Ozone HD30.06.2010, Jörg Luibl
Ozone HD

Im Test:

Was passiert, wenn man das knifflige Spielgefühl eines Marble Madness mit den entspannten Erkundungsreizen eines Flower verknüpft? Wenn ich Ozone HD spiele, kommen mir beide Spiele in den Sinn. Ersteres, wenn ich meine verletzliche Kugel mal wieder haarscharf um eine Falle navigiere. Und Letzteres, wenn ich in den wunderschönen Labyrinthen helle Lichtpunkte sammle, während die Musik mysteriös im Hintergrund hallt.

Das edle Labyrinth

Wunderschöne Labyrinthe warten auf gute Kugelpiloten.
Wow, was ist das denn für ein Schmuckstück? Ozone HD bezaubert mit audiovisuellen Reizen, die man viel zu selten auf iPad findet: Da gleitet man schwerelos durch gestochen scharfe Labyrinthe mit Blumenverzierungen, sammelt gleißende Lichter ein und wenn man eine Wand touchiert, hört man je nach Symbol einen anderen Klang - man kann quasi über Karambolagen eine Melodie spielen. Und selbst wenn man sauber ohne Kontakt durch die prächtig designte Welt schwebt, wird man von einem sphärischen Soundtrack begleitet, der mal für ein mysteriöses Hallen, mal für angenehmes Rauschen sorgt.

Dieses Spiel kann locker mit den kleinen Schätzen mithalten, die man sonst nur im PSN oder über Xbox Live findet. Es erinnert in seinen Reizen an das Zen Gaming, das auch Spiele wie Flower auszeichnet: Entspannung und Wettbewerb in edlem Artdesign, so dass ein optischer und akustischer Fluss entsteht. Allerdings sind die spielmechanischen Hürden in Ozone HD weitaus größer und man kann sich hier nicht einfach so in einen Rausch schweben, um die Schönheit der Labyrinthe bei hohem Tempo zu genießen - das wäre tödlich. Denn man bewegt sich hier nicht durch ein Blumen-, sondern eher durch ein Stachelmeer, in das sich nur geduldige Veteranen wagen sollten.

Navigieren in der Todeszone

Auch in Vulkanwelten ist man unterwegs: Oben links die Anzahl der Lichtpunkte, die man sammeln muss, um einen Level abzuschließen.
Wie bekomme ich eine verletzliche Kugel aus Luft, die schon beim geringsten Kontakt mit Wänden an Lebenskraft verliert, an scharfen Dornen und rotierenden Klingen vorbei? Mit Ruhe, Übersicht und kleinen Bewegungen. Zu Beginn steht ein sechsstufiges Tutorial, das behutsam in die wesentliche Spielmechanik einführt, die zunächst an ein klassisches Kugelrollspiel im Stile eines Marble Madness oder Super Monkey Ball erinnert. Über 50 Levels in vier nacheinander freischaltbaren Welten mit den Themen Erde, Vulkane, Ozeane und Weltall warten auf Piloten mit guter Hand-Auge-Koordination.

Das ist kein Casualblender, sondern ein komplexes Geschicklichkeitsabenteuer - schon beim Üben wird man von der Vielfalt an Möglichkeiten überrascht: Es geht nicht nur darum, möglichst unversehrt in der Draufsicht durch ein Labyrinth zu navigieren und dabei eine bestimmte Anzahl heller Lichtpunkte einzusammeln, man muss auch Schlüssel verschiedener Farbe finden, Teleporter nutzen, fragile Mauern zum Einsturz bringen, sich in Kreisel und auf Schienen bewegen, seine Größe an schmale Passagen anpassen und die drei Waffen Blitzstrahl, Feuerbombe und Plasmaschüsse clever einsetzen - selbst Bosse sind am Ende eines Levels dabei.

Die Krux der Steuerung

Man navigiert die schwebende Kugel über einen Steuerkreis am linken Rand: Sobald man ihn antippt, sorgt ein kleiner Luftstoß für einen Antrieb in genau die Richtung, die man mit der Fingerspitze berührt hat - hier sind theoretisch 360 Grad möglich. Das Knifflige an der Steuerung ist die eigene Verletzlichkeit und die Tatsache, dass man sein Tempo vor Hindernissen manchmal schnell drosseln muss; dafür gibt es eine Art Bremse am rechten Rand: Nur wer dieses rote Symbol gedrückt hält, sorgt für den sofortigen Stillstand - sie reagiert also nicht abrupt. Das blaue Symbol darüber sorgt wiederum dafür, dass die Kugel kleiner wird, denn damit lässt man Luft ab. Nur so kann man manchen schmalen Korridor überwinden. Je schneller man die Levels abschließt, desto höher ist die Punktzahl.

