Surf World Series08.09.2017, Mathias Oertel
Surf World Series

Im Test: Der Kampf mit der Welle

Extremsportspiele haben ihren Zenit überschritten. Einzig Ubisofts Steep hält im Wintersportbereich weiter eindrucksvoll die Fahne hoch und soll noch in diesem Jahr olympisch erweitert werden. Das britische Climax Studio nimmt sich im Gegensatz dazu sowie dem aktuellen Wetter trotzend eines Sommersports an. Ob Surf World Series (ab 10,00€ bei kaufen) den Spaß am Wellenreiten  in Spieleform pressen kann, verraten wir im Test.

Spaß statt Simulation

Mit der Physik nimmt es Climax nicht so genau. Hier geht es nicht darum, den Winkel zur Welle so clever wie möglich zu wählen, um einen gelungenen Sprung hinzulegen. Surft man in den „Tunnel“, muss man ebenfalls nur eingeschränkt beachten, wie man sich nähert. Spins und Sprünge kontrolliert man nicht dynamisch, sondern lädt sie im Vorfeld durch entsprechendes Knopfdrücken auf. Wie gesagt: Physik ist abseits der Wellendynamik nicht der Fokus von Surf World Series. Stattdessen steht hier der unkomplizierte Spaß an arcadig geprägtem Reiten von Wellenkämmen im Mittelpunkt.

Bevor es hoch hinaus geht, sollte man einen Abstecher in die Surfschule des Tutorials machen.
Und damit man sich mit der eingängigen, aber für effektive Jagden nach Höchstpunktzahlen dennoch komplexen Steuerung anfreundet, gibt es ein umfangreiches Tutorial in der kontrollierten Umgebung eines Wellen-Pools. Hier lernt man die Grundlagen, angefangen vom Aussuchen der richtigen Welle, dem Aufstehen und ersten schnellen Richtungsänderungen. In den folgenden sieben Trainings-Sitzungen hingegen lernt man, wie man Drehungen aktiviert, Tricks auslöst, Kombos verbindet und so die höchsten Punktzahlen erreichen kann. Und man stellt fest, dass man auch ohne Fokus auf akkurate Physik aufpassen muss, keinen „Wipeout“ zu erleben und vom Board zu stürzen.

Timing ist alles

Wo ist denn die perfekte Welle? Im Brandungspool werden die Wassermassen erst nach Einschalten der Maschinen bewegt.
Nach erfolgreichem Training kann man sich an fünf echten Stränden nachempfundenen Schauplätzen in Australien, Brasilien, Südafrika, Portugal und den USA an über 40 Herausforderungen versuchen. In erster Linie geht es dabei prinzipiell um Höchstpunktzahlen, die man entweder als Durchschnittswert über mehrere Versuche, gegen die Zeit oder z.B. auch nur in einem Versuch erreichen muss. Zusätzlich warten noch sekundäre Ziele wie bestimmte Kombozähler, „Airtime“, Zeit im Tunnel, Punktzahl basierend auf einem Trick usw., die allerdings nicht zwingend notwendig sind, um sich in den Herausforderungen vorzuarbeiten. Sehr schön: In jedem Gebiet wird man mit einer neuen Wellendynamik konfrontiert, auf die man sich einstellen muss. Mitunter ist die Zeit zum Reiten auf dem Wellenkamm oder das Fenster für die Knopfeingaben, bevor man zum Sprung ansetzt, während man der brechenden Welle entgehen möchte, sehr knapp und sorgt damit für zusätzlichen Anspruch und auch minimale taktisches Kalkül.

Denn während man auf die nächste Welle wartet, wird angezeigt, wie stark sie einzuschätzen ist – und damit, wie schwer sie zu reiten sein wird. Sprich: Wartet man auf vergleichsweise flachen Seegang und nimmt damit weniger „Flughöhe“, aber sicherere Surf-Möglichkeit in Kauf oder geht volles Risiko? Gleiches gilt übrigens auch bei der Wahl der Tricks und Drehungen. Für Erstere ist die in vier Segmente aufgeteilte, sich langsam aufladende Anzeige am unteren Bildschirmrand wichtig. Denn erst, wenn ein Segment gefüllt ist, kann man durch eine Dreiertastenkombo, die mit dem entsprechenden Knopf der Anzeige beginnt (und keinen Mehrfachdruck zulässt), einen Sprung speichern und muss dann in einem kleinen Zeitfenster den Kamm ansteuern, damit der Sprung und damit der sehenswert animierte Trick aktiviert wird. Soll man warten, bis die ganz hinten liegenden Dreieck- (auf PS4) bzw. Y- (auf One) Tricks möglich sind, die hohe Punktzahlen versprechen oder nimmt man lieber die hinsichtlich des Zeitaufwands weniger problematischen auf X- oder Quadrat (A und X auf One)? Vergeigt man die schweren Sprünge, nachdem man lange auf das Füllen der Anzeige gewartet hat, während man sich mit Tunnelreiten usw. über Wasser gehalten hat, ist der Frust recht groß. Dass man in den späteren Herausforderungen auch noch verstärkt darauf achten muss, die Tricks möglichst nicht zu wiederholen, erschwert die Aufgabe zusätzlich.

