Gangstar: Miami Vindication12.10.2010, Jan Wöbbeking
Gangstar: Miami Vindication

Im Test:

Gameloft versucht sich an Rockstars Paradedisziplin. Gangstar: Miami Vindication führt den Spieler auf einen Ausflug in die Unterwelt Floridas. Wie im großen Vorbild GTA lässt sich die Stadt frei erforschen - mit Booten, Hubschraubern und natürlich jeder Menge vierrädriger Vehikel. Wir haben untersucht, ob die Straßenschlachten Spaß machen oder ob sich das verhältnismäßig kleine Team mit dem zweiten Open-World-Spiel übernommen hat.

Knarren, Kanäle und kitschiger Synthie-Pop

Auf den ersten Blick schindet die Großstadt ordentlich Eindruck: Nachdem ich den Fahrer aus einem fremden Sportwagen geprügelt habe, begebe ich mich erst einmal auf eine Spazierfahrt durch das erfreulich große, frei befahrbare Areal. Rund um die Wolkenkratzer wird die Stadt von realistisch nachempfundenen Kanälen durchschnitten, auf deren Wasser sich stimmungsvoll das Licht der Abendsonne spiegelt. Sobald ich etwas näher hinschaue,

Ob mit Neigungssensor, virtuellem Lenrad oder Schiebereglern: Boote, Autos und Motorräder verhalten sich viel zu bockig.
bekommt die hübsche illusion aber dicke Risse: Am stärksten stören die durchgehend niedrige Bildrate (getestet wurde auf einem Ipod Touch mit 32 GB Speicher) und die mitunter wilden Textur-Fehler. Manchein Straßenzug verwandelt sich durch massives Geflacker urplötzlich in einen Rasenfläche - oder er beginnt zu glänzen wie das Wasser in den Kanälen.

Nach der Besichtigungstour mache ich mich wieder an die Arbeit. Mein Alter Ego Johnny ist schließlich nicht zum Spaß in der Stadt unterwegs, sondern will seinen Bruder aus den Fängen von Gangster-Boss Vega befreien. Mit einem propellergetriebenen Flachboot mache ich mich auf den Weg zu einem Verbündeten. Der alteingesessene Hochstapler Roscoe lebt in einem abgelegenen Areal inmitten eines Sumpfes. Er hat zwar nicht mehr so viel Einfluss wie zu seinen besten Zeiten, besitzt aber immerhin noch eine Horde Krokodile, welche aufdringliche Besucher von seinem Anwesen fern halten. Als ich ankomme, beißen die Biester munter in meinen Waden herum, bevor ich dem Festmahl mit meiner Bleispitze ein Ende bereite.

König der Panzerechsen

Nachdem ich auch einen seiner Verwandten aus den Fängen der Reptilien befreit habe, versorgt Roscoe mich regelmäßig mit Aufträgen, welche auch mir auf meiner Mission weiterhelfen. Mal müssen Feinde aufgespürt, von der Straße gerammt und liquidiert werden, ein anderes mal greife ich zur Kamera und fotografiere konspirative Treffen.

Grillfreunde kommen mit dem Flammenwerfer auf ihre Kosten. Auch eine Bazooka, ein Scharfschützengewehr und andere Schätzchen lassen sich erwerben.
Natürlich bestreite ich auch Wettrennen auf den Straßen und Kanälen der Stadt. Oder ich spicke einen Polizeiwagen mit einer kleinen Bombe. Als ich kurz darauf erkenne, dass die Detonation den falschen Cop erwischt hat, renne ich schell eine Treppe hinauf und knipse mein Opfer mit dem Scharfschützengewehr aus - Mission erfüllt!

Die Entwickler haben sich Mühe gegeben, die Missionen nicht zu eintönig zu gestalten - trotzdem hat mir kaum einer der Aufträge wirklich Spaß bereitet. Entweder fällt die Aufgabe viel zu einfach aus oder die ungenaue Steuerung macht mir einen Strich durch die Rechnung. Trotz (abstellbarem) Auto-Aim und Deckungs-Mechnanik arten die meisten Feuergefechte in chaotisches Geballer aus. Wenn die Geschichte es vorsieht, schlüpfe ich auch kurzzeitig in die Rolle meiner Partnerin Betty und gebe Johnny Deckung, während eine Horde feindlicher Bandenmitglieder angreift. Sofern man genug Gesundheit mitgebracht hat, lassen sich die meisten Kämpfe recht einfach gewinnen - anders schaut es auf der Straße aus.

