Eclipse06.05.2013, Jörg Luibl
Eclipse

Im Test:

Lust auf Expansion, Forschung, Flottenbau, Kampf und Diplomatie ? Mit Eclipse ist eines der besten 4X-Strategiespiele der letzten Jahre auf dem iPad erschienen. Warum die Rundentaktik am Tisch nicht nur international, sondern auch uns begeistern konnte, haben wir im ausführlichen Brettspieltest erklärt. In diesem Test geht es darum, ob die digitale Version von Big Daddy’s Creations (Neuroshima Hex) für 5,99 Euro überzeugen kann.

Futuristische Rundentaktik

Eclipse dürfte vor allem Einsteiger ohne Kenntnis des Brettspiels (hier im Test) zunächst überfordern. Was bedeuten all die Zahlen, Symbole und Schaltflächen? Wo fange ich an? Hier empfiehlt sich das gute, weil auf das Wesentliche konzentrierte und angenehm übersichtliche Tutorial. Es erklärt behutsam die Grundlagen angefangen bei der Definition von „4X“ über die drei Rohstoffe Geld, Forschung sowie Material bis hin zur rundentaktischen Spielmechanik. Zwar bleiben einige Fragen offen und bisher gibt es keine deutsche Version, aber wer des Englischen einigermaßen mächtig ist, findet auch ein ausführliches Handbuch im Hauptmenü.

Worum geht es? Ziel ist es, nach neun Runden die meisten Siegpunkte gegen bis zu fünf künstliche oder menschliche Gegner, wahlweise lokal oder über Internet, vorzuweisen. Das Besondere: In Eclipse bezahlt man für jede Aktion wie z.B. Erkundung, Bewegung, Forschung oder Bau mit Einfluss, der wiederum am Ende vom eigenen Geld abgezogen wird. Je aktiver man ist, desto teurer wird es also. Man sollte demnach so expandieren, dass man nicht in die roten Zahlen gerät und genug der drei Rohstoffe ernten kann. Weil man den unbekannten Weltraum mit jedem Schritt von seiner Heimatkolonie aus aufdeckt, weiß man allerdings nie, was einem im nächsten Sektor begegnet.

Expansion, Forschung, Bau & Kampf

Welches Volk darf es sein? Bis zu sechs Spezies bekriegen sich über neun Runden.
Welches Volk darf es sein? Bis zu sechs Spezies wetteifern über neun Runden um Siegpunkte.
Das sorgt nicht nur für Spannung, sondern zwingt dazu, dass man seine Taktik anpassen muss: Welche Planeten findet man vor? Gibt es Feinde in dem Sektor? Wenn ja, kann man sie mit seiner aktiven Flotte schlagen? Falls nicht, kann man dort natürlich nicht ernten und muss sich waffentechnisch weiter entwickeln. Hat man dafür genug Forschungspunkte? All das kostet natürlich wieder Züge, während der Gegner vielleicht mehr Glück hatte und einen freien Sektor mit Planeten aufdeckt, die er sofort kolonisieren und damit abernten kann. Es kann sogar sein, dass er zufällig Artefakte findet – dann gibt es gratis Siegpunkte, Rohstoffe oder Technologien.

Es gibt zwar eine leichte Form der Diplomatie, indem man Botschafter des Friedens austauscht und Verräter einen Punktabzug bekommen, aber Eclipse ist ein Angriffsspiel – man kann zwar auch defensiv gewinnen, aber das ist selbst mit dem passenden Alienvolk weitaus schwieriger. In der Spielbalance sind auch die neutralen Alten wichtig, die als unbekannte statische Macht im Universum lauern und bekämpft werden können. Für jede Beteiligung an einem Gefecht bekommt man Siegpunkte; je nach Größe des Feindes nochmal mehr – daher ist das zu Beginn noch recht wehrhafte Galaktische Zentrum später ein lukratives Ziel.

Würfelfeuer und Raketenglück

Ein Duell gegen die KI: Wie auf dem Tisch expandiert man von seinem Heimathexfeld aus in den Weltraum.
Ein Duell gegen die KI: Wie auf dem Tisch expandiert man von seinem Heimathexfeld aus in den Weltraum.
Sobald es zum Kampf kommt, schaltet das Spiel in eine Gegenüberstellung der Flotten und der Sound wird etwas dramatischer, wobei man alle Werte wie Initiative, Schutzschilde, Computer und Waffensysteme sofort erkennen kann. Die Würfe werden dann simuliert, die Schäden von Laser, Raketen & Co können manuell oder automatisch zugewiesen werden, bevor sie leicht animiert beim Feind einschlagen. Sehr schön: Im Gegensatz zur Vorlage am Tisch unterscheiden sich die Raumschiffe nicht nur farblich, sondern auch hinsichtlich des Designs. Ihr wollt die Kämpfe der Gegner überspringen? Ist auch möglich.

