Dark Souls25.05.2018, Jörg Luibl

Im Test: Schandstadt, meine Perle...

Mit Demon's Souls wurde im Jahr 2009 eine Tür auf der PlayStation 3 geöffnet, hinter der sich etwas Besonderes verbarg. Damals gingen nur wenige Abenteurer hindurch, aber sie waren begeistert und erzählten davon. Egal ob Spielwelt, Atmosphäre, Kampfsystem oder Online-Modus - alles war irgendwie anders, alle wollten mehr davon. Zwei Jahre später öffnete From Software eine Pforte und mit Dark Souls (ab 16,43€ bei kaufen) wurde aus der Nische eine neue Spielart, die viele andere Titel bis heute prägt. Dieses monumentale Abenteuer erscheint jetzt neu aufgelegt inklusive der Erweiterung "Artorias of the Abyss" für PC, PS4, One sowie etwas später für Switch.

Zurück nach Hause

Ist das schon sieben Jahre her? Die Erinnerung an Dark Souls (Wertung: 92%) ist noch so verblüffend frisch, weil sich so vieles eingebrannt hat. Ich fühle mich fast wie Zuhause, als mich die riesige Krähe nach der Flucht aus dem Kerker zum Feuerband-Schrein fliegt. Zwischen verwitterten Ruinen hockt ein deprimierter Ritter am Leuchtfeuer und begrüßt den Neuankömmling. Was er nicht weiß: Ich war schonmal hier. Ich kenne nicht nur ihn und sein Schicksal, sondern auch diese verfluchte Welt voller untoter Kreaturen. Erinnerungen an Stunden voller Nervenkitzel und Geheimnisse, voller Melancholie und inspirierender Fantasy, voller glücklicher Siege und frustrierender Niederlagen werden wach. Warum ich so begeistert war, erfahrt ihr in diesem Test. Es gibt jedenfalls nur sehr wenige neu aufgelegte Spiele, die mich nach so langer Zeit auch emotional derart zurückbeamen können, dass ein Flashback dem anderen folgt.

Dark Souls Remastered wird nicht mehr in 720p, sondern bis hin zu 4K höher aufgelöst  - allerdings halten sich die grafischen Verschönerungen in Grenzen.
Wenn ich auf die steile Treppe blicke, die hoch hinauf zur Burg führt, höre ich schon den roten Drachen über der Brücke fauchen, sehe den schwarzen Ritter in dieser verdammt engen Gasse warten. Und wenn ich hinunter blicke, in diesen kreisrunden Schacht, fangen all die digitalen Narben an zu pochen, die die finsteren Abgründe von Schandstadt oder die bösen Überraschungen in den bedrückenden Gemäuern von Neu Londo hinterlassen haben - ich hatte eine Gänsehaut wie in Silent Hill.

Wie komme ich nochmal in diese Gassen mit dem Zauberer? Als ich versuche, mir die komplette Infrastruktur vorzustellen, gelingt es mir nur in Ansätzen. Diese unglaublich abwechslungsreich designte Spielwelt inszeniert besteht ja aus einem meisterhaft verwobenenen Labyrinth mit über 20 Schauplätzen. Ohne Karte oder gar Routenanzeige erarbeitet man sich selbst immer wieder befriedigende Déjà-vus, wenn man sich gerade noch verirrt fühlt und plötzlich eine Abkürzung an einen bereits bekannten Ort findet - und davon gibt es so viele. Hier muss man zwar weitere und gefährlichere Strecken gehen als in Dark Souls 3, kann nicht sofort von Feuer zu Feuer teleportieren, aber es schließen sich immer wieder Kreise. Ich kann diese Art von Spieldesign gar nicht hoch genug loben, wenn ich bedenke, was für weitgehend automatisierte und auf Komfort getrimmte Abenteuer damals en vogue waren - Fable 2, Assassin's Creed 2 & Co.

