Im Test: Zeitreise ins Japan der 80er
Wie auf hoher See...
...wankt Ryo durch sein Zimmer. Nein, der 18-Jährige ist nicht betrunken - auch wenn er allen Grund dazu hätte, denn sein Vater wurde gerade von einem mysteriösen Chinesen umgebracht, während er zusehen musste. Und das mitten im familiären Dojo, obwohl beide japanische Kampfkünste beherrschen! Aber gegen die schwarzbebrillten Anzugträger mit ihren Knarren und diesen exotisch anmutenden Lan Di mit seiner außergewöhnlichen Technik hatten beide keine Chance. Auch wenn Ryo seinen Vater rächen will, ist das noch ein sehr weiter Weg, der gerade im Jahr 2018 selbst von einem alten Verehrer und aktuellem Unterstützer der Reihe viel Geduld verlangt.
Dezente Modernisierung
Der erste Blick beim ruhigen Wandern durch Haus und Dorf offenbart allerdings schonungslos das Alter eines Spiels, das auf Dreamcast im Jahr 2000 noch mit seinem "FREE Full Reactive Eyes Entertainment" visuell verblüffen konnte. Die technische Faszination ist in diesen Neuauflagen, die auf den später erschienenen Xbox-Versionen beruhen, trotz Rendering in HD-Auflösung, guter Kantenglättung sowie Nachbearbeitungseffekten nicht mehr vorhanden. Ryo
Das spazierende Spiel
Im Vergleich zu aktuellen Open-World-Spielplätzen entsteht hier ein Spielfluss, ohne dass man ständig etwas freischaltet, Listen abhakt, von Zielmarkern oder blinkenden Interaktionssymbolen zu Aktionen oder Routen genötigt wird - ein Tagebuch notiert automatisch die wesentlichen Namen, Nummern und Gedanken. Das war's. Man kann dort entspannt nachschlagen, sich in Ruhe umschauen, muss alles
Auch wenn es später natürlich auch um Kampf und Drama geht: Shenmue gehört zu den wenigen Spielen, die auch ein Milieu abbilden können, das man langsam für sich entdecken kann - in diesem Fall vor allem ein japanisches der 80er Jahre. Zwar muss man nach zwei Jahrzehnten und der Grand-Theft-Autorisierung von ganzen Städten und Popkulturen oder auch Yakuza 6 viele vor allem visuelle Abstriche machen, außerdem wirken manche Dialoge künstlich, aber Architektur, Kleidung, Gebräuche, Geschäfte und Sprache sorgen dafür, dass man an ein glaubwürdiges Städtchen namens Yokusaka und später nach Dobuito sowie China entführt wird. Man fühlt sich trotz der offensichtlichen Defizite immer noch versetzt an einen anderen Ort. Dazu tragen auch die kleinen Minispiele bei, mit denen Ryu seine Spielzeugsammlung erweitern oder sein Budget als Arbeiter aufbessern kann. Viele Fans wird natürlich besonders freuen, dass man die beiden Abenteuer auch erstmals im japanischen Originalton erleben kann, was den Effekt nochmal verstärkt.
Fazit
Shenmue war ein Ereignis. Als es im Jahr 2000 auf Dreamcast erschien, gab es nichts Vergleichbares - und es hält bis heute mit 95% unsere höchste Wertung. War das ein Rollenspiel? Ein Action-Adventure? Oder eine Lebenssimulation? Das Spiel ließ sich nicht in eine Schublade zwängen, wirkte ebenso ungewöhnlich wie faszinierend, ebenso innovativ wie wegweisend. Yu Suzuki deutete mit diesem in vielerlei Hinsicht progressiven Mix aus Erkundung, Charakterentwicklung, Alltag, Kurzweil, Kampf und Drama an, in welche Richtung sich digitale Welten entwickeln könnten. Als Spielekritiker bereut man nach vielen Jahren so manche hohe Wertung, aber gerade von dieser bin ich auch nach fast zwanzig Jahren überzeugt. Und jetzt kann man den ersten und zweiten Teil auf PC, PS4 sowie Xbox One erleben, erstmals auch mit japanischer Sprachausgabe. Diese minimal verbesserten Neuauflagen kitzeln zwar nicht mal ansatzweise die Technik heutiger Systeme, zumal es eine schrecklich dumpfe Sprachausgabe gibt. Und sowohl Shenmue I als auch II werden die Geduld so mancher neuer Spieler nicht nur mit dem Zeit-Management oder der monotonen Arbeit strapazieren. Sprich: Die wenigen Anpassungen können das Alter dieser Klassiker nicht verhehlen, vieles fühlt sich angesichts moderner Komfortfunktionen und Kulissen unbeholfen, steif und träge an. Aber wer sich darauf einlässt, der wird auch im Jahr 2018 diese charmante Sogkraft spüren, wenn er die japanischen Milieus der 80er Jahre erkundet. Diese Abenteuer verströmen selbst mit ihren Ecken und Kanten immer noch mehr Atmosphäre, Charakter und Seele als so manche hundertmal größere Open-World-Spielplätze der vergangenen Jahre. Vor allem der ruhige Erzählstil mit seinem Gefühl für die kleinen Momente weiß innerhalb der pathetischen Rachegeschichte zu gefallen. Das sind immer noch "spazierende Spiele" im besten Sinne. Wer sich auf Shenmue 3 vorbereiten will, das im August 2019 erscheinen soll, kann hier beide Vorgänger in leider nur dezent aktualisierter Form erleben.
Wertung: gut
Wertung
PC
Diese Nauauflagen kitzeln zwar nicht mal ansatzweise die Technik heutiger Systeme. Aber diese Abenteuer verströmen selbst mit ihren Ecken und Kanten immer noch mehr Atmosphäre, Charakter und Seele als viele Open-World-Spielplätze der vergangenen Jahre.
PlayStation4
Diese Nauauflagen kitzeln zwar nicht mal ansatzweise die Technik heutiger Systeme. Aber diese Abenteuer verströmen selbst mit ihren Ecken und Kanten immer noch mehr Atmosphäre, Charakter und Seele als viele Open-World-Spielplätze der vergangenen Jahre.
XboxOne
Diese Nauauflagen kitzeln zwar nicht mal ansatzweise die Technik heutiger Systeme. Aber diese Abenteuer verströmen selbst mit ihren Ecken und Kanten immer noch mehr Atmosphäre, Charakter und Seele als viele Open-World-Spielplätze der vergangenen Jahre.
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