Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutanten in Manhattan27.05.2016, Mathias Oertel
Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutanten in Manhattan

Im Test: Kurzes Prügel-Vergnügen

Die Zeiten, in denen zu jedem halbwegs erfolgreichen Film ein dazu passendes Spiel veröffentlicht wurde, sind glücklicherweise vorbei. Nicht nur, dass diese Lizenzversoftungen seltener geworden sind – die durchschnittliche Qualität hat sich gesteigert. Auch dank Platinum, die für Activision u.a. Transformers Devastation produziert haben. Können sie mit Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutanten in Manhattan (ab 49,99€ bei kaufen) dieses Niveau halten? Der Test gibt die Antwort.

Die Zeichen der Zeit

Es war vor allem die erste Dekade der 2000er, in der man zunehmend mit irgendwelchen halbgaren Spielchen zu mehr oder minder erfolgreichen Filmen zugeschüttet wurde. Ganz vorne mit dabei waren das nicht mehr existierende THQ sowie Activision. Titel, die sich nur am Thema der Filmvorlage orientierten, aber etwas Eigenes daraus machten wie z.B. Rockstars The Warriors oder die ambitionierten Spiele zu Der Pate hatten Seltenheitswert. Viel häufiger gab es den "Lizenzmüll", bei dem nur versucht wurde, mit dem Namen des Kinofilmes auf dem Cover die mitunter eklatanten Designschwächen zu übertünchen. Der Gau war unvermeidlich. Und es hat lange gedauert, bis sich "Filmspiele" wieder aus der "Kann-doch-nix-werden"-Ecke herausgearbeitet haben. Großen Anteil an der Genesung hatten Platinum Games, die für Activision mit Titeln wie The Legend of Korra oder Transformers Devastation mindestens solide Kost basierend auf einer TV- oder Filmlizenz abgeliefert haben.

Der Comic-Stil ist markant und orierntiert sich an den Ursprüngen der Turtles.
Zumindest schien der Publisher soweit zufrieden mit der Leistung der Macher von Bayonetta, Vanquish oder The Wonderful 101, dass man sich für ein Projekt zu den Ninja Mutant Ninja Turtles erneut an Platinum gewandt hat. Und wie bei den beiden Titeln zuvor geht es nicht darum, ein Spiel zum Film (oder zur TV-Serie) zu machen, sondern eines, das eigenständig funktioniert (immer die beste Wahl), aber idealerweise zum Zeitpunkt des Kinostarts zur Verfügung steht, um die Popularität auszuschöpfen, die durch das Zelluloidwerk generiert wird. Daher geht es auch nicht ganz ohne Filmbezug: Die ersten zwei Bosse, gegen die man antreten muss, sind Bebop und Rocksteady. Und auch Krang spielt wie im neuen Film eine (Neben-)Rolle. Doch beim Rest hat sich Platinum viele Freiheiten genommen.

Comic statt Pseudorealistisch

April O'Neil und Meister Splinter stehen immer helfend zur Seite.
Beim Artdesign geht man z.B. einen großen Schritt in die Vergangenheit und zollt der Comic-Herkunft der mutierten Schildkröten Tribut. Anstatt sich am Film oder den letzten TV-Serien zu orientieren, die auf CGI setzen, baut man hier auf einen markanten Comic-Look, der vor allem in den Zwischensequenzen seine Stärken ausspielt und sich an den klassischen Comicbüchern orientiert, von denen man auch einige Cover als Geheimnisse finden kann. Doch viel wichtiger: Man grenzt sich angenehm vom Film ab und schafft die Grundlage dafür, dass man die "Filmlizenz" schnell vergisst. Zudem kommen die klaren Strukturen, die allerdings auch mitunter zu Lasten von allzu drögen Umgebungstexturen gehen, der Spielgeschwindigkeit zugute, deren stabile Bildrate zu keinem Zeitpunkt in Gefahr gerät.