Stimmungskiller Touchscreen-Steuerung

Durch das träge Fahrverhalten und die schwammige Lenkung ist es ziemlich nervtötend, ein anderes Fahrzeug zu beschatten, ohne aufzufallen oder zu weit zurückzufallen. Ständig rausche ich in den Gegenverkehr oder bleibe anderswo hängen. Egal ob ich die Neigungs-Variante oder eines der Bedienelemente auswählte, das Ergebnis sorgt stets für Frust am Steuer. Nach einiger Zeit bin ich dazu übergegangen,

Auf dem iPhone 4 sieht die Kulisse dank Anpassung an das höher aufgelöste Retina-Display eine ganze Ecke hübscher aus.
lieber ein paar Fußgänger vom Bürgersteig zu rammen als zu ruckartige Lenkbewegungen zu machen, welche mich mit dem Gegenverkehr kollidieren lassen und mir so die komplette Mission versauen. Offenbar haben die Entwickler das auch erkannt, denn ich muss schon ganz schön viele Fußgänger ins Jenseits schicken, bis die Polizei endlich nach mir fahndet. Die Boote reagieren sogar noch bockiger als die vierrädrigen Fortbewegungsmittel: Eine falsche Bewegung und schon hängt man mit dem geschrotteten Boot auf der Böschung.

Immerhin sorgen ab und zu die Zwischensequenzen für eine angenehme Pause vom anstrengenden Gangster-Alltag: Die Charaktere wurden zwar mit reichlich kantigen Extremitäten ausgestattet und bewegen noch nicht mal ihre Lippen, doch der beauftragte Drehbuchautor der Serie "The Wire" hat gute Arbeit abgeliefert. Auch die englischen Synchronsprecher machen ihre Sache gut. Wer der englischen Sprache nicht mächtig ist, muss sich übrigens mit den deutschen Untertiteln zufrieden geben. Ein kleines Highlight sind auch die hochgradig albernen Radio-Spots über Menschenhandel, Banken mit vertrauenserweckenden Greifvögeln im Logo und andere Skurrilitäten. Wie bei GTA schalte ich zwischen einigen Radiostationen hin und her - inklusive dem obligatorischen Sender mit kitschigem Synthie-Pop. In Kürze soll übrigens auch eine iPad-Umsetzung des Spiels erscheinen - wann genau das sein wird, steht aber noch nicht fest.         

Fazit

Wer GTA: Chinatown Wars in- und auswendig kennt und nach gleichwertigem Nachschub für sein iPhone sucht, wird bei Gangstar: Miami Vindication nicht fündig. Gamelofts Gangster-Spiel bietet zwar eine erfreulich realistisch gestaltete Großstadt und mit 75 Missionen einen üppigen Umfang, doch es hapert am Feintuning. Der größte Knackpunkt ist die schwammige Touchscreen-Steuerung. Wenn man sich verkrampft durch den Verkehr mogelt, sorgt das bockige Fahrverhalten viel zu häufig dafür, dass man ohne Eigenverschulden in die Bande oder den Gegenverkehr rauscht. Auch an technischen Problemen wie den massiven Clippingfehlern wird deutlich, dass den Entwicklern Zeit oder Muße für das Projekt fehlte. Außerdem gibt es abseits der Story viel zu wenig zu tun. Statt sich wie bei GTA: Chinatown Wars als Drogendealer zu versuchen oder an der Tanke Molotow-Cocktails zu basteln, ackert man sich hier linear durch die Hauptmissionen. Schade, dass der Spielspaß so massiv unter der technischen Umsetzung leidet, denn andere Aspekte wie die Vertonung sind richtig gut gelungen. Allein wegen der lustigen Radio-Werbespots lohnt es sich, einfach mal ohne Zeitdruck ein wenig durch die Stadt zu cruisen.

Pro

<P>
beeindruckend große, realistisch modellierte Großstadt
Autos, Helis, Boote und zahlreiche andere Fahrzeuge
großer Umfang mit 75 Missionen
schräge Charaktere
unterhaltsame Dialoge
Missionen lassen sich direkt aus dem Menü starten
abwechslungsreicher Radio-Soundtrack
lustige Werbespots
gelungene englische Synchro</P>

Kontra

<P>
ungenaue Touchscreen-Steuerung
meist frustrierende oder simple Missionen
starke Popups und flackernde Polygone
niedrige Bildrate
blockige Charaktere
ungelenke Animationen
Lippen bewegen sich nicht
dämliche KI anderer Verkehrsteilnehmer
sehr lineare Missionen
keine Freizeitbeschäftigungen</P>

Wertung

iPhone

Eine schwammige Touchscreen-Steuerung und technische Probleme machen Gamelofts GTA-Klon trotz guter Ansätze zu einer frustigen Angelegenheit.

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