Desert Fox: The Battle of El Alamein30.06.2014, Jörg Luibl
Desert Fox: The Battle of El Alamein

Im Test: Schach mit Montgomery & Rommel

Die Shenandoah Studios haben mit Desert Fox: The Battle of El Alamein ihren dritten Ausflug in den Zweiten Weltkrieg für iPad und iPhone veröffentlicht. Diesmal geht es nach Nordafrika, wo man auf Seiten der Deutschen oder Briten um den Sieg kämpft. Dabei geht es nicht nur um eine Schlacht, sondern um eine militärische Kampagne, in der auch Nachschub, Tag- und Nachtwechsel, Minen sowie die Unbillen der Wüste eine Rolle spielen sollen. Nur ein weiteres Szenario innerhalb der Crisis-in-Command-Serie oder auch ein Schritt nach vorne für Freunde anspruchsvoller Rundentaktik? Mehr dazu im Test.

Kein Stillstand, sondern Fortschritt

Die besten militärischen Rundentaktikspiele für iOS? Für mich ganz klar: Battle of the Bulge (Wertung: 88%) und Drive on Moscow (Wertung: 90%). Beide haben Wargames auf dem Tablet mit ihrem innovativen Zeitmanagement, das einen Tag in dynamischen Phasen simuliert, sowie authentischen Ereignisketten, die festen Nachschub und Unterstützung planbar einbeziehen, auf ein ganz neues, edel designtes Niveau gebracht. Daher hätte ich diesen Wüstenkrieg selbst dann blind gekauft, wenn es sich nur um ein neues Szenario gehandelt hätte. Aber die Shenandoah Studios gehen auch diesmal einen kreativen Schritt weiter: Sie verbessern die Spielmechanik ihrer Crisis-in-Command-Serie, so dass man noch anspruchsvoller und vielfältiger taktieren kann.

Die ohnehin ansehnliche, klar strukturierte Benutzeroberfläche wurde verfeinert, so dass sich Einsteiger etwas

Desert Fox bietet zwei Spielmodi: Die große El-Alamein-Kampagne vom 1. Juli bis 28. November 1942 sowie ein sehr flottes Szenario "Ruweisat Ridge" (vier Züge) und das etwas anspruchsvollere "Second Alamein" (vierzehn Züge). Hinzu kommen kleinere Tutorials.
schneller zurechtfinden und die Auswahl der Manöver sowie Siegpunktübersicht leichter fällt. Schön ist, dass die Neuerungen auch die besonderen Umstände der Wüstenfeldzüge widerspiegeln. Das fängt schon bei der wichtigen Versorgung an: Wer seine Truppen bedingungslos nach vorne scheucht, muss mit den Konsequenzen leben, was Sprit und Kampfkraft angeht. Auf der Karte Nordafrikas bedeutet das im Klartext, dass sich Infanterie und Panzer in dem Moment erschöpfen, wenn sie weiter als ein Feld ziehen oder in Gefechte verwickelt werden. Danach erscheint das rote Tanksymbol über ihnen, ihre Trefferchancen sinken und sie bewegen sich danach höchstens ein Feld weit. Was bedeutet das für das Spiel? Man hält sich frische Truppen viel bewusster in Reserve!

Die wichtigen Versorgungskorridore

Und das hat natürlich geostrategische Folgen: Um die erschöpften Truppen wieder zu versorgen braucht man einen Korridor aus eigenen besetzten Gebieten von der Front bis zur Eintrittszone. Selbst dann sinkt die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher

Zwei neue Truppentypen: Neben der Flak verfügen die Achsenmächte auch über leichte Aufklärungsfahrzeuge "Recon" - sie bewegt sich drei Felder weit, egal in welchem Gelände (!). Zudem verfügen die Briten um El Alamein herum über schwere Artillerie.
Versorgung je nach Entfernung. Aber man gewinnt auch wenige, sehr kostbare manuelle Versorgungspunkte, die man z.B. auf seine schlagkräftigen Panzer verteilen kann, so dass sie auf jeden Fall wieder voll aufgetankt und munitioniert sind. Wie lange spart man sich diese Joker auf? Schön ist nicht nur, dass die KI gezielt versucht diese Linien zu durchbrechen, um Truppen quasi von der Heimat abzuschneiden. Je nachdem, gegen welchen der vier KI-Generäle man antritt, kann man auch abseits von Rommel oder Montgomery andere Manöver beobachten: Nehring bevorzugt Panzerattacken, Kesselring stößt schnell vor, Alexander hält sich gegenüber Auchinleck eher bedächtig zurück. Unterm Strich ist Desert Fox schwieriger zu meistern als die bisherigen Titel, aber mitunter leistet sich die Computerintelligenz kleinere Aussetzer, wenn sie z.B. Truppen ohne Grund in aussichtslose Kämpfe schickt - obwohl man die Verluste ja als Prognosen anzeigen kann. Ansonsten gibt es bis auf kleinere Unstimmigkeiten (manchmal schaltet die Kamera beim KI-Zug wild zwischen den Einheiten) keine Bugs.

