Im Test: Tempomaschinen
Eine Frage der Physik
Nein, der Ball rollt nicht viel besser. Wie schon im letzten Jahr gibt es immer noch einige Defizite, die sich bei den teilweise unrealistisch hohen sowie harmlosen Flanken, aber auch bei abgefälschten Bällen sowie Torabschlüssen aus der Distanz zeigen. Wenn ich nach einem Ballgewinn über außen vorstürme und aus dem Halbfeld flanke, oder wenn ich zur Grundlinie durchbreche und flach passen will, ist das Ergebnis über die normalen Flanken selbst mit viel Platz und Zeit für die Hereingabe meist zu lasch. Es ist nicht so, dass man auf diese Art gar keine Tore über Kopfbälle oder aus kurzer Distanz erzielen kann, aber es fühlt sich einfach nicht gefährlich genug an. Erst wenn ich die Flanke mit der Schultertaste modifiziere, eine neue Mechanik, bekommt sie endlich mehr Schmackes. So entstehen heiklere Situationen, weil man die Bälle besser hinter die Abwehr ziehen kann - aber selbst da fehlt mir oft die gefährliche Linie und weitere Varianz, was frühere und flachere Zuspiele betrifft.
Eine Frage des Gefühls
Denn auch wenn das oben aufgrund der Flanken vielleicht so klang - es ist nicht so, dass in FIFA 18 Tempo oder Spektakel fehlen würden. Im Gegenteil: Das Mittelfeld kann man mit zwei, drei kurzen Ballzirkulationen überbrücken, dann flach in die Tiefe passen auf den schnellen Stürmer und ins Tor schlenzen! In keinem anderen FIFA der letzten drei Jahre konnte ich dieses
Auf dem Platz inszeniert FIFA 18 fast schon einen Arcade-Kick, dem die defensive Balance fehlt, wenn man mit allen aktivierten Hilfen loslegt - also in der Standardsteuerung, bei der nur die Flanken auf "Semi" stehen. Nur damit das klar ist: So spielen auch die "Profis" im eSport; die künftigen digitalen Olympioniken vom VfL Wolfsburg & Co zocken also nicht etwa auf "Manuell", wo Richtung und Knopfdruck in jeder Situation extrem viel Gefühl brauchen, damit man nicht auch mit dem FC Barcelona eine Fehlpassorgie feiert. Deshalb entsteht auf Standard ja ein temporeiches Hin und Her, das richtig Laune machen, aber auch ins Festival der simpel gestrickten Tore abrutschen kann. Zumal mir die individuellen Fähigkeiten der Spieler trotz der neuen Einteilung in kleine, mittlere und große Spieler sowohl in den angeblich komplett neuen "Frame-by-Frame-Animationen" als auch exklusiven Aktionen weiter zu kurz kommen. Denn es scheint fast egal, ob da im Mittelfeld ein Gündogan oder ein No-Name-Akteur den Takt angibt. Außerdem fühlen sich manche Übergänge von der Ballannahme zum Dribbling noch etwas schablonenhaft an. Immerhin bemerkt man gegen Ende einer Partie deutlicher die Müdigkeit, so dass auch einfache Pässe dann mal versacken, weil die Richtung nicht stimmt. Aber was macht FIFA 18 auf dem Platz besser als PES 2018? Und was ist wirklich neu?
Was ist wirklich neu?
Spielmechanisch ist das mehrstufige Zweikampfverhalten wie schon letztes Jahr ausdrücklich zu loben, weil es nicht nur klasse aussieht, wenn man seinen Gegner abdrängt, am Trikot zieht oder rechtzeitig so einsteigt, dass man ihm den Ball abluchst - inklusive toll animierter Kollisionen! Man hat genug Manöver abseits des Pressings oder der Grätsche in Form des manuellen Abschirmens, des Eingreifens mitten im Lauf oder des extra harten Einsteigens. Hinzu kommt, dass man nicht nur aus dem defensiven Abschirmen heraus, sondern auch im vollen Tempo sehr elegant dribbeln kann - zwar mit den bekannten Manövern, aber deutlich effizienter und präziser als noch in FIFA 17, so dass sich regelrechte Slalomläufe mit Links-Rechts-Schwenks à la Dembélé abspulen lassen.
Und taktisch? Steht FIFA still. Dass man zig Formationen wählen und Verhalten für einzelne Spieler als auch das ganze Team für Aufbauspiel, Aggressivität & Co einstellen kann, kennt man alles schon. Aber all das wirkt sich nicht stark genug auf den Kick aus - vor allem nicht, was das Gegenpressing nach Ballverlust oder gezielte Spielverlagerungen betrifft. Zumal ich während einer Partie bis auf die allgemeine defensive oder offensive Ausrichtung keinerlei schnelle Eingriffe vornehmen kann; dazu muss man ins Menü. Dort sollte man die kollektiven Regler von eins bis hundert für die manuellen Anweisungen mal durch klarere fußballtaktische Schablonen mit visuellen Beispielen ersetzen.
