Kingdom Under Fire: Circle of Doom21.01.2008, Mathias Oertel
Kingdom Under Fire: Circle of Doom

Im Test:

Über Rollenspiele kann man sich auf der Xbox 360 in letzter Zeit wahrlich nicht beklagen. Bei der Subkategorie Action-Rollenspiel hingegen, auch als Hack&Slay bekannt, ist seit Marvel Ultimate Alliance eine Dürrephase eingekehrt. Das könnte sich jetzt ändern, denn mit Kingdom Under Fire Circle of Doom stehen die Microsoft Game Studios bereit, um euch gegen Hundertschaften von Monstern samt Tausender Gegenstände zu hetzen...

Ein Genre im Auf und Ab

Die Action-Rollenspiele haben eine bewegte Geschichte hinter sich: Mit Titeln wie der Diablo-Serie, Nox, Revenant oder Darkstone hatte man die PCs Ende der 90er Jahre, Anfang des neuen Jahrtausends fest im Griff. Doch dann stagnierte das Genre auf Rechenknechten und die Konsolen übernahmen das Ruder. Baldur´s Gate Dark Alliance Dungeons & Dragons Heroes, Champions of Norrath, um nur einige zu nennen, überzeugten mit eingängigen, aber dennoch tiefer gehenden Spielmechaniken als ihre PC-Verwandten und liefen ihnen den Rang ab. 

Gelungene Kulissen sind die eine, spielerische Rückschritte in die Hack&Slay-Steinzeit die andere Seite der Circle of Doom-Medaille...
Mittlerweile hat sich das Blatt wieder gewendet: Mit Ausnahme von dem mittlerweