Valkyria Revolution03.07.2017, Benjamin Schmädig

Im Test: Dämliche Quasselstrippen

Schluss, aus – ich kann’s nicht mehr hören! Ich musste selten einem so dämlichen Gequassel zuhören wie diesem hier und will ab sofort keine Silbe mehr davon ertragen. Wäre Valkyria Revolution (ab 9,99€ bei kaufen) eine dieser japanischen Schlüpfershows, könnte man ihm die unterirdischen Dialoge vielleicht nachsehen. Für eine ernst gemeinte taktische Action geht die hier vorgetragene Erzählweise aber gar nicht. Hätte im Test doch wenigstens diese Taktik etwas hergemacht...

Fans? Weg hier!

Ihr seid Fans des Vorgängers, des wundervollen Valkyria Chronicles? Ich auch. Denn es war ein ambitioniertes und verdammt gutes Spiel, das von seinem einzigartigen Artdesign ebenso lebte wie von klischeebeladenen, aber liebenswerten Charakteren und den Echtzeitelementen der Rundentaktik. Falls ihr nach einem ähnlichen Erlebnis sucht, dann vergesst, dass es Valkyria Revolution gibt!

Der Ableger hat ja ohnehin wenig mit dem Original zu tun. Er spielt zwar scheinbar in der gleichen Welt, Geschichte und Zeit sind allerdings ganz andere. Im Mittelpunkt steht zwar erneut das energiereiche und mit quasi-magischen Eigenschaften

Wenn ihr die Valkyria-Serie in guter Erinnerung behalten wollt, dann brecht am besten gleich hier, während des Vorspanns ab.
behaftete Ragnite, der darum ausgetragene Konflikt ist allerdings keine fiktive Version des Zweiten Weltkriegs, sondern findet in einem Umfeld statt, dass dem der Industriellen Revolution gleicht.

„Die Mission lief super-duper. Ka-bumm!“

Irgendwo steckt in den militärischen, politischen und persönlichen Verflechtungen sogar eine brauchbare Geschichte – die ist in wichtigen Teilen allerdings komplett vorhersehbar und wird dermaßen schlecht erzählt, dass ich sie nicht ertragen konnte. Tatsächlich habe ich nie zuvor so viele Dialogszenen weggeklickt wie hier. Wobei ich übrigens fast nichts verpasst habe. Der Informationsgehalt des Geplappers ist jedenfalls meist dermaßen dünn, dass er die ständigen Ladepausen vor jedem noch so kurzen Szenenwechsel kaum rechtfertigt.

Die Figuren sind alle meilenweit von den sympathischen, nahbaren Charakteren aus Valkyria Chronicles entfernt.

Mehr als Geplapper ist es ja ohnehin nicht: Bis auf wenige Ausnahmen glotzen sich zwei Gesichter an und bewegen die Lippen. Von den prachtvollen Ansichten, dynamischen Kamerafahrten und liebevoll animierten Figuren in Valkyria Chronicles fehlt jede Spur.

Von nahbaren Charakteren sowieso. Wenn eine Figur etwa durchgehend darauf beharrt, ihre Freundin Ophelia (immerhin die Prinzessin ihres Reichs!) „Fifi“ zu nennen, bin ich ja schon so gut wie raus – spätestens aber dann, wenn sich diese Prinzessin irgendwann anschickt ihre Kameraden aus höchster Not zu retten, zuvor jedoch redet und redet und redet, um ihr folgendes Handeln erst mal lang und breit zu erklären.

Dass die Charaktere aus der tiefsten Klischeekiste stammen: na, meinetwegen. Chronicles war weiß Gott nicht frei von typisch japanischen Albernheiten. Was die Figuren hier sagen, wirkt vor dem Hintergrund der erzählten Geschichte allerdings geradezu entfesselt dämlich und widerspricht vor allem dem jeweiligen Geschehen. Ihr wollt wissen, wie viel Handfläche eure Stirn verkraftet? Dann schlagt zu!

Pappaufstellerumkippen, das Spiel

Nun wäre das halb so wild, würde es nicht den Großteil des Spiels ausmachen. Tatsächlich verbringt man nämlich mehr Zeit mit dem Wegklicken der Dialoge als im Kampf. Und wäre der doch wenigstens spannend...

