Real Racing 328.03.2013, Jan Wöbbeking
Real Racing 3

Im Test:

Mit Real Racing wollen EA und Entwickler Firemint gegen Forza & Co anstinken: eine ausgewachsene Rennsimulation für iPad und Tablets wird versprochen, sogar mit dem cleveren neuen Shifted Multiplayer. Wir testen, was dahinter steckt und wie sich das Free-to-play-Modell auf die Motivation auswirkt.

Hybrid aus Mensch und KI

Die Idee hinter dem „zeitverzögerten Mehrspielermodus“ ist clever: Ähnlich wie in Forza Horizon & Co tritt man gegen Bestleistungen von Freunden und Fremden an. Hier halten sich die Geister allerdings nicht exakt ans Vorbild. Stattdessen ahmen sie seine Leistung nur grob nach und können auch mit dem Spieler kollidieren. Leider kann das System sein Versprechen kaum einhalten. Über den Kontrahenten erscheinen zwar Facebook- bzw. Gamecenter-Namen und manchmal auch die Portrait-Fotos echter Spieler, für menschschliche Gegner tuckern sie aber zu stur auf der Ideallinie entlang.

Auch die gelegentlichen Ramm-Attacken erinnern an die Perlenschnur-KI früher Gran-Turismo-Teile: Wenn man den Weg der Gegner kreuzt, rempeln sie einen nicht selten von der Seite an. Auch für den Spieler lohnen sich dreiste Ramm-Attacken: Nach dem Rennen muss man zwar einige hundert Spiel-Dollar in die Reparatur stecken, dank der üppigen Siegprämie zahlt sich offensives Fahren trotzdem aus. Einen echten Multiplayer-Modus haben die Entwickler sich leider gespart.

Mix aus Sim und Arcade

Die Kippsteuerung erweist sich vor allem in der Cockpit-Perspektive als feinfühlig.
Die Kippsteuerung erweist sich vor allem in der Cockpit-Perspektive als feinfühlig.
In den Grundzügen erinnert Real Racing 3 tatsächlich an die großen Vorbilder wie etwa an Race Driver: GRID oder Forza Horizon. Also ein Mix aus Arcade und Anspruch: Die Strecken und Fahrzeugmodelle sehen erfreulich authentisch aus und sogar die Kippsteuerung funktioniert prima. Wenn man in die Cockpit-Perspektive wechselt, sind erstaunlich feinfühlige Lenkbewegungen möglich. Es gibt jede Menge Klassen von Straßenwagen bis zu Supercars oder Mittelmotor-Exoten und abwechslungsreiche Spielmodi wie Beschleunigungs- und Ausscheidungsrennen. Außerdem dabei ist eine üppige Auswahl an Original-Wagen (vom BMW M3 GTS über den Porsche 911 GT3 bis hin zum Koenigsegg Agera R) und Strecken (z.B. Suzuka, Hockenheimring und Indianapolis).

Die Android-Version läuft auf dem Nexus 7 und dem Nexus 4 flüssig. Auf Letzterem sieht die Strecke noch eine Ecke hübscher aus, auf dem schwächeren Nexus 7 muss man dagegen auf den Rückspiegel verzichten. Die ansehnlichste Fassung bekommen Apple-Nutzer. Die detailreichen Kulissen und die Lack-Spiegelungen bringen sogar das aktuelle iPad ins Schwitzen: Hier bewegt sich das Spiel mit gerade noch akzeptablen rund 20 Bildern pro Sekunde über den Schirm, während es bei den Android-Versionen rund 30 sind. Die Tuning-Optionen sind rudimentär: Statt an Feineinstellungen zu schrauben, kauft man sich einfache Upgrade-Kits für Motor, Getriebe, Bremsen und Reifen. Bevor sie installiert werden, muss man ähnlich wie in Final Fantasy: All the Greatest ein paar Minuten warten - oder man beschleunigt die Prozedur mit Goldmünzen. Letztere gewinnt man durch Level-Aufstieg oder man kauft sie sich (wer hätte es gedacht?) mit echtem Geld.

Rennspiel für Lau oder Melkmaschine für Sammler?  