Und worum geht es? Das ist schnell erzählt: Turtles-Erzfeind Shredder hat sich mit Krang verbündet, um New York mit der kombinierten Macht von Foot-Clan und außerirdischer Technologie unter seine Fittiche zu kriegen. Natürlich ist dies eine direkte Kampfansage an die Turtles, die hier von Shredder und April O'Neil ihre Aufträge und Hinweise auf mögliche Verbrechen in der Stadt bekommen. Allerdings läuft jede der neun Missionen nach Schema F: Es beginnt mit einer Zwischensequenz, dann wird man in einem großräumigen Abschnitt abgesetzt, in dem man auch einige gut versteckte Geheimnisse und zahlreiche Extras finden kann. Dort erledigt man kleine Aufgaben, die eine Statusleiste füllen. Ist sie voll, wird der Weg zum Endboss freigeschaltet. Nach dem erfolgreichen Kampf gibt es eine Endabrechnung sowie eine weitere Zwischensequenz und dann geht es mit dem nächsten Abschnitt weiter.

Solider Gruppenprügler

Dass sich hinter den Aufgaben auch z.B. Bombenentschärfung verbergen können, verschleiert leider nicht, dass hier meist nur ein Störfeuer wartet, dass vom allgegenwärtigen Prügelalltag ablenkt, den man mit Michelangelo, Donatello, Leonardo und Raphael erlebt. Denn auch während man mit dem Entschärfen beschäftigt ist, materialisieren sich Gegner, die einen angreifen und von der Aufgabe abbringen. Glücklicherweise ist man immer mit dem kompletten Viererteam unterwegs. Spielt man solo, kann man jederzeit zwischen den Figuren umschalten und ihre Spezialfähigkeiten mit Abkühlzeit nutzen, wobei die KI auch ohne eigenes Zutun gut agiert. Sie nutzt ihre Specials mit Bedacht und initiiert auch einen der verheerenden Kombo-Angriffe, wenn es die Situation erfordert. Auch das Heilen bei Bewegungsunfähigkeit wird von der KI optimal erledigt, solange es noch genug Pizzastücke gibt, die für ein Wiederbeleben nötig sind. Wer lieber mit menschlichen Mitspielern unterwegs ist, kann die neun Abschnitte auch online in Angriff nehmen, wobei der Netzcode weitgehend sauber ist. Auf eine Splitscreen-Option wurde verzichtet.

Mit Bebop und Rocksteady als erste Bosse lehnt man sich an den aktuellen Film an.
Während der Missionsablauf weitgehend überraschungsarm bleibt, sorgen immerhin die Umgebungen für Abwechslung. Mal ist man in der Stadt unterwegs, ein anderes Mal streift man durch die U-Bahn-Schächte, die Kanalisation oder muss sich mit der Vertikalität von im Bau befindlichen Wolkenkratzern auseinandersetzen. Leider wird aber nur selten eine Änderung der Kampftaktik gefordert. Zwar muss man mitunter Laserfallen usw. ausweichen oder noch besser: sie mit Shuriken außer Gefecht setzen. Doch die Gefechte gewinnen in erster Linie durch die immer wilder zusammengewürfelten Gegner an Reiz. Und durch das simple Kampfsystem, mit dem man die Turtles in typischer Platinum-Manier durch nett inszenierte, hier durch den Einsatz von vier Kämpfern aber mitunter hektischen bis unübersichtlichen Arenakämpfe lotst.  

