Autumn Dynasty19.06.2012, Jörg Luibl
Autumn Dynasty

Im Test:

Rundenstrategie gibt es auf dem iPad genug. Erst kürzlich hat Ravenmark demonstriert, wie man anspruchsvolle Feldherren unterhalten kann. Aber in Echtzeit? So etwas wie Age of Empires? Da wird es schon schwieriger, denn in der Regel muss man sich dann mit schwacher Qualität abfinden. Umso erfreulicher, wenn man die exotische Ausnahme findet.

Ein Hauch von Okami

Die Kampagne überrascht mit umfangreichen, aber recht zähen  Erklärungen und Dialogen - keine Bange, kann man überspringen.
Die Kampagne überrascht mit umfangreichen, aber recht zähen Erklärungen und Dialogen - keine Bange, kann man überspringen. Mehr dazu im Video!
Wenn ich mit meinem Finger eine Marschroute in die vergilbte Karte wische, wird sie wie ein Pinselstrich in Okami dargestellt – und schwups, galoppieren die Reiter dorthin. Dasselbe passiert, wenn ich Schwertkämpfer, Bogenschützen und Speerträger  einfach umkreise. Schwarze Tintenringe erscheinen unter ihnen und sie können dann als kompakter Verband in eine Richtung marschieren, während ich sie von schräg oben beobachte. Sehr schön: Ich kann gezielt flankieren oder aus dem Hinterhalt attackieren, indem ich eine geschwungene Route male. Allerdings bewegen sich Truppen nicht mit einheitlichem Tempo, so dass die Reiter bei längeren Strecken voran preschen. Anhalten? Einfach drauftippen.

Diese intuitive Touch-Steuerung und der chinesische Tuschestil passen wunderbar zusammen. Sehr gelungen sind die Wolkenbewegungen: Sie ziehen sowohl auf der Weltkarte als auch in den Krisenregionen wie ein dunkler Hauch über den Bildschirm. Der Name des Spiels ist Programm, denn man führt mit General Li für das Imperium des Herbstes einen langwierigen Krieg gegen innere und äußere Feinde – überall lauern Verräter, Banditen und Barbaren, die rote Banner tragen.

Lebendiges Gemälde für Feldherren

Mit dem Finger malt man Marschrouten in das Gelände: Wälder eignen sich zur Deckung, Gebirge blockieren Wege.
Mit dem Finger malt man Marschrouten in das Gelände, kann Gruppen bilden und schnell reagieren: Wälder eignen sich zur Deckung, Gebirge blockieren Wege.
Man hat fast das Gefühl, als würde man Krieg auf einem lebendigen Gemälde führen, wo sich kohlrabenschwarze Soldaten zwischen Wäldern, Gebirgen und Seen beharken: Zwar gehören nur knapp sechszehn bis zwanzig zu einer Truppe, aber man kann später sehr große Armeen  ins Feld führen, außerdem sehen die Animationen en detail überraschend gut aus. Dabei kann man schnell über zwei Finger weiter weg oder näher heran zoomen.

Die Übersicht ist wichtig, denn abseits von Schere, Stein und Papier muss man auf diesem Feldzug auch andere strategische Faktoren sowie klassische Aufbauprinzipien beachten. Erst in späteren Schlachten, wenn man dutzende Truppentypen befehligt, kann man sich schonmal in der Hektik vertippen. Aber: Das Spiel ist pausierbar, das Tempo regelbar.

Die Landschaft beeinflusst nicht nur das Marschtempo, sondern gewährt auch Kampfboni und ermöglicht z.B. das Verstecken im Wald. Außerdem beherrscht nahezu jede Einheit eine Spezialfähigkeit: Speerkämpfer können Hinterhalte legen, so dass heran rückende Truppen in einem Bereich um sie herum stark verlangsamt werden. So sind diese dann leichte Beute für dahinter postierte Bogenschützen. Diese können sich wiederum auf einen festen Schusswinkel auf der Karte konzentrieren, so dass sie mehr Schaden anrichten – eine von vielen guten Ideen.

Echtzeitgefechte und Basisbau

Feuer? Jup, verbrennt Gras und Truppen gleichermaßen - also Obacht! In mancher Mission muss man clever dem Geländebeschuss entgehen.
Feuer? Jup, verbrennt Gras und Truppen gleichermaßen - also Obacht! In mancher Mission muss man clever dem Geländebeschuss entgehen.
Aber nicht nur der Kampf, auch die Versorgung mit Gold und Truppen ist wichtig. Man muss zwar keine Rohstoffe wie Holz oder Stein abbauen, aber man kann an festgelegten Positionen wichtige Gebäude errichten: Camps erhöhen die begrenzte Truppenzahl, Kasernen spucken Rekruten aus, Farmen bringen Gold, Wachtürme schießen automatisch auf Feinde. Manche Missionen sind so ausgelegt, dass man bei Überfällen das Beste aus den Gebäuden heraus holen und clever auf Angriffe reagieren muss. So wird man immer wieder gefordert.

Schade ist, dass man nicht frei bauen kann und dass erfahrene Truppen nicht in die nächste Mission übernommen werden – so kann man keine Veteranen entwickeln. Aber dafür darf man mit der Zeit weitere Fähigkeiten für seine Truppen freischalten, die von Feuer bis Sabotage immer mehr Sonderaktionen einsetzen. Der Schwierigkeitsgrad ist einstellbar, aber auf normal bereits anspruchsvoll, denn man wird des Öfteren von mehreren Seiten angegriffen – außerdem setzt die KI gemischte Waffengattungen ein, so dass das stumpfe Kontern oder einseitige Bauen nicht möglich ist.

Schwache Story,  starker Umfang

Was klein beginnt, nimmt immer größere Ausmaße an: Hunderte Krieger sind hier im Gefecht.
Was klein beginnt, nimmt immer größere Ausmaße an: Hunderte Krieger sind hier im Gefecht.
Die Story um die Niederschlagung einer Rebellion und einen drohenden Bürgerkrieg ist überraschend ausführlich, aber alles andere als spannend. Sie wirkt etwas zu pathetisch in der Inszenierung und vor allem erzählerisch sehr vertraut. Das macht aber nichts, denn man kann die gut gemeinten, aber letztlich überflüssigen Dialogszenen einfach überspringen, um weitere Farmen, Forts und Truppen des Imperiums zu befreien. Schön ist, dass die Missionsqualität zunimmt und viel Abwechslung bietet: Vom Kampf unter flächendeckendem Beschuss bis hin zu Aktionen unter Zeitdruck oder Marschrouten durch enge Gebirgspässe.

Auch der Umfang stimmt: Wer die Kampagne beendet hat, kann sich noch gegen drei KI-Stufen im Skirmish austoben – zehn Karten warten auf Duellanten. Über GameCenter kann man zudem in Online-Schlachten gegen einen Spieler ziehen, auf Wunsch die Sprachkommunikation aktivieren und sowohl Gefechte suchen als auch erstellen. Wer sich lokal bekriegen will, kann das über Bluetooth tun.

Fazit

Ich habe lange auf Echtzeitstrategie gewartet, die sowohl die intuitive Steuerung des iPad als auch den Anspruch des Genres vereint. Jetzt wurde aus einem Studentenprojekt endlich ein tolles Spiel – Glückwunsch an Touch Dimensions! Hier kann ich meine Truppen bequem und überaus akkurat manövrieren, muss nicht nur auf Schere, Stein und Papier im Gefecht, sondern auch auf grundlegende Aufbauprinzipen sowie militärische Spezialmanöver achten – es gibt je nach Gelände Verlangsamungen, gemeine Hinterhalte und eine fordernde KI. Hinzu kommt ein wunderbarer Tuschestil, der mich umgehend an Okami erinnert, wenn man seine Pinselmanöver in die Landschaft malt: Man hat fast das Gefühl, auf einem Gemälde zu taktieren. Auch wenn man freies Bauen und Veteranenbildung genauso vermisst wie eine packende Story, rundet der Umfang samt Skirmish und Multiplayer ein sehr gutes Strategiespiel ab.

Pro

anspruchsvolle Echtzeit-Strategie
Kampagne, Skirmish & Multiplayer
hunderte Kämpfer in den Schlachten
edler Tuschestil, zoombare Karten
intuitive Steuerung der Truppen
gutes Schere-Stein-Papier-Prinzip
Spezialfähigkeiten einsetzen
Deckung, Hinterhalte, Verlangsamungen
Dialoge überspringbar

Kontra

schwache Story
etwas zu eintönige Illustrationen
kein erfahrenen Truppen mitnehmen
Gebäude nur an festen Plätzen errichten

Wertung

iPad

Echtzeitstrategie im Stile von Age of Empires mit wunderbarem Tuschestil.

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