Der Status quo
Wenn man sich für einen Test vor allem auf die Änderungen und Neuerungen konzentriert, klingt das meist kritischer als es ist. Denn FIFA hat ja ein solides Niveau erreicht hat, weil vieles vom Flairpass über den Dropkick bis zum Kopfballaufsetzer
Und da hat PES 2018 dieses Jahr nochmal etwas zugelegt, aber lediglich dezent und steht in anderen Bereichen still, so dass es erneut mit 82% bewertet wurde. Der PR-Slogan "The Pitch is Ours" von Konami hat im direkten Vergleich allerdings weiter seine Berechtigung. Wie gesagt: FIFA 18 muss sich nicht verstecken, zumal es das Spektakel etwas in den Vordergrund stellt. Die Unterschiede sind lange nicht mehr so klar wie anno dazumal, als PES 6 ein echtes Fußballspiel und FIFA ein interaktives Lizenzspiel war. Nur ist man spielmechanisch mal wieder unterlegen. Aber heutzutage besteht digitaler Sport auch aus anderen Bereichen als nur "Auf'm Platz": Präsentation, Karriere als Spieler und Trainer, Training mit fünfzehn neuen Skill-Übungen, Online-Features & Co.
Große Emotionen
Was EA Sports deutlich besser inszeniert als letztes Jahr: die Fans. Es ist schon klasse, wenn die Zuschauer bei Toren von der Tribüne an den Zaun stürmen, um ihren Stars zuzujubeln - so lebendig hat noch niemand die Euphorie in Stadien dargestellt. Hinzu kommen die Fans inklusive ihrer Fahnen und Trikots; es gibt darunter viele Charaktere, Frauen und Männer, von dick bis dünn. Und vor allem in der von FIFA am besten unterstützten Premier League erreicht die Inszenierung mit authentischen Einblendungen, tollen Kommentatoren und realistischen Stadien samt regionalen Merkmalen der Fanszene immer mehr TV-
Wer sich für die Bundesliga interessiert, muss da allerdings große Abstriche machen, was Wiedererkennungswerte sowohl bei den Fans als auch Profis angeht - vor allem, wenn man dem HSV, Frankfurt, Gladbach oder Köln nahe steht, kommen einem nicht wenige, teilweise immer noch zu wachsig wirkende und mit seltsamen Augen versehene, Profigesichter kaum bekannt vor; selbst so mancher Nationalspieler muss da Federn lassen. Und seitdem Konami exklusive Kooperationen eingeht, sehen nicht nur die Profis dort deutlich authentischer aus, was z.B. Liverpool oder Dortmund betrifft, es fehlen auch einige Stadien aus Italien oder wie etwa der Signal Iduna Park, der hier als "Waldstadion" nur nachempfunden wird. Ist angesichts der restlichen Lizenzmacht natürlich nicht tragisch.
Dritte Liga und DFB-Pokal
Und dafür feiern ja der DFB-Pokal sowie die 3. Liga ihre Premiere: Die offizielle Lizenz umfasst alle zwanzig Teams von
Und auch wenn man die Regie sowie das Kommentatoren-Duo dafür loben muss, dass es die Modi zumindest unterschiedlich je nach Situation bespricht - also auch Vorbereitungsturniere, dazu letzte Siege oder Niederlagen, Karrierestarts etc., und dass es im Gegensatz zur Konkurrenz bei PES zumindest mal Bezüge zu Derbys sowie Hintergrundinfos zur Clubhistorie gibt, ist das Beste immer noch, dass man Fuss und Buschmann stumm oder auf die englischen Kollegen stellen kann. Man nehme mal mit Aubameyang einen Ball an und warte auf "Buschis" seltsame Analyse zu seinem exzentrischen Lebenswandel...
