Black Mirror30.11.2017, Jan Wöbbeking

Im Test: Zurück auf Anfang

Im August bekamen Adventure-Fans gleich zwei Gründe zur Freude: Es wurde nicht nur eine Neuinterpretation des Klassikers Black Mirror (ab 6,19€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) angekündigt, sondern als Entwickler zudem noch das erfahrene Bremer Studio King Art (Book of Unwritten Tales) beauftragt. Beste Voraussetzungen für psychologisch angehauchten Grusel im abgelegenen schottischen Anwesen? Oder hapert es wie bei The Raven an der Qualitätskontrolle von Publisher Nordic?

Spielmechanische Einstiegshürden

Nach drei Teilen wurde Black Mirror nicht fortgesetzt, sondern man entschied sich für einen „Reboot“ der tragischen Geschichte um die Familie Gordon. David Gordon muss sich als neuer Protagonist mit den mysteriösen Ereignissen in Black Mirror Castle auseinandersetzen und ergründen, ob ein Fluch auf seiner Familie lastet. Schon im Intro entfaltet sich bei einer hektischen Flucht der Horror – allerdings nicht auf eine Weise, in der es die Entwickler beabsichtigt haben. Gruselig sind hier vor allem drei Dinge: Die hakelige Steuerung, steife Figurenanimationen und die seltsame Kameraregie, die sich meist mit dem rechten Stick ein wenig beeinflussen lässt. Moment mal, Stick? Genau, denn in erster Linie ist der Multiplattform-Titel auf eine Navigation mit dem Controller ausgelegt. Am PC gibt es auch eine Maus- und Tastatur-Variante, sie wirkt allerdings wie behelfsmäßig umgemodelt, da man weiterhin direkt mit WASD läuft, statt Ziele anzuklicken, zumal man nervigerweise nur mit Hotspots in der Nähe der Figur interagieren darf.

Manche der wirren Perspektivwechsel sind sogar beabsichtigt...
Nach kurzer Zeit bin ich also wieder auf den Controller umgestiegen, doch selbst damit erinnert die fummelige Handhabung an die Schattenseiten eines frühen Resident Evil. Trotz 3D-Engine wechselt die Perspektive auch hier hin und her, während man das Anwesen erkundet - was nicht gerade die Übersicht fördert. Zu allem Überfluss bleiben die etwas langsam laufenden Figuren auch noch an diversen Kanten hängen, um hölzern animiert oder sogar zuckend um die Ecke zu stolpern. Nicht einmal die einfachen Mundbewegungen erinnern an ein finales Spiel. THQ Nordic und King Art haben also schon wieder einen Titel zu früh veröffentlicht. Fatale Bugs wie in The Raven sind uns diesmal aber immerhin nicht begegnet. So hölzern sich das Abenteuer auch spielt – es bleibt funktionstüchtig.

Erbschaft oder Fluch?

Normalerweise würden wir einen Adventure-Test natürlich nicht mit solch technischen Feinheiten beginnen, doch hier passt es einfach zur erlebten Dramaturgie, die in den ersten Minuten noch zu stark vom Ärger über die Unzulänglichkeiten bestimmt wird. Sobald man sich halbwegs damit arrangiert hat, offenbart der Trip ins abgelegene Schottland aber auch unterhaltsame Seiten: Die Bewohner des Hauses sind zwar etwas kurz angebunden oder agieren nach tragischen Ereignissen unglaubwürdig - trotzdem können ihre privaten Geheimnisse und das Mysterium um den angeblichen Fluch ein wenig Spannung aufbauen.

Fällt David langsam dem Wahnsinn anheim?
Warum leidet der aus Indien angereiste David unter immer stärker werdenden Visionen, in denen offenbar frühere Bewohner durch die Flure wandeln? War er schon einmal als Kind hier? Welche Hinweise wollte ihm sein verstorbener Vater mit verschlüsselten Schriftstücken auf den Weg geben? Als vermutlicher Erbe des muss sich David nicht nur mit dem Wahn auseinandersetzen, der seinen alten Herren offenbar kurz vor Schluss befallen hat, sondern auch mit den verbliebenen Hausbewohnern. Dabei handelt es sich u.a. um Lady Magaret, einen mit dem Erbfall betrauten Anwalt, den stoischen Butler und eine verängstigte Haushälterin, die offensichtlich Geheimnisse zu verbergen hat. Später wird David mit der Ärztin Leah eine Mitstreiterin zur Seite gestellt, die man aber nicht persönlich steuert. Stattdessen durchsucht man in der Rolle des Protagonisten das Anwesen, welches grafisch durchaus stimmungsvoll inszeniert wird.

Geheimnisse zwischen der Vertäfelung

Zwischen knorrigen Holzemporen und den vom rauen Wetter mitgenommenen Wänden gibt es allerlei detailreich gefertigte Schreibtische, Modelle und andere glänzenden Feinheiten zu entdecken, die mitunter schon zu schummrig beleuchtet sind und auch in den Rätseln wichtig werden. Welche Rolle z.B. das abgebrochene Stück einer Miniatur des Anwesens spielt, kann man sich vermutlich denken. Ein Highlight sind die in Möbeln verbauten Mechanismen und Geheimfächer. Ähnlich wie in The Room kommt richtig eine gemütliche Knobelstimmung auf, wenn man alle Winkel einer Kommode unter die Lupe nimmt, um Verzierungen und Runen zu entschlüsseln, damit sich schließlich mit einem Klicken ein neues Fach öffnet. Hier sind zwar bei weitem nicht so vertrackte Mechanismen am Werk, trotzdem motivieren auch die Rechenaufgaben oder die Interpretationen gefundener Briefe.

