Alte Schule, neue Kleider
Preiswerte Software ist eine prima Sache, jedenfalls wenn es um Budget-Titel geht - wartefreudige Spieler machen so das eine oder andere Schnäppchen. Wenn hingegen ein neuer Titel gerade mal etwas mehr kostet als ein Eimer voll Huhn beim
Der simple Polygon-Grafikstil ist bis heute bemerkenswert.
Geflügelröster um die Ecke, dann sollte das wachsame Auge
aufblitzen - oft verbirgt sich unter solch Deckel ein Hirnschmelzer à la
Call-a-Pizza-Dude oder
Wok WM . Gelegentlich jedoch, ja gelegentlich birgt die günstige Schale eine fröhlich funkelnde Perle. So im Falle von Another World, das vor allem in Sachen Extras dem griesgrämigen Spieletester das eine oder andere »Uiii!« zu entlocken vermag: Neben dem eigentlichen Spiel verbergen sich noch ein Entwickler-Tagebuch, ein hochauflösendes Making-Of-Videos, die originale Amiga-Version (ohne Emulator) sowie eine Extra-CD mit dem atmosphärischen Soundtrack in der schlichten DVD-Hülle - ein feiner Mehrwert, den die wenigsten Vollpreisspiele bieten, und der in diesem Falle nicht mal dazu dient, das mangelhafte Hauptprogramm zu übertünchen.
Im Gegenteil! Auch das alte Game von Eric Chahi und Jean-Francois Freitas wurde durch den Retro-Fleischwolf gekurbelt und sinnvoll auf moderne Systeme gehievt: Harte Hunde können sich die 2D-Polygongrafik im Originalformat 320x200 mit 16 Farben gönnen, allerdings sollte man für diese Erfahrung einen Monsterpixel-gestählten Sehnerv haben. Moderne Zocker schrauben die Auflösung bis 2048x1536 hoch, aktivieren den verbesserten Hintergrund oder zocken im Fenster - was dem Spiel für zwischendurch genauso entgegen kommt wie das automatische Speichern jeder größeren Szene, die man danach direkt anwählen kann. Aus heutiger Sicht sind die Polygonmodelle natürlich krude bis zum Abwinken, aber der Stil, Baby! Der Stil!
Am ehesten lassen sich die statischen Levels mit den angedeuteten Hintergründen, den sparsamen
Another World ist eine anspruchsvolle Mischung aus harten Lauf-, Sprung- und Ballerpassagen.
Animationen und der sachten Formgebung mit Stummfilmen à la Fritz Lang vergleichen - ganz besonders, da im ganzen Spiel kein Wort gesprochen, sondern nur ansatzweise gebrabbelt wird. Auch Musik gibt es nur in der Form einer milden, weich durch den Raum wehenden Brise, die man niemals richtig wahrnimmt, die aber doch immer wieder für erfrischende Momente sorgt.
Man stirbt immer zwei Mal
Wer zur jüngeren Spielergeneration gehört, mag sich vielleicht mit gutem Grund fragen, was Another World eigentlich für ein Spiel ist: Im Grunde seiner Seele ist es ein Jump-n-Run, denn ihr rennt und springt verdammt viel. Und meist in den sofortigen Tod, denn Another World ist teuflisch schwer. Oder vielmehr teuflisch frustrierend, denn noch mehr als z.B. die Dragon's Lair-Games herrscht hier ein wirklich hartes Trial-and-Error-Lernprinzip vor, in dem ihr nach und nach, Bildschirm für Bildschirm auslotet, welche Möglichkeiten des Vorwärtskommens falsch sind - mit der übrig gebliebenen geht es dann weiter. Die Reihenfolge der Aktionen ist höchst wichtig, wenn man irgendwo etwas vergessen hat, kriegt man das spätestens drei Bildschirme später überdeutlich zu spüren. Außerdem sind die Gegner verdammt schnell mit der Waffe. Wenn ihr genau wisst, was ihr tut, dann habt ihr das Game in einer lockeren Stunde durch - aber bis dahin werden viele mit Wutschreien angefüllte Nachmittage den Zeitstrom hinabfließen.
Fazit:
Another World ist ein »Plattformer« wirklich alter Schule: Wenn ihr keine extrem hohe Frustschwelle habt, dann werdet ihr den 15 Euro mit Sicherheit verdammt schnell nachweinen. Aber wenn ihr dem fiesen Design eine Chance gebt, dann taucht ihr in eine wundervoll andere Welt ein, die auch heute noch zu den außergewöhnlichsten Spielerlebnissen zählt, die es jemals gab. Ein tolles Remake, das den Geist der alten Arcade-Faszination perfekt einfängt!