Aaero13.04.2017, Mathias Oertel
Aaero

Im Test: Linien-Rhythmus mit Rez-Einschlag

Nachdem das "klassische" Musik- bzw. Rhythmus-Spiel mehr oder weniger in der Hand von Harmonix ist, muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen, um aufzufallen. Das Zwei-Mann-Team von Mad Fellows setzt bei Aaero auf PS4 und One z.B. auf eine interessante Variante einer Zweistick-Mechanik und einen Spagat zwischen Thumper und Rez. Ob man sich dabei nicht übernommen hat, klären wir im Test.

Gecovertes Rhythmus-Konzept

Ein Gleiter jagt über weitläufige Gebiete, die gelegentlich an Race the Sun erinnern. Dann wiederum hetzt er durch Metallröhren oder organische Tunnel, während er Hindernissen ausweicht oder bis zu acht Gegner mit einem Fadenkreuz markiert und dann mit zielsuchenden Geschossen zu zerstören versucht. Doch obwohl Aaero mit Elementen einschlägiger Arcade-Action spielt, ist es mehr Rez als Space Harrier, mehr Thumper oder Gitaroo-Man als ein dreidimensionales Sine Mora. Denn die Action mitsamt der meist spartanischen, aber dadurch sehr stimmungsvollen Kulisse ist voll und ganz auf Musik abgestimmt. Man fliegt zu 15 lizenzierten Dancetracks von u.a. Flux Pavillion, Katy B, Habstrakt oder Noisia über Weiträumigkeit vorspiegelnde Areale, ist in seiner Bewegung allerdings auf ein relativ kleines Umfeld beschränkt. Der Musikstil ist dabei zwar nicht meine favorisierte Richtung, die eher im Indie, Rock & Metal liegt. Doch ähnlich wie bei der Neuauflage von Amplitude stört es mich nicht, wenn wie hier Musik und Bilder mit der Mechanik zu einem stimmigen Gesamtbild zusammengefügt werden.

Bei schwierigeren Songs sorgen Schlenker und Windungen dafür, dass es nicht einfach wird, der Linie zu folgen.
Die beiden Entwickler von Mad Fellows haben aber nicht nur beim Design der Umgebung kreativ mit Ideen gespielt, die man bereits aus anderen Titeln kennt. Auch mechanisch lehnt man sich an bekannte Konzepte an. Oder beim musikalischen Bezug zu bleiben: Man covert, schafft mit dieser Neuinterpretation aber etwas ganz Eigenes. Das Zielen per rechtem Stick, damit die Gegner oder bestimmte Punkte in der an einem vorbei flitzenden Umgebung erfasst und dann mit einer Salve ausradiert werden können, erinnert stark an einschlägige Titel von Tetsuya Mizuguchi, wie Child of Eden oder das schon einige Male erwähnte Rez. Die Leuchtspuren wiederum, denen man folgen sollte, um den Punktemultiplikator nach oben schnellen zu lassen, gab es in einer ähnlichen Form bereits im PS2-Klassiker Gitaroo-Man aus dem Jahr 2002. Neben guten Reaktionen, wenn man z.B. Hindernissen ausweichen muss, deren einziger Durchgang erst kurz vor knapp offenbart wird, sind dabei auch Rhythmusgefühl und Songkenntnis gefragt, wenn man nicht den Kontakt zu der nach oben oder unten zuckenden, aber auch wilde Rollen schlagenden Lichtspur verlieren möchte.

