Test: Device 6 (Adventure)

von Jörg Luibl



Device 6 (Adventure) von Simogo
Device 6
Entwickler:
Publisher: -
Release:
17.10.2013
17.10.2013
Spielinfo Bilder Videos
Lust auf kreatives Storytelling und knackige Rätsel auf dem iPad? Dann wird man erneut bei den Schweden von Simogo fündig: Nachdem die Entwickler aus Malmö mit Year Walk eine mysteriöse Reise durch verschneite Wälder inszenierten (Wertung: 86%), melden sie sich mit einem spannenden Lese-Thriller zurück. In Device 6 irrt eine Frau durch ein Labyrinth. Warum es sich lohnt, ihr zu helfen, klärt der Test.

Anna im Textlabyrinth

Video
In Device 6 schlüpft ihr in die Rolle von Anna, die plötzlich an einem unbekannten Ort aufwacht. Wie kam sie dorthin?
Kennt ihr zufällig die Romane „Das Haus“ oder das kürzlich erschienene „Das-Fünfzigjahr-Schwert“ von Mark Z. Danielewski? Falls nein, solltet ihr das – zumindest als Liebhaber ungewöhnlicher Geschichten - unbedingt nachholen. Falls ja, und ihr jetzt verächtlich mit dem Kopf schüttelt, wird euch auch Device 6 nicht gefallen. Falls ja, und eure Vorfreude gerade steigt, wird euch dieses Adventure von Simogo sehr gut unterhalten. Aber jetzt genug gefallst: Worum geht es? Um die Flucht aus einem surrealen Alptraum, wobei das Spieldesign die Tugenden alter Text-Adventures sehr originell mit den Möglichkeiten des Touchscreens verknüpft.

Man schlüpft in die Rolle einer Frau namens Anna, die mit Gedächtnisverlust in einem Turm erwacht. Die Amnesie ist zwar nicht besonders originell als Erkundungsmotiv, aber kaum startet man das Spiel, wird man vom ungewöhnlichen Layout und clever eingestreuten Geräuschen genauso überrascht wie Anna von der fremden Umgebung. Man bewegt sie nicht als Figur, sondern liest sich mit ihr vorwärts, begleitet von ihren Gedanken in kursiver Schrift. Während sie sich unsicher durch das unbekannte Gemäuer tastet und sich fragt, ob sie gestern vielleicht getrunken hat, wird auch dem Spieler zunächst etwas mulmig – sehr schnell entsteht beim Lesen rätselhafte Neugier. Also einfach die Treppe runter!

Patchwork aus Schrift und Bild

Das Puzzle-Adventure macht mit seinem ungewöhnlichen Layout und seltsamen Apparaturen sofort neugierig.
Das Lese-Adventure macht mit seinem ungewöhnlichen Layout und seltsamen Apparaturen sofort neugierig. Auf euch warten sechs Kapitel mit teilweise knackigen Rätseln.
Warum wird man neugierig? Weil sich auf dem Bildschirm mit jedem Fingerwischer ein fremd anmutendes Patchwork entfaltet: Da mal ein Foto von einer Wiese oder einem Gemälde, in dem sich Zahlen drehen, dort ein nach unten fließender Absatz oder eine Zeile verkehrt rum. Ähnlich wie im Roman Fünfzig-Jahr-Schwert experimentieren die Entwickler mit der Anordnung von Schrift, Farben und Bild. Das irritiert zwar zunächst, aber es ist kein Selbstzweck – man gewöhnt sich daran, weil es über sechs Kapitel hinweg logischen Regeln folgt, zumal man klar bezeichnete Räume sowie Abzweigungen erkundet, die meist auf ein finales und überaus knackiges Rätsel hinaus laufen. Und nebenbei entwickelt sich mit etwas Augenzwinkern und Verfremdungen eine böse Story. Die macht nicht nur Anna, sondern auch den Spieler als eine Nummer von vielen zum Spielball, so dass man sich fast selbst nach Kameras umschaut - freut euch nach jedem Kapitelende auf skurrile Umfragen.

Der Star ist allerdings der Weg dorthin, der mit dem Schriftbild experimentiert: So wird ein langer Teppich einfach zu einer langen Zeile gemacht, durch die man sich mit jedem Meter wischt. So wird eine Treppe mit stufigen Absätzen simuliert und der Gang um die Ecke mit auf dem Kopf stehenden Texten – die Anordnung der Buchstaben lässt also auch ein räumliches Labyrinth entstehen. Das Bild ist dabei arretiert und wechselt nicht automatisch, wenn man den Touchscreen dreht. Man muss das iPad also nur dann drehen, wenn es quasi um die Ecke geht; so entsteht auch haptisch ein Erkundungseffekt. Eine wichtige Rolle spielt auch die Akustik, denn Schritte, Songstücke, Schreie und Tonbandaufnahmen ergänzen das Erlebnis - und sie sind ebenfalls kein Selbstzweck: Nur über gutes Zuhören kann man manche Rätsel lösen.