Grafische Ernüchterung

Auch in der Schandstadt läuft Dark Souls Remastered auf der PlayStation 4 Pro stabil mit 60 Bildern pro Sekunde.
Aber ich bringe nicht nur diese älteren Erinnerungen mit, sondern auch jüngere an Bloodborne und Dark Souls 3. Außerdem habe ich gerade erst God of War gespielt. Und diese visuellen Reize innerhalb der Soulsreihe sowie aktueller Titel sorgen auf den ersten Metern für eine gewisse Ernüchterung. Denn im direkten Vergleich wirkt dieses neu aufgelegte Abenteuer fast schon wie aus einer älteren Generation, was die Texturen und einige Effekte bis hin zu den unfreiwillig komischen Ragdoll-Verrenkungen betrifft. Hätte man dieses Epos nicht mit der vollen Power der PlayStation 4 schöner strahlen lassen können? Vor allem die künstlich wirkende Beleuchtung der Seelen, in diesem viel zu knalligen Blau, hat mich verzweifelt in den Menüs nach einem Filter suchen lassen. Das habe ich dort zwar nicht gefunden, aber immerhin kann man die Knopfbelegung seines Gamepads jetzt frei anpassen.

Immer noch stimmungsvolle Spielwelt

Hat man sich erstmal damit abgefunden, dass diese Wiedergeburt lediglich Vorhandenes grafisch poliert und nicht wie jene von Shadow of the Colossus sogar Figuren, Landschaften sowie Animationen teilweise komplett neu designt, entfaltet das stimmungsvolle Artdesign im Zusammenspiel mit der monumentalen Architektur auch nach sieben Jahren noch seine

Artdesign und Architektur sorgen immer noch für monumentale Sogkraft.
Sogkraft. Außerdem bemerkt man einige kleine sowie große technische Fortschritte. Es gibt bessere Kontraste sowie Farbverläufe, so dass die Kulisse in der Tiefe etwas harmonischer wirkt, dazu Funkengestöber in der Luft, markantere Lichteffekte und man erkennt mehr Details an der Ausrüstung. Es bleibt allerdings auch bei den bekannten Clipping- und Kollisionsfehlern sowie manch unglücklich verdeckter Sicht bei Kameraschwenks auf schmalen Simsen. Und unterm Strich sieht nicht nur Dark Souls 3, sondern auch Bloodborne deutlich besser aus.

Der wichtigste Fortschritt: Im direkten Vergleich mit dem in 720p laufenden Original läuft jetzt alles in 1080p komplett flüssig mit 60 Bildern pro Sekunde; auf der PS4 Pro in 1800p und auf der Xbox One X in nativem 4K - ja, selbst in der für ihre Ruckelorgien berüchtigten Schandstadt bricht die Bildrate nicht mehr ein. Damit wird das Spiel vielleicht auch für PC-Abenteurer interessant, denn bis heute skalieren die verfügbaren Mods die 720p-Kulisse auf dem Rechner nur hoch und sorgen für einige spielerische Nebenwirkungen wie andere Sprungdistanzen oder Physikbugs inklusive Sturzflügen durch komplette Böden. Ab sofort ist dieses Dark Souls Remastered wesentlich besser modifizierbar, weil es diese Probleme nicht mehr gibt. Es gibt zudem einen Rabatt von 50% für alle Besitzer der PC-Version auf Steam, so dass man noch knapp 20 Euro zahlt.

Keine spielerischen Neuerungen

Recht früh wurde bestätigt, dass From Software keine inhaltlichen Ergänzungen am Erlebnis für Solisten vornehmen würde - also etwa neue Animationen, Waffen, Gebiete, Feinde, Bosse oder Anpassungen des Kampfsystems. Das fühlt sich aufgrund der flüssigen Abläufe etwas reaktiver an, auch heikle Sprüngen sind sehr präzise zu meistern, erreicht aber nicht an die Vielfalt eines Dark Souls 3 mit seinen Stellungen und Spezialangriffen. Trotzdem kann man hier wunderbar die Deckung von hinter Schilden verschanzten Feinden auftreten, wuchtige Schläge blocken und natürlich kontern inklusive Todeshieb. Man wollte spielmechanisch so nah wie möglich am Original bleiben, hat also lediglich die bekannten Zusätze der Erweiterung "Artorias of the Abyss" integriert - immerhin handelt es sich dabei um einen sehr interessanten Nebenzweig der Erzählung sowie handfeste neue Klingen, Zauber, Areale, NSC sowie fünf Endgegner. Falls ihr das noch nicht kennt, lohnt sich alleine dafür das erneute Spielen.

