Strecke um Verträge mit interessierten Teams sowie Sponsoren, wobei die Präsentation mit ihren lahmen Menüs wohl kaum langweiliger ausfallen könnte. Immerhin wird die Kunst der Fahrtechniken in brauchbaren Einführungsvideos näher gebracht, wobei man die Theorie am besten auf der Teststrecke in praktische Erfahrungen verwandelt. Im Gegensatz zu verwandten Offroad-Titeln wie MX vs. ATV gibt es hier allerdings kein Tricksystem und auch keinen entsprechenden Spielmodus – sicher auch deshalb, weil der Lizenzgeber ein solches Vorhaben vermutlich nicht absegnen würde. So bleibt an Kunststücken lediglich der offiziell erlaubte Scrub, mit dessen Hilfe man – richtiges Timing vorausgesetzt – die Flugbahn des Bikes bei Sprüngen beeinflussen kann.

Grausige Kollisionsabfrage

Mehr Leistung? Ein besseres Fahrverhalten? Schickere Optik? Die nötigen Teile dafür findet man im Tuning-Menü.
Das Fahren an sich fühlt sich gar nicht übel an – auch dank der rudimentären Setup-Einstellungen an Federung und Schaltung sowie den drei Stufen für die Fahrphysik. Während die Basis-Stufe die meisten Fahrfehler verzeiht und Pro mit getrennten Bremsen sowie einer sensibleren Steuerung die Profis anspricht, bildet die Mitte einen willkommenen Kompromiss. Dort lassen sich die Vorder- und Hinterbremse auf Wunsch noch koppeln, auch bei der Gangschaltung und dem Verlagern des Fahrergewichts kann man sich noch mit einer Halbautomatik unter die Arme greifen lassen, wenn man mit der manuellen Kontrolle überfordert sein sollte. Auf höheren Stufen gestaltet sich das Fahren über die Pisten mit ihren Echtzeit-Verformungen durchaus anspruchsvoll – vor allem aufgrund der getrennten Steuerung von Fahrer und Bike, die sich schnell natürlich anfühlt. Fällt man trotzdem mal vom Sattel, darf man die Fehler dank einer optionalen Rückspulfunktion maximal neun Mal ungeschehen machen.  

Im Setup-Bereich lassen sich die Bikes auf Wunsch anpassen.
Leider versauen gleich mehrere Faktoren den Fahrspaß auf den Motocross-Maschinen: Zum einen ist die Kollisionsabfrage unter aller Kanone! Bei nahezu jeder Berührung zieht man als Spieler im Duell mit der KI den Kürzeren und stürzt, während die anderen „Beton-Piloten“ einfach unbehelligt weiter und sogar ohne Konsequenzen über mich hinweg fahren. Manchmal landen sie nach einem Sprung sogar auf meinem Kopf und versuchen sich als Beifahrer von oben – selbstverständlich ebenfalls ohne Stürze oder irgendwelche Probleme. Das sieht nicht nur völlig lächerlich aus, sondern damit verabschiedet man sich noch weiter vom Realitätsanspruch, den man eigentlich verfolgt! Ähnliches gilt für die Rücksetzpunkte: Mal wird man schon beim kleinsten Überfahren des Streckenrands penibel zurückgesetzt und verliert wertvolle Plätze, während man an anderen Stellen sogar problemlos abkürzen kann und das alles nicht so eng gesehen wird. Man ist also auf der einen Seite bei Grenzübertretungen völlig inkonsequent, auf der anderen übertrieben genau – eine unschöne Kombination. Immerhin darf man mit dem Trost leben, verlorene Positionen relativ schnell wieder aufholen zu können – dem Gummibandeffekt sei es gedankt! Liegt man hinten, wird das Feld künstlich beieinander gehalten und die Führenden drosseln ihr Tempo. Liegt man selbst vorne, ist der Effekt dagegen nicht ganz so stark ausgeprägt und man kann sich mitunter deutlich von seinen Verfolgern absetzen. Hängt man dagegen irgendwo im Mittelfeld, hat man oftmals nicht nur mit anderen Piloten, sondern auch der Übersicht zu kämpfen: Zumindest beim Fahren in der Außenansicht fängt die Kamera das Geschehen oft so unglücklich ein, dass die anderen Motorräder im Pulk die Sicht komplett versperren, was besonders in Kurven oder während Sprüngen ärgert.