Unheimlich und rätselhaft

Welcher Zahlencode schaltet das zweite Kapitel frei?
Welcher Zahlencode schaltet das zweite Kapitel frei?
Aber wo ist Anna überhaupt? Die teilweise interaktiven Gemälde, Teppiche, Spielzeuge und Maschinen deuten zunächst auf eine Burg oder ein Museum. Das Ganze wird allerdings immer grotesker und auch unheimlicher. Warum sieht sie eine Puppe mit Nägeln im Kopf? Warum reagieren die alten Frauen in der Halle nicht auf ihr Hallo? Wozu all die Aufnahmegeräte und Überwachungskameras? Wer Mystery-Thriller mag, wird hier auf seine Kosten kommen. Wenn man mit Anna dem Geheimnis des Ortes und der Amnesie auf die Schliche kommen will, muss man die englischen Texte sehr aufmerksam, teilweise mehrmals lesen – denn nur so lassen sich die angenehm anspruchsvollen Rätsel lösen und Wege zum nächsten Kapitel öffnen.

Schon im ersten Bereich stoppt sie ein Apparat mit der Meldung „Study Authorization Required“ – tja, war da nicht eine Maschine, in die man vier Zahlen eintippen konnte? Aber welche? Plötzlich erinnert man sich an das Tonbandgerät mit dem obskuren Sprecher und wischt (=geht) zurück, um den Hinweisen zu lauschen. Nur wer diese richtig deutet, kann den Code eingeben. Interaktion ist nur dann möglich, wenn Symbole darauf hindeuten: Mal kann man mit den Fingern bestimmte Schalter aktivieren oder Sichtnischen etwas verschieben, um dahinter mehr zu erkennen. Fotos werden so zu Gucklöchern auf Hinweise, die man manchmal nur dann entziffern kann, wenn man den Blickwinkel ändert. Aber Vorsicht: Wer die mathematischen, symbolischen und geometrischen Aufgaben nicht meistern kann, bekommt keinerlei Hilfe.

Kommentare

Doendoe schrieb am
4P|T@xtchef hat geschrieben:Falls du die Wahl hast: iPad. Hat auf dem iPhone auch etwas weniger bekommen.
Danke für die Antwort! Hab's soeben gesehen. :oops:
Jörg Luibl schrieb am
Falls du die Wahl hast: iPad. Hat auf dem iPhone auch etwas weniger bekommen.
Doendoe schrieb am
Ich nehme an, das ist eine universale App, aber dennoch: Lohnt es sich, trotz kleinerem Screen es auf dem iPhone zu spielen oder ist das iPad vorzuziehen?
Jörg Luibl schrieb am
GordonShumway09 hat geschrieben:Das Spiel und die Wertung sind mir eigentlich egal aber der minuspunkt
Das ist das Problem - das Wesentliche ist dir egal. Ich könnte auch sagen, dass du lediglich nach Minuspunkten schaust, ohne dir die Argumentation und Wertungsfindung überhaupt anzusehen. Und das nervt mich als Verfasser eines Artikels.
Wenn man das tun würde, wenn man das Wesentliche also mal lesen würde, müsste man gerade bei Device 6 erkennen, wie irrelevant dieser Punkt im Kontext des Spielerlebnisses ist. Trotzdem hat er seine Berechtigung, denn gerade im Bereich der Storytelling-Experimente und Adventure wurde der Gedächtnisverlust in den letzten Jahren inflationär eingesetzt.
Zur Erklärung: Weil uns diese oberflächliche Abholmentalität so ärgerte, die sich immer nur auf einen Kontrapunkt fixierte, haben wir vor einiger Zeit die Pro/Kontra-Liste komplett abgeschafft. Allerdings hat eine Mehrheit diesen zusätzlichen Service schmerzlich vermisst, den so eine Übersicht mit sich bringt. Deshalb haben wir das Ganze unter "Gefällt mir/Gefällt mir nicht" zumindest etwas in der Benennung entschärft. Trotzdem haben wir jetzt wieder den Abholsalat.
Schade ist, dass an dieser Stelle das Storytelling nicht diskutiert wird.
Skabus schrieb am
Letzendlich sidn Pro/Kontra-Punkte so oder so subjektiv.
Ich fand z.B. objektiv feststellbar und absolut störend, dass es etwas bei Risen2 total nervige Grafikbugs gab. Komisch wachsende Vegetation, flachernde Texturen, ständig aufploppende Gegenstände, etc. und das so arg penetrant, dass ich mich erst ewig dran gewöhnen musste, und selbst dann hab ich das immer wieder als störend empfunden.
Wenn ich das dann jetzt als Kontra-Punkt in meinem Test anbringe, kommt unter Garantie irgendein Hansel und sagt: "Mimimi der Jörg mal wieder! Meckert über irgendwelche komischen Dinge! Ich hab gar nicht mitbekommen, wie penetrant das ist Mimimi". Und ich kenne einige Leute, denen diese offensichtlich vorhandenen, objektiv beweisbaren Kritikpunkte erst gar nicht aufgefallen sind.
Soll man jetzt also die Kritikpunkte weglassen, nur weil es immer mind. ein Hansel gibt, der das nicht so sieht, bzw. den der Kontra-Punkt nicht stört?
Wenn 1000 Spiele bereits auf das typische Gedächnis-Verlust-Klischee zurückgreifen, dann nervt das eben irgendwann. Und dann kommt einfach mal die Zeit zu sagen: "Och nö! Nicht schon wieder dieses Klischee!" Und das empfinde ICH genauso als Kontra-Punkt, sofern das dann nicht gut gelöst wurde, wie etwa in Planescape: Torment.
Warum sollte man es also nicht kritisieren dürfen, wenn es einem doch negativ aufgefallen ist? Ob das dann Wayne und Peter oder Hinz und Kunz net schlimm finden, ist dabei doch absolut unerheblich.
MfG Ska
schrieb am