Unbox: Newbie's Adventure27.07.2017, Mathias Oertel
Unbox: Newbie's Adventure

Im Test: Pappkameraden auf klassischer Hüpftour

3D-Plattformer sind wieder im Kommen. Der größte Hoffnungsträger in dieser Richtung dürfte derzeit Super Mario Odyssey sein. Und mit Spielen wie Snake Pass und vor allem Yooka-Laylee wurde das Interesse wieder auf ein Genre gelenkt, das in 90er Jahren sehr präsent war. Davon möchte auch Unbox: Newbie‘s Adventure profitieren, das u.a. mit einer ungewöhnlichen Steuerungsmechanik auf sich aufmerksam machen will. Ob dies gelingt, klären wir im Test.

Wie in der guten alten Zeit

Das Fundament von Unbox: Newbie‘s Adventure folgt einem Schema, das Jump&Run-Fans seit den 90er Jahren kennen. Man bewegt seinen Helden durch große sowie farbenfrohe Welten, begegnet anderen fantasievollen Figuren, erledigt Aufgaben für sie, sammelt dieses oder jenes und muss sich schließlich mit einem fiesen Boss auseinandersetzen, nachdem man über einen Großteil der Zeit dessen Schergen hüpfend aus dem Verkehr gezogen hat. Mit leichten Variation dieser Mechanik haben Spiele wie Super Mario 64, Banjo Kazooie, Crash Bandicoot, Donkey Kong 64 bis hin zu Rayman, Jak & Daxter oder Ratchet & Clank reihum für Vergnügen gesorgt. Dementsprechend richtet sich Unbox mit seiner konventionellen Herangehensweise in erster Linie an Spieler, die mit den erwähnten Klassikern aufgewachsen sind.

Hüpfen (fast) so wie früher... Vieles in Unbox erinnert an die ruhmreiche Phase des 3D-Plattformers Ende der 90er Jahre.
Vieles ist wie damals: Die Gebiete, die man in der Rolle eines hüpfenden Kartons (!) durchstreift, sind angenehm groß und hinsichtlich der ausgewählten Vegetationsstufen (tropische Insel, verschneite Berge, grüner Dschungel) abwechslungsreich. Man findet überall andere Pappkameraden, die einem Aufgaben geben. Diese wiederum drehen sich meist darum, in einer bestimmten Zeit von Punkt A zu Punkt B (und evtl. wieder zurück) zu gelangen, eine bestimmte Anzahl an Markierung aufzusammeln, Gegner zu erledigen, Gegenstände zu suchen oder abzuliefern usw. - klassische Kost. Als Belohnung bekommt man Briefmarken, von denen man eine bestimmte Summe benötigt, um den Bosskampf in jeder Welt freizuschalten. Diese Mischung aus Levelerforschung und sauber in die Spielwelt eingebetteten Missionen ist so motivierend wie eh und je. Damit dürfte sie nicht nur die Retro-Fans ansprechen, sondern auch diejenigen, die erst mit Yooka-Laylee dieses lange vergessene Genre für sich entdeckt haben. Und was bei Banjo Kazooie die Noten, sind hier die goldenen Klebefilm-Rollen: Objekte, die Jäger & Sammler zusätzlich zur Suche nach den Briefmarken dazu motivieren, sich etwas genauer in der Gegend umzuschauen.

Neues Konzept und alte Probleme

Allerdings hat man bei der Konzeption bzw. Umsetzung von Unbox auch gleich ein paar alte Schwierigkeiten mit in die Moderne geschleppt - allen voran die Kamerapositionierung, die in 3D-Jump&Runs eine Herausforderung darstellt, welche zumeist nur von Teams bei Nintendo, Naughty Dog oder Insomniac zufriedenstellend bewältigt wurde. Prospect Games hingegen hat die Kameraführung mt ihren drei Entfernungen nur im Griff, solange hinter dem Protagonisten Newbie (Name und Aussehen können modifizert werden) genug Platz vorhanden ist. In engeren Gebieten kann es hingegen passieren, dass sie hin und her springt und sich in der ungünstigsten Position breit macht. Zudem kommt es gelegentlich vor, dass man in fiesen Ecken unter irgendeinem Vorsprung etc. stecken bleibt. Das scheint man auch im Rahmen der Qualitätssicherung bemerkt zu haben – es wurde ein Reset-Knopf eingebaut, über den man wieder zum letzten passierten Kontrollpunkt bzw. dem letzten Auftraggeber zurückgesetzt wird.

