The Pinball Arcade04.03.2014, Jan Wöbbeking
The Pinball Arcade

Im Test:

Ein paar Monate nach der digitalen Fassung bringt Farsight endlich wieder etwas fürs Regal: In der von System 3 und Koch Media veröffentlichten Retail-Version von The Pinball Arcade (ab 21,88€ bei kaufen) stecken sämtliche momentan online erhältlichen Tische, die auf echten Spielhallenklassikern basieren. Beste Aussichten für klassischen Flipperspaß oder haben sich erneut Fehler eingeschlichen?

Virtuelle Wundertüte

Spiele von Farsight sind wie eine virtuelle Wundertüte: Beinahe jede Umsetzung der kalifornischen Flippersimulation bot bislang ganz eigene Bugs, Steuerungsmacken oder Eigenheiten bei den Bestenlisten. Einen kleinen Überblick über den Versionswahnsinn gibt unser Test von 2012. Schade, dass die Entwickler die technische Umsetzung nicht besser auf die Reihe bekommen, denn im Grunde ist das Spiel ein Traum für Flipper-Fans.

Auch im aktuellen PS4-Spiel stecken 22 liebevoll nachgebildete Klassiker aus der Spielhalle – und die sind wirklich unschlagbar gut designt. Vor allem die Tische von Brian R. Eddy mit all ihren hohen Rampen und lustigen Modi machen einen Riesenspaß: Medieval Madness oder Attack from Mars machen auf Anhieb süchtig. So gut wie die beiden Klassiker hat mich noch kein Videospiel-Flipper von Zen Pinball oder anderen Konkurrenten unterhalten.

Was steckt drin?

Bei schummriger Beleuchtung sehen die Tische am schönsten aus. Hier zu sehen ist Circus Voltaire.
Wer auf der PS4 bereits online zugeschlagen hat, kann sich die Retail-Version sparen – es sei denn, er will sich endlich mal wieder eine schöne Hülle ins Regal stellen. Auch Besitzer älterer Fassungen sollten überprüfen, ob ihnen das Angebot der Tische (siehe Liste rechts) und die leicht aufgefrischte Grafik rund 40 Euro wert sind. Im Vergleich zum PS3-Vorgänger wirken die Tische einen Deut detailreicher. Sichtbar wird der Unterschied z.B. an feiner aufgelösten Texturen und etwas schärferen Texten. Auch die Beleuchtung wirkt ein wenig stimmungsvoller, vor allem wenn man zur schummrigen Spielhallen-Helligkeit wechselt.

Wie bei Farsight üblich, hat sich aber wieder ein „systemexklusiver“ Fehler eingeschlichen:  Die weltweiten Bestenlisten sind noch nicht erreichbar, was in einem Pinball-Spiel natürlich besonders ärgerlich ist. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit dem Studio würde ich auch nicht darauf wetten, dass sie nachgereicht werden. Das Problem besteht

Folgende Tische sind enthalten:

Tales of the Arabian Nights

Ripley’s Believe it or not

Elvira and the Party Monsters

Star Trek The Next Generation

No Good Gofers

Medieval Madness

Harley Davidson Third Edition

Bride of Pin-Bot

Attack from Mars

Theatre of Magic

Scared Stiff

Cirqus Voltaire

Black Knight

Funhouse

Twilight Zone

Black Hole

Taxi

Genie

Big Shot

Gorgar übrigens nur bei der Box-Version des Spiels. In der Download-Fassung sind die Online-Bestenlisten erreichbar – im Gegensatz zur PS3-Version fehlt dort allerdings die Sortiermöglichkeit nach Freunden.

Das Technik-Chaos geht weiter

Ein weiterer seltsamer Unterschied zwischen den PS4-Versionen ist der unterhaltsame Challenge-Modus: Er ist nur in der Retail-Fassung enthalten, in der Download-Version soll er laut Farsight noch nachgereicht werden. Dort spielt man eine ganze Reihe von Tischen nacheinander. Man darf aber nur weitermachen, wenn man an jedem Exemplar eine vorgegebene Punktzahl überbietet. Wer hier einen neuen Rekord erreicht, hat Pech gehabt, denn das Ergebnis wird nicht in den lokalen Bestenlisten gespeichert. Wollt ihr eure Bestleistungen wenigstens offline festhalten, müsst ihr also wohl oder übel den Standard-Modus statt einer Challenge starten. Der angekündigte Turnier-Modus funktioniert in beiden PS4- Versionen noch nicht – im entsprechenden Menü erscheint nur ein Platzhalter, der ihn für die Zukunft ankündigt.

Für Verwirrung sorgt auch die Organisation der Trophäen: Wer das Spiel als Download- und als Retail-Version spielt, kann beide unabhängig voneinander im PS4-Menü starten. Trotzdem wird jede erspielte Trophäe sofort in beiden Titeln freigeschaltet. Ärgerlich ist der zwar nur leichte, aber trotzdem spürbare Input-Lag: Die Flipperhebel reagieren einen Sekundenbruchteil später als in anderen Pinball-Spielen. Nach ein paar Gewöhnungs-Minuten fällt die Verzögerung kaum noch auf, trotzdem wäre eine direkte Steuerung natürlich schöner gewesen.

Die Stars der Spielhalle

Attack from Mars verkörpert das Arcade-Prinzip: Schnell zu durchschauen und trotzdem auch für Profis spannend.
Nach all dem technischen Wirrwarr will ich auch noch ein wenig auf die Tische eingehen, schließlich stecken im Spiel viele Highlights der Pinball-Geschichte. Der Star des Aufgebots ist nach wie vor Medieval Madness vom damaligen Branchenkönig Williams mit seinem luftig-offenen Aufbau, hohen Rampen und vielen lustigen Ideen. Ziel des Spiels ist es, eine ganze Reihe von Burgen mit der Flipperkugel zu malträtieren, bis ihre Mauern am oberen Bildrand mit viel Getöse in sich zusammenkrachen. Zwischendurch rettet man Jungfrauen aus dem Turm, beschwichtigt pöbelnde Untertanen oder schießt aus dem Boden klappende Orkgesichter ins Erdreich zurück. Ein Riesenspaß mit toll arrangierten Rampen, Zielen und Modi! Einzigartig gut sind auch die vielen lustigen Sprachsamples, unter anderem von Comedian Tina Fey.

Ähnlich viel Spaß macht das ebenfalls von Brian R. Eddy designte Attack from Mars. Im Jahr 1995 – also kurz vor dem Kinohit Mars Attacks - entwarf Midway (unter dem Label Bally) einen Comedy-Flipper mit Invasions-Thema. Das übersichtliche, aber trotzdem hochmotivierende Layout durchschauen auch Einsteiger auf Anhieb: In der oberen Hälfte des Spielfelds wartet eine fliegende Untertasse darauf, mit der Flipperkugel abgeschossen zu werden, nachdem man das Schutzschild zerstört hat. Nach ein paar Treffern gibt das Flugobjekt wild rotierend den Geist auf. Auch das Abschießen der wild auf und ab hüpfenden grünen Männchen macht Laune. So befreit man ein Land nach dem anderen, während ihre Bewohner mit überdreht stereotypen Akzenten um Hilfe rufen. Auch nach Berlin führt die Weltreise zur Rettung der Menschheit.

Weitere Tische im Detail

...um zu flippern, wo nie zuvor ein Mensch geflippt hat.
Auch die übrigen Tische sind fast ausnahmslos derart gut und abwechslungsreich designt, dass man sich stunden- oder sogar tagelang damit beschäftigen kann. Weitere Highlights sind z.B. das das mystische Twilight Zone, der knifflige Klassiker Fun House mit dem sprechenden Kopf Rudy oder Tales of the Arabian Nights mit seinen orientalisch verschnörkelten Bahnen und einer drehbaren Wunderlampe.

Auch einige ältere Perlen aus den Siebzigern und Achtzigern sind wieder dabei: Tische wie Gorgar oder das klimpernde und klingelnde Big Shot sind zwar wesentlich einfacher aufgebaut, bieten aber trotzdem eine unterhaltsame Reise in die Vergangenheit der Silberkugel. Ganz alte oder experimentelle Tische fehlen leider. Wer Gottliebs durchgeknalltes „Goin' Nuts“ (Multiball-Wahnsinn mit Countdown-Timer) oder den Pinball-Urvater „Playboy“ (kam noch ohne Flipper-Hebel aus) ausprobieren möchte, muss zum alten Gottlieb Pinball Classics greifen oder darauf warten, dass Farsight sie evtl. in der Zukunft als DLC nachreicht.

Fazit

Meine pessimistische Vorahnung hat sich schon wieder bestätigt. Bei Spielen von Farsight ist man offenbar nie sicher vor seltsamen Bugs oder Eigenheiten - auch die PS4-Version von Pinball Arcade macht da keine Ausnahme. Ohne weltweite Bestenlisten ist virtuelles Flippern natürlich weitaus weniger spannend. Auch der kleine Input-Lag und andere Problemchen stören in der PS4-Version. Wirklich schade, denn davon abgesehen ist das Spiel wieder ein Traum für Pinball-Freunde. Üppige 22 Tische sind enthalten, die meisten davon konkurrenzlos ideen- und abwechslungsreiche Spielhallenklassiker. Allein Medieval Madness oder Attack from Mars haben mich länger gefesselt als die Gegenstücke in Zen-Pinball, die guten alten Flipper aus Pro Pinball oder Pinball Fantasies. Auch die Kugelphysik überzeugt – die Grafik wurde dagegen nur leicht aufpoliert. Wer auf Online-Bestenlisten pfeift und den Challenge-Modus spielen möchte, kann also ruhig zugreifen – alle anderen sollten sich lieber die Download-Version besorgen. Oder man greift stattdessen zur nur etwas hässlicheren PS3-Fassung, für die es bereits mehr Tische gibt.

Pro

22 Pinball-Originale aus der Spielhalle
darunter viele Klassiker
Originale wurden detailverliebt nachempfunden
gute Kugelphysik
ausgefeilte Tischziele sorgen für tagelangen Flipperspaß
verständlich präsentierte Tutorials
in der Challenge werden Tische nacheinander gemeistert

Kontra

(noch?) keine Online-Bestenlisten
Flipperhebel reagieren mit leichter Verzögerung
Turnier-Modus nicht spielbar
Challenge-Ergebnisse werden nicht in lokalen Highscores gespeichert

Wertung

PlayStation4

Trotz fehlender Online-Bestenlisten und kleiner technischer Probleme ist Pinball Arcade auch auf der PS4 eine fesselnde Sammlung zeitloser Flipper-Klassiker.

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