Solider Spaßbringer

Angesichts des verantwortlichen Entwicklers ist die Grundauswahl an Aktionen vergleichsweise klein. Doch mit leichtem und schweren Angriff, die man auch zusammen mit dem Sprung einsetzen kann, sowie einem durch Energie begrenzten Ausweichen/Konter hat man gegen die nur auf Angriff gebürsteten Gegner genug Mittel in der Hand. Nicht zu vergessen die bereits erwähnten Spezialattacken, die durch sammel- und einsetzbare Gegenstände wie Geschütztürme und Granaten verschiedenster Geschmacksrichtungen (z.B. explosiv, einfrierend, vergiftend) ergänzt werden. An strategisch günstigen Punkten kann man sich auch ähnlich wie in Bayonettas Bar in das Hauptquartier zu Meister Splinter

Am Ende wartet natürlich... Shredder.
teleportieren lassen, um sein Arsenal gegen den Einsatz von Kampfpunkten aufzurüsten oder Gegenstände auszurüsten, für die beim Aufsammeln kein Platz war. Aber Vorsicht: Wer hier allzu spendabel mit den Kampfpunkten umgeht, hat evtl. nicht mehr genug, um neue Spezialfähigkeiten zu erwerben oder alte aufzuwerten.

Von den Megakombos der bekannten Platinum-Hexe sind die Turtles also weit entfernt. Doch man hat hier deutlich mehr zu tun als bei einem Golden Axe oder Streets of Rage. Und im Rahmen der Gefechte, bei denen alle Schildkröten im Einsatz sind und man jederzeit umschaltet, um ggf. nicht abgefeuerte Specials zu aktivieren, was vor allem bei den harten Bossen der Fall sein dürfte, hat man genug zu tun. Allerdings bleibt auch festzuhalten, dass z.B. Transformers Devastation nicht nur hinsichtlich der Missionsvielfalt, sondern auch im Bezug auf Kampfvariation und unterschiedliche Kampfdynamik mehr zu bieten hatte. Hier merkt man am ehesten, dass Mutanten in Manhattan zum Start des neuen Kinofilmes fertig werden musste - auch wenn man inhaltlich außer den Figuren wenig gemeinsam hat.

Fazit

Nach Legend of Korra und Transformers Devastation ist Mutanten in Manhatten die dritte erfolgreiche Zusammenarbeit von Activision und Platinum, die scheinbar einen für beide Seiten akzeptablen Modus Operandi gefunden haben. Activision stellt die Lizenz, die Finanzierung und ein gewisses Maß an kreativer Freiheit zur Verfügung. Im Gegenzug kann man sich sicher sein, dass Platinums Kernkompetenz, die schnelle Action mit durchdachten Kampfsystemen, zu einem soliden Spielerlebnis führt. Allerdings hier leider nicht zu mehr – was auch durch die Vorgabe der Fertigstellung rechtzeitig zum neuen Kinofilm bedingt sein dürfte. Denn so cool und herrlich hektisch die Kämpfe mit den vier Schildkröten auch sind und so gut das simple Comic-Artdesign funktioniert, fehlt den Turtles das gewisse Etwas, das die großen Eigenproduktionen von Platinum wie Bayonetta oder Vanquish kennzeichnet. So bleibt ein solides, aber hinsichtlich der Missionen vorhersehbares sowie zu kurz geratenes Action-Adventure mit Prügelfokus. Aber das ist immer noch besser als der Lizenzmurks, mit dem Spieler noch vor einigen Jahren regelmäßig zugeschüttet wurden.

Pro

eingängiges Kampfsystem
Spezialattacken können aufgerüstet bzw. angepasst werden
schickes Artdesign im Stil der klassischen Comics
jederzeit Wechsel der aktiven Schildkröte möglich
Team-Angriffe
gut mitarbeitende KI
Online-Koop für bis zu vier Spieler möglich

Kontra

mit neun Missionen samt Bossen recht kurz geraten (ca. vier bis sechs Stunden)
redundantes Missionsdesign
Kampfsystem unter dem Strich nicht so tief wie von Platinum gewohnt
magere Story

Wertung

XboxOne

Solides Action-Adventure mit Prügelfokus und markantem Artdesign, das vor allem unter der kurzen Spielzeit leidet.

PlayStation4

Solides Action-Adventure mit Prügelfokus und markantem Artdesign, das vor allem unter der kurzen Spielzeit leidet.

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