Man kann auch mit Vehikeln durch die Botanik jagen. Die Fahrphysik ist aber madig.
Dem gegenüber steht jedoch ein relativ ungewöhnliches Sprungkonzept. Denn das anthropomorphe Verhalten bei den Kartons, die die Welt von Unbox bevölkern, geht nicht so weit, dass sie Beine zur Fortbewegung hätten. Statt dessen „rollt“ (insofern man dies von einer würfelförmigen Pappkiste sagen kann) man Newbie durch die Gegend. Und da ein Karton nur in den seltensten Fällen rund ist, eckt man im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder an. Sprich: Die Bewegung ist immer bewusst „unrund“, man hat stets mit leichten Abweichungen nach rechts oder links zu kämpfen, da die Physik plausibel darauf reagiert, wenn man über eine Ecke „rollt“. Das betrifft natürlich auch das Sprung- und vor allem Landeverhalten. Bei Letzterem muss man auch die Trägheit beachten, denn wenn man mit hoher Geschwindigkeit versucht, auf einer Plattform zu landen, kann man schnell den Weg unterschätzen, den man nach dem Aufsetzen durch eine Gegenbewegung ausgleichen muss.

Doppelsprung ist out

An dieses „Roll“- und Sprungverhalten muss man sich erst einmal gewöhnen – was tatsächlich auch für Veteranen mit etwas Zeitaufwand verbunden ist. Denn zusätzlich sind bei Controller-Nutzung die Schultertasten für das Auslösen von Sprüngen verantwortlich. Diese ungewöhnliche Belegung ergibt aber spätestens dann Sinn, wenn die Namens gebende „Unbox“-Funktion ins Spiel kommt. Damit kann man Newbie quasi von maximal sechs unnötigen Kartonschichten befreien. Mit jedem „Abstreifen“ wird der Karton nicht nur kleiner, sondern ein zusätzlicher Sprung aktiviert, den man nutzen kann, um entweder vertikal oder horizontal weite Strecken zu überwinden. An Kontrollpunkten wird die Gesamtstärke wieder aufgefüllt. Zusätzlich kann man überall grüne Boxen finden, die eine Schicht aufstocken. Doch Vorsicht: Wer hier nicht aufpasst, kann auch schnell mit einer sehr ähnlich aussehenden Explosionskiste kollidieren, die selbstverständlich weniger positive Effekte nach sich zieht. Hat man sowohl die Bewegung als auch die Sprungmöglichkeiten verinnerlicht, entwickelt Unbox eine ganz eigene Dynamik, die ein wenig darüber hinweg trösten kann, dass die Missionen mit nur wenigen Ausnahmen sehr klassisch und damit bar jeder Überraschungen sind. Von der Benutzung der überall herumstehenden Fahrzeuge würde ich abraten. Hier ist die "Halo"-Steuerung, bei der sich das Fahrzeug nach der Kameraposition ausrichtet, definitiv die falsche Wahl gewesen - abgesehen davon, dass die Fahrphysik zumeist unterirdisch ist.

Es warten mitunter sehr anspruchsvolle Sprungsequenzen.
Doch im Rahmen seines konventionellen Fundaments sorgt die unkonventionelle Sprung-Mechanik für gute Laune. Allerdings bremst die nicht immer optimal genutzte Unreal Technologie als Antriebsmotor vor allem in großräumigen Abschnitten den Spielspaß wieder etwas ein. Ladezeiten, deutlich sichtbar aufploppende Teile der Levelgeometrie, Probleme beim Schattenwurf: Egal auf welchem System man spielt, hat man neben der bereits erwähnten gelegentlich schwachen Kameraführung mit diesen technischen Unzulänglichkeiten zu kämpfen, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung. Übrigens sollte man wie bei Yooka-Laylee eine gewisse Sympathie für inhaltsloses Gebrabbel haben, das eine klassische Sprachausgabe ersetzt, aber glücklicherweise abgekürzt werden kann. Die sympathische Musik ist zwar in allen Belangen ein Garant für gute Stimmung, kann im Loop aber auf Dauer etwas nerven.