Nicht nur fiese Fallen und kleine Feinde, auch große Bosskämpfe sind dabei.
Aber Vorsicht: Man hat nicht unbegrenzt Luft - und wenn sie futsch ist, zerplatzt man; ein Rushen ist angesichts der vielen Wände quasi unmöglich. Also sollte man darauf achten, nicht zu häufig mit Feinden oder Fallen zu kollidieren, denn dann schrumpft man rapide. Man kann allerdings an bestimmten Punkten Sauerstoff tanken und wieder an Volumen gewinnen. Diese Luftpumpenstationen sind quasi Ruhepunkte in einer gefährlichen Welt. Manchmal lässt sich die Kugel auch von einem harten Panzer umgeben, so dass man zerbrechliche Wände oder Hindernisse quasi mit Anlauf zerstören kann und sich keine Sorgen um Stacheln machen muss.

Trotzdem muss man sich stark konzentrieren, um wirklich präzise zu schweben oder genau zu schießen, denn die virtuelle Steuerung ist wesentlich empfindlicher und fehleranfälliger als ein Analogstick - vor allem der Einsatz der grünen Plasmaprojektile ist manchmal ein Glücksspiel. Zu Beginn flucht man noch, aber mit der Zeit kann man den richtigen Rhythmus finden, wenn man behutsam vorgeht. Man kann sich an die Flugbahn gewöhnen und über kleine Schübe selbst verzwickte Sackgassen und rotierende Fallen durchfliegen. Es ist allerdings ärgerlich, dass man die Steuerung nicht anpassen kann: Weder die Position oder Größe des Steuerkreises auf dem iPad noch seine Achsen oder Empfindlichkeit lassen sich modifizieren.

    

Fazit

Glückwunsch nach Madrid: So müssen Spiele für iPad sein - edel, kreativ und anspruchsvoll! Das ist nicht nur eines der schönsten Abenteuer, die man derzeit für Apples Plattform kaufen kann, das ist auch eines der unterhaltsamsten für Veteranen: Kein Casualblender, sondern ein Geschicklichkeitsspiel für geduldige Kugelakrobaten. Hier trifft die Schwierigkeit eines Marble Madness auf das entspannte Zen Gaming eines Flower. Aber obwohl der Ansatz mit der hoch aufgelösten Draufsicht optimal zum iPad passt und audiovisuell alles für Platin spricht, lässt die Steuerung etwas zu wünschen übrig: Ja, man kann sich daran gewöhnen und man kann mit Konzentration sehr präzise durch die Labyrinthe navigieren - hier werden behutsame Piloten mit Skills nach etwas Gewöhnungszeit ihre Erfolge genießen! Trotzdem hätte man zum einen die Möglichkeit der individuellen Anpassung bieten und zum anderen die Schüsse präziser umsetzen müssen. Unterm Strich sorgt die außergewöhnliche Präsentation sowie das kreative Leveldesign mit all seinen Fallen und Rätseln aber für klares Gold. Und ich freue mich schon auf das "most ambitious" Projekt der Spanier, das auf der Webseite nur "Pure Thrust" heißt.

PS: Ozone gibt es auch für iPod/iPhone. Es ist genau so empfehlenswert, allerdings auf dem kleinen Bildschirm nicht ganz so beeindruckend. Beide Varianten sind auch als Gratis-App zum Reinschnuppern erhältlich.

Pro

komplexes Geschicklichkeitsabenteuer
Entspannung & Anspannung
Kugel verkleinern & versteinern
ausführliches Tutorial
klasse Artdesign in vier Themenwelten
fiese Fallen und Windkanäle
Schlüssel, Rätsel, Bosse
über 50 fordernde Labyrinthe
sehr gute Musik & Soundeffekte

Kontra

- gewöhnungsbedürftige Steuerung

Wertung

iPhone

Kreativ, anspruchsvoll und wunderschön: Zen Gaming für Kugelakrobaten!

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