Ähnlich wie sein Vorgänger verbindet Valkyria Revolution Echtzeitaction mit Rundentaktik, geht dabei allerdings weiter und verzichtet auf den ersten Blick auf den Rundenrhythmus. Also läuft man mit bis zu vier Figuren starken Teams in die Einsatzgebiete, um feindliche Soldaten diesmal nicht mit Gewehren, sondern hauptsächlich mit Schwertern und anderen Nahkampfwaffen zu töten. Genauer gesagt rennt man mit vier Kämpfern gegen Dutzende kleine Trupps einfallsloser Pappaufsteller an und bearbeitet die Zuschlagen-Taste, bis man das Ende oder einen Boss erreicht. Letztere sind dann kaum cleverer als ihre Gefolgsleute und im Grunde auch nicht fordernd, brauchen aber gefühlt ewig, bis sie endlich zu Boden gehen.

Das eigentliche Spiel ist nicht besser. Was hier noch cool aussieht...

Schusswaffen gibt es dabei sehr wohl, doch spielen sie eine stark untergeordnete Rolle, da man mit ihnen eher überschaubaren Schaden anrichtet. Gegen an Steampunk-Fantasien erinnernde Walker, die lediglich als stärkere Einheiten des gewöhnlichen Fußvolks dienen, sind Raketenwerfer nützlich und manche Gegner schaltet man mit einem Scharfschützengewehr schon von weitem aus. In den meisten Fällen ist die Ragnite-„Magie“ aber wirkungsvoller.

Springen ja, aber nicht hier!

Je nach Situation und mit manchen Waffen sowie Ragnite-Fähigkeiten löst man zudem Zustände wie Angst oder Überraschung aus – was von Vorteil ist, gegen die wenigsten Gegner aber notwendig. Überhaupt lässt ausgerechnet die taktische Komponente zu wünschen übrig. So kann man z.B. in Deckung gehen, was in einem Handgemenge aber selbstverständlich wenig bringt; in Gefechte über Distanzen ist man aber so gut wie nie verwickelt. Spätestens die Tatsache, dass man längst nicht hinter jeder Mauer Schutz suchen darf, macht das

... erschöpft sich rasend schnell im langweiligen, immer gleichen Verdreschen einfallsloser Pappaufsteller.
Deckungssystem nahezu überflüssig. Sinnig auch: Es gibt hohes Gras, in dem man sich verstecken kann – und zwar fast immer sehr weit von jeder feindlichen Position entfernt.

Die Einsatzgebiete sind ohnehin nicht die Stärke des Spiels. (Aber was ist das schon?) Zum einen rennt man nämlich stets durch kleine Schläuche, in denen neue Feinde meist buchstäblich aus dem Nichts auftauchen. Zum anderen wird man wieder und wieder in diese langweiligen Umgebungen geschickt, weil man viele Missionen beliebig oft wiederholen darf, um zusätzliche Ausrüstung sowie Geld und Materialien zu beschaffen.

Zu allem Überfluss sind die Karten auch noch so gestaltet, dass die Kämpfer nicht einmal kleinste Erhebungen herunterspringen dürfen. Das tun sie nur an direkt danebenliegenden, dafür vorgesehenen Stellen – ziehen sich anschließend aber nicht einfach wieder herauf, sondern latschen lange Umwege, um auf das 1,50 Meter hohe Plateau zurückzukehren.

Warum angreifen, wenn man sich gegen Bewusstlose wehren kann?

Und warum hat Sega nicht eigentlich gleich ein waschechtes Actionspiel entwickelt? So soll sich Valkyria Revolution immerhin spielen und tatsächlich ist es am effektivsten mit dem oder der Stärksten des Teams so schnell wie möglich erst die leichten, dann die besser gepanzerten Gegner wegzuhauen. Ich habe versucht es anders zu machen. Ich wollte wie in Final Fantasy 12 mit einer „Magierin“ vor allem aus der Distanz agieren, während ich meinen Mitstreitern Befehle erteile. Schließlich kann man denen, eben ähnlich wie in Square Enix‘ und anderen Rollenspielen, taktische Vorgaben erteilen, die sich zwar auf einfache Anweisungen wie „Attackiere Kommandanten!“, „Nutze Ragnite!“ oder „Geh in den Nahkampf!“ beschränken, damit aber ein wertvolles Werkzeug sein könnten.

„Könnten“, weil sich die Kameraden nicht zuverlässig an die Anweisungen halten. „Könnten“ aber auch deshalb, weil sich die Begleiter schlicht und ergreifend wie Idioten verhalten. Spätestens in den eigentlich profanen Bosskämpfen fällt das auf, wenn man z.B. schnell aus deutlich markierten Zielbereichen für schwere Angriffe flüchten muss. Das ist ein Kinderspiel, gelingt mir mit dem aktiven Kämpfer auch mühelos und alle weiteren Charaktere haben die Anweisung „Auf ausweichen konzentrieren!“ – bleiben aber einfach stehen. Ähnlich widersinnig reagieren die Jungs und Mädels, wenn sie auf die Prämisse „Immer zuerst und mit aller Stärke den Feind angreifen!“ eingestellt sind, während ein Gegner am Boden liegt. Was machen sie also?

