NBA 2K1722.09.2016, Jörg Luibl
NBA 2K17

Im Test: Stagnation auf hohem Niveau

Seit Jahren dominiert 2K Sports mit seiner NBA-Reihe die Sportspiele. Nicht im wesentlich besser verkauften Fußball, sondern im Basketball wurde seit NBA 2K14 technische Brillanz erreicht und inhaltliche Kreativität demonstriert - vor allem in der Karriere. Aber gerade in dieser Paradedisziplin ernüchterte Spike Lee zumindest in den ersten Stunden von NBA 2K16. Wir klären im Test, wie sich Regie und Spielmechanik in NBA 2K17 (ab 5,09€ bei kaufen) präsentieren.

Der sympathische Auftakt

Diese Veröffentlichungspolitik darf gerne Schule machen: Knapp zwei Wochen vor dem Erscheinen von NBA 2K17 konnte man bereits die Karriere in "The Prelude" starten, um sie dann zum Release fortzuführen. 2K Sports hat also nicht z.B. das dramatische Finale der Cleveland Cavaliers gegen die Golden State Warriors zum Probe spielen angeboten, obwohl das auch cool gewesen wäre, sondern das Prinzip der guten alten Demo sinnvoll erweitert. Und diesmal ist auch nicht Spike Lee für die Story verantwortlich, die letztes Jahr bekanntlich enttäuschte.

Bei der Charaktererstellung wirken sich körperliche Merkmale auf die Werte wie Beweglichkeit, Stärke & Co aus.
Ganz ohne Prominenz aus Hollywood geht es aber auch diesmal nicht: Die NBA-Karriere stammt aus der Feder von Aaron Covington, der das Drehbuch des Films "Creed - Rocky's Legacy" schrieb. Und man erlebt sie an der Seite des Schauspielers Michael B. Jordan, der dort den jungen Boxer mimte. Er übernimmt im Spiel die Rolle von Justice Young, der als Freund im Profiteam fungiert. Hört sich alles gut an, aber wer hinsichtlich der Regie eine Steigerung, mehr Entscheidungen sowie Spannung und vor allem bessere sportliche Entwicklungen erwartet hat, der wird enttäuscht. Und diesen Justice Young wird man schnell vergessen. Warum kann die Karriere nicht überzeugen?

Die zähe Karriere

Hat man sein eigenes Gesicht gescannt oder eines über den schwachen Editor erstellt, was

Die Karriere ist zäh wie Kaugummi, es fehlen dramatische Situationen, eigene Entscheidungen und glaubwürdige Entwicklungen. Trotz gewöhnlicher Leistungen in den College-Spielen wird man in den Kader der US-Nationalmannschaft berufen...
bei weißen Charakteren fast immer zu Neanderthaler-Ergebnissen führt, kann man als Duo loslegen. Schön ist, dass man bei der Einstellung der körperlichen Werte wie Größe, Gewicht und Spannweite teilweise erkennen kann, wie sich das auf die Beweglichkeit oder Stärke auswirkt. Aber es bleibt bei lobenswerten Details auf der Mikroebene, denn schon die College-Phase wird aus erzählerischer Sicht überraschend lieblos über fünf Etappen inszeniert. Da stellen sich die Colleges z.B. nicht mehr persönlich vor, es wird in dieser Phase auch kein Rivale oder Ähnliches aufgebaut.

Und die darauf folgende Karriere wird zwar bodenständiger inszeniert, es gibt weniger Kitsch und man kann Justice später auch selbst spielen. Das Motiv des befreundeten Duos ist zudem interessant, wird aber nicht gut entwickelt. Außerdem leidet die Dramaturgie unter einer Ansammlung von kleinen Filmschnipseln, die zwar Charaktere anreißen, aber zu selten über Dialoge oder Entscheidungen in die Tiefe gehen. Die Karriere spielt sich zäh wie Kaugummi.

Das liegt nicht nur an den vielen Ladephasen, die einen Tag mit drei Trainingseinheiten zur nervigen Angelegenheit machen, die man spätestens nach drei, vier Wochen am liebsten überspringen würde, sondern vor allem daran, dass sie dramaturgisch enttäuscht und inhaltlich zu viele Widersprüche bietet. Das fängt schon damit an, dass man trotz nur durchschnittlicher Auftritte im College in das Nationalteam der USA eingeladen wird und neben Kevin Durant aufläuft - man wird nur bei wirklich schlechten Leistungen nicht eingeladen. Oder dass man trotz nur wenig Spielzeit und C-Note schon wie ein Star im Team auftritt...der eigene Spitznamen "Mr. President" oder "Pres" symbolisiert dieses Missverhältnis. Als ob ein College-Absolvent so in einem Profiteam auftreten würde!

Widersprüche und frühe Star-Allüren

Im ersten Jahr als Rookie fühlt man sich schon wie ein Star. Der eigene Spitzname "Mr. President" tut sein Übriges...
Dass meine Mutter mich, einen weißen 2,10-Hünen, ihren "Scottie Pippen" nennt, ist fast schon Realsatire und verdeutlicht zusammen mit dem Coolness-Gehabe den Fokus der Regie auf schwarze Spielercharaktere - das ist alles verschmerzbar und angesichts der Zielgruppe verständlich. Aber im ersten Jahr als Rookie scheinen Social Media, Spiele-Sessions an der Konsole, Schuh-Verträge und Blödelei in kurzen Filmausschnitten jedenfalls wichtiger zu sein als Mannschaft, Entwicklung und Trainer. Anders ist es nicht zu erklären, dass man mehr mit seinem Smartphone beschäftigt ist als z.B. mal direkt mit dem Manager über seine Ziele, mit dem Trainer über seine Taktik oder mit den Stammspielern der Starting Five zu sprechen. Auch das Wichtigste für einen Rookie, nämlich die Einsatzzeit und das langsame Heranpirschen an den Kader, wird nicht in den vielen Gesprächen oder Nachrichten thematisiert - den Status quo an Minuten muss man in den Menüs abrufen.

Außerdem trifft man bis auf Zu- und Absagen von Meetings über Stunden keine relevante Entscheidung. Und wo sind Dialoge mit Rivalen oder Kabinengespräche? Lediglich auf Pressekonferenzen kann man Stellung zu Sponsoren, Teamkollegen und Co beziehen, die sich auch mal auswirken. Aber warum sind die Halbzeitanalysen des Trainers immer noch so überflüssig, weil darin keine neue

Die ständigen Nachrichten auf dem Smartphone nerven irgendwann...immerhin kann man sich zwischen Training und Events oder Treffen mit Kumpels entscheiden.
Taktik angesagt wird? Wieso werden da nicht mal direkte Playbook-Spielzüge gefordert?

2K Sports verpasst also die Chance, das rein Sportliche in der Karriere weiter zu entwickeln: Lobenswert ist zwar, dass ich freiwillig zusätzlich trainieren kann und dass das auch vom Trainer honoriert wird. Aber warum werden in den offiziellen Einheiten nicht die speziellen Team-Taktiken von z.B. Utah Jazz geübt?

Warum wird meine Entwicklung als Power Forward und Post-Spezialist nicht individuell gefordert und gefördert? Man wählt ja zu Beginn eine Rolle, aber kann diese nicht wirklich spezialisieren. So fühlt man sich auch teilweise wie ein Fremdkörper, denn weder die eigenen noch die Ziele des Vereins werden deutlich. Hier liegt noch viel Potenzial brach!

Stagnation statt Fortschritt

Es bleibt auch dabei, dass man in NBA 2K17 nicht jene Fähigkeiten verbessert, die man tatsächlich trainiert oder anwendet, sondern dass man mit allgemeinen Punkten belohnt wird. Wenn man seinem Profi-Ethos gerecht werden will und jedes Training mitmacht, bekommt man immerhin Fleißpunkte. Als ich die gelbe Leiste dafür nach zig Würfen und Übungen endlich voll hatte, gab es - ja was eigentlich? Ich weiß es nicht, denn das wurde nicht klar angezeigt. Schön wäre gewesen, wenn der Trainer sich daraufhin meldet, ich eine Fähigkeit umsonst verbessern könnte oder reichlich Punkte erhalten würde.

Für die erspielte virtuelle Währung steigert man Attributpunkte. Dass das über einen Warenkorb wie ein echter Einkauf dargestellt wird, ist schrecklich dämlich.
Man investiert also weiter die über Sponsoren, Spiele & Co erhaltenen Punkte in seine Fähigkeiten wie etwa die Verteidigung, Mitteldistanzwürfe, Korbleger etc. Dass man die aber auch ohne den Einsatz von Mikrotransaktionen in den "Warenkorb" legen und quasi wie einen realen Kauf freischalten muss, ist für die Identifikation mit dieser Karriere kontraproduktiv. Ich "kaufe" mir also eine bessere Stabilität? Oder soll so die Versuchung hier echtes Geld auszugeben noch größer werden? 2K Sports muss aufpassen, dass man seinen eigenen Kredit bei den Fans mit dieser penetranten Fokussierung auf digitale Umsätze nicht verspielt - mittlerweile nervt dieses System.

Zumal man spätestens online die Kehrseite der digitalen Käufe erleben darf: Da tummeln sich in allen Spielmodi so viele künstlich gepimpte Spieler mit Top-Werten, dass man als normaler Charakter im One-on-One kaum eine Chance hat und sich in seinen Klamotten wie ein Spieler zweiter Klasse vorkommt. Widerspricht dieses Pay-to-win nicht auch der Philosphie der harten Arbeit, die in der Karriere propagiert wird? Apropos online: Richtig flüssig lief es in unseren Partien nur in zwei von vier Matches; hinzu kamen auch plötzliche Verbindungsabbrüche.

Basketball auf hohem Niveau

Rein spielerisch spare ich mir tiefere Analysen, denn dieses NBA 2K17 fühlt sich

Auf dem Platz demonstriert NBA 2K17 seine ganzen Stärken: Kulisse und Spielmechanik sind sehr gut, gleichen aber jener aus dem Vorjahr zu stark.
weitgehend genauso gut an wie der Vorgänger - dort habe ich Steuerung, KI und Spielmechanik ausführlich erläutert. Und bei aller Kritik an der Karriere muss man zwei Dinge festehalten. Erstens wird hier immer noch Basketball auf allerhöchstem Niveau zelebriert, was Defensive, Offensive, Wurfanimationen & Co betrifft. Die Möglichkeiten für Spielzüge und Spielstile sind enorm, so dass man sich als Basketballfan so richtig austoben kann. Allerdings bleibt es auch bei Altlasten wie der unpräzisen Bewegungssteuerung.

Hinzu kommen aber viele andere Modi, die auch ohne Story für zig Stunden unterhalten: Man kann vom Streetball bis zum Verein nahezu alles ausprobieren, kann einzelne Saisons oder eine ganze Franchise inklusive Finanzen und Transfers erleben, dazu über den Sammelkarten-Modus MyTeam an seinem Dreamteam basteln und versuchen, die neuen "dynamischen Duos" zu finden - also zwei Spieler, die sich ergänzen und nur gemeinsam von besseren Werten profitieren.

Zwar ist es ärgerlich, dass man nicht situationsbezogen jedes Manöver wie das Aufposten trainieren kann, aber dafür kann man sich jede Bewegung inklusive Video anzeigen lassen, außerdem geben Coaches einige Tipps und Einsteiger können quasi begleitet von Steuerungshinweisen ein Probespiel in 2KU absolvieren.

Einzelne Bewegungen und Manöver werden in einem Video vorgestellt.
Hinzu kommen die Play-Offs, die wirklich klasse inszeniert werden - die Präsentation von Pre-Game-Analysen, Arenen und Zuschauern ist erstklassig. Letztere reagieren unheimlich dynamisch auf die Spielsituation, so dass man sich wirklich wie ein Teil der Arena fühlt und gerade in brenzligen Matches kommt es zu Crunchtime-Gänsehaut. EA Sports wollt ja mit dem Wechsel auf die Frostbite-Engine für neue visuelle Faszination im Sportspielbereich sorgen, aber gegen die nahezu fotorealistischen Gesichter in NBA 2K17 wirken jene in FIFA 17 wie wachsige Abbilder. Während man die Kommentare im Fußball kaum ertragen kann, laufen die Sprecher hier zur Höchstform auf. Ganz einfach, weil sie so vielfältig und situationsbezogen auf das Spiel eingehen. Aber Visual Concepts lässt NBA 2K17 nicht so strahlen, dass es NBA 2K16 technisch klar überflügelt - es ist noch Luft nach oben. Ganz abgesehen von den Ladezeiten: Immer noch flattern die Hosen der Spieler in einigen Situationen künstlich und sie bewegen sich abseits des Platzes manchmal wie Roboter; außerdem sollte man endlich den Editor erweitern, damit man vielfältigere Gesichter erstellen kann.

Fazit

NBA 2K17 ist ein gutes Basketballspiel. Aber zum ersten Mal seit einem gefühlten Jahrzehnt geht kein Award an 2K Sports. Erstens sehe ich spielerisch und technisch keine relevanten Fortschritte gegenüber NBA 2K16. Zweitens hatte mich sehr auf die neue Karriere gefreut, aber die enttäuscht: Sie ist mit ihren Ladezeiten zäh wie Kaugummi, ihr fehlt dramaturgische Spannung, man trifft kaum relevante Entscheidungen und es gibt einige Widersprüche, was das Sportliche betrifft. Man ist zu früh als "Mr.President" auf Starniveau unterwegs, obwohl man ein Rookie ist. Außerdem verpasst man es, das Training und die eigene Entwicklung sowie das Feedback in Halbzeitansprachen & Co endlich auf ein neues Niveau zu bringen. Stattdessen fummelt man an seinem Smartphone rum und absolviert teilweise beliebige Übungen, ohne Bezug zu den eigenen Stärken oder dem Playbook des Vereins. Außerdem nervt dieser penetrante Fokus auf Mikrotransaktionen - jetzt wird eine Fähigkeitensteigerung schon in den "Warenkorb" legt, obwohl man gar nichts kauft. Aber, man darf nicht vergessen: Wer auf diesen Story-Spielmodus pfeift, der bekommt hinsichtlich Umfang und Spielmechanik immer noch ein richtig gutes Basketballspiel mit ausgezeichneter Kulisse und Atmosphäre, das spannende Duelle vor tosendem Publikum mit tollen Kommentatoren und Analysen zelebriert. Trotzdem fühlt sich dieses NBA 2K17 eher wie ein Update als eine Weiterentwicklung an.

Pro

ausgezeichnete Spielmechanik
ausführlicher Karriere-Modus mit Story
hervorragende Kommentare zum Spiel
Publikum geht noch dynamischer mit
witzige Pre-Game-Show mit Shaq & Co
eigene aufrüstbare Basketballhalle
eigenes Gesicht einscannen für Karriere
Spielzüge für jeden Verein nachspielbar
zig Plaketten aka Sonderfähigkeiten
weltweites Ligasystem 2K Pro-Am
sehr gutes Feedbacksystem
unheimlich stylische Präsentation
ausgezeichnete Animationen
Video-Tutorials von NBA-Stars eingesprochen
Sammelkarten & Streetball, Franchise & Liga
1vs1, sehr gute Online-Ligen mit Abstieg etc.
NBA-Ergebnisse mit Spielszenen
vielfältige Online-Modi
zig Euroleague-Teams und US-Nationalteam dabei
umfangreicher Soundtrack
extreme Individualisierungen möglich
zig Optionen für Taktik und Spielsteuerung
offline mit sieben, online mit zehn Spielern
deutsches Handbuch

Kontra

Karriere spielt sich zäh wie Kaugumi
sehr lieblose College-Phase
Fähigkeiten über "Warenkorb" kaufen?
nervig penetrante Mikrotransaktionen
als "Weißer" wirkt man immer noch wie Fremdkörper
Widersprüche in der Karriere (Top-Star vs. Realität)
wo sind Rivalitäten im Team geblieben
etwas unpräzise Bewegungssteuerung
Halbzeitansprachen mit zu wenig Taktik
Spielzüge werden in Karriere nicht studiert
viele Ladezeiten in der Karriere
willkürliche Trainingsübungen, belanglose Fleißbelohnungen
Video-Tutorials sind zu oberflächlich
Tutorialspiel für Einsteiger
recht wackliger Netzcode und Abstürze
ab und zu Clippingfehler in Wiederholungen
viele mit Geld gepimpte Online-Charaktere
robotische Bewegungen abseits des Platzes
nur englische Kommentare

Wertung

XboxOne

NBA 2K17 ist ein gutes Basketballspiel, aber die Karriere ist zäh und man bemerkt technisch sowie inhaltlich zu wenige Fortschritte gegenüber dem Vorgänger..

PlayStation4

NBA 2K17 ist ein gutes Basketballspiel, aber die Karriere ist zäh und man bemerkt technisch sowie inhaltlich zu wenige Fortschritte gegenüber dem Vorgänger. Außerdem nerven die Mikrotransaktionen.

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