Unterhaltsamer Geschicklichkeitstest

Die Kulisse mit ihren Lichtstimmungen und unterschiedlichen See-Verhältnissen ist sehenswert.
Im Vergleich zu Skateboard-basierten Funsportspielen wie den Ablegern der Tony-Hawk-Serie oder EAs Skate sowie dem riesigen Gebiet und der Wintersportbandbreite, die man in Steep erleben darf, bleiben die Surf-Ausflüge mit ihren 24 Tricks mechanisch eingeschränkt und zeigen sich letztlich auch nur wenig dynamisch. Denn hat man die Probleme der jeweiligen  Brandung verinnerlicht, geht es letztlich weniger um die Fähigkeit, sein Sportgerät unter Kontrolle zu halten, als sich ein Zeitfenster zu schaffen, um den nächsten Trick vom Stapel zu lassen. Doch auch das kann in kleinen Dosen immer wieder für solide Unterhaltung sorgen. Hier lockt ein kurzer Wettbewerb, dort ein Surfausflug im freien Modus, um die ansehnliche Kulisse mit ihrer Sommeratmosphäre in sich aufzusaugen, damit man den tristen Herbst vergessen kann, der auf der anderen Seite des Fensters wartet. Während in den Herausforderungen die Wetterlage vorgegeben ist, darf man beim freien Surfen an den fünf exotischen Schauplätzen zwischen vier „Stimmungen“ wählen (sonnig, verregnet, Dämmerung, Nacht), die sich allerdings nicht auf die Mechanik auswirken.

Noch sinnloser ist die zwar umfangreiche, aber vollkommen belanglose Personalisierung von Board und Surf-Klamotten, die zumindest einen Hauch interessanter wäre, wenn man eine komplett eigene Figur erstellen dürfte. Doch hier stehen nur sechs „fertige“ Figuren zur Verfügung, die man ankleiden darf. Das Angeben mit erst spät im Herausforderungsmodus freigespielten Klamotten und Mustern ergibt jedoch nur im Online-Modus Sinn. Der wiederum ist angesichts des Nischen-Daseins, den dieses Surfspiel fristet, eigentlich redundant. Seit Release haben wir weder auf PS4 noch auf Xbox One zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten keinerlei Mitspieler gefunden.

Fazit

Um dem rasant einkehrenden Herbst zu entgehen und zumindest virtuell den Sommer weiter genießen zu können, ist ein Ausflug an die Strände der Surf World Series ein probates Mittel. Allerdings bekommt man hier für etwa 15 Euro weniger eine Funsportsimulation mit akkurater Physik als einen grafisch ansehnlich aufbereiteten Geschicklichkeitstest mit Surf-Hintergrund. Es macht immer wieder Spaß, sich an den fünf abwechslungsreichen Schauplätzen mit der Dynamik der individuellen Brandung auseinanderzusetzen und sein Timing darauf abzustimmen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Surfen in keiner Form an die Langzeitmotivation der Pro-Skate-Serie rund um Tony Hawk herankommt oder der Abwechslung der winterlichen Steep-Ausflüge gefährlich wird. Denn dazu verlaufen die Wettbewerbe trotz spürbar unterschiedlichen Wellengangs auf Dauer zu gleichförmig. Der Online-Modus sorgt theoretisch für Abwechslung, allerdings ließen sich während der gesamten Testphase weder auf PS4 noch auf One Mitspieler finden.

Pro

individuelle Brandung und Wellendynamik an den fünf Schauplätzen
über 40 Herausforderungen
vorbildliches Tutorial
umfangreiche visuelle Personalisierung von Board und Surferklamotten
fluffiger Surf-Soundtrack mit lizenzierten Songs
interessantes Trick-System mit Preload-Mechanik
ansehnliche Kulisse

Kontra

keine Online-Spieler zu finden
keine eigenen Spielfiguren erstellbar
auf Dauer eingeschränkte Trick-Mechanik
unter dem Strich wenig Abwechslung

Wertung

PlayStation4

Unterhaltsamer arcadiger Surf-Ausflug, der auf Dauer an der Trickredundanz leidet, die auch von den abwechslungsreichen Schauplätzen nicht ausgeglichen werden kann.

XboxOne

Unterhaltsamer arcadiger Surf-Ausflug, der auf Dauer an der Trickredundanz leidet, die auch von den abwechslungsreichen Schauplätzen nicht ausgeglichen werden kann.

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