NBA 2K1828.09.2017, Mathias Oertel
NBA 2K18

Im Test: Coole Spiele, blöde Transaktionen

Seit Jahren stellt Visual Concepts mit NBA 2K die Speerspitze des virtuellen Basketballs – auch dadurch begünstigt, dass die Konkurrenz in vielerlei Hinsicht quasi den Anschluss verpasst hat. Allerdings hat sich in den letzten Jahren neben einer über nahezu alle Zweifel erhabenen sowie punktuell optimierten Mechanik auch ein störender Hang zu Mikrotransaktionen eingeschlichen. Ob sich dies auch mit NBA 2K18 (ab 0,99€ bei kaufen) fortsetzt, klären wir im Test.

Alles wie gehabt

Über die bewährten Mechaniken braucht man eigentlich keine Worte mehr verlieren. Sobald es in NBA 2K18 auf den Court und in den Kampf um Punkte geht, zeigt sich die ganze Qualität. Egal ob Dribbling, Aufposten, Dunks oder Distanzwürfe: Alles fühlt sich gut bis sehr gut an – so wie in den letzten Jahren, weswegen ich für die genaue Analyse auf die Tests zu NBA 2K16 oder einem der Vorgänger verweise, da sich hier im Wesentlichen nichts geändert hat . Bei der Defensive würde ich mir zwar wie auch in den letzten Ausgaben wünschen, dass man ein paar filigranere Optionen zur Verfügung hatte, um ein Dribbling oder Aufposten zu verhindern – zumal die Konkurrenz von EA in diesem Jahr genau hier zugelegt hat. Doch mit den bewährten Block- und Steal-Funktionen hat man den üblichen Standard zur Verfügung – wie in den letzten Jahren. Es bleibt allerdings auch dabei, dass sich die Bewegung auch mit kleinen und wendigen Spielern immer noch ein wenig träger anfühlt, als es müsste. Da aber NBA Live in diesem Bereich auch keine wesentlichen Fortschritte gemacht hat und darüber hinaus auch beim Passspiel nicht so ganz so spontan reagiert wie auf den 2K-Courts, bleibt Visual Concepts hier weiter scheinbar uneinholbar vorn – wie in den letzten Jahren.

Visuell kann man NBA 2K abseits von etwas zugenommenen Clipping-Problemen nicht viel vorwerfen: Die Präsentation ist nach wie vor auf hohem Niveau.
Über die famose Präsentation der NBA-Duelle ins Schwärmen zu geraten, ist eigentlich ebenfalls ein alter Hut. Vor allem mit dem Wechsel auf die aktuelle Konsolengeneration hat das dynamisch reagierende Zuschauerumfeld seinerzeit einen ordentlichen Sprung gemacht, der auch mit der aktuellen Ausgabe mit zum Besten im Sportspielbereich zählt, während die abwechslungsreichen Kommentare und Analysen nur selten langweilig werden. Dazu gibt es gelungene Einspieler,  Halbzeit-Cheerleader, vor dem Spiel die US-Nationalhymne (bei der allerdings kein Spieler kniet) und erneut eine Analyse-Show, bei der der daran teilnehmende Shaquille O’Neill allerdings immer so aussieht, als ob er jeden Moment einnicken würde. Dessen ungeachtet spielt NBA 2K18 auch in diesem Bereich seine Stärken aus, die in den letzten Jahren Teil eines motivierenden Gesamtpaketes waren.

Meins, alles meins

Im um Story angereicherten Franchise-Modus "MyGM" muss man einige Entscheidungen treffen.
Doch nicht nur mechanisch, auch inhaltlich hat Visual Concepts zuletzt aus dem Vollen geschöpft. Es wartete in den Vorjahresausgaben ein gelungener Modi-Mix, der mit MyGM bzw. dem leicht anderes ausgerichteten MyLeague die Fans von Franchise-Spielereien zufrieden stellte, während mit MyTeam das 2K-Gegenstück zu EAs Ultimate Team wartete. Und obendrauf gab und gibt es mit MyCareer noch einen ausufernden Spielmodus, in dem man ein aufstrebendes Talent im ordentlichen Editor erstellen, sich um ihn kümmern und zu einem NBA-Star machen musste. Für dieses Jahr hat sich Visual Concept all dieser Modi angenommen und sie gehörig umgekrempelt. Nein, hat man nicht. Das meiste bleibt, wie es war – zumindest mechanisch. Dass man bei der Karriere tatsächlich auch für NBA 2K18 einen erzählerischen Weg gefunden hat, wie man erneut einen Rookie in der amerikanischen Basketball-Liga etablieren kann, ist allerdings angesichts der letzten Ausgaben beachtlich, die scheinbar alles abgegriffen haben. Dieses Jahr verkörpert man ähnlich wie in NBA Live einen eher über die Straßencourts zu Ruhm gekommenen Basketballer, der bei einem Wettbewerb von einem Scout angesprochen und zu einem Probetraining eingeladen wird und so schließlich irgendwann mit seinen Idolen auf dem Platz steht. Während das Grundkonzept durchaus in Ordnung geht, ist die Umsetzung allerdings von vielen Widersprüchen geprägt.