Das Warten auf den richtigen Zeitpunkt für Angriffe und Durchbrüche ist in Desert Fox noch etwas wichtiger als in den früheren Spielen. Vor allem für die Achsenmächte, denn Italiener und Deutsche kämpfen im Gegensatz zu den Truppen des Commonwealth zwar immer effektiver, wenn Panzer und Infanterie als gemischter Verband zusammen agieren, aber sie haben auch immer mit knapper Versorgung zu tun. Außerdem können die Briten mit ihren Luftangriffen gezielt Einheiten erschöpfen - falls sie nicht von den ebenfalls neuen Flugabwehrkanonen der Wehrmacht in Schach gehalten werden. Je nachdem, welche Fraktion man anführt, ändert sich also auch zwangsläufig die Herangehensweise. Dabei geht es nicht plump um Angriff und Verteidigung, sondern um die geschickte Anpassung von offensiven und defensiven Manövern an die eigenen Truppen sowie die äußeren Umstände.

Zwischen Wüstentälern und Minenfeldern

Egal welches Szenario man wählt: Die in 64 Parzellen unterteilte Karte ist immer gleich und reicht im Westen von El Daba über El Alamein in der Mitte bis im Osten nach El Hammah - es spielt sich also alles im heutigen Ägypten ab. Dem Terrain kommt dabei besondere Bedeutung zu, denn Hügelketten und unzugängliche Senken hemmen die Bewegung der Panzer und sorgen für ganz unterschiedliche Boni im Gefecht. Schade ist lediglich, dass das Wetter keine Rolle spielt, denn es gibt weder Stürme noch andere klimatische Widrigkeiten. Dafür ist die Infrastruktur tückischer als in Battle of the Bulge: Es gibt nur kleine Pfade in der

Gegen Rommel oder Montgomery? Oder jemand anderen? Jeweils vier KI-Widersacher mit anderen Herangehensweisen stehen zur Wahl.
Wüste sowie eine feste Küstenstraße im Norden - je nach Fahrzeugart und Gelände kann man entweder gar nicht oder nur schleppend oder bis zu vier Parzellen weit ziehen. Daher sind die leichten Aufklärungsfahrzeuge ("Recon") sehr nützlich für schnelle Vorstöße; sie bewegen sich drei Felder weit, egal in welchem Gelände.

Hinzu kommt eine weitere wichtige Neuerung: Minenfelder. Bis zu drei Minensymbole können sowohl auf Seiten der Achse als auch des Commonwealth in einem Feld auftauchen. Sie erhöhen nicht nur empfindlich die Trefferchance der Verteidiger, sondern sichern das Gebiet selbst dann noch für die eigene Seite, wenn keine Truppen mehr dort stehen - man hat also nach einem verlorenen Gefecht mehr Zeit für die Rückeroberung. Erst wenn der Gegner alle Minen über entsprechende Truppen beseitigt hat, darf er das Gebiet auch offiziell annektieren, so dass es eingefärbt wird. Auch hier wirken im Hintergrund fein abgestimmte Prozentwerte: Wer Minen bei anwesendem Feind entschärfen will, hat dabei 20% weniger Chancen als auf freiem Gelände. So wirken die Minen quasi einem allzu klaren Blitzkrieg wie noch in Battle of the Bulge entgegen. Und sie erschweren der Achse natürlich bei ihrer Offensive die Errichtung eines Versorgungskorridores.

Eine sehr feine Ergänzung der Spielmechanik sind zudem die Nachteinsätze: Sie

Neu: Die Nachtoperationen. Hinzu kommen Minenfelder, die Blitzangriffe eindämmen.
ermöglichen schnelle Operationen auf Seiten des Gegners, um z.B. Minen mit der Infanterie ungesehen zu entschärfen oder den Feind zu überraschen, der einen Malus auf seine Trefferchancen hinnehmen muss - Panzer darf man im Dunkeln allerdings nicht bewegen. Meist bekommt derjenige die Chance auf diese Aktion, der als Letzter in einer Runde attackiert hat und damit die Initiative besitzt. Dann darf man noch vor dem offiziellen Zug diese Sondermanöver für Truppen auf einem Feld einleiten, die sich dann auch nur ein Feld weit bewegen können.