Alex Hunter 2.0
Apropos Dramaturgie: Die nimmt bei Alex Hunter über sechs Kapitel nochmal Fahrt auf, denn zentrale Fragen wie Loyalität, Freundschaft, Leistungstiefs und auch der Transferwahnsinn stehen im Mittelpunkt, so dass man das Auf und Ab eines aufstrebenden Starts nacherleben kann. Letztes Jahr feierte diese filmisch inszenierte Karriere ihre Premiere, als Alex vom fußballverrückten Talent zum Profi avancierte. Und EA Sports bleibt am Ball, indem man nicht nur seine Frisur oder Tattoos, sondern sein Leben in entscheidenden Phasen verändern kann. Die Regie zeigt in einem Rückblick nochmal alle wichtigen Stationen und auch Konflikte, so dass man sich nach einem Jahr wieder gut in seine Situation hineinversetzen kann - was
Man startet mit einem Club seiner Wahl in der Premier League, bringt als Profi also keinerlei fußballerisches Profil aus der Jugend bzw. dem Vorgänger mit - alles beginnt mit einem Streetball-Urlaubskick in Brasilien, danach geht es ins Trainingslager und zu einem ersten Turnier in die USA. Alex trifft alte Bekannte und auch seinen Rivalen Gareth. In Talkshows, Interviews sowie Dialogen kann man seinen Charakter meist über drei mögliche Antworten formen, wobei man sich jedoch nicht auf den Text konzentrieren muss, denn die Auswirkung hin zu einem coolen oder hitzigen Ergebnis ist sofort zu sehen. Zudem vermisst man an vielen Stellen auch subtile Einflussmöglichkeiten à la Life Is Strange, weil man Alex in einigen Situationen einfach anders spielen würde. Aber der Fokus der Regie lieget weiter auf dem aktiven Spielen, nicht wie bei Madden NFL18 eher auf den Entscheidungen - von denen wirken sich nur sehr wenige auf den Verlauf der Karriere aus, aber dann kann es starke Konsequenzen nach sich ziehen.
Dabei wird man - unrealistischer Weise - sogar zu Transfers gefragt, so dass man sich den künftigen Sturmpartner quasi aussuchen kann: Lewandowski soll gehen, dafür Griezmann kommen? Ist möglich. So entsteht eine motivierende Mischung aus Training, Spiel und Story. Ersteres wurde deutlich aufgewertet, denn man tritt auch mal direkt gegen seinen prominenten Konkurrenten bei Übungen an. Für Abwechslung sorgt zudem ein Charakterwechsel, denn man darf auch mal mit Kumpel Danny als auch Alex' Schwester Fußball spielen.
Karriere ohne Regie
Als Spieler oder Trainer kann man auch eine normale Karriere starten, wobei Erstere qualitativ einfach so deutlich hinter jener von Alex rangiert, dass sich eigentlich nur der Managerjob als echte Alternative anbietet. Dort kann man entweder einen Spitzenclub oder auch einen Drittligisten übernehmen, wobei sich die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele natürlich stark unterscheiden - der Vorstand beim BVB will zweistellige Millionenumsätze, Finalteilnahmen und möglichst die Meisterschaft, bei Carl Zeiss Jena kann neben dem Aufstieg eine starke Jugendförderung im Fokus stehen, bei der man z.B. zwanzig Spiele mit vier selbst gescouteten oder aus der eigenen Jugend integrierten Nachwuchshoffnungen absolvieren muss. Schade ist übrigens, dass das Budget nach einem Aufstieg aus der dritten Liga wieder zurückgesetzt wird: So kann man sich quasi nichts ersparen und die finanzielle Strategie wird für echte Managernaturen konterkariert.
Hinzu kommen einige Widersprüche in der Interaktion mit Spielern: Obwohl ein Sokratis mir als Trainer extra per E-Mail schreibt, dass er dankbar für seinen Stammplatz und mein Vertrauen ist, wird er in der Spielerliste noch wochenlang als "unglücklich" markiert. Und obwohl ein Kagawa dort als "sehr glücklich" gelistet wird und regelmäßig spielt, ist er beim ersten Angebot aus Gladbach sofort weg - ohne, dass ich irgendwie reagieren kann. Es ist natürlich richtig, dass ein Profi bei einer Ausstiegsklausel eben weggekauft werden kann, aber laut Karriere kann ich ihn halten, wenn er eben "glücklich" ist, also auf seiner Position viel spielt. Außerdem ist es unrealistisch, dass man bei einem derartigen Angebot keinerlei Gespräch mit dem Profi darüber führen oder ihm zumindest bessere Konditionen anbieten - hier ist also noch viel Luft nach oben. Unterm Strich hat EA Sports den Bereich der Transfers allerdings bereichert, zumal man bis ins Detail von anvisierter Spielerrolle bis hin zu Freigabeklauseln oder Einsatzboni verhandeln kann und erfolgreiche Abschlüsse in den News präsentiert werden.
