Eine Parallelwelt braucht Helden
Hey, das sieht ja aus wie das alte Ultima! Ja, aber recht schnell folgt den Tarotkarten FIFA-14-Werbung sowie der Shop.
Lady British ist verzweifelt: Vielleicht ein wenig, weil Lord British lieber zum Mond fliegt oder Geld für "
Shroud of the Avatar: Forsaken Virtues" sammelt. Aber vor allem, weil sich eine seltsame Seuche im Fantasyreich Britannia breitmacht. Das so genannte "Schwarze Tränen" überzieht das Land mit ekelhaften Flecken und Monstern. Wie praktisch, dass Helden von der Erde immun zu sein scheinen. Also ruft die Monarchin tapfere Recken, die fast wie im Klassiker moralische Fragen über Tarotkarten beantworten müssen. Man startet danach entweder als Kämpfer oder Magier in einer hübsch illustrierten 2D-Welt voller Pastellfarben. Und man steigt schneller auf als man Teufelskerl rufen kann.
Ist auch kein Wunder: Tippt man ein Monster an, haut der Held automatisch zu. Zwischendurch noch auf einen Heiltrank oder den Spezialangriff drücken - das wars. Spannung? Taktik? Fehlanzeige. In Bosskämpfen reicht es sogar meist, einfach auf dem Feld mit dem Obermotz zu stehen und im Rhythmus der Abkühlzeit zwei Icons anzuklicken: Spezialangriff, Heiltrank, fertig - gähn. Blizzards Hack`n Slay wirkt gegen dieses extrem simplifizierte Gekloppe wie eine Simulation.
"Lass dir nicht die Simpsons Springfield entgehen!"
Ein Boss? Keine Bange: Man kann nahezu jedes Gefecht mit simplen Fingertippern gewinnen. Taktik? Fehlanzeige!
Während man seinen 3D-Helden in einer schrägen Draufsicht mit dem Finger über die malerische Karte bewegt, überkommt einen nichtsdetotrotz fast ein nostalgisches Déjà-vu. Und hey, die Weltkarte ist ja riesig! Der erste Auftrag ist eher klein: Tränenschleim in der Kanalisation vernichten. Es folgen andere, viele andere, die aber meist in Gegnerwellen in einem Dungeon enden, wobei man hier mal eine Statue verschieben, da mal ausweichen oder etwas länger aushalten muss - das Spieldesign entspricht mit seinem Holen und Bringen, Suchen und Töten in etwa der öden Norm gewöhnlicher Online-Rollenspiele.
Aber selbst wenn man nach den ersten Dialogen mit der Lady und ihren Dienern noch ein wenig britannische Wärme verspürt: Die kalte Dusche folgt in regelmäßigen Abständen, fast wie eine Art Kneipp-Therapie gegen zu viel Immersion. Da sind z.B. Pop-ups, bevor man Kerker betritt: "Lass dir nicht die Simpsons Springfield entgehen!" - ähnlich wie in Dungeon Keeper muss man allerlei Datenaustausch mit Electronic Arts zulassen. Und der Publisher lässt keine Chance aus, die eigene Produktpalette in diesem Rollenspiel anzupreisen. Alles, was die Entwickler von Mythic hinsichtlich "Respekt gegenüber der Vorlage" schwadronierten, sollte man als mythologische Werbebotschaft betrachten.