Im Test: Spannung pur im Weltraum
Mr. I Know Everything
Da will man das Tutorial überspringen und wird dafür in der Kampagne von diesem blaubehelmten Tutor angemacht: „Ha, Mr. I-Know-Everything! Changed your mind?” Nein, natürlich nicht, du kleiner Drill-Instructor. Schließlich kenn ich das Brettspiel ja in und auswendig! Also nix wie raus in den Weltraum, was soll mir schon passieren? Vor allem, wenn man sich anschaut, wie diese pinke KI-Lady ihr Raumschiff zusammen schustert – überall Lücken, kaum Antrieb und wenig Feuerkraft. Wie will sie da die erste Etappe überstehen?
Die süße Qual der perfekten Wahl
Denkste: Leider sind nicht alle Teile unbegrenzt vorhanden, außerdem passt auch nicht alles aufgrund der Einer-, Zweier- oder Dreier-Rohrverbindungen und last but not least sind da noch die anderen Spieler bzw. die KI, die gleichzeitig aus dem Haufen ziehen. Das sorgt sofort für angenehme Gier, erhöhten Puls und Spannung pur.
Und dann beginnt noch dieses verflixte Grübeln über das Design, während die Uhr tickt: Will man ein möglichst schnelles Schiff bauen? Dann sollte man sich auf den Antrieb konzentrieren. Soll es viel Raum für Waren bieten? Dann sollte man an Ladeflächen denken. Oder Mannschaft? Dann braucht man Räume. Soll es Piraten besiegen und Meteore zerstören können? Dann sollte es viele Kanonen haben! Soll es viel zusätzlichen Schub, Feuerkraft und Schildpower liefern? Dann müssen Batterien vorhanden sein! Oder soll es komplett ausgeglichen sein? Dann muss das perfekte Design her!
Übermut trifft auf Meteoriten…und Banditen
Kaum habe ich mich versehen, ist die Zeit abgelaufen und mein Raumschiff sieht mit all seinen Lücken gar nicht mehr so viel besser aus als jenes der KI-Lady. Und obwohl ich mir als Brettspielkenner eingebildet habe, dass ich diese Kampagne mal eben locker durchspiele, bevor ich mich der weiten Welt des Multiplayer widme, werde ich bröckchenweise eines Besseren belehrt, als ich von Meteoriten erst sturmreif gehagelt und danach von Banditen zusammen geschossen werde. Ein „Ha, Mr. I-Know-Everything“ hallt hämisch in meinem Ohr - Game Over, das war’s. Meine Herren, ich fordere sofortige Revanche!
Sieben Jahre nach der Premiere von Galaxy Trucker ist also eine digitale Version erschienen, die nicht nur die Spielmechanik gekonnt mit der Touch-Steuerung verknüpft und z.B. mit schönen Kameraschwenks die Raumschiffroute und – reihenfolge einblendet, sondern auch frische Impulse setzt. Ihr kennt das Brettspiel gar nicht? Kein Problem, denn Einsteiger werden vom vorbildlichen Tutorial behutsam und humorvoll in die Spielmechanik eingeführt. Und falls danach noch etwas ungeklärt ist, hilft das Fragezeichensymbol weiter. Kurzum: Ihr müsst keinerlei Vorwissen haben, solltet allerdings etwas Englisch lesen können, denn bisher gibt es keine deutsche Lokalisierung.
Multiplayer mit zig Optionen
Dabei könnt ihr u.a. Echtzeit oder Runde festlegen. Letzteres sorgt für asynchrones Spielen, so dass ihr alles rundenweise entscheidet und theoretisch auch mehrere Partien gleichzeitig bestreiten könnt. Aber ich empfehle dringend Ersteres, denn nur das verlangt, dass alle Beteiligten permanent online sind – und nur so entsteht auch das angenehm hektische Spielgefühl des Brettspielklassikers. Sehr komfortabel ist hier das Feintuning für den Countdown: Es gibt vier Tempotypen zwischen „Hyperfast“ und „Relaxing“, so dass man z.B. zwischen einer und maximal zwei Minuten für den Raumschiffbau sowie zwischen 30 und 120 Sekunden für alle weiteren Entscheidungen Zeit hat.
