Vikings - Wolves of Midgard28.03.2017, Mathias Oertel
Vikings - Wolves of Midgard

Im Test: Wenn schon Diablo, dann richtig

Egal ob man es Kloppmist, Hack&Slay oder Action-Rollenspiel nennt: Die unkomplizierten Monsterjagden und Dungeon-Ausflüge wie Diablo oder Van Helsing erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Das von Games Farm entwickelte Vikings: Wolves of Midgard schlägt in die gleiche Kerbe. Kann es die nordische Mythenwelt mit Victor Vran & Co aufnehmen? Der Test gibt die Antwort.

Eiskaltes Diablo

Zuerst etwas Erklärendes: Vikings – Wolves of Midgard hat nichts mit dem 2008 auf 360 und PS3 veröffentlichten Viking: Battle for Asgard zu tun. Es ist weder eine Fortsetzung noch erzählerisch daran angelehnt. Zwar bedient man sich natürlich ähnlicher mythologischer Elemente. Doch Wolves of Midgard sieht sich voll und ganz in der Tradition der Blizzard’schen Teufelsjagden. Das Abenteuer des Helden beginnt sogar frappierend ähnlich wie das der Retter Neu Tristrams in Diablo 3: Man steht vor den Ruinen seines belagerten Dorfes und muss es zurückerobern. Doch waren es bei Blizzard Untote, die die Stadt heimsuchten, sind es hier Wesen aus der nordischen Mythologie, die als erzählerische Basis genutzt wird. Nachdem man die Tomte sowie Jötnar erledigt und die beiden wichtigsten Dorfbewohner (Schmied und Skaldin) gerettet hat, geht das Schnetzel-Abenteuer aber erst richtig los, das einen etwa 25 bis 30 Stunden beschäftigen kann. Als Anführer der Gemeinde, die man nach und nach wieder errichtet, während man die einzelnen Händler durch den Einsatz erbeuteter Rohstoffe wie Holz und Eisen aufwertet, reist man nicht nur durch frostige Gebirgszüge. Man nimmt die Dörfer verfeindeter Stämme ein und kämpft sich durch düstere Schlammgebiete, nimmt an idyllischen Sandstränden Krabben und Invasoren auseinander und begibt sich sogar in die Unterwelt, um dort gegen Sagengestalten anzutreten.

Die Gefechte sind nicht zimperlich.
Die Kulisse zeigt sich dabei größtenteils sauber und abwechslungsreich, setzt dabei jedoch auf eine feste Kameraposition. Gerät man in seltenen Momenten mit dem rudimentär personalisierbaren Helden bzw. der Heldin hinter Bereiche der Levelgeometrie, wird die Position mit einem blauen Schatten angezeigt. Allerdings scheint die Xbox-One-Version in einer kleineren Auflösung dargestellt zu werden, die auf 1080p hochskaliert etwas verwaschener aussieht als auf der PS4 oder der PS4 Pro. Dass es trotzdem vor allem auf der One (aber auch gelegentlich auf der PS4 Amateur) zu Bildrateneinbußen kommt, ist bedauerlich. Denn unter dem Strich rechtfertigen auch die mitunter ansehnlichen Effekte in den großräumigen, aber letztlich linearen Abschnitten diese Probleme nicht. Die verwendete Unity-Engine kann theoretisch mehr leisten. Eine interessante Randnotiz: Obwohl die Wikinger zwar ordentlich hinlangen, aber hier für mein Empfinden nicht mehr oder weniger Gore an den Tag gelegt wird als z.B. in Reaper of Souls, findet sich eine USK-Freigabe „Ab 18“ auf der Packung. Von einem Hack&Splatter kann aber nicht die Rede sein – doch vielleicht hatte ich angesichts der Altersfreigabe nur mehr Gewalt als die hier dargestellte erwartet.

