SpaceChem04.10.2011, Benjamin Schmädig
SpaceChem

Im Test:

Seit Demon's Souls den Begriff "Herausforderung" für die Neuzeit definierte, spricht man ja gerne vom "Demon's Souls der Ego-Shooter", der Adventures, des Jump&Runs usw. Und wenn man so will, ist SpaceChem das Demon's Souls der Puzzlespiele. Denn es ist knallhart und staubtrocken - aber auch vielfältig und unverschämt fesselnd. Und jetzt gibt es den faszinierenden Chemiebaukasten endlich für die Plattform, für die er schon immer wie geschaffen schien!

Die clevere Chemiekeule

Keine Angst: Man benötigt weder naturwissenschaftliches Vorwissen noch muss man eine Vorliebe für die Chemie mitbringen. SpaceChem ist ein reines Puzzlespiel, die Chemie dient nur als Fassade - eine gut gemachte, weil sie vom Periodensystem bis zu exakten Formeln alle Aspekte eines Grundkurses enthält. Schade, dass Entwickler Zach Barth für seine iPad-Umsetzung auf die Geschichte von Sabotageakten auf fernen Planeten verzichtet. Die wurde zwar ausschließlich in bebilderten Texten erzählt, verlieh dem Puzzeln aber etwas Farbe. Schade auch, dass die nicht überragenden, aber durchaus abwechslungsreichen Boss-Rätsel fehlen und dass man stets nur eine Aufgabe lösen darf. Gerade in Anbetracht der knackigen Herausforderungen würde dem Kopf gelegentliche Abwechslung gut tun. Immerhin: Die Touchscreen-Fassung enthält bereits den für die anderen Versionen nachgelieferten Editor samt Onlineanbindung.

Und wie funktioniert SpaceChem? Stellt euch der Einfachheit halber statt eines Reaktors eine leere Fabrikhalle vor, in der zwei voneinander unabhängige Kräne über Schienen an der Decke fahren. Die Laufrichtung der Schienen darf man frei bestimmen, ebenso welche Aktion jeder Kran an welcher Position ausführt. In der linken Hälfte werden vorgegebene Moleküle bereitgestellt, in der rechten Hälfte sollen ganz bestimmte Moleküle abgeliefert werden.

Auf den ersten Blick staubtrocken - bis man stundenlang an der perfekten Lösung rätselt.
Auf den ersten Blick staubtrocken - und trotzdem rätselt man stundenlang an der perfekten Lösung.
Meist müssen dafür vorhandene Verbindungen der Rohstoffe aufgelöst werden, um die erhaltenen Elemente anderweitig zu binden. Jeder Kran kann Moleküle aufnehmen, ablegen, drehen, spalten und mit anderen Elementen verbinden. Das alles findet nicht frei im Raum, sondern auf einem zehn mal acht Kästchen großem Raster statt. Klingt weniger als es ist! Zumal man so viele Aktionen ausführen darf wie Quadrate vorhanden sind.

Touch statt Klick

Ein wichtiger Kniff: Elemente können nur auf vier Feldern verbunden oder getrennt werden. Lediglich die Position dieser Quadrate darf man sich aussuchen. Auch andere Aktionen wie ein Schalter, der frei wählbare Elemente in einen alternativen Kreislauf lenkt, können nicht beliebig oft platziert werden. Während sich die Schienen beider Kräne zudem überschneiden dürfen, kann eine Schiene ihren eigenen Strang nur einmal im rechten Winkel kreuzen. Schade, dass das Setzen der vielen Aktionssymbole und Richtungsweiser für die Schienen schnell zur Sisyphusarbeit wird und dass sich SpaceChem kaum Zeit nimmt, das vertrackte Prinzip ausführlich zu erklären. Immerhin führt inzwischen der Link zu einem YouTube-Video zu einer anschaulichen Einführung und insgesamt funktioniert die etwas vertrackte Steuerung auch auf dem iPad recht zuverlässig.

Alles in allem passt das Entwerfen und Verschieben einfach besser auf den Touchscreen als auf einen großen Rechner. Ärgerlich ist allerdings, dass man sämtliche Symbole anfassen und verschieben muss - bequemer wäre das zweimalige kurze Antippen der gewünschten Aktion: einmal zum Auswählen, ein zweites Mal zum Absetzen. Abgesehen davon werden wichtige Symbole im Editor unnötig winzig dargestellt. Ich wünsche mir zudem nach wie vor eine Möglichkeit, meine Blaupausen jederzeit speichern und laden zu dürfen. So könnte man Lösungsansätze besser vergleichen, ein Neustart würde nicht das endgültige Verwerfen eines Bauplans bedeuten und unterschiedliche Ergebnisse wären besser vergleichbar.

Es ist dein Bauplan!

Es sind ärgerliche Kleinigkeiten, aber es ist auch alles, was sich SpaceChem zu Schulden kommen lässt. Hat man sich erst einmal in das Erschaffen der Baupläne hineingedacht, brütet man nämlich selbst kurz vorm Einschlafen noch Lösungen aus.

Im ResearchNet erstellt man eigene Rätsel und teilt sie mit der Welt.
Im ResearchNet erstellt man eigene Rätsel und teilt sie mit der Welt.
Und manchmal gibt es in solchen Phasen tatsächlich den entscheidenden Impuls. Man muss das Spiel ja nicht vor sich haben, um irgendwann den einen Weg zu sehen. Es geht vielmehr um die richtige Idee, mit der sich ein Problem knacken lässt. Wie man sie aber umsetzt, bleibt jedem selbst überlassen. Oder gibt es gar mehrere Herangehensweisen? Man ist sein eigener Herr beim Entwerfen ausgetüftelter Mechanismen - ein großartiges Spielgefühl! Dabei hat man alle Zeit der Welt, weil der Reaktor immer erst auf Knopfdruck startet.

Und es geht weiter! Denn meist ist der eine Reaktor mit seinen zwei Endprodukten nur eine Zwischenstation. Meist müssen verschiedene Rohstoffe mehrfach verarbeitet werden, um die geforderten Moleküle zu erhalten. Über welche Zwischenschritte dies gelingt, ist im besten Fall völlig offen. Ein System aus Röhren muss mehrere Reaktoren dabei möglichst clever verbinden. Oder kommt man etwa mit weniger Reaktoren aus als zunächst gedacht? Der Vergleich mit der Effektivität anderer Spieler liefert jedenfalls oft genug eine ernüchternde Bilanz der gezeigten Fähigkeiten. Spätestens jetzt zünden die Grauen Zellen ausgebuffter Tüftler - und brüten stundenlang über dem perfekten Chemiekreislauf.

Fazit

Hätten mich meine Lehrer doch SpaceChem spielen lassen können, ich hätte das Fach der Moleküle nicht nur mit Bravour bestanden - vielleicht hätte ich sogar mit einer Laufbahn als Chemieingenieur geliebäugelt! Denn dieses äußerlich knorrige Knobelspiel hat mit dem verkopften Errechnen komplizierter Formeln nichts am Hut. Stattdessen lockt es mit "Das schaffst du im Handumdrehen!" - und fragt in drei Stunden noch mal, ob man endlich eine Lösung hat. Da hat längst der Sportsgeist die Steuerung über den "Nur noch ein Versuch!"-Widerstand übernommen: Erstens muss es doch irgendwie machbar sein, aus Titan, Zink und Sauerstoff gleichzeitig Zinkoxyd und Titandioxid herzustellen und zweitens geht es garantiert effektiver als auf dem ersten Bauplan. Es ist die Mischung aus kniffligen Kombinationsmöglichkeiten und dem Denken auf zwei Ebenen, die Rätselfreunde schnell ansteckt und Tüftler zur Höchstleistung treibt. Und immer gibt es beliebig viele Lösungen. Zwar ist das Verschieben der vielen kleinen Symbole auf dem Touchscreen unnötig fummelig, dafür fühlt man sich beim Entwerfen und Verschieben der Baupläne wie ein Baumeister der nahen Zukunft. Während man so Elemente verschiebt, trennt, kombiniert oder verdreht, schließt man wie von selbst Freundschaft mit der Wissenschaft der Moleküle. Es wäre schön, wenn man nicht nur den aktuellen Lösungsweg speichern dürfte. Das geradlinige Abklappern der vorgegebenen Rätselreihenfolge ist ärgerlich und Neulinge könnte man behutsamer an das Spielprinzip heranführen. Das Wichtige ist aber: Im Kern ist SpaceChem eins der ausgebufftesten Puzzlespiele der letzten Jahre!

Pro

hervorragende vertrackte Aufgabenstellungen
freie Lösungswege
übersichtlicher Zusammenbau der Produktionsschritte
keine nennenswerten Wiederholungen
Vergleich mit anderen Lösungen
Editor zum Erstellen und Teilen eigener Rätsel

Kontra

meist nur eine Aufgabe anstatt freier Auswahl
spielerische Einführung könnte behutsamer sein
nur der aktuelle Lösungsansatz wird gespeichert

Wertung

iPad

Trotz der etwas unhandlichen Steuerung und des geradlinigen Ablaufs fasziniert SpaceChem auch auf dem Touchscreen. Ausgebuffte Tüftler müssen auf Chemie umsatteln!

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