Test: Mass Effect (Rollenspiel)

von Jörg Luibl





FAZIT



Das Abenteuer ist vorbei. Nach 27 Stunden und 43 Minuten läuft der Abspann. Wenn man den vom Chefdesigner bis zum Hausmeister durchlaufen lässt, dann hat ein Spiel verdammt viel richtig gemacht. Egal ob auf dem PC oder der Xbox 360: Man zollt den Entwicklern noch mal stillen Respekt. Bravo, BioWare, ihr habt mich sehr gut unterhalten! Ihr habt die Illusion eines glaubwürdigen Universums von schier unglaublicher Größe lange Zeit aufrechterhalten - bis zu dem Punkt, an dem sich die ersten Wiederholungen und Abgrasmechanismen einschlichen. Es fehlen mir letztlich mehr Momente der Entdeckung und Überraschung. Besonders schade ist, dass es nur eine große Stadt gibt und dass man nicht in denen der Außerirdischen landen kann - das hätte Mass Effect eine wahrhaft epische Größe gegeben. Erst auf Ilos, im großen Finale, kommt so etwas wie erhabene Stimmung auf, als man endlich mal eine verlassene Siedlung mit fremdartigen Skulpturen und überwucherten Mauern erforscht. Hier blitzt ganz am Ende noch mal das auf, was ich vorher so vermisst habe. Ich hatte noch beim Abspann das Gefühl, dass man mich etwas zu direkt mit einem verfrüht offenbarten Feindbild durch ein Epos geschleust hat, das trotz all seiner Lebendigkeit in den Bereichen Mimik, Gestik und Dialogführung, trotz seiner Genialität hinsichtlich der Dramaturgie, manchmal etwas zu steril wirkte. Hinzu kommen einige technische und inhaltliche Mängel: Die Texturprobleme auf der Xbox 360, die nervigen Levelröhrenkämpfe mit dem Mako, den man aber nicht aufrüsten kann, sowie die alten KotOR-Schwächen fehlender Reaktionen bei Diebstahl oder dem Waffenzücken. Aber das sind Peanuts. Der größte Vorwurf, den man diesem über weite Strecken packenden Abenteuer machen kann ist der, dass Dramaturgie und Dialoge viel stärker sind als die eigentliche Story oder die Befriedigung des Entdecker- oder Spieldrangs: Warum ist das Planetenerforschen so eintönig? Warum wirken die beiden Bars so leblos? Warum öffnen sich alle Schlösser so leicht? Warum kann ich den Mako nicht aufrüsten? Ansonsten bin ich von der Qualität überzeugt: Das taktische Kampfsystem hat sich trotz fehlender Einzelpositionierungen bewährt, die Missionen werden packend inszeniert und der futuristische Stil der 80er ist ebenso reizvoll wie das Kreaturendesign der Aliens. Letztlich ist die Tatsache, dass ich in moralische Konflikte gestürzt und emotional gepackt wurde, dass ich Entscheidungen mit spürbaren Konsequenzen treffen konnte, bei all den kleinen Schwächen immer noch ein verdammt seltenes und unheimlich kostbares Gütesiegel. BioWare hat hier nicht weniger als eine futuristische Welt neben Star Trek und Star Wars erschaffen. Unterm Strich bietet dieser erste Teil ohne Frage erstklassige Unterhaltung. Und es ist ohne Frage für mich das beste Rollenspiel des Jahres. Aber es bleibt einfach ein kleiner Rest Ernüchterung. Hoffentlich kann sich die Trilogie als Ganzes noch zu einem Meilenstein entwickeln. Vielleicht muss sich BioWare dafür noch stärker von Star Wars: Knights of the Old Republic lösen und alte Zöpfe abschneiden. Der erste Schritt ist getan. 



