Der Glanz der alten Zeit
Die Attitude-Ära liegt schon lange hinter den Wrestling-Fans, die Monday-Night-Wars sind nur noch eine angenehme Erinnerung. Mittlerweile ist die echte WWE insgesamt etwas zahmer und wenn man so will kinderfreundlicher geworden. Auch die Action im Ring wurde im Lauf der Zeit einigen Änderungen unterzogen. Die Akrobatik, die vor gefühlt einer halben Ewigkeit mit den Hardys sowie Edge & Christian Einzug hielt, ist mittlerweile stärker ins Zentrum gerückt. Kraftpakete und abgefahrene Figuren, wie sie vor einem Jahrzehnt noch die Mehrzahl der Wrestler ausgemacht haben, wurden von schillernden Figuren ersetzt. Insofern ist die WWE nur konsequent. Waren die Archetypen wie Undertaker, Vader, Diesel, die Legion of Doom oder Macho Man schon immer mehr dem Comic zuzuordnen, haben die heutigen Superstars diesen Sprung nahezu komplett vollzogen.
Auch Razor Ramon gehört zu den über 130 Wrestlern, mit denen man in den Ring steigen kann.
Die Spiele rund um den Wrestling-Zirkus waren von diesen Zeitgeist-Veränderungen meist unbeeinflusst. Seit dem Wechsel der Lizenz von Acclaim zu THQ im Jahr 2000 ist das japanische Team von Yuke's für die Umsetzungen verantwortlich. Und das hat sich auch nicht geändert, als THQ vor ein paar Jahren die Segel streichen musste und 2K in die Bresche sprang, um die Spielezukunft der WWE zu sichern. Und im Laufe der Zeit hat Yuke’s immer wieder mit mal kleineren, dann wieder größeren Änderungen dafür gesorgt, dass die Spiele zum Spektakel Pro-Wrestling die Schaukämpfe in angemessener Form auf die verschiedenen Konsolen brachte. Und so ganz nebenbei hat man die Auseinandersetzungen als ernst zu nehmende Alternative zu den einschlägigen Prügelserien wie Tekken, Street Fighter & Co etabliert.
Der Fluch der jährlichen Updates
Die Action innerhalb und außerhalb des Rings wurde im Vergleich zum letzten Jahr nur geringfügig modifiziert.
Der jährliche Turnus, in dem die WWE-Spiele veröffentlicht werden, ist aber nicht nur für die Kreativität von Yuke's ein Problem. Auch andere Sportspielserien leiden immer wieder darunter. Doch zumeist kommen sie wie z.B. FIFA, PES oder Madden auch immer wieder in die Spur. Und vielleicht sollten alle involvierten Parteien überlegen, ob sie den Wrestlern vielleicht mal eine Pause gönnen. Denn abseits der über 130 Superstars, Divas und Legenden, die für die Kämpfe zur Verfügung stehen und die einen Rekord innerhalb der Serie markieren, scheint bei den Kreativköpfen Ratlosigkeit vorzuherrschen, in welche Richtung man sich entwickeln möchte. Ob deswegen der beliebte sowie gut gelungene Showcase-Modus der letzten Jahre der Schere zum Opfer gefallen ist, kann ich nicht beurteilen. Doch die Matches, die um echte Storylines, Ereignisse oder bestimmte Superstars bestritten werden konnten und auch die Historie der WWE beleuchteten, vermisse ich schmerzlich. Und es kann nicht an Materialmangel liegen. Es gibt noch zahlreiche Geschichten, Ereignisse und Persönlichkeiten, die innerhalb dieser Showcases beleuchtet werden könnten – zumal man ja auch über die Rechte an ECW oder WCW verfügt und sich dort bedienen könnte. Doch stattdessen konzentriert man sich dieses Jahr für Solisten bzw. Sofa-Wrestler auf die Karriere sowie das WWE-Universum. Letzteres ist eine konsequente Weiterentwicklung, ist aber auch frei von Überraschungen und bietet nach wie vor die Möglichkeit, sich frei in den Shows der WWE auszutoben und Fehden zwischen einzelnen Superstars anzuzetteln.
Die Einmärsche werden größtenteils authentisch dargestellt.
In Anbetracht dessen, was man in den Karrieren der letzten Jahre erleben durfte, und vor allem mit dem Universe-Modus im Hinterkopf, macht man in WWE 2K17 allerdings auch nicht mehr als nötig. Nachdem man für eine kurze Evaluation im WWE-Nachwuchszentrum ein paar Basismatches bestritten hat, wird man auf die weite Welt des World Wrestling Entertainment losgelassen. Und letztlich bekommt man damit nur eine sehr personalisierte und auf die eigene Figur zugeschnittene Version des Universe-Modus, in der man sich von Rivalität zu Rivalität hangelt, um schließlich auch um Titel kämpfen zu können. Zwar gibt es hier wie da die Ergänzung der Mechanik um eigene Promos. Dahinter verbergen sich Interview-Möglichkeiten und Dialog-Duelle, in denen man aus einer Reihe von Antworten eine sinnhafte Zusammenstellung findet, um die Fans auf seine Seite zu ziehen und eine möglichst effektive "Promo" für seinen Charakter zusammenzustellen. Doch in der Praxis ist dies nicht mehr als eine gut gemeinte Idee, zumal die Soundbugs der kaum in Schwung kommenden Atmosphäre zusätzlichen Schaden zufügen. Denn wenn das Publikum in einem Moment noch mehr oder weniger frenetisch jubelt und im nächsten die komplette Halle auf "Stumm" geschaltet wird, zeigt dies vor allem eines: Dass die Qualitätssicherung nicht sauber gearbeitet hat.