Unmechanical21.03.2013, Benjamin Schmädig
Unmechanical

Im Test:

Wie kommt es nur, dass ich mich in diese Blechbüchse verguckt habe? Ein auf dem Kopf stehender Schmelztiegel könnte es mal gewesen sein: kleine, tief sitzende Lichter als Augen, müde flapsende Rotorblätter als Antrieb. Vier nutzlose Schläuche schlappen beim Links-Rechts beschwingt hin und her. Und wenn er manchen schweren Stein partout nicht ziiiiiiehen kann, legt sich der Blechboter beim vergeblichen Versuch fast komplett zur Seite. Nun ja... daher kommt es wohl, dass ich mich schnurstracks in die putzige Blechbüchse verliebt habe.

Ein Herz in Stahl

Dabei weiß ich gar nicht, was der kleine Blecheimer eigentlich in dieser riesigen Höhle macht. Gerade schwebte Familie Robot noch über grüne Wiesen, plötzlich ziehen ihn spinnenartige Greifarme in die Tiefe. Dort schwebt er dann, kann in alle Richtungen fliegen und mit elektronischem Fangstrahl kleine Felsbrocken heben. Mehr nicht. Mehr braucht er auch nicht, um einen Haufen Geröll aus dem einzigen Ausgang zu räumen. Dahinter dringt Blechbot immer tiefer in eine Welt aus Nieten, Stahl, Maschinen, Elektrizität – fliegt bald an Knochen, Fleisch und einem riesigen Herz vorbei. Das ist manchmal richtig unheimlich! Verblüffend, wie eindrucksvoll die schwedischen Entwickler die Geschichte buchstäblich im Hintergrund geschehen lassen, während ihr knuffiger Held nur ein paar Rätsel löst.

Tatsächlich habe ich die Erzählung genau deshalb in den Vordergrund gerückt, weil sich Unmechanical (ab 7,90€ bei kaufen) nach mehr anfühlt als nach einem schnöden Puzzlespiel. Der kleine Bot schwirrt zwar durch Räume, die wie eine Perlenkette aneinander gereiht sind, seine Welt würde aber selbst einem Action-Abenteuer gut stehen!

Gewichte verteilen, Spiegel blockieren, Türen versperren: Der blecherne Hauptdarsteller beherrscht vieles, was die Welt der Puzzles hergibt.
Gewichte verteilen, Spiegel blockieren, Türen versperren: Der blecherne Hauptdarsteller beherrscht vieles, was die Welt der Puzzles hergibt.

Logik und Physik

Fast beiläufig lerne ich, dass mein Bot mit dem Traktorstrahl nicht nur Steine sowie andere Gegenstände heben, sondern auch Hebel bedienen kann. Auf diese Weise bedient er Maschinen oder öffnet Tore. Die sind natürlich meist verschlossen. Oder er muss verschiedene Tore in bestimmter Reihenfolge öffnen, eine Waage ausbalancieren, Farben auf einer Art Dartscheibe richtig anordnen, Glühbirnen in der richtigen Reihenfolge anknipsen. Die Aufgaben sind abwechslungsreich, allerdings nicht besonders knifflig und meist recht bekannt.

Trotzdem sorgen die Logik- und Physikaufgaben für gute Unterhaltung. Am interessantesten sind naturgemäß Letztere: Der mechanische Knilch muss z.B. ein Wasserbecken mit Gegenständen füllen, um den Wasserspiegel anzuheben. Ein andermal sperrt er Pforten auf, indem er einen Pfeiler dazwischen klemmt oder lässt Bomben an der richtigen Stelle explodieren.

Gefällt mir sehr, dass ich manch erfolgreiche Versuchsanordnung erweitern muss, wenn ich nach einer Rundreise durch die weitläufigen Höhlensysteme an einen bereits besuchten

Gleiches Spiel, etwas schwächere Technik: Unmechanical auf dem iPad.
Gleiches Spiel, etwas schwächere Technik: Unmechanical auf dem iPad.
Ort zurückkehre. Klasse auch, dass ich für keine der Aufgaben eine Anleitung lesen muss: Mein Bot kam immer durch aufmerksames Hinschauen und Ausprobieren auf den Trichter – so sollte ein gutes Puzzle aussehen! Nicht nur deshalb musste ich gelegentlich an Vessel denken, bei dem viele Rätsel allerdings vertrackter und die Reise deutlich länger war. Unmechanical ist zwar ein sehr unterhaltsamer, aber kurzer Verdauungsspaziergang - auch auf dem iPad, denn die Knobeltour wurde inhaltlich unverändert übertragen.

Von groß nach klein

Die Kulissen haben den Transfer dabei weniger gut überstanden, denn sie stottern mitunter recht auffällig durchs Bild. Vor allem leidet aber die Steuerung: Mit virtuellem Joystick fliegt der blecherne Held längst nicht so präzise wie auf PC, während ich das Vorgeben der Flugrichtung per Fingerzeig als noch umständlicher empfinde. Unmechanical fordert einige präzise Bewegungen, welche durch die Touchscreen-Steuerung aber erschwert werden. Im Gegenzug darf ich auf dem Tablet immerhin die Kapitel einzeln anwählen, um an einer gewünschten Stelle einzusteigen.

Fazit

Als eifriger Physikknobler stelle ich fest: So langsam hat diese Art Rätsel ihren Zenit überschritten. In Unmechanical spüre ich jedenfalls leichte Abnutzungserscheinungen, wenn mein sympathischer Blechhubschrauber mal wieder mit Steinen wirft oder Maschinen mit Fremdkörpern blockiert. Zumal manche Puzzles gerne mehr Kopfzerbrechen bereiten könnten und sowohl die streckenweise stotternde Grafik als auch die ungenaue iPad-Steuerung der Umsetzung nicht gut tun. Trotzdem habe ich die kurze Reise auch auf dem Tablet genossen. Denn so vertraut die Rätsel wirken, so clever sind sie konstruiert: Alle Aufgaben ergeben sich aus der Spielsituation, kaum eine Herausforderung wiederholt sich und ein paar Minuten ist der Kopf eben doch bei der Sache. Zudem ist es eine Wohltat, den liebevoll ins Leben gerufenen Hauptdarsteller mit Neugier durch die faszinierende Unterwelt zu lotsen. Ob nun mechanisch oder unmechanisch: Dieses Spiel hat ein großes Herz!

Pro

intuitives Probieren und Rätseln
furchtbar liebenswerter Hauptdarsteller geheimnisvolle
mechanisch-biologische Kulissen symbolhafte, aber hilfreiche Tipps
Musik unterstreicht Grusel, Spannung und Geheimniskrämerei
Kapitel einzeln anwählbar

Kontra

wenige echte Kopfnüsse
sehr kurz
zahlreiche bekannte Arten von Rätseln
hakelige Steuerung über Fingerzeig oder virtuellen Joystick
stellenweise auffälliges Stottern

Wertung

iPad

Liebenswertes Rätselabenteuer mit abwechslungsreichen Aufgaben - inhaltlich komplett, aber mit hakeliger Steuerung auf iPad.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.