Animationen sind nicht gerade die Stärke des Spiels.
Ein wenig schade ist allerdings, dass man in den nur gut sechs Stunden auf so wenige Puzzles stößt. Im Vergleich zu älteren King-Art-Abenteuern ist die Rätseldichte deutlich gesunken und man bleibt in dieser Hinsicht auch etwas hinter Konkurrenztiteln wie Syberia 3 oder Silence. So befindet sich der „Neustart“ von Black Mirror konzeptuell irgendwo  zwischen dem sehr storylastigen Telltale-Prinzip und klassischen Point&Klick-Adventures. Manche Puzzles lassen sich auf alternative Weise lösen, z.B. indem man den Butler mit dem Wissen über seine illegalen Jagdpraktiken erpresst und so an den Schlüssel zum Keller gelangt. Die Qualität der Vertonung schwankt während solcher Dialoge: Mal freut man sich über die professionelle Leistung der deutschen Sprecher, anderswo klingt es so, als hätte sich die Aufnahmeregie einfach mit einem ersten, schlecht betonten Take zufriedengegeben. Musikalisch hält sich das Abenteuer stark zurück: In hektischen Momenten schwellen die Orchesterklänge schon mal dramatisch an, davon abgesehen bleibt es aber bei Stilmitteln wie leisen Flächen, einem tiefen Brummen oder Rauschen, welche die unheilvolle Stimmung unterstreichen.

Nervige Reaktionstests

Ziemlich schwach wirken auch die Reaktionstests in Davids Visionen, bei denen man zunächst ahnungslos durchs Bild irrt. Hat man man das Prinzip erkannt, wird es dagegen viel zu einfach, die nötigen Interaktionspunkte zu treffen - es sei denn, man bleibt wieder einmal irgendwo hängen und muss zurück zum letzten Speicherstand oder zum Auto-Save. Während Davids geisterhafter Aussetzer verzerrt sich das Bild auf surreale Weise und man erfährt bei der Beobachtung schemenhafter Figuren mehr über die finstere Vergangenheit der Familie und des Anwesens.

Das Gemäuer wartet auf seine Erkundung.
Auf der gewöhnlichen PlayStation 4 muss man im Vergleich zum PC nur mit geringen Abstrichen leben, z.B. mit einer etwas niedrigeren, aber stabilen Framerate. Die Xbox-One-Umsetzung wirkt auf dem Standard-Modell der Konsole allerdings wie hingeschludert. Eine niedrigere Auflösung und fehlende Kantenglättung erzeugen hier ein hässlich unsauberes Bild, doch dabei handelt es sich noch um die kleinsten Probleme. Wirklich auf die Nerven gehen die Framerate, die teilweise auf rund 15 Bilder pro Sekunde einbricht und das ständige Tearing, dass das Bild regelmäßig in der Mitte zerreißt. Sogar wenn man ein Objekt aus dem nicht allzu großen Inventar holt, um es vor den Augen zu drehen und zu untersuchen, zuckelt es mit wenigen Frames vor sich hin. Eine Hilfefunktion oder eine Hotspot-Taste hat sich King Art übrigens gespart. Im Gegenzug helfen einem aber Andeutungen in Dialogen und der Questlog auf die Sprünge – in Letzterem werden die wichtigsten aktuellen Aufgaben auf den Punkt gebracht.

Fazit

Zusammengefasst steckt in der Neuinterpretation von Black Mirror ein passables Grusel-Adventure, welches allerdings stark unter spielmechanischen Macken wie der trägen Steuerung oder der wirren Kameraführung leidet. Sobald man sich ein wenig an das hölzerne Herumstolpern auf dem Anwesen gewöhnt hat, machen die Legenden rund um einen uralten Familienfluch durchaus neugierig, zumal auch das Knobeln mit Runen, Geheimtüren und manipulierten Möbelstücken motiviert. Insgesamt mangelt es dem kurzen Abenteuer aber trotzdem an anspruchsvollen Rätseln. Vermutlich wollte sich King Art diesmal stärker an Telltale orientieren und hat auch einige misslungene Reaktionstests eingebaut. Auf diese Weise dürfte man es allerdings kaum schaffen, neuen Spielern die Faszination des Klassikers aus dem Jahr 2004 zu vermitteln.

Pro

unterhaltsame Mechanik- und Runenpuzzles
Geschichte und Geheimnisse der Figuren wecken Neugier
detailreiche Gruselkulissen auf dem Anwesen

Kontra

haklige Steuerung und sehr hölzerne Animationen
wirre Kameraregie
es mangelt insgesamt an Rätseln und Umfang
nervige Reaktionstests
einige unglaubwürdige Situationen
Ruckeln und starkes Tearing (Xbox One)

Wertung

PlayStation4

Hölzerne Neuinterpretation des Adventure-Klassikers, bei dem unterhaltsame Ansätze bei Story und Rätseln von technischen und spielmechanischen Problemen heruntergezogen werden.

PC

Hölzerne Neuinterpretation des Adventure-Klassikers, bei dem unterhaltsame Ansätze bei Story und Rätseln von technischen und spielmechanischen Problemen heruntergezogen werden.

XboxOne

Ruckeln, starkes Tearing und ein unsauberes Gesamtbild beeinträchtigen auf der Xbox One die Rätselstimmung.

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