In den Menüs könnt ihr die Belegung des Gamepads frei ändern.
Aber es gibt neben der erwähnten freien Tastaturbelegung sowie der möglichen Skalierung der Benutzeroberflöche zumindest kleine Zusätze: Dazu gehört z.B. ein neues Leuchtfeuer bei Vamos dem Schmied; zudem kann man jetzt nicht nur bei den entsprechenden NPC, sondern auch an einem Leuchtfeuer seinen Eid wechseln, um sich einer anderen der neun Fraktionen anzuschließen - aber das ist erst später möglich. Hier beginnt der erweiterte Rollenspielteil, den viele Anfänger selbst nach zig Stunden noch gar nicht erfassen können, weil man gerade beim ersten Durchlauf genug mit dem eigenen Überleben und Erkunden zu tun hat. Die Eide haben jedenfalls Auswirkungen auf Ziele, Beute, Waffen, Feinde sowie den Multiplayer, der je nach Eid eher kooperativ oder kompetitiv interpretiert werden kann.

Die Macht der Eide

Wer sich z.B. später den Lichtkriegern um den berühmten Ritter Solaire von Astora anschließt, indem er eine bestimmte Menge an Glauben sammelt, bekommt z.B. die Geste "Praise the Sun!" sowie den Sonnenlichtspeer und kann auf seine Hilfe

Schild hoch und vorwärts...
gegen Bosse zählen - für jeden erlegten Boss sinkt dabei die Voraussetzung für die Aufnahme. Das sind diese Feinheiten, die man selbst herausfinden muss. Schwört man hingegen der großen Grinsekatze Alvina im düsteren Wald den Eid, tritt ihren Jägern bei und legt ihren Ring an, geht es aggressiv gegen andere Spieler zur Sache  - egal wo man ist, wird man von ihr zum PvP beschworen, sobald andere Spieler ihr Gebiet betreten. Es würde den Rahmen dieses Tests sprengen, all die Unterschiede herauszuarbeiten, aber der Wiederspielwert ist gerade aufgrund der Eide sehr groß.

Noch etwas ist neu: Hat man mehrere Gegenstände einer Art, kann man diese auf Knopfdruck jetzt direkt nacheinander konsumieren, ohne ständig wechseln zu müssen. Und schließlich gibt es die "Dried Finger" jetzt schon in der Burg der Untoten beim ersten Händler - mit ihnen könnt ihr wesentlich früher in das Multiplayer-Erlebnis mit bis zu sechs Leuten einsteigen. Und dort gibt es auch die meisten strukturellen sowie spielerischen Neuerungen.

Erweiterte Online-Komponente

From Software hat nicht nur die Spielerzahl von vier auf sechs erhöht, sondern auch einige Änderungen gegenüber dem in dieser Hinsicht noch recht spröden Original  vorgenommen, die das Multiplayer-Erlebnis komfortabler gestalten und an Dark
Vor allem die Vernetzung der riesigen Spielwelt über Abkürzungen sorgt immer wieder für schöne Déjà-vus.
Souls 3 angleichen. Ähnlich wir dort kann man Freunde bequem über Passworte finden und wird online aufgrund der Level-Anpassung immer ähnlich stark sein: Seid ihr Level 50 könnt ihr je nach benutztem Gegenstand sowie Eid z.B. Helfer der Level 37 bis 66 beschwören oder von Feinden der Level 1 bis 66 überfallen werden. Hat euer herbei gerufener Kumpel eine viel höhere Stufe oder Waffenstärke, werden diese automatisch für die Zeit der kooperativen Zusammenarbeit abgewertet. Ach so: Ihr wollt kein globales Matchmaking bis nach Japan? Dann könnt ihr es abschalten.

Im Multiplayer sind erstmals PvP-Gefechte für drei gegen drei oder im freien Deathmatch möglich, wobei man an zufälligen Stellen wieder am Kampf teilnehmen kann - die entsprechenden Arenen kann man ebenfalls mit einem Passwort versehen. Wenn es online gegeneinander zur Sache geht, man also als Phantom eine andere Welt invasiert oder selbst von einem anderen Spieler überfallen wird, darf man zur Heilung lediglich Estus und als Phantom nur die Hälfte der bisherigen Ladungen benutzen - damit werden diese PvP-Gefechte sowie jene gegen KI-Phantome verkürzt. Ihr wollt diesen ganzen Online-Kram nicht? Dann spielt ihr eben komplett offline. Und selbst als reines Solo-Abenteuer ist dieses Dark Souls 3 noch ein Meilenstein.