Solide mit guten Ideen

Man erforscht auch düstere Abschnitte, die teils mit Umgebungsgefahren wie Gift aufwarten.
Bei der Figurenentwicklung zeigt sich Vikings ebenfalls sehr solide. Der Held kann sich in sehr übersichtlichen und jeweils an die Waffenart gebundenen Fähigkeitsbäumen mit bis zu fünf aktivierbaren Fähigkeiten sowie zahlreichen passiven Boni ausrüsten. Es gibt zwar fünf Götter, die mit der Bewaffnung (Zweihand, Bogen, Stab, Dual, Einhand/Schild) verbunden sind, doch da man nur zwischen zwei Waffensets umschalten darf, sollte man sich auf zwei Bäume konzentrieren. Ein Tausendsassa lässt sich auch deswegen schon schwer erstellen, da man bei jedem der schwer zu erarbeitenden Figurenaufstiege nur zwei Punkte bekommt, die man auf die Fähigkeiten bzw. Boni verteilen darf. Diese sorgen trotz Ähnlichkeiten für angenehme Unterschiede zwischen den Kämpfern. Klar: Der Bogenschütze versucht natürlich, seine Feinde gar nicht an erst an sich herankommen zu lassen, während der Zweispezialist sich in einer Gegneransammlung dank seiner Bereichsangriffe am wohlsten fühlt. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Fähigkeiten mit Abkühltimer zwar gerade bei Kämpfen gegen größere Gruppen klug genutzt werden sollten, die Figur sich aber eher über die Eigenschaften der Ausrüstung definiert.

Die ist, wie man es von anderen Genrevertretern kennt, in Kategorien von gewöhnlich bis einmalig und legendär eingeteilt. Dabei geht es bei der Beute aus den Raubzügen eher um Klasse denn um Masse. Zwar findet sich auch viel unnützes Zeug dabei, das man bei den jeweiligen Händlern auseinandernehmen und in Gold sowie Rohstoff umwandeln kann. Doch von Zeit zu Zeit finden sich hier brauchbare Klamotten, Waffen und Talismane. Und wenn alle Stricke reißen, kann man sich auch im Dorf angenehm potente Ausrüstung anfertigen  und mit Runen veredeln lassen – je höher die Ausbaustufe des jeweiligen Schmieds ist, umso höherstufige Ausrüstung ist möglich. Dass man allerdings keine Option zur Verfügung hat, bereits verbaute Runen wieder zu entfernen oder im Eifer des Gefechts „verkaufte“ Ausrüstung wieder zurückzuerstehen bzw. erneut zusammenzusetzen, ist allerdings gleichermaßen gewöhnungsbedürftig wie unverständlich. Diese Komfortfunktionen gehören eigentlich zum guten Ton eines Hack&Slays, wurden hier aber nicht beachtet. Eine Markierung für neue aufgesammelte Gegenstände sucht man auch ebenso vergeblich wie eine Sortierung z.B. nach höchstem Schadens- oder Rüstungswert in den einzelnen Kategorien des Inventars.

Zwischen Reaper of Souls und God of War

Beim Kampf orientiert sich Vikings stark an dem Standard, den Diablo 3 bzw. Reaper of Souls gesetzt hat: Nicht nur mit dem Dauerdrück-Angriff, der durch die aufladbaren Sonderfähigkeiten sowie der Heil- bzw. Talisman-Funktion ergänzt wird. Sondern vielmehr mit der Ausweichrolle, die hier aber deutlich arcadiger und damit sehr gut sowie passend zur Action umgesetzt wird. Bleibt bei Diablo 3 der Eindruck, dass das interne Timing wichtiger ist als die tatsächliche Aktion des Spielers, wenn man z.B. trotz Ausweichens voll getroffen wird, wirkt es hier besser in den Kampfverlauf integriert. Zwar  gibt es auch hier zweifelhafte Momente, wo trotz Rolle zumindest Schaden genommen wird. Und dass die Rolle als bevorzugte, da im Normalfall deutlich schnellere Fortbewegungsart dem normalen Laufen überlegen ist, wirkt unglücklich. Doch über einen Großteil der meist auf kleine Scharmützel angelegten Auseinandersetzungen hat man das Gefühl, dass man mit gutem Timing bei den großen Gegnern mit ihren verheerenden Schlägen sowie Bosskämpfen stets eine faire Chance hat, Verletzungen zu entgehen. Aporpos Bosskämpfe: Die Endgegner jedes Abschnitts warten mitsamt ihrem möglichen Gefolge immer in einer Arena, vor deren Betreten man stets gewarnt wird.