Ich kann mit Rollenspielen eigentlich gar nichts anfangen. Die mühselige Verwaltung von Charakteren, das Hantieren von unzähligen Gegenständen und Zufallskämpfe im Stil von Final Fantasy sind überhaupt nicht mein Ding. Hinzu kommt der Zeitfaktor: Ich hab keine Lust, mich wochen- oder gar monatelang durch eine Welt wie Oblivion zu leveln. Und WoW? Geh weg! Es gibt bisher nur eine ruhmreiche Ausnahme in meiner Zocker-Karriere, bei der ich mich trotz all dem Charakter-Management für ein Rollenspiel begeistern konnte: Knights of the Old Republic! Aber dieser Meilenstein hatte auch den Star Wars-Bonus, der zumindest auf mich positiv einwirkt. Jetzt ist Mass Effect da und was soll ich sagen? Es hat mich begeistert, gepackt, total geflashed - auch ohne Jedis, Sith-Lords & Co. Mich, den Rollenspiel-Muffel! Wie ist so was möglich? Es ist die Inszenierung mit diesen genial modellierten Charakteren, die mir das Gefühl geben, Teil eines interaktiven Science Fiction-Films zu sein. Dieses Gefühl hatte ich zuletzt bei Wing Commander III und IV. Es ist die liebevoll gestaltete Galaxis mit all ihren Planeten, es sind die individuellen (Alien-)Völker und interessanten Hintergründe, die mich in eine glaubhafte und durchdachte intergalaktische Gemeinschaft versetzen. Dabei bedient sich BioWare an Zutaten erfolgreicher Science-Fiction: Die vielen Spezies könnten Star Trek entsprungen sein; die Specter als Hüter von Frieden und Gerechtigkeit sind für mich vergleichbar mit Jedi-Rittern; die synthetischen Geth könnten entfernte Verwandte von Zylonen oder Borgs sein und die Reisen zwischen Galaxien durch aktivierte Protheaner-Technologie erinnert an Stargate. Schade ist nur, dass die Fronten zu schnell geklärt werden und es nicht den erwarteten Überhammer-Twist in der trotzdem hervorragend erzählten Geschichte gibt. Wären da doch nicht die Technik-Macken, die mich mit ihren ständigen Slowdowns und Texturproblemen aus dem Sci-Fi-Himmel reißen. Auch das Handling des Makos, der leider nicht mit neuen Waffensystemen aufgerüstet werden kann, hat mich nicht gerade überzeugt. Und wo sind die großen Weltraumschlachten mit Laser-Salven und wendigen Jägern, die eigentlich ein fester Bestandteil des Genres sind? Aber mal ehrlich: Das sind nur Kleinigkeiten! Genau wie die vereinzelten KI-Aussetzer und die fehlende Möglichkeit, das Squad im Kampf zu trennen. Davon abgesehen finde ich das Kampfsystem vorbildlich, da es mir genau die richtige Mischung aus Taktik und Action bietet. Wenn ich mir für ein Spiel die Nächte um die Ohren schlage, auf Mahlzeiten verzichte und selbst beim Einkaufen darüber nachdenke, wie die Geschichte wohl weiter gehen könnte, haben die Entwickler einiges richtig gemacht. Sogar so viel, dass Mass Effect für mich eines der packendsten Erlebnisse dieses Jahres darstellt. Und das, obwohl es "nur" ein Rollenspiel ist... Unglaublich!  
Entwickler:
Publisher: Microsoft
Release:
20.03.2009
14.05.2009
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ab 7,00€
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Vergleichbare Spiele

WERTUNG



Xbox 360

„Episch, prächtig, unwiderstehlich: Dieses SciFi-Abenteuer zieht mit seinen moralischen Konflikten alle emotionalen Register!”

Wertung: 89%

PC

„Technisch besser, inhaltlich gleich: Auch auf dem PC kann dieses futuristische Epos überzeugen.”

Wertung: 89%

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Lesertests

Kommentare

Stalkingwolf schrieb am
Mass Effect 1 hat auch schon paar Jahre auf dem Buckel. Teil 1 war imo auch der schlechteste Teil der Serie ( aber immer noch sehr gut ). Teil 2 ist der beste und Teil 3 ist knapp hinter Teil 2.
Im zweiten Teil nimmt das Copy&Paste merklich ab. Teil 3 ist von der Umgebung der beste Teil, aber die Storys ist in Teil 2 besser.
In Teil 2 liegt der Fokus auch mehr auf dem Gunplay und wurde imo auch stark verbessert. Einige mögen daher eher Teil 1 weil es mehr RPG Elemente besitzt die nach und nach in der Serie entfernt wurden.
Ich weiß nicht wie Teil 1 auf dme PC ist, da ich diesen auf der Xbox 360 gespielt habe. Aber ich erinnere mich das viele wegen dem Port gejammert haben. 2 und 3 sind auf dem PC technisch eine Bombe. Es gibt auch ( für 2 weiß ich nicht 100% ) auch HD Texturen zum Download.
Gummirakete schrieb am
Ja, ich bin spät dran, aber nun spiele ich auch ME auf dem PC (Trilogy gekauft). ;)
Alle in meinem Umfeld waren begeistert ? und ich kann es nicht nachvollziehen.
Schlauchförmige Level, erstellt mit Copy & Paste. Ob Weltraumfrachter oder eine unterirdische Station, dasselbe Layout. Selbst Planetenoberflächen sind geclont und kommen nur in anderen Farben daher. Alle Stationen auf den Planeten sind identisch. Furchtbar öde.
Ähnlich die Kämpfe. Da Gegner mitskalieren, spielt Ausrüstung kaum eine Rolle. Die selben Gegner von Level 5 sind jetzt auf 30 genauso leicht oder schwer zu knacken.
Die KI ist nervtötend, da meine Mitstreiter ständig zurückbleiben und ihre Fähigkeiten wahllos in Hindernisse versenken. An die Hand nehmen kann man sie schlecht, da im Zielmodus keine Ziele ausgewählt oder Laufpositionen festgelegt werden können.
Auch nerven Kleinigkeiten, wie lahme Aufzüge und Türen. Nebenaufträge in der Hauptstadt habe ich wegen der ewigen Lauferei abgebrochen.
Spaß machen die Dialoge und die Interaktionen mit den NPCs. Eigentlich zwinge ich mich nur wegen der Story zum Weiterspielen und hoffe auf den nächsten Teil. Darum spiele ich jetzt nur noch die Hauptquests.
Danny1981 schrieb am
Blood-Beryl hat geschrieben: DA2 als das bessere Spiel zu bezeichnen, erscheint mir trotzdem als Hardcore-Blasphemie.^^;
haha, glaub mir, ich WOLLTE Mass Effect mögen :)
Ich habs ja nicht umsonst so oft angefangen, weil ich gedacht hab "Das muss doch zünden!"
Ich LIEBE gute Storys in Spielen. Aber Mass Effect....puh....also, wenn das Spiel SO über die Story gelobt wird, bzw. für die Gruppendynamik und die Charaktere, aber die Interaktion mit Partymitgliedern im 15 Jahre alten Baldurs Gate bzw. Planescape Torment etwa 100x so intensiv war - dann sollte man sich halt fragen, ob da was mit den Ansprüchen nicht stimmt ;P
Und ich hatte / habe zur Zeit einfach lust auf ein "episches" RPG und Dragon Age 2 gab es da als Alternative (um Himmels Willen - kein sehr tolles Spiel^^). Als Vergleich wenn man beide eher "mäh" findet aber sie am selben Tag spielt - da sticht DA2 doch sehr positiv heraus : Besseres Skillsystem (ich benutze in DA2 jeden Skill!), Besseres Design (keine kargen, leeren Räume ohne Interiör - aber auch bei weitem nicht toll! Es geht nur um den VERGLEICH), Bessere Gruppendynamik....naja. Kein tolles Spiel, aber wirklich um Welten besser als das ME-Desaster...
Wurst :D
Ich habe mir jetzt nochmal Skyrim installiert und bin nach 2 Tagen modden fast soweit, dass ich stabil spielen kann :D
Nik_Cassady schrieb am
Blood-Beryl hat geschrieben:
das Kampfsystem kommt einem nach ME2&3 aber absolut krampfig vor.
Mir hat das Kampfsystem aus ME 1 mit gewaltigem Abstand am besten aus der Reihe gefallen.^^
Das Überhitzungssystem finde ich einfach deutlich dynamischer und einen Tick taktischer als die Munitionsbeschränkungen der Nachfolger.
Ich hatte bei dem ME1 replay das Gefühl förmlich an den Wänden in Deckung zu kleben und mich erst wieder mühsam abschälen zu müssen bevor ich mich wieder frei bewegen konnte. Krampfig im Sinne von undynamisch.
johndoe827318 schrieb am
das Kampfsystem kommt einem nach ME2&3 aber absolut krampfig vor.
Mir hat das Kampfsystem aus ME 1 mit gewaltigem Abstand am besten aus der Reihe gefallen.^^
Das Überhitzungssystem finde ich einfach deutlich dynamischer und einen Tick taktischer als die Munitionsbeschränkungen der Nachfolger.
Leider hat mir das Gamedesign zu viele Macken als dass ich den Teil nochmal durchspielen würde (ewig langes Planetenabgrasen mit dem Fahrzeug; zu oft zu lange Kampfdurststrecken...).
DA2 als das bessere Spiel zu bezeichnen, erscheint mir trotzdem als Hardcore-Blasphemie.^^;
schrieb am