Fazit

Es ist schön, dass dieses großartige Spiel in modernisierter Form zurückkehrt. Kaum spiele ich ein paar Minuten, fühle ich mich wie Zuhause. Es ist allerdings schade, dass man in dieses Dark Souls Remastered nicht ähnlich viel Energie investiert hat wie kürzlich in Shadow of the Colossus - die Power der PlayStation 4 wird man hier nicht spüren. Die Physik hat immer noch die bekannten Defizite, zumal auch die Farbgebung z.B. der Seelen suboptimal ist. Trotzdem sind auch grafische Verbesserungen zum Original hinsichtlich der Kontraste und Übergänge zu erkennen, außerdem entfaltet das Artdesign im Zusammenspiel mit der Architektur auch nach sieben Jahren noch seine Sogkraft. Zudem erlebt man dieses wegweisende Abenteuer mit seinen vielen "Magic Moments" jetzt komplett flüssig in höherer Auflösung bis hin zu 4K, was es übrigens auf dem PC, wo es bisher in 720p lief,  besser modifizierbar macht. Außerdem gibt es vor allem im Multiplayer einen ähnlichen Komfort hinsichtlich Matchmaking und PvP wie in Dark Souls 3. Neue Manöver, Waffen, Gebiete oder Bosse gibt es zwar nicht, aber die wichtige Artorias-Erweiterung ist enthalten. Auch wenn ich zunächst ein wenig ernüchtert war, zauberte mir dieses Meisterwerk von Hidetaka Miyazaki immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Diese verwunschene Spielwelt ist mit ihren abwechslungsreich designten Arealen so wunderbar vernetzt, steckt voller Überraschungen und situativer Spannung, dass die faden Texturen während der faszinierenden Erkundung irgendwann nicht mehr auffallen. Trotzdem wünsche ich mir, dass Demon's Souls, der eigentliche Pionier dieser Reihe, aufwändiger und nicht erst für PlayStation 5 wiederbelebt wird.

Pro

flüssig in hoher Auflösung bei 60fps
epische, rätselhafte Fantasy für Erwachsene
unberechenbare Spannungsmomente
sehr starke Erkundungsreize, versteckte Gebiete
herrlich offene und große Spielwelt
hilfreiches und gefährliches Online-Erlebnis
Speicherkomfort durch Lagerfeuer
hervorragendes Kampfsystem mit agilen Feinden
optionale Ereignisse je nach Verhalten
herrlich verschachteltes Leveldesign
klasse Architektur & Burgdesign
spürbare Charakterentwicklung
Eidsystem mit Konsequenzen
eigenen Helden erschaffen
mysteriöse Nebencharaktere & Artefakte
idyllische Panoramablicke
gut übersetzte deutsche Texte
Waffen & Traglast wirken sich spürbar aus
riesiges Waffen- & Itemarsenal
ansehnliche Bosskreaturen
NPC helfen in Bosskämpfen
neu: Gamepad-Belegung anpassen
neu: Matchmaking-Komfort à la Dark Souls 3
neu: enthält Erweiterung "Artorias of the Abyss"
neu: ein Lagerfeuer; mehere Items konsumieren
neu: mehrere Sprachen wählbar
besser modifizierbar auf dem PC als bisher

Kontra

Fehler in der Kollisionsabfrage & Clipping
nur ein Spielstand pro Charakter
keine Tagebuchfunktion
nerviges Ragdollkörper-Geschubse
ach ja: Feuer hat keine Auswirkungen auf Holz

Wertung

XboxOne

Es ist schön, dass dieses großartige Spiel modernisiert wurde. Vor allem im Multiplayer gibt es mehr Komfort und es spielt sich komplett flüssig. Zwar kann es im grafischen Detail nicht begeistern, aber es bleibt ein Meilenstein.

PC

Auch auf dem PC profitiert dieses Remaster im Gegensatz zur bisher erhältlichen Version von der höheren Auflösung, mehr Präzision und Komfort. Außerdem ist sie besser modbar. Aber auch hier lässt man grafisches Potenzial ungenutzt.

PlayStation4

Es ist schön, dass dieses großartige Spiel modernisiert wurde. Vor allem im Multiplayer gibt es mehr Komfort und es spielt sich komplett flüssig. Zwar kann es im grafischen Detail nicht begeistern, aber es bleibt ein Meilenstein.

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