In den Schneegebieten lauern nicht nur riesige Trolle, sondern auch Eiseskälte, an der man erfrieren kann.
Beim Aufstiegssystem wiederum orientiert man sich an Kratos' Abenteuern. Jeder Gegner hinterlässt mindestens ein Herz, die stärkeren Vetreter meist mehr. Diese sollte man nicht liegenlassen. Denn sie erfüllen nicht nur den Zweck von Erfahrungspunkten, die quasi als Opfer am nächsten Altar eingelöst werden dürfen. Sie sind auch ein probates Mittel, um seine Gesundheit wieder ein Stückchen aufzufüllen. Den Wert kann man über entsprechende Gegenstände noch steigern und wenn man den Wutmodus aktiviert, der anfänglich etwa zehn Sekunden dauert, später aber deutlich verlängert werden kann, gibt es nochmals einen Bonus auf die Genesung. Selbstverständlich kann man auch Heiltränke nutzen. Allerdings ist die Anzahl begrenzt, kann aber an bestimmten Schalen wieder aufgefüllt werden.

Umgebungseinflüsse und fehlende Göttergunst

Die sind in den Abschnitten ebenso gut verteilt wie Kontrollpunkte, von denen aus man nach einem Ableben wieder starten darf, oder die Lagerfeuer, an denen man sich in eisigen Schneebereichen aufwärmen darf. In anderen Abschnitten kann man Giftwolken begegnen oder Blitzen, die ebenfalls dafür sorgen, dass sich die Leiste für die Belastung durch Umgebungseinflüsse füllt. Und dies hat nicht nur kosmetische oder akustische Auswirkungen, wenn der Held sich darüber beklagt, dass ihm schwindelig ist oder er die Zehen nicht mehr fühlt. Denn sobald diese Leiste komplett ist, geht jeder Sekunde zu Lasten der Lebensenergie. Insofern ist zumindest ein gelegentlicher taktischer Rückzug oder ein Blick auf die Karte sinnvoll, damit man seine nächsten Schritte planen kann, ohne Angst vor dem

Man kann zwei Waffensets mitführen, die jeweils einem von fünf Göttern gewidmet sind, für die man das Blut der Gegner vergießt.
Erfrieren oder Blitzschlag haben zu müssen. Dass einige der auf Dauer redundanten Sammelaufgaben in den Bereichen natürlich in Arealen liegen, die am weitesten von diesen sicheren Zonen entfernt sind, versteht sich von selbst. Und natürlich ist klar, dass einige davon von miesen Zwischenbossen bewacht werden, die zusätzlich zur Kälte eine Gefahr darstellen.

Obwohl Grind eigentlich nicht nötig ist, um zumindest zwei Fähigkeitsbäume im Lauf der Kampagne weitgehend komplett aufzubauen, gibt es eine Option, sich abseits der Geschichte mit den Gegnern knackige Duelle zu liefern: Hinter den „Prüfungen der Götter“ versteckt sich ein Arena-Modus, in dem man gegen immer stärkere Wellen antreten muss und bei dem es als Belohnung nicht nur Rohstoffe gibt, sondern auch unter Umständen brauchbare Ausrüstung abgeworfen wird. Derzeit allerdings nur auf der PS4. Denn nur dort ist ein Day-1-Patch verfügbar, der diesen bei der Skaldin verfügbaren Modus freischalten. Auf der One ist die Stelle, an welcher der entsprechende Transport-Stein steht ebenso leer wie bei einem ungepatchten PlayStation-Midgard. Schade. Ebenfalls sehr bedauerlich: Es gibt keine Option für Couch-Koop. Zwar kann man zu zweit in den Kampf gegen die bösen Horden ziehen, doch dies ist nur online möglich.