Eine gute Investition

In den Rennen sammelt man nicht nur Punkte für die Meisterschaft, sondern wird auch mit Credits belohnt. Wie hoch das Preisgeld ausfällt, entscheidet neben der Endplatzierung auch der gewählte Schwierigkeitsgrad zwischen den vier KI-Stufen sowie das Erfüllen von Bonuszielen, darunter z.B. der Hole Shot (Führung nach der ersten Kurve). Vor allem in der Karriere erweist sich ein gut gefülltes Konto als nützlich, denn hier muss die Anschaffungen der einzelnen Motorräder aus eigener Kasse gezahlt werden. Darüber hinaus darf man jedes von ihnen im Tuningbereich mit weiteren Teilen versehen. Dazu gehören nicht nur optische Verschönerungen wie Graphic Kits, Lenker oder Handgriffe, sondern auch Performance-Steigerungen in Form von Auspuff-Varianten sowie einer breiten Auswahl an Federn, Bremsscheiben, Reifen und weiterem Zubehör. Der Fahrer lässt sich mit dem verdienten Geld ebenfalls ordentlich ausstatten: Neben Helmen, Schutzbrillen und Rennanzügen finden sich auch Stiefel und sogar Halskrausen im Sortiment. Wie schon bei den Tuningteilen handelt es sich auch bei den Outfit-Optionen um Angebote lizenzierte Hersteller, darunter Pirelli, Shoei, Eks Brand, Alpinestars, Scott, Öhlins, Brembo und FMF Racing.        

Enttäuschende (Konsolen-)Technik

Die Übersicht ist nicht immer optimal. Nein, ich bin hier nicht der Fahrer mit der Nummer 32!
Die Technik zählt schon seit Jahren nicht gerade zu den Stärken von Milestone. Auch der jüngste Spross des Studios bildet da keine Ausnahme: Auf dem PC machen die Motocross-Einsätze dank der hohen Bildrate und einer entsprechend flüssigen Darstellung noch die beste Figur, obwohl die Kulisse mit ihrem mäßig animierten Klon-Publikum immer noch etwas steril und altbacken wirkt. Aber das lässt sich verschmerzen, denn die Strecken und die feinen Staubpartikel sehen ganz passabel aus, obwohl man aus der Echtzeit-Deformation der Oberfläche vielleicht noch etwas mehr hätte herausholen können. Trotzdem spürt man die Auswirkungen der kleinen Hügel und Rillen aufs Fahrverhalten etwas deutlicher als im Vorgänger, doch bemerkt man immer noch ein unnatürliches Nachladen bzw. Verändern der Oberflächenstruktur und kann die Reifen nicht so stark eingraben, wie man es vielleicht erwarten würde.  

Für die optimale Motocross-Immersion empfiehlt sich die Verwendung der Helmkamera.
Gerade im Vergleich zum PC sind die Fassungen für PS4 und Xbox One technisch ernüchternd: Wie schon im Vorgänger auf PS3 und 360 schafft man es immer noch nicht, die Bildrate über 30fps zu heben. Selbst das gelingt nicht immer, denn ab und zu kommt die Darstellung trotz der gebotenen Detailarmut noch ins Stottern. Wenn das Spiel schon aussieht, als würde es auf den Konsolen der letzten Generation laufen, sollte zumindest die Performance den aktuellen Geräten würdig sein. Aber Pustekuchen: Zusammen mit den ewigen Ladezeiten ist MXGP 2 nur ein weiteres Armutszeugnis dafür, was Milestone derzeit technisch auf den Konsolen abliefert! Bei den mageren Motorenklängen sind dagegen wieder alle Plattformen vereint. Hinsichtlich der Online-Anbindung scheint man ebenfalls nichts dazugelernt zu haben: Genau wie im Vorgänger kämpfen die Server auch hier mit Verbindungsproblemen und die zahlreichen Lags können einen schnell in den Wahnsinn treiben. Da hilft es auch nicht viel, dass man neben Einzelrennen sogar komplette Meisterschaften über die Internetleitung austragen darf. Lokale Duelle sind mangels Splitscreen-Option dagegen nicht möglich – wahrscheinlich, weil die schwache Engine schon jetzt überfordert ist und man sich nicht die Blöße geben will, den Detailgrad und / oder die Darstellung noch weiter runterzuschrauben.