Ansonsten lassen sich noch Aufgabe-Optionen, Autopilotfunktionen sowie die Kartendecks wählen, wobei man nicht nur das klassische Deck aus dem Brettspiel zur Verfügung hat, sondern auch ein erweitertes digitales sowie ein besonders schwieriges Deck mit Zusatzkarten. Und das Beste ist: Man findet bereits viele offene Spiele.
Taktischer Wettlauf
Nicht nur der hektische Raumschiffbau kann überzeugen, man muss auch Entscheidungen treffen und taktisch haushalten: Wer als Erster aus dem Hangar kommt, startet auch ganz vorne auf der Weltraumkarte - dahinter folgen in Abständen die Verfolger. Was kann man im All entdecken? Rohstoffe in vier Varianten! Credits! Meteore! Piraten! Die Möglichkeiten lauern in einem Kartenstapel, der in der ersten Etappe noch keine allzu heiklen Gefahren birgt. Sobald das erste Ereignis aufgedeckt wird, wird nacheinander vom Führenden bis zum Letzten erklärt, was man zu tun gedenkt.
Man deckt z.B. eine Karte wie "Planeten" auf: Da können alle Spieler auf unterschiedlich ertragreichen Himmelskörpern landen und bei genug Stauraum Rohstoffe ernten - wer sich auf Gefahrengut spezialisiert hat, wird besonders viele Credits verdienen. Wenn "Freier Weltraum" gezogen wird, kann man ansagen wie weit man fliegen
Einfaches, aber gutes Kampfsystem
Zum Aufbauspaß in Echtzeit und der Rundentaktik gesellt sich auch noch ein gutes Kampfsystem, in dem Planung und Glück aufeinander treffen: Jedes Raumschiff kann mit defensiven Schilden sowie offensiven Kanonen in alle vier Richtungen ausgestattet werden. Die erste Gefahr entsteht durch Meteore - und diese treffen gleichzeitig auf alle Spieler, wobei die Trefferzone über zwei Sechserwürfel ermittelt wird: Kleine prallen von sauber gebauten Schiffen einfach ab und sorgen nur an Stellen mit offenen Bauteilen für Schaden. Wer das verhindern will, muss Energie einsetzen, um den Schild zur Abwehr aufzuladen. Aber weist er auch in die richtige Richtung? Große Meteore lassen sich mit Kanonen abschießen, wenn diese in die betreffende Richtung zielen.
Die zweite Gefahr entsteht durch Piraten - und die treffen immer auf den vordersten Raumfahrer: Hier kann man
Nach drei Etappen wird abgerechnet: Am Ende gewinnt derjenige das Spiel, der die meisten Credits gesammelt hat. Die gibt es nicht nur für die Rohstoffe im Lager, sondern auch für die jeweilige Position sowie das schönste, d.h. möglichst unbeschädigte und kompletteste Raumschiff am Ende einer Etappe - man hat also mehrere taktische Möglichkeiten und drei Flüge Zeit, um an die wichtige Kohle zu kommen. Abzüge gibt es allerdings für alle auf der Reise zerstörten Teile.
Fazit
Glückwunsch an Czech Games! Galaxy Trucker ist eines der besten Brettspiele der letzten Jahre. Und für 4,49 Euro bekommt ihr jetzt eine ausgezeichnete, weil inhaltlich um eine tolle Kampagne erweiterte und cool designte Brettspielumsetzung für das Tablet. Dabei bleiben die Tschechen dem vielleicht kitschig anmutenden, aber unheimlich charmanten und zum humorvollen Ton passenden Artdesign treu und passen die Präsentation gekonnt an die Touch-Steuerung an. Die Benutzerführung und Visualisierung sind im Gegensatz zu vielen statischen Umsetzungen von Brettspielen zudem sehr elegant. Einsteiger werden mit einem gelungenen Tutorial an das Spiel herangeführt und Veteranen freuen sich nicht nur über neue Funktionen und Storyflair, sondern auch über den Multiplayer mit seinen zig Funktionen. Ich habe schon viele Brettspielumsetzungen getestet – das ist neben jener von Eclipse eine der besten.
Pro
Kontra
Wertung
iPad
Eine ausgezeichnete, inhaltlich erweiterte und cool designte Brettspielumsetzung für das Tablet.
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