Fazit

Fans unkomplizierter Hack&Slays können mit Vikings: Wolves of Midgard unkomplizierten Spaß erleben. Es ist zwar deutlich konventioneller als Shadows: Heretic Kingdoms, der letzte Ausflug ins Action-Rollenspiel von Games Farm, aber dadurch auch deutlich zugänglicher. Die Action fließt locker aus den Fingern, es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Ausrüstung der Figur anzupassen. Halbwegs enttäuschend ist aber, dass auf Komfortfunktionen wie Rückkauf von Gegenständen oder das Entfernen der seltenen bzw. teuren Runen aus Waffen oder Rüstung verzichtet wurde. Schade ist auch, dass es nach der etwa 25 bis 30 Stunden dauernden sowie solide inszenierten Kampagne kaum einen Grund gibt, einen erneuten Abstecher nach Midgard zu machen. Auf Dauer gibt es weder genug Abwechslung z.B. innerhalb der Sekundärmissionen noch ausreichend zusätzliche Herausforderung. Zudem würden wir nach derzeitigem Stand zur PS4-Version raten. Nicht, weil sie unter dem Strich besser aussieht und im Zweifelsfall flüssiger läuft (vor allem auf der PS4 Pro). Sondern in erster Linie, weil hier gewisse zusätzliche Inhalte wie die Götterprüfungen bereits  vorhanden sind – so redundant sie auch sein mögen. So bleibt unter dem Strich ein unterhaltsames Hack&Slay, das sich mechanisch zwar keine groben Schnitzer erlaubt, aber trotz interessanter Einfälle weder den Charme von Victor Vran noch die technische Kompetenz oder Langzeitmotivation eines Reaper of Souls erreicht.

Anm. d. Red.: Die PC-Version stand uns zum Test nicht zur Verfügung.

Pro

eingängige Steuerung
ordentliche deutsche Version
nordische Mythenwelt passabel eingebunden
fünf Fähigkeitenbäume...
gut 25 bis 30 Stunden solides Hacken & Slayen...
zwei Waffensets im Wechsel
Boss-Arena am Ende jedes Abschnitts
kooperativ zu zweit spielbar
Figur definiert sich in erster Linie über Ausrüstung
zahlreiche Möglichkeiten, Ausrüstung und Läden aufzuwerten
stimmungsvoller Soundtrack
Umgebungseinflüsse

Kontra

Prüfungen der Götter fehlen derzeit auf Xbox One (kein Day-1-Patch)
auf One und PS4 technisch unsauber (v.a. One, keine Probleme auf PS4 Pro)
Sekundärziele in den Abschnitten werden schnell redundant
... die allerdings nicht all zu umfangreich sind
... danach gibt es allerdings keinen Grund, zurückzukehren (lineare Levelstruktur etc.)
es fehlen Komfortfunktionen (z.B. Rückkauf von Ausrüstung, Entfernen von Runen)
"Grind"-Jagden führen nur in bereits besuchte Abschnitte
kein Couch-Koop

Wertung

PlayStation4

Solides Action-Rollenspiel mit nordischer Mythologie als Fundament. Trotz interessanter Ansätze kann es aber nicht aus dem Schatten von Diablo treten.

XboxOne

Solides Action-Rollenspiel mit nordischer Mythologie als Fundament. Trotz interessanter Ansätze kann es aber nicht aus dem Schatten von Diablo treten. Die One-Version leidet unter technischen Problemen und fehlendem Day-1-Patch.

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