Vorsicht, störrische KI!
Wer möchte, kann im Rennen gegen Freunde Extra-Wärung sammeln. Auf iOS lassen sich Gamecenter-Freunde herausfordern, auf Android klappt das nur mit Facebook-Kontakten.
Der Einstieg ins Spiel ist verführerisch: Der Titel lässt sich auf iTunes und Google Play kostenlos herunterladen. Nach ein paar Stunden wird allerdings klar, dass ein hübsches Sümmchen echtes Geld oder viele Stunden Fleißarbeit nötig sind, um sich z.B. kostspielige Wagen der Supercar-Liga wie einen McLaren F1 leisten zu können. Doch ohne starke Fahrzeuge im Fuhrpark bleibt der Zutritt zu den entsprechenden Klassen verwährt. Der Shop macht von Beginn an klar, welche Summen man im In-App-Store versenken kann, um schneller an Autos und Upgrades zu kommen. Wer sich etwa 1000 Gold-Münzen und 5 Millionen Dollar zulegt, kann auf einen Schlag rund 180 Euro ausgeben. Es gibt natürlich auch kleine Einsteigerpakete für z.B. 1,79 Euro.

Doch auch für günstigere Modelle wie den Skyline GTR V-Spec (R34) musste ich bereits rund zwei Stunden sparen, indem ich allerlei Veranstaltungen mit meinem knallgrünen Ford Focus RS gewann. Ohne mit Echtgeld nachzuhelfen, wäre mir die Fleißarbeit auf Dauer zu mühsam. Ein paar Stunden lang macht das Spiel aber auch mit wenig Geldeinsatz Spaß. Die einzelnen Rennen bleiben meist fair und motivierend , weil man gegen gleichwertige Gegner antritt.

Fazit

Real Racing 3 besitzt durchaus das Potential zu einem motivierenden Mix aus Arcade und Rennsimulation: Die Kippsteuerung ist erstaunlich präzise, die lizenzierten Kurse wurden hübsch nachgebildet und auch der Original-Fuhrpark fällt üppig aus. Schade, dass das Zahlungsmodell so tief ins Spieldesign eingreift: Wenn man sich den Zugang zu stärkeren Klassen einfach erkaufen kann, ist das Freispielen nur noch halb so motivierend. Wer etwas vom späteren Spiel sehen will, muss entweder tief in die Tasche greifen oder sich das Geld für neue Wagen viel zu mühsam und langwierig verdienen. Ich verstehe, dass sich ein Free-to-play-Spiel finanzieren muss, aber Entwickler Firemonkeys besitzt nicht das Fingerspitzengefühl, eine motivierende Karriere dezent mit bezahlbaren Inhalten zu verknüpfen. Auch die eigentlich clevere Idee des „zeitversetzten Mehrspielermodus“ verspricht mehr als sie halten kann, denn die Konkurrenz grast zu stur ihre Ideallinie ab. Dank gleichwertiger Gegner verlaufen die Rennen trotzdem meist spannend.

Pro

ansehnliche Kulissen und Fahrzeugmodelle
clevere Idee des Shifted Multiplayers...
erstaunlich präzise Kippsteuerung
abwechslungsreiche Modi und Klassen
viele lizenzierte Strecken und Fahrzeuge
guter Mix aus Arcade und realitätsnahem Fahrverhalten
eingängiger Soundtrack...

Kontra

Freischalten neuer Klassen benötigt zu viel Zeit oder Echtgeld
...Mix aus KI und Geister-Daten nur halbherzig umgesetzt
Gegner fahren oft stur auf der Ideallinie oder rammen
kein echter Multiplayer (weder online noch Ad-hoc)
etwas niedrige Framerate (iPad)
nur simple Tuning-Pakete
...Lieder wiederholen sich ständig
nur mit Facebook-Freunden verknüpfbar (Android)

Wertung

Android

Das Spiel hat Potential, doch das Zahlungsmodell und Spieldesign-Macken dämpfen die Motivation gewaltig.

iPad

Die aufwändigere Grafik der iOS-Version sorgt auf dem aktuellen iPad für eine niedrige Framerate.

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