Man ist ein Nachwuchs-Basketballer, lebt aber in einem Penthouse mit Fullsize-Trainingscourt? Dafür reicht mir auch nicht die Andeutung, dass der Protagonist neben seinem Basketballspiel als DJ recht erfolgreich ist. Und wieso ist die ständig hyperaktive sowie teils sinnfrei vor sich hin brabbelnde, leicht übergewichtige Asiatin in allen entscheidenden Situationen anwesend? Als Comic Relief zwar bedingt brauchbar, ging sie mir bereits nach ihrem dritten Auftritt extrem auf den Senkel. Überhaupt hat das Drehbuch einen für mich zu aufdringlichen Hang zur (aufgezwungen) Comedy, die nicht zum Kernthema passen möchte. Klar: Auch Alex Hunters "Journey" in FIFA 17 & 18 verfolgt einen unterhaltsam cineastischen und nicht dokumentarischen Ansatz, der ebenso wie die Longshot-Story in Madden von Humor und eher unrealistischen Situationen durchbrochen wird. Doch hier hat man sich für mich erzählerisch in eine Sackgasse manövriert. Klischeehafte Figuren, mitunter absurde Situationen und dabei nur wenige Entscheidungsmöglichkeiten. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ohne einen erzwungen wirkenden erzählerischen Bogen spannen zu wollen. Mir hätte es vollkommen gereicht, wenn ich mit meinem virtuellen Alter Ego auf dem Trainingsplatz Erfahrung (sprich: Fähigkeitspunkte) sammeln müsste, mir dann auf dem Feld der Ehre meine Sporen verdienen und nach und nach besser werden könnte, um schließlich mehr Einsatzzeiten zu erreichen. Nach all den Jahren, in denen man sich nur mit leicht veränderter Ausgangsposition auf den steinigen Weg hin zur NBA-Spitze begeben hat, wäre es Zeit für eine Reduktion aufs Wesentliche.

Die ewigen Talente und der Ruf des Geldes

Die "Neighborhood" mit ihrer offenen Struktur ist eine gute Idee und führt einige Modi zusammen. Doch unter dem Strich ist sie nur eine gigantische Aufforderung für Mikro-Transaktionen.
Mit der neuen Hub-Welt "Neighborhood", die man sich mit dutzenden anderen Spielern aller Figurenstufen und ihren virtuellen Ebenbildern teilt, geht man in Ansätzen sogar den dafür notwendigen Weg. Als instanzierte Gebiete findet man hier z.B. sein Penthouse, die Trainingshalle seines NBA-Teams, einen Pro-Am-Court, auf dem man seiner Streetball-Karriere folgen kann sowie Shops, in denen  man sich Kleidung, Tattoos, neue Frisuren usw. kaufen kann. Und es gibt hier die Möglichkeit, sich auf offenen Plätzen mit anderen Spielern der Community zu zünftigen Duellen zu verabreden. Wer etwas mehr Risiko gehen möchte, kann in einer anderen Halle sogar die schwer verdienten so genannten Virtual Coins (VC) auf seinen Sieg setzen. Über Minispiele in der Trainingshalle bzw. dem Fitness-Studio, das ebenfalls ein „offenes“ Gebiet ist, in dem auch andere Baller zeitgleich zur eigenen Figur trainieren können, kann man seine Reaktionen oder bestimmte Spielsituationen unter Beweis stellen und Belohnungen abgreifen. Man kann die bereits angesprochenen VC aber auch für die Steigerung seiner Fähigkeiten einsetzen. Dies ist zwar auch nicht grundsätzlich neu in der Welt des 2K-Basketballs, doch dieses Jahr sind die damit verbundenen Aufforderungen zu Mikrotransaktionen und dem Einsatz von Echtgeld größer sowie penetranter als je zuvor. Es gibt zahlreiche andere Sportspiele, in denen man in der Karriere seine Fähigkeiten über Minispiele, praxisnahe Übungen sowie „Learning by doing“, also erfolgreiche Aktionen in Matches steigern kann. Davon kann sich Visuell Concepts für das Serienkonzept der nächsten Jahre gerne eine Scheibe abschneiden.