Kampagne und Szenarien

Desert Fox bietet neben fünf kleinen Tutorials die zwei Spielmodi Kampagne und Szenarien. Die epische El-Alamein-Kampagne spielt vom 1. Juli bis 28. November 1942. Und sie schlägt in ihrer Dynamik sowie dem Anspruch alles, was man bisher in Battle of the Bulge oder Drive on Moscow spielen konnte. Nur hier gibt es keine alternativen Siegpunkte, nur hier entscheidet man sich alle zwei Wochen zwischen den zwei strategischen Haltungen Offensive und Defensive - mit eklatanten Folgen: Erstere ermöglicht ganz klassisch Bewegung und Angriff, Letztere dient der Versorgung und dem Aufbau der Defensive. Falls beide defensiv bleiben, darf man z.B. weitere Truppen hinzufügen, verletzte Truppen heilen oder Minen auslegen. Vor allem das Commonwealth profitiert hier von Aufrüstungen, die die bessere Versorgung der Briten widerspiegeln. Aber aufgepasst: Befinden sich eigene Truppen in dieser Phase auf feindlichem Terrain ohne direkte

Die Präsentation ist erstklassig. Und es gibt viel Hintergrundmaterial mit militärhistorischen Erklärungen.
Anbindung an eigene Gebiete, nehmen diese je nach Entfernung Schaden und können auch ganz von der Karte verschwinden.

Aber bevor man sich an diesen Feldzug über fünf Monate macht, sollte man unbedingt das sehr flotte Szenario "Ruweisat Ridge" (vier Züge) und das etwas anspruchsvollere "Second Alamein" (vierzehn Züge) spielen. In Ersterem lernt man quasi alle Elemente der Offensive; in Letzterem die noch wichtigere Defensive bei knapper Versorgung - vor allem für Spieler der Achse ist es sehr wichtig, die eigenen Stärken zu kennen, um gegen alle Widrigkeiten zu siegen. Selbst wenn man Battle of the Bulge mit Bravour gemeistert hat, muss man in der Wüste umdenken. Wann bewegt man sich am besten mit seinen schlagkräftigen Einheiten? Wo schafft man wann Korridore, wo können die Aufklärer schnell Minen entschärfen? Hat man die Flak optimal platziert und gemischte Verbände organisiert? Und wie schon in den Vorgängern motivieren die Siegpunkte: Wer clever diese Felder besetzt bzw. lange genug hält, kann hier ebenfalls gewinnen, ohne auf Seiten der Wehrmacht sechs Truppen nach Osten manövriert zu haben.

Ihr habt genug von der KI? Dann könnt ihr auch an einem iPad gegen einen Freund (man tauscht das Tablet nach jedem Zug) oder online inklusive Ranglisten und Erfolge über GameCenter antreten.

Fazit

Das ist wie Schach im Gelände - ein Fest für Rundentaktiker! Ich war ja schon sehr angetan von Battle of the Bulge und Drive on Moscow. Aber Desert Fox gelingt es tatsächlich, die Spielmechanik aus dynamischem Zeitmanagement und festen Ereignissen nochmal zu verbessern: Die Neuerungen in den Bereichen Versorgung, Minen und Nachtoperationen sorgen zusammen mit einer epischen Kampagne, in der man auf Seiten der Achsenmächte oder des Commonwealth gezielt zwischen Offensive und Defensive wechseln kann, für mehr taktische Vielfalt im Gelände und strategischen Anspruch in der Planung. Hinzu kommen Verfeinerungen in der Benutzeroberfläche und Präsentation, so dass auch Einsteiger etwas besser in diese Art rundenbasierter Wargames hineinfinden. Die Shenandoah Studios bewegen sich auf dem Tablet mittlerweile auf einem Niveau, das mich an die Qualität der Ensemble Studios auf dem PC erinnert - immerhin gehört Bruce Shelley zu den Beratern. Aber die wichtigste Inspiration für ihre mittlerweile dreiteilige Reihe "Crisis in Command" stammt von klassischen Wargames. Der namengebende Mark Herman hat u.a. mit Washington's War im Brettspielbereich überzeugt. Und was kommt nach dem Zweiten Weltkrieg? Der amerikanische Bürgerkrieg: "Gettysburg: The Tide Turns" soll im Sommer erscheinen. Und ich freu mich riesig drauf!

Pro

edle Präsentation
Rundentaktik mit innovativem Zeitmanagement
Achse oder Commonwealth spielen
vorbildliche Tutorials & Hilfetexte
epische Kampagne, zwei kürzere Szenarien
neues Versorgungskonzept
neue Minenfelder und Nachtoperationen
neue Flak- & Recon-Fahrzeuge
neue Artillerie und Luftwaffe
angenehm intuitive Steuerung
KI-Gegner mit anderen Verhaltensmustern
vier KI-Generäle pro Seite (einer freischaltbar)
historisch authentische Ausgangssituation
jede Schlacht läuft anders ab
Terrain und Nachschub wichtig
Online-Duelle über GameCenter
viel historisches Hintergrundmaterial
gelungene Akustik & Musik

Kontra

keine Wetterauswirkungen (Sturm etc.)
kleinere KI-Macken
nur englische Texte

Wertung

iPad

Edel, anspruchsvoll, unheimlich stilvoll designt - ein Fest für Rundentaktiker mit Tablet!

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