Der Mehrspieler-Faktor

Man kann offline mit bis zu vier Spielern am geteilten Schirm antreten. Auf einen Online-Modus hat man verzichtet.
Abseits der Kampagne, die je nach Komplettierungswahn zwischen sechs und zwölf Stunden in Anspruch nehmen dürfte, kann man sich offline mit bis zu drei weiteren Spielern unterhaltsame Duelle liefern. Die Variationen von weitgehend konventionellen Modi wie Rennen, Deathmatch (hier beschießt man sich mit Feuerwerk) oder das Beantworten der Frage, wer am meisten Klebebänder einsammeln kann, gehen in Ordnung. Mit zehn Karten hat man zudem genügend Schauplätze zur Verfügung.

Trotzdem wirken die Mehrspieler-Auseinandersetzungen aufgestülpt und scheinen nur integriert worden zu sein, weil es gerade „in“ ist, auch in auf Einzelspieler fokussierte Action-Adventure irgendwelche Partymodi zu integrieren. In dieser Hinsicht ist die Beschränkung auf ein lokales Spiel bedauerlich. Zwar begrüße ich, wenn man im Sofabetrieb mit Freunden loslegen kann. Doch mit einem Online-Modus wäre die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, sich auch abseits der Kampagne mit Newbie und seinen Freunden zu vergnügen.

Fazit

Nach dem klassischen Yooka-Laylee und dem vor allem hinsichtlich der Bewegung ungewöhnlichen Snake Pass versucht jetzt Unbox: Newbie's Adventure, den klassischen 3D-Plattformer wieder ins Zentrum der Spielwelt zu rücken. Hinsichtlich Aufgabenstellungen und Levelstrukturen eine weitgehend gelungene Hommage an die dreidimensionalen Jump&Run-Highlights der späten 90er-Jahre, sind es vor allem die ungewöhnlichen Fortbewegungs- sowie Sprungmechaniken, über die sich Unbox definiert. Die innerhalb der farbenfrohen Spielwelten überzeugende Physik sorgt zusammen mit dem Kontrollschema für ein gleichermaßen gewöhnungsbedürftiges wie frisches Spielgefühl. Doch selbst dies kann nicht die zu selten überraschenden Mini-Missionen kompensieren oder die durch zahlreiches Sammelzeug motivierte Erforschung der Areale verstärken. Denn im Gegenzug hat man nicht nur mit technischen Unzulänglichkeiten wie Ladezeiten oder Pop-Ups, sondern vor allem immer wieder mit einer zickenden Kamera zu tun. Obwohl man ein paar unterhaltsame Stunden mit den merkwürdigen Helden der Unbox-Welt verbringen kann, schaffen es die Pappkameraden trotz interessanter Ansätze nicht, sich nachhaltig im Hinterkopf festzusetzen.

Pro

moderne Variante eines klassischen Spielprinzips
ordentlicher Mehrspieler-Modus...
ungewöhnliche, aber gut umgesetzte Bewegung sowie Sprungmechanik
farbenfrohe Umgebungen
passable Personalisierung
gute Steuerung
weitgehend saubere Kollisionsabfrage
viel Sammelzeug

Kontra

wenige Überraschungen im Missionsaufbau
... der allerdings nur lokal zur Verfügung steht
Gebiete manchnmal einen Tick zu groß
Kamera zickt immer wieder
technische Probleme (u.a. Ladezeiten, Pop-Ups)
schwach umgesetzte Fahrzeugsteuerung

Wertung

XboxOne

Solides 3D-Jump&Run mit ungewöhnlicher Bewegungs-Mechanik, das sich nicht ganz entscheiden kann, ob es Hommage oder Neuinterpretation sein möchte.

PlayStation4

Solides 3D-Jump&Run mit ungewöhnlicher Bewegungs-Mechanik, das sich nicht ganz entscheiden kann, ob es Hommage oder Neuinterpretation sein möchte.

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