Horn27.09.2012, Paul Kautz
Horn

Im Test:

Ein Knabe mit Horn am Kopf, der durch eine ausufernde Welt voller bizarrer, zum Teil gigantischer Wesen läuft, über Gesten kämpft und kleinere Puzzles lösen muss - klingt, als hätte Entwickler Phosphor Games eine Badewanne mit den bekanntesten Elementen berühmter Action-Adventures gefüllt und wäre ein paar Mal kräftig durchgetaucht.

Vollgas-Fantasy

Der Gedächtnisverlust - Brot und Butter des Spieldesigns, wie es scheint, und fast so häufig anzutreffen wie Quick Time Reactions, Deckungssystem und Schleicheinlagen. So auch in Horn: Der gleichnamige Junge, dessen Helm ein einsames Horn ziert, erwacht in einer düsteren Ruine. Ohne Ahnung, was er hier macht und wie er hierher gekommen ist. Aber hey, hier ist ein Schwert, und damit kann man prima die Maschinenwesen (die „Pygon“) zerhackstücken, auf die man nach kurzer Zeit stößt!

Man kann den Entwicklern aber kaum vorwerfen, sich nicht wenigstens Mühe bei der Handlung gegeben zu haben: Sie wird über Echtzeit-Cutscenes und gut gezeichnete Standbilder gefällig präsentiert, der Sprecher ist sehr enthusiastisch bei der Sache. Außerdem sind die vielen Dialoge zum Teil sehr unterhaltsam, speziell die Sprüche des abgetrennten Pygon-Kopfes „Gourd“ sorgten bei mir immer wieder für erfreutes Grinsen. Und dennoch: Der Zeitraffer, in dem der gebeutelte Spieler durch die Handlung gezerrt wird, nimmt viel von der Faszination - ein entschleunigteres Horn wäre ein besseres Horn. Immerhin kann man den Sprechern keinen Vorwurf machen: Alle Figuren sprechen ein klares, gut betontes Englisch (mit optionalen dt. Untertiteln).

Das Kampfsystem orientiert sich deutlich an Infinity Blade, bietet aber nicht dessen taktische Tiefe.
Das Kampfsystem orientiert sich deutlich an Infinity Blade, bietet aber nicht dessen taktische Tiefe.
Und am exzellenten Soundtrack aus der Feder von Austin Wintory (der u.a. schon flow und Journey in verträumte Wunderklangwelten verwandelte) gibt es überhaupt nichts auszusetzen.

Spiel mir das Lied vom Felsen

Grundsätzlich ist Horn eine Mischung aus Infinity Blade und Zelda. Ersteres dient als Inspiration für das Kampfsystem: Trifft man auf einen Pygon, schaltet man automatisch in den Gefechtsmodus, in dem Horn Schwert oder Axt per schnell gewischter Geste schwingt. Springt ein Gegner in die Luft oder startet einen Rundumschlag, wird ein Icon eingeblendet, über das man einen Ausweichhopser machen kann. Außerdem darf man nach links und rechts um den Feind herum rollen - etwa um ihm in den Rücken zu fallen oder seinen meist hinten befindlichen Schwachpunkt zu attackieren. Das war’s allerdings auch schon mit den taktischen Möglichkeiten; Paraden oder Konter wie in Infinity Blade sucht man hier vergebens. Dafür gibt es Items wie die kleinen Bomben, mit denen man den Gegner kurzzeitig betäuben kann, um so mächtig wie möglich auf ihn einzudreschen.

Die Welt von Horn ist zum Teil sehr ansprechend, aber leider auch sehr leer - es gibt kaum etwas zu entdecken, das ganze Spiel ist sehr linear.
Die Welt von Horn ist zum Teil sehr ansprechend, aber leider auch sehr leer - es gibt kaum etwas zu entdecken, das ganze Spiel ist sehr linear.
Hat man einen Feind besiegt, wird nicht nur, ganz in der Tradition von Sonic, das in seinem Innern gefangene Tierchen befreit, sondern es gibt auch Geld. Mit diesem darf man in der Schmiede entweder neue Waffen bauen (entsprechende Blaupausen vorausgesetzt) oder die vorhandenen verbessern. Und an dieser Stelle merkt man, dass Zynga der Publisher ist: Zwar kommt man mit genug Geduld gut durchs Spiel, aber die fortgeschrittenen Upgrades sind so teuer, dass man um den Kauf von virtuellem Geld mit echtem kaum herum kommt.

Der Kampf spielt aber tatsächlich nicht die größte Rolle in Horn - den Großteil seiner Zeit verbringt man mit Puzzles. Oder vielmehr „Puzzles“, denn von ganz, ganz seltenen Ausnahmen abgesehen bekommt man es ausschließlich mit Ausgaben der Kategorie „Ziehe an diesem Hebel!“ oder „Schieße hier drauf!“ - natürlich immer mit extradickem Pfeil, damit man’s auch ja nicht übersieht. Sehr Zelda ist auch das System, mit dem man sich immer wieder Zutritt zu neuen Bereichen verdient: Man lernt neue Lieder, die man dann an den entsprechenden Stellen benutzen kann…

Der Stein - mein Erzfeind

Die Handlung ist ideenreich, unterhaltsam und hübsch inszeniert, wird aber leider im Zeitraffer abgespult.
Die Handlung ist ideenreich, unterhaltsam und hübsch inszeniert, wird aber leider im Zeitraffer abgespult.

Infinity Blade 2 kam, zeigte und brannte sich für immer ins Gedächtnis aller Technikfreaks ein - die Technik des Schlitzers ist bis heute unerreicht. Horn sieht ebenfalls sehr gut aus, kann im Vergleich aber nicht mithalten. Das liegt nicht nur an den immer wieder ziemlich matschigen Texturen oder den gelegentlich hampeligen Animationen, sondern für mich viel mehr an der Leere der Welt. Damit meine ich jetzt nicht die Abwesenheit von anderen Personen, die ergibt innerhalb der Handlung schon Sinn. Ich rede von der Tatsache, dass man hier wie durch ein Museum rennt: Alles ist wunderschön, aber nichts ist zum Anfassen da. Die Infinity Blades hatten wenigstens die Bonusitems, die man mit schnellem Auge und Finger erhaschen konnte - Horn hat nur seine Schönheit.

Sowie eine auch außerhalb des Kampfes grundsätzlich sehr einfache Steuerung. „Grundsätzlich“ deswegen, weil das System zwar an sich gut funktioniert (man tapst einfach dahin, wo man hin möchte - kein virtueller Stick weit und breit), aber immer wieder auch für Ärger sorgt. Etwa wenn Horn aufgrund seiner Eigenschaft, immer in gerader Linie vom gegenwärtigen Punkt zum Ziel latschen zu wollen, an jedem Hindernis hängen bleibt, das ihm im Weg ist und dann mühsam drumherum manövriert werden muss.

Fazit

Der Zynga-Dackel im Horn-Logo hat mich abgeschreckt - mit der Firma und ihren unternehmerischen Grundsätzen kann ich mich beim besten Willen nicht identifizieren. Dankbarerweise ist Horn so ganz und gar nicht Zynga: Die Präsentation ist erstklassig, es ist kein Freemium auf Teufel-komm-raus, das Spielprinzip, obwohl aus allen möglichen Vorbildern zusammengewürfelt, ist ansprechend - wer hätte gedacht, dass ausgerechnet von dieser Firma so ansprechende Spiele kommen können? Allerdings ist nicht alles so schön wie der erste Blick auf die lauschigen Landschaften: Die Handlung -zwar von witzigen Dialogen und Einzeilern durchsetzt, die von sehr guten Sprechern dargeboten werden- wird im Zeitraffer abgespult. Die Welt, so schön sie auch ist, ist leer und leblos. Die Steuerung ist durchdacht, aber durch das Laufen auf gerader Linie bleibt Horn dauernd an allen möglichen Hindernissen hängen und muss fummelig drumherum manövriert werden. Und nicht zuletzt sind die Puzzles nicht nur kaum der Rede wert, sondern auch immergleich gestaltet. Das große Vorbild Infinity Blade 2 bietet von allem mehr; mehr Welt, mehr Action, mehr Interaktion. Horn hat tolle Ansätze, aber zu wenig Konsequenz, um in der gleichen Liga zu spielen. Mit Ausnahme des Soundtracks. Der ist exzellent!

Pro

prachtvolle Kulisse
verträumter Soundtrack
einfache Steuerung
interessantes Kampfsystem
sehr gute Sprachausgabe
unterhaltsame Dialoge

Kontra

viel Wiederholung
Zeitraffer-Handlung
leere Welt
arg simple Puzzles
nervendes Hängenbleiben an Hindernissen

Wertung

iPhone

Technisch hochwertige und spielerisch unterhaltsame Mischung aus Infinity Blade und Zelda - leider mit Schwächen im Spiel- und Weltendesign.

Android

Technisch hochwertige und spielerisch unterhaltsame Mischung aus Infinity Blade und Zelda - leider mit Schwächen im Spiel- und Weltendesign.

iPad

Auf dem ersten iPad tendiert Horn zum Absturz - sonst ist die Fassung inhaltsgleich.

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