Ultimate Team und Switch
Aktualisierung vom 10. Oktober 2017: Mittlerweile konnten wir auch auf Switch spielen - hier unser Test und das Fazit:
Dieses Spiel müsste eher "FIFA 17 light" heißen. Es musste für Switch stark abspecken, nicht nur weil die Power der modernen Frostbite-Engine fehlt. Dass man grafisch nicht dieselbe Qualität erwarten konnte wie auf den potenteren Systemen war klar - vor allem die Zuschauer, der Rasen sowie die Gesichter enttäuschen, wohingegen die Animationen durchaus ansehnlich sind und man alle Finessen vom Schlenzer bis zur Abschirmung des Balles sowie alle Finten einsetzen kann. Und man muss dieser Version zugute halten, dass sie sowohl in 1080p am Fernseher als auch in 720p auf dem kleinen Bildschirm sauber läuft. Aber wie kann man im Jahr 2017 nur auf Online-Freundschaftsspiele verzichten, die gerade für diese Zielgruppe der wichtigste, weil zwangloseste Modus sind? Man kann lediglich Saisons mit Zufallsmatches über das Internet austragen. Stattdessen gibt es den speziellen lokalen Modus "Anstoß" mit den beiden Joy-Controllern - und der ist ein spielmechanisch kastrierter Graus, den ich selbst als Gestrandeter am Bahnhof nur zehn Minuten ertragen würde. Gut, dass er nur eine Option für unterwegs ist und man sonst alles mit voll belegtem Gamepad spielen kann! Aber selbst dann fühlt man sich nicht nur in vielen inhaltlichen Bereichen, sondern auch vom Spielgefühl her zurückversetzt in die Zeit von FIFA 17 - den Stars fehlt der neue Antritt, dazu die klar abgestufte Körperlichkeit und den Schüssen der Zunder. Es gibt weder die filmisch inszenierte Karriere "The Journey" noch Pro Clubs. Und selbst Ultimate Team sowie der Karriere als Manager oder Spieler fehlen alle wesentlichen Neuerungen dieses Jahres. Vergleicht man dieses Spiel mit FIFA 18 auf PC, PS4 und One ist es ein Downgrade zum Vollpreis.
Fazit
FIFA 18 ist ein gutes Fußballspiel, das ein temporeiches Spektakel mit vielen Dribblings und Torszenen inszeniert. Allerdings weht dieses Jahr so viel Arcade-Flair wie noch nie, denn manchmal braucht es nur zwei, drei Pässe und es fallen dann recht simpel eingeleitete Tore, bei denen die uneinholbaren Stürmer steil gehen und einnetzen. Außerdem habe ich noch nie so viele Tore aus der Distanz erzielt! Das macht ebenso Laune wie im Slalom durch die Abwehr zu laufen, aber hinsichtlich der situativen Taktik und vor allem des Spielaufbaus ist man der dieses Jahr noch reiferen Konkurrenz von Konami klar unterlegen. Und wann nimmt sich EA Sports als finanziell haushoch überlegener Marktführer mal ernsthaft der in vielen Bereichen schwachen Ballphysik an? Abseits des Rasens präsentiert man wieder volles Programm, wobei der Fokus klar auf der englischen Premier League liegt und Bundesliga-Fans viele Abstriche hinsichtlich Wiedererkennungswert in Kauf nehmen müssen. Die Fans in den Stadien wirken mit ihrem Jubel am Zaun so lebendig wie nie, die filmische Karriere von Alex Hunter wird überzeugend fortgesetzt und es gibt in nahezu allen Spielmodi kleine Zusätze, zumal man online keine Wünsche offen lässt. Hinzu kommen dritte Liga und DFB-Pokal, auch wenn es für Trainer trotz neuer Transfers noch einige Inkonsequenzen gibt. Dieses Jahr verzichten wir allerdings auf den Fußballvergleich, denn in ihren schwachen Bereichen stehen beide Sportspiele still, so dass wir uns bis auf Feinheiten nur wiederholen könnten. FIFA 18 und PES 2018 erreichen im dritten Jahr in Folge keinen Award, machen nur noch kleine Schritte. Vielleicht wäre es mal Zeit für einen dritten Wettbewerber?
[Zum Zeitpunkt des Tests lag uns noch keine Version für Switch vor. Anm. d. Red.]
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
FIFA 18 ist ein gutes Fußballspiel, das ein temporeiches Spektakel mit vielen Dribblings und Torszenen inszeniert. Allerdings hapert es an Ballphysik, Taktik und Spielaufbau.
PC
FIFA 18 ist ein gutes Fußballspiel, das ein temporeiches Spektakel mit vielen Dribblings und Torszenen inszeniert. Allerdings hapert es an Ballphysik, Taktik und Spielaufbau.
PlayStation4
FIFA 18 ist ein gutes Fußballspiel, das ein temporeiches Spektakel mit vielen Dribblings und Torszenen inszeniert. Allerdings hapert es an Ballphysik, Taktik und Spielaufbau.
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