FIFA 1810.06.2017, Michael Krosta
FIFA 18

Vorschau: Die Fußballreise geht weiter

Wenn Electronic Arts Ende September mit FIFA 18 (ab 4,41€ bei kaufen) zum Anstoß bittet, will man Fußball-Fans den Umstieg auf die neueste Version des virtuellen Kicks mit vielen Verbesserungen schmackhaft machen. Wir sind im Vorfeld der E3 zur Allianz Arena nach München gereist, um nach der offiziellen Vorstellung selbst ersten Partien der diesjährigen Edition zu spielen. Wie sich FIFA 18 auf dem Platz anfühlt, verraten wir in der Vorschau...

Frostbite langsam im Griff

Creative Director Matthew Prior und Gameplay-Producer Samuel Rivera von EA Vancouver ließen es sich nicht nehmen, die jüngste Weiterentwicklung der Fußballsimulation persönlich vorzustellen. Welche Dinge man in diesem Jahr besser machen will? So einige. „Das Spielerlebnis ist das wichtigste Feature von FIFA“, wird betont. Doch um das zu bewerkstelligen, ist auch ein starkes Technik-Fundament nötig. Die Umstellung von der Ignite auf die Frostbite Engine erwies sich bei FIFA 17 nicht nur als Neustart, sondern auch Herausforderung für das Studio. Nachdem dort der Grundstein gelegt wurde, will man die Technologie mittlerweile besser im Griff haben und mehr aus ihr herauskitzeln.

Neues Animationssystem

Cristiano Ronaldo wird auch im Story-Modus The Journey auftreten.
Abseits der grafischen Fortschritte, die sich vor allem bei den aufwändiger gestalteten Gesichtern der Profis und einer realistischeren Beleuchtung zeigen, hat man mit dem so genannten Motion Technology System ein komplett neues Animationssystem erschaffen, das von EA Sports gar als „Game Changer“ bezeichnet wird, mit dem der Spielverlauf umgekrempelt wird. Musste bei der Darstellung in der Vergangenheit häufig gewartet werden, bis bestimmte Phasen innerhalb der Animationen abgeschlossen sind, erlaubt das neue System eine detaillierte Frame-by-Frame-Animation mit flüssigen sowie schnellen Übergängen bei Bewegungen. Gleichzeitig fängt es z.B. auch individuelle Posen und Armbewegungen der Fußballer möglichst realitätsgetreu ein, wie etwa die Gegenüberstellung von Arjen Robben und Karim Benzema verdeutlichten, da sich beide Sportler hinsichtlich ihrer Körperhaltung stark voneinander unterscheiden – sei es beim Dribbling, beim einfachen Laufen oder dem Ansetzen eines Sprints.

Generell möchte man die Individualität der Spieler stärker hervorheben. Neben dem einzigartigen Stil mancher Kicker soll auch deren Körpergröße berücksichtigt werden, so dass kleine Spieler z.B. mehr Schritte für eine Strecke machen müssen als ihre größeren Kollegen. Ab FIFA 18 wird man daher die Fußballer in kleine, mittlere und große Spieler einteilen. Darüber hinaus präsentiert man ein komplett neues Dribbling, weil es nach Ansicht der Entwickler im Vorgänger nicht mächtig genug war. Die Controller-Eingaben sollen nicht nur flotter ansprechen, sondern vor allem die eingeleiteten Tempowechsel sollen sich viel stärker bemerkbar machen, indem der Spieler seinen Oberkörper nach vorne lehnt und je nach Dribbel-Fähigkeiten regelrecht losprescht. Umgekehrt wird das langsame Dribbeln ebenfalls wieder möglich sein.

Bessere Raumaufteilung?

Auch die Stadionkulisse wurde verbessert - hier das Santiago Bernabéu in Madrid.
Beim Anspielen hielt sich die versprochene neue „Explosiveness“ beim Dribbling aber noch in Grenzen – was vielleicht auch daran liegt, weil der Spielverlauf generell etwas träge wirkt. Vielleicht sogar zu träge? Ich hatte häufiger das Gefühl, dass die Ballannahme oder das Passen einen Tick zu lange dauerte. Vielleicht ist es nach FIFA 17 nur eine Frage der Umgewöhnung, aber selbst nach mehreren Partien wurde ich mit den trägeren Akteuren auf dem Feld und dem gedrosselten Spieltempo noch nicht so richtig warm. Auch die angepriesenen Vorteile des Motion Technology Systems hielten sich beim Anspielen noch in Grenzen. Trotzdem sehen die Animationen generell richtig klasse aus – vor allem, wenn man in den Wiederholungen bei Super-Slow-Motion einen genauen Blick darauf werfen kann.

Von der verbesserten Raumaufteilung, bei der die KI ein besseres Verständnis für Räume und Timing aufweisen soll, hat man in der Praxis ebenfalls noch nicht allzu viel gesehen. Laut Entwicklern konzentrierten sich die Spieler im Vorgänger zu sehr auf das Zentrum und überfüllten es daher regelrecht. Allerdings sieht man das auch hier noch sehr häufig und bleibt deshalb entweder im Mittelfeld stecken oder gelangt über die Flügel recht schnell bis zum gegnerischen Strafraum. Schön dagegen, dass die KI selbst Tiki-Taka beherrscht und durch die neuen Schnell-Einwechslungen (Quick substitutes) der Spielfluss nicht mehr zwingend mit Umwegen über das Pause-Menü unterbrochen werden muss. Stattdessen legt man seine präferierten Spielerwechsel bereits vor dem Start der Partie fest und hält einfach eine Schultertaste gedrückt, wenn das Spiel einen Wechsel vorschlägt.           

Neue Flanken-Mechanik

Bei den Flanken gibt es ebenfalls Neuerungen: Sie werden nicht länger nur mit der Quadrat-Taste ausgeführt, sondern müssen jetzt in Kombination mit der rechten oberen Schultertaste eingeleitet werden. Für Flachpässe bleibt es dagegen bei der gewohnten Mechanik. Die Umstellung wirkt auf mich nicht nur leicht inkonsequent, sondern weckt auch den Anschein, dass man auf Teufel komm raus eine Änderung an der Steuerung vornehmen wollte. Es ist vielleicht wieder nur eine Frage der (Um-)Gewöhnung, aber auf den ersten Blick wirkt diese neue Mechanik ähnlich überflüssig wie die zusätzlichen harten Attacken, bei denen Verletzungen fast schon vorprogrammiert sind. Apropos: Selbst bei Standard-Kämpfen um den Ball fiel auf, dass die Spieler nicht nur verdammt häufig zu Boden gehen, sondern dabei auch ungewöhnlich häufig Verletzungen davon tragen. Bleibt zu hoffen, dass man die Akteure nur zu Demo-Zwecken für das Schnell-Wechseln so anfällig gemacht hat.

Großartige Atmosphäre

Die Karriere mit Hunter wird fortgeführt.
Im Vergleich zum ärgsten Konkurrenten Pro Evolution Soccer hatte FIFA hinsichtlich Atmosphäre und Präsentation zuletzt immer die Nase vorne. Neben mehr Feier-Animationen nach Toren will man diese Stärken vor allem mit einer „Regionalisierung“ der Stadien und mehr Individualität bei den Zuschauern auf den Rängen ausbauen. So sollen sich in den Stadien jetzt z.B. spezielle Banner oder andere Merkmale finden, die einfach typisch für die jeweiligen Arenen sind. Auf den Rängen wird man dagegen mehr individuelle Bewegungen der Zuschauer sehen, wobei auch der Klon-Faktor etwas reduziert wird. Läuft man mit einem Spieler in Richtung der Ränge, reagieren sie sogar oder feiern gemeinsam mit dem Torschützen. Das Niveau eines NBA 2K mit seinen deutlich kleineren Stadien wird zwar noch nicht erreicht, doch sind die Fortschritte eindeutig zu erkennen und werden auch in FIFA 18 wieder für eine tolle Fußball-Atmosphäre sorgen.

Die Reise geht weiter

Mit The Journey lieferte EA erstmals einen Story-Modus für die FIFA-Reihe – und dazu noch einen richtig guten, der offenbar auch bei den Spielern gut ankam. In FIFA 18 geht die Reise für Alex Hunter deshalb weiter. Dabei wird die Geschichte rund um die Karriere des fiktiven Kickers neben der Engine-Inszenierung auch mit realen Filmsequenzen im Stil des Rockudramas aus Rock Band 4 weitererzählt. Außerdem sollen viel mehr Stars wie Cristiano Ronaldo in die Handlung mit ihren zahlreichen Verzweigungen eingebunden werden. Darüber hinaus wird es abseits von Hunter neue spielbare Charaktere, lokale Mehrspieler-Optionen und mehr Schauplätze aus der Fußballwelt geben. Mit zahlreichen Anpassungsmöglichkeiten von den Klamotten bis zur Frisur wird man dem sympathischen Protagonisten zudem eine individuelle Note verpassen können.

Ausblick

Hinsichtlich Atmosphäre, visueller Qualität und der Inszenierung geht EA Sports mit FIFA 18 einen spürbaren Schritt nach vorne. Schön auch, dass man die Geschichte von Alex Hunter mit einer erweiterten Besetzung, vielen Anpassungsmöglichkeiten und sogar einer lokalen Mehrspieler-Option fortsetzen wird. Auf dem Platz machen sich die Fortschritte abseits der grafischen Verbesserungen und der willkommenen Funktion des schnellen Auswechselns dagegen noch zu wenig bemerkbar: Die Akteure wirken trotz oder wegen des neuen Animationssystems einen Tick zu träge und es fällt zusammen mit dem gedrosselten Spieltempo noch schwer, das richtige Timing zu finden und in einen Flow zu kommen. Die Hervorhebung individueller Stärken halten sich auch noch in Grenzen, wenn man Stars wie Ronaldo fast ebenso leicht vom Ball trennen kann wie einen gewöhnlichen Kicker. Diese individuelle Klasse und die versprochene „Explosiveness“ bei Tempowechseln lässt derzeit auch noch beim Dribbling zu wünschen übrig. Der Sinn hinter den Veränderungen der Flanken-Mechanik will sich mir ebenfalls noch nicht ganz erschließen. Vielleicht braucht es einfach noch ein paar mehr Partien, um damit warm zu werden. Abgesehen davon bleibt FIFA aber FIFA und fühlt sich im Kern weiterhin vertraut an. Den großen Fortschritt, den EA mit seinem Motion Technology System verspricht, kann ich nach den ersten Partien noch nicht entdecken.

Einschätzung: gut  

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