In der Trainingshalle kann man versuchen, seine Figur auf die nächste Stufe zu hieven. Einfacher geht dies aber mit VC, die man nicht nur im Spiel als Belohnung bekommen, sondern auch im Store für Echtgeld erstehen kann.
Denn hier schlägt man all zu schnell auf dem harten Boden der Mikrotransaktions-Tatsachen auf. So bekommt man z.B. kurz nachdem man nach dem angenehm umfangreichen Einstieg in die offene Hubwelt entlassen wird, die Aufgabe, sich beim Friseur einen neuen Haarschnitt verpassen zu lassen. Folgt man dieser Anweisung, sucht sich eine neue Frisur, ggf. eine neue Haarfarbe und evtl. sogar eine schicke Gesichtsbehaarung aus, wird man allerdings an der Kasse aufgefordert, ein paar seiner VC dafür abzugeben. Für etwas, das man in anderen Spielen als Teil einer Einführungsmission gratis spendiert bekommt. Hätte man das nicht angenehmer lösen können, indem man nur eine Hand voll von Frisuren wählen kann, diese aber umsonst kriegt? Zudem zwingt die eintönig graue Kleidung, die man sich mit allen Anfängern teilt, zusätzlich zum Kauf eines neuen Outfits. Hätte man nicht zum Ende des Einstiegs mehrere Klamotten-Sets zur Wahl stellen können? Alles riecht zu sehr danach, den Spieler zum Ausgeben seiner VC zu bewegen. Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Spieler ihre Figur kosmetisch durch den Einsatz von Virtual Coins  (und im Zweifelsfall Echtgeld) pimpen oder den Aufstieg zur Basketball-Legende nicht durch Zeit-, sondern Geldaufwand (sprich: Pay-to-shortcut) bewerkstelligen wollen. Nur muss dann sichergestellt sein, dass diejenigen, die sich für Zeitaufwand entscheiden, entsprechend entlohnt werden. Und dieser zugegeben diffizile Balanceakt, an dem auch schon andere Spiele zu knabbern hatten bzw. daran scheiterten, gelingt hier nicht. Schon wenn man die für einen sinnvollen Figurenaufstieg nötigen Punkte mit VC bezahlen möchte, steht ein frustrierender Grind ins Haus, da man für seine Leistungen kaum etwas bekommt.

Fazit

NBA 2K18 wandelt auf einem verdammt schmalen Grad. Auf der einen Seite ist es mechanisch sowie hinsichtlich der Präsentation ein Prunkstück und trotz zunehmender Clipping-Probleme das beste Basketball-Erlebnis, das man derzeit haben kann. Es macht enormen Spaß, sich zu einem Dunk durchzutanken, einen Monsterblock zu setzen oder die grandiose Atmosphäre auf sich wirken zu lassen, während man den hervorragenden Kommentaren lauscht  – auch wenn das Geschehen mittlerweile einen Tick zu träge wirkt. Doch das war im letzten Jahr auch schon so. Und im vorletzten. Und unter dem Strich hat sich seit 2K15 trotz einiger interessanter Ansätze und kleinerer Details mechanisch nichts Wesentliches mehr getan. Auch die Spielmodi kennt man in dieser Form im Großen und Ganzen seit einigen Ausgaben. Doch diese Stagnation bzw. marginale Verbesserung wäre viel leichter wegzustecken, wenn der Fokus hin zu Mikrotransaktionen nicht so derart stören würde. Dass Sportspiele sie anbieten und sogar eine Art „Pay-to-shortcut“-System anbieten, ist per se nicht verwerflich. Doch wenn die Spieler, die kein Geld, sondern Zeit investieren wollen, um die entsprechenden Inhalte freizuschalten, deutlich benachteiligt werden und sich in hoffnungslosen Grind retten müssen, ist das der falsche Weg. Für mich wird der Bogen hier in diesem Bereich überspannt. Visual Concepts muss aufpassen, denn auch wenn EA in spielmechanischer Hinsicht und vor allem in Sachen Präsentation noch Nachholbedarf hat, hat man kaum noch Spielraum, um sich auf seinen (eigentlich verdienten) Lorbeeren auszuruhen. Denn als Gesamtpaket hat NBA 2K18 viel seines Vorsprunges eingebüßt – einiges davon durch eigenes Verschulden. Unter dem Strich ist man mit der Ausgabe des letzten Jahres besser aufgehoben...

[Die Versionen für PC und Switch lagen uns zum Testzeitpunkt nicht vor. Anm.d.Red.]

Pro

ausgezeichnete bewährte Spielmechanik
Karriere-Modus mit offener Hub-Welt und instanzierten Arealen
hervorragende Kommentare
dynamisches Publikum
Pre-Game-Show mit Shaq & Co
zig Sonderfähigkeiten
Pro-Am Liga-System
sehr gutes Feedbacksystem
stylische Präsentation
sehr gute Animationen
Sammelkarten & Streetball, Franchise & Liga
passabler Online-Modus
abwechslungsreicher Soundtrack
zig Optionen für Taktik und Spielsteuerung

Kontra

extrem starker Fokus auf allgegenwärtige Mikrotransaktionen
mechanisch und inhaltlich weitgehend stagnierend
vollkommen überzeichnete Karriere-Inszenierung
Fähigkeiten einkaufen
auch schnelle Basketballer einen Tick zu träge
Ladezeiten
deutlich höhere Frequenz an Clippingfehlern
massiver Grind, wenn man sich die nötigen VC erspielen will

Wertung

PlayStation4

Mechanisch ist NBA 2K über nahezu alle Zweifel erhaben. Allerdings stagniert man u.a. bei den Spielmodi, während die neue "Nachbarschaft" nur ein riesiger Vergnügungspark mit Aufforderungen zu Mikro-Transaktionen ist.

XboxOne

Mechanisch ist NBA 2K über nahezu alle Zweifel erhaben. Allerdings stagniert man u.a. bei den Spielmodi, während die neue "Nachbarschaft" nur ein riesiger Vergnügungspark mit Aufforderungen zu Mikro-Transaktionen ist.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.