Ungeschliffen

Dabei hätte es angesichts des wankelmütigen Schwierigkeitsgrades (ein Problem, das einige unabhängige Entwicklungen verfolgt) nicht geschadet, wenn die Erkennung toleranter wäre. Denn während es vergleichsweise lange dauert, bis man den Multiplikator steigert, rutscht man unheimlich schnell nicht nur einen, sondern mehrere Faktoren nach unten, wenn man die Spur verliert. Überhaupt ist Kurskenntnis das A und O - und da man für das Freischalten weiterer Songs eine bestimmte Anzahl Sterne sammeln muss, wird man zwangsläufig den einen oder

Das Erfassen der Gegner erinnert an Rez bzw. Child of Eden.
anderen Track häufiger besuchen und um eine höhere Wertung kämpfen; im Schnitt braucht man in etwa vier Sterne pro Song, um den nächsten Titel für die Punktejagd freizuspielen. Allerdings hat man auch die Option, sich im Chill-Out-Modus jeden Song ohne Punktestress zu Gemüte zu führen und so für die Highscorelisten zu trainieren.

Auch an Bosskämpfe wurde gedacht, die wie bei Thumper alle paar Songs eingestreut wurden und mit ihren verschiedenen Stufen ebenfalls Parallelen zu Rez ziehen. Diese Auseinandersetzungen sind ein gut gesetzter Kontrapunkt zu den beinahe hypnotisch in ihren Bann ziehenden Ausflügen in die Musikaction. Wenn man in die Zone gerät, nur noch die Musik und die darauf abgestimmte Kulisse wahrnimmt und damit in Genauigkeitsbereiche jenseits von 80 Prozent kommt, ist das Gefühl, "eins" mit Aaero zu sein, eine Erfahrung, die nur wenige Musikspiele kreieren können. Doch häufig bedeutet dies auch, dass man immer und immer wieder in die Songs abtauchen muss, um auch den letzten nötigen Stern einzuheimsen. Und dass wiederum wird unnötig häufig zu Stress, der so gar nicht zu der musikalischen Untermalung passen möchte.

Fazit

Nach Thumper kommt mit Aaero die nächste Überraschung im Ryhthmus-Spiel innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit. Mit seinem ungewöhnlichen Dualstick-Konzept, das hinsichtlich des Ballerns stark an Rez und hinsichtlich der Spurverfolgung an eine Mischung aus Gitaroo Man sowie dem bereits erwähnten Thumper erinnert, und unterlegt mit einem abwechslungsreichen elektronischen Dance-Soundtrack kommen Rhythmus-Fans schnell auf ihre Kosten. Fernab des von Harmonix beherrschten Mainstream zelebriert das Duo von Mad Fellows hier ein ungewöhnliches audiovisuelles Kunstwerk, das einen mit seinem gut aufeinander abgestimmten Zusammenspiel von Musik und Umgebung in seinen Bann zieht. Die Steuerung ist dabei zwar sehr genau, aber würde bei der Linienverfolgung von einer höheren Toleranzgrenze profitieren – zumal der Schwierigkeitsgrad sehr wankelmütig ist und mitunter schon auf "Normal" ganz schön ins Schwitzen bringen kann. Leider bieten die höheren Schwierigkeitsgrade weder neue Songs, deren Anzahl mit nicht einmal 20 ohnehin nicht üppig ausfällt, noch Abweichungen in den ansehnlichen Kulissen, so dass letztlich nur die Jagd auf die Höchstpunktzahlen in den weltweiten Ranglisten auf Dauer motiviert. Dennoch können Fans von Musikspielen sich hier auf einen Geheimtipp freuen.

(Anm. d. Red.: Aaero ist auch auf PC erschienen; die Version stand uns zum Test allerdings nicht zur Verfügung.)

Pro

cooles Dualstick-Rhythmusspiel zwischen Rez, Gitaroo Man und Thumper
stimmiger EDM-Soundtrack
abstrakte Kulissen
nette Bosskämpfe

Kontra

unausgewogenes Anforderungsprofil
Fehler mit uneinheitlichen Auswirkungen auf die Akustik

Wertung

XboxOne

Interessante Musik-Action, die ihre Inspiration u.a. bei Rez und Gitaroo-Man bezieht und diese mit einem feinen Artdesign zu etwas Eigenem macht.

PlayStation4

Interessante Musik-Action, die ihre Inspiration u.a. bei Rez und Gitaroo-Man bezieht und diese mit einem feinen Artdesign zu etwas Eigenem macht.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.