Fazit

Vielleicht sollte man bei Milestone ernsthaft darüber nachdenken, nicht im Akkord ein mittelprächtiges Spiel nach dem anderen rauszuhauen. Stattdessen sollte man die Zeit lieber dafür nutzen, das technische Grundgerüst speziell auf den Konsolen endlich ordentlich zu modernisieren und sich mit den verfügbaren Ressourcen dann auf ein Prestige-Projekt konzentrieren. Ansonsten dürften uns in den nächsten Jahren weitere Titel der Kategorie MXGP 2 ins Haus stehen: Also lieblos gestaltete Fortsetzungen, die zwar durch ihre große Anzahl an Modi und Inhalten viel Umfang bieten, aber auf der Strecke mit Kritikpunkten wie der miserablen Kollisionsabfrage oder dämlichen Rücksetzpunkten mehr falsch machen als richtig. Auf dem PC präsentiert sich der virtuelle Motocross dank besserer Technik trotzdem noch halbwegs solide – aber das wäre das Minimum, was ich auch auf Xbox One und PS4 erwarten würde. Stattdessen wird man dort mit einer holprigen Darstellung am Limit sowie langen Ladezeiten abgespeist – von der wackeligen Online-Performance ganz zu schweigen, mit der man sich sogar auf allen Plattformen herumärgern muss. Mangels echter Alternativen müssen Motocross-Fans wohl in den sauren Apfel beißen, wenn sie die FIM-Serie am Bildschirm erleben wollen. Zumindest bleibt dank des ordentlichen Umfangs und der ansprechenden Fahrphysik aber noch eine süße Geschmacksnote erhalten. 

Pro

offzielle Lizenz der Saison 2015
gelungenes Offroad-Fahrgefühl
getrennte Steuerung von Fahrer und Bike
drei Fahrphysik-Stufen
umfangreiches Angebot an Spielmodi & Schauplätzen
rudimentäre Bike-Einstellungen möglich
optionale Rückspulfunktion
kleiner Fahrer-Editor und anpassbare Ausrüstung
Tuning- und Anpassungsoptionen
komplette Rennwochenenden möglich
nette Tutorial-Videos
Online-Modus (inkl. Online-Meisterschaften)

Kontra

mitunter katastrophale Kollisionsabfrage
magere Präsentation (keine Siegerehrung etc.)
keine Splitscreen-Rennen
unausgewogene Rücksetzpunkte / Streckenbegrenzung
Übersichtsprobleme bei Außenkamera
keine Stunt-Arenen oder Trick-Wettbewerbe (ggf. lizenzbedingt)
enttäuschende Motorenklänge
spürbarer Gummiband-Effekt
keine unterschiedlichen Witterungsbedigungen
lange Ladezeiten
niedrigere Bildrate und gelegentliches Ruckeln (Konsolen)
viele Verbindungsprobleme und Lags (online)

Wertung

PlayStation4

Auf der PS4 präsentiert sich der Motocross-Ausflug technisch eine ganze Klasse schlechter als am PC auf einem PS3-Niveau.

PC

MXGP 2 punktet zwar mit Umfang und gelungenem Motocross-Feeling, enttäuscht aber hinsichtlich Technik und durch eine schlimme Kollisionsabfrage.

XboxOne

Auf der Xbox One präsentiert sich der Motocross-Ausflug technisch eine ganze Klasse schlechter als am PC auf einem 360-Niveau.

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