Nimmt man den gelungenen Soundtrack hinzu, kann man hinsichtlich der Präsentation von einer atmosphärischen Bereicherung sprechen – und das ist in diesem Bereich der Brettspielumsetzungen, die manchmal recht dröge das Original abbilden, eine Seltenheit. Die Benutzeroberfläche mag immer  noch abstrakt wirken, wenn man das Brettspiel nicht kennt, ist aber clever strukturiert: Die wesentlichen Schaltflächen für Forschung, Technologie, Ansehen und die eigene Flotte lassen sich per Fingertipper einblenden.  Alle wichtigen Anzeigen wie die drei Rohstoffe, das Umtauschen, die Kolonisierungsschiffe sowie Einfluss, aktuelle Siegpunkte und Aktionen sind kreisförmig um den Weltraum mit seinen Hexfeldsektoren angelegt, wobei man bequem zoomen und scrollen kann.

Multiplayer mit bis zu sechs Leuten

Kommt es zum animierten Kampf, kann man den Schaden manuell oder automatisch verteilen.
Kommt es zum animierten Kampf, kann man den Schaden der modifizierten Würfelergebnisse manuell oder automatisch verteilen.
Man kann vielleicht bemängeln, dass die quadratischen Schiffsteile für den Einbau recht klein sind – man muss ganz genau darauf tippen, um sie per Drag&Drop in seinem Schiffsmodul zu platzieren. Aber man kann dabei nicht viel falsch machen, zumal das Spiel irreguläre Aktionen gar nicht erst ermöglicht. Ihr habt euch dennoch vertippt oder verplant? Kein Problem: Man darf Entscheidungen jederzeit rückgängig machen. Schön ist, dass man jederzeit genau sehen kann, was die KI macht: Jeder Zug, jedes Austauschen von Waffensystemen oder Besiedeln wird angezeigt.

So kann man wie am Tisch nachvollziehen, welche Taktik der Gegner einschlägt. Und der hat es auf der dritten Stufe in sich: Hier werden auch Kenner gefordert, denn der Computer geht gnadenlos expansiv und aggressiv zu Werke, bestückt seine Kreuzer und Schlachtschiffe auch radikal mit mehreren Raketen, bevor er anklopft. Ähnlich wie im Brettspiel darf man diese mächtigen Waffen bekanntlich vor dem eigentlichen Beschuss zünden. Da sie zudem keine Energie verbrauchen, gelten sie bei einigen Spielern auch als übermächtig – ähnlich wie die expansiven Planta als Volk.

Die Pflanzenwesen sind online recht beliebt, denn zu ihren Spezialeigenschaften gehört nicht nur, dass sie vier statt drei Kolonieschiffe einsetzen können, sondern auch dass sie gleich zwei Sektoren erkunden können. So hat jedes der sieben Völker eigene Vor- und Nachteile, die man recht effizient ausspielen kann. Wer es komplett ausgeglichen mag, kann sich lokal oder online inkl. Textchat auch nur mit der Spezies Mensch anlegen; bis zu sechs Spieler können einer Partie beitreten. Zwar gibt es keine lokale Rangliste für Kämpfe gegen die KI, aber über GameCenter werden Erfolge festgehalten. Schade ist allerdings, dass es nach Spielende keine genaue Berechnung der Siegpunkte gibt.

Fazit

Glückwunsch an Big Daddy’s Creations: Das ist bisher die beste Brettspielumsetzung im AppStore! Ich liebe das Vorbild am Tisch und war sehr gespannt, wie die Entwickler nicht nur die komplexe Spielmechanik, sondern auch diesen Überschuss an Plättchen, Zahlen und Informationen auf dem kleinen Touchscreen inszenieren wollen. Sie haben das ausgezeichnet gelöst: Das futuristische Flair wird nicht nur eingefangen, sondern akustisch und grafisch angenehm bereichert – inklusive Soundtrack, individuellem Flottendesign sowie animierter Gefechte. Hinzu kommt eine KI, die auch Solisten fordert und einen auf der höchsten Stufe gnadenlos mit Raketen aus dem Weltraum feuert. Für Einsteiger ohne Kenntnis des Brettspiels ist das Tutorial vielleicht etwas mager und das Spielerlebnis zunächst abstrakt. Aber wer sich einmal hier reinfummelt, erlebt 4X-Strategie vom Feinsten: Hier wird eines der cleversten Brettspiele der letzten Jahre vorbildlich auf dem Touchscreen inszeniert. Und es läuft selbst auf dem ersten iPad!

Pro

erstklassige Brettspielumsetzung
clevere 4X-Strategie mit Anspruch
leicht animierte Gefechte, neue Raumschiffdesigns
sieben Völker mit speziellen Eigenschaften
gegen drei KI-Stufen spielbar (sehr gute dritte!)
Offline/Online-Gefechte mit bis zu sechs Spielern
ausführliches Handbuch im Hauptmenü
GameCenter-Unterstützung
angenehmer Soundtrack
läuft auf erstem iPad

Kontra

Tutorial für Nichtkenner oberflächlich
etwas kleine Schiffsteilsymbole
keine genau Aufschlüsselung der Siegpunkte
keine lokale Rangliste
bisher nur auf Englisch

Wertung

iPad

Edles Design, komfortable Bedienung, anspruchsvolle Rundentaktik - das ist 4X vom Feinsten!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.