Die eigenen Mitstreiter sind unzuverlässig und verhalten sich unlogisch.
Stehen mit ihrem Schild vor dem regungslosen Gegner und blocken...

Deppenkorrektur

Klar: Ich könnte die Deppen dann selbst steuern, weil ich jeden im Team übernehmen darf. Aber dann verliere ich die Kontrolle über den stärksten Angreifer und steht der nur rum, ist der Schaden ja am größten – was er natürlich tut, sobald ich ihn dem Programm überlasse!

Abgesehen davon kann ich ohnehin nicht jederzeit wechseln, sondern muss selbst dafür die aktuelle Abklingzeit verstreichen lassen, obwohl andere Figuren gerade Aktionen ausführen könnten. Abseits des freien Bewegens findet Valkyria Revolution nämlich mitnichten in Echtzeit statt, sprich sämtliche Handlungen, auch Schwerthiebe, haben eine Abklingzeit. Und dass das auch für Charakterwechsel sowie das Erteilen von Befehlen gilt, erfüllt nur einen einzigen Zweck: dass die plumpe Gegnerdresche nicht noch leichter wird, als sie ohnehin schon ist.

Ärgerlich finde ich übrigens, dass die Helden ausschließlich dorthin ausweichen, wohin sie blicken. Lieber wäre mir, sie würden sich in jene Richtung bewegen, in die ich während des Knopfdrucks „ziele“. Auch viele Ziele suchen sich auf diese Weise und für mein Empfinden falsch aus. Wer die direkte Steuerung eines Actionspiels gewöhnt ist, dem dürfte es ähnlich gehen. Natürlich kann man Gegner aufschalten, doch das dauert viel zu lang. Ohne das freie Umsehen verliert man zudem schnell die Übersicht und man müsste ja am laufenden Band einen neuen der schnell umfallenden Fußsoldaten anvisieren. Das ist also keine Lösung.

Vom Gemälde zum Allerweltsspiel

Revolution sieht übrigens nicht einmal besonders gut aus. War in Chronicles noch jeder Strich, jede Fläche wie von Hand gemalt, liegt hier gefühlt nur ein dezenter Filter über dem Bild – von der aufwändigen Gestaltung des Vorgängers kann keine Rede sein. Hintergründe und Figuren sehen ja nicht mal schlecht aus, Details und Animationen stammen aber bestenfalls aus der PS3-Ära. Kein Wunder: Das Spiel wurde auch auf Vita veröffentlicht, sodass Besitzer beider PlayStation-Fassungen dank Cross-save immerhin dieselben Spielstände auf Handheld und Konsole nutzen können.

Eine Enttäuschung ist außerdem der Soundtrack von Yasunori Mitsuda (Chrono Trigger/Cross, Xenoblade Chronicles), denn seinem belanglosen Orchester fehlt jedwede markante Note. In Erinnerung blieb mir die übertrieben grelle Stimme der Solistin und dass ich nicht weiß, wann ich im Hauptmenü zuletzt den Ton abgedreht hatte.

Charakterköpfe

Gibt es überhaupt etwas Gutes an dem Ableger? Doch, tatsächlich, gibt es: Das Entwickeln der Charaktere und Zusammenstellen des Teams hat Spaß gemacht! Freilich war das zum Teil für die Katz, weil den Gefechten sinnvolles Taktieren zum großen Teil abgeht. Ganz sinnfrei ist es allerdings nicht, eine Truppe aus jeweils einem Vertreter der vier Klassen (schnelle Angreifer, mächtige Schadensmacher, Ragnite-Nutzer sowie Schildträger) zu formen oder eine auf andere Art effektive Zusammenstellung zu wählen.

Jeder Kämpfer verfügt zudem wie in Chronicles über maximal vier Eigenschaften, die sie oder ihn etwa zu einem guten Teamplayer machen oder als Allergiker in ländlichen Umgebungen schwächen. Dass Charaktere unterschiedliche gute Beziehungen zueinander haben und im Kampf fallen können,

Das Abenteuer hat seine Momente, ist aber meilenweit von seinem Vorbild entfernt.
stärkt nicht zuletzt die Bindung an wichtige Figuren – auch wenn man zu Boden Gegangenen fast immer wieder auf die Beine helfen kann, so dass man selten um die Begleiter bangt oder gar taktisch reagieren muss.

Sortieren statt Taktieren

Ebenfalls aus Chronicles übernimmt Revolution das Entwickeln neuer sowie stärkerer Ausrüstung; neu ist das freie Herstellen von Kleidung mit ganz bestimmten Eigenschaften durch den Einsatz im Kampf erhaltener oder auf dem Markt gekaufter Materialien. Dass man für alle Aktionen allerdings in die Werkstatt oder auf die Promenade reisen muss, um dort aktiv zu den gewünschten Handwerkern zu laufen, ist sinnlose Zeitverschwendung. In knappen Gesprächsfetzen mit der Bevölkerung erfährt man ja nichts Interessantes, selbst hinter mit „Story“ markierten Klicks steckt selten Verwertbares. Deshalb und in Anbetracht der Frequenz, mit der man Händler und Handwerker aufsucht ergab das knappe Menü des Vorgängers den weitaus größeren Sinn.

Richtig unübersichtlich ist sogar das im Grunde motivierende Verteilen der Ragnite-Fähigkeiten. Man weist den Mitgliedern der Truppe nämlich nicht bestimmte Fähigkeiten zu und wertet die schrittweise auf, sondern teilt jedes Ragnite als Ausrüstungsgegenstand zu. Alle Teile, auch die gleicher „Bauart“, besitzen dabei eigene Werte und Verstärker, weshalb man ständig schaut, bei wem man welche Fähigkeit tauschen sollte. Übrigbleibende Ragnite verbraucht man zwar beim Verbessern der Charakterwerte, doch nach jedem Einsatz kommen so viele hinzu, dass das Sortieren bald ermüdend ist. Interessant immerhin, dass jede Figur ein ihr eigenes Netz aus möglichen Entwicklungen besitzt, auf dem man sich frei für den jeweils nächsten Schritt entscheiden darf.

Fazit

Das Tragische ist: Eigentlich steckt in Valkyria Revolution ein interessantes Spiel. Immerhin sollen sowohl in der Charakterentwicklung als auch im Kampf mehrere Systeme ineinandergreifen, die taktische Tiefe und eine motivierende Individualisierung versprechen – tatsächlich laufen diese Ebenen aber zum größten Teil aneinander vorbei. So spielt es kaum eine Rolle, wie man die Kämpfer taktisch einstellt: Häufig scheren sie sich ohnehin nicht um ihre Vorgaben und sie verhalten sich zu allem Überfluss dermaßen lethargisch, dass die einzige Herausforderung oft darin besteht, die eigenen Mitstreiter aus dem Dreck zu ziehen. Läuft es dagegen mit den Kameraden, ärgert man sich über das dröge Verkloppen der stumpfsinnigen Gegnermassen. Nichts davon macht Spaß! Am meisten trifft das zudem auf die absolut träge erzählte Geschichte mit ihren tausend Ladezeiten sowie oberflächlichen, meist rein informativen, mit Sicherheit aber nicht sympathieschaffenden Dialogfetzen aus der billigsten aller Klischeekisten zu. Wenn ich alles aufzählen müsste, das an Valkyria Revolution nicht stimmt, würde dieser Test kein Ende finden. Deshalb belasse auch ich es an dieser Stelle mit einem ebenso stumpfen wie notwendigen Klassiker: Finger weg!

Pro

motivierende Charakterentwicklung durch auf Ästen verteilte Fähigkeiten...
taktisches Einstellen über sechs frei wählbare Verhaltensvorgaben...
einzigartige Charaktere mit bis zu vier besonderen Eigenschaften und Beziehungen
Cross-play zwischen PlayStation 4 und Vita

Kontra

... die allerdings sehr unübersichtlich und zeitfressend ist
... an die sich die Kämpfer nicht zuverlässig halten
Mitstreiter agieren lethargisch und oft falsch
schnelle Befehle oder Charakterwechsel nicht jederzeit möglich
Wechsel zwischen langweiligem Massentöten und uninteressanten, aber viel zu langen Bosskämpfen
kleine, starre und geradlinige Einsatzgebiete mit aus dem Nichts auftauchenden Gegnern
überflüssiges Deckungssystem
ungenaues Steuerung
unübersichtliche, teilweise hektisch drehende Kamera
Wiederholen gleicher Einsätze, um Material und Ausrüstung zu beschaffen
nervtötende Charaktere, langweilige und nicht zur Situation passende Dialoge
relativ lange Ladezeiten vor Ortswechseln und jeder kurzen Szene
zeitraubendes Herumlaufen in spielerisch und erzählerisch uninteressanten Arealen

Wertung

PlayStation4

Eine furchtbare Charakterzeichnung und langweilige Daueraction machen jeden guten Ansatz zunichte.

XboxOne

Eine furchtbare Charakterzeichnung und langweilige Daueraction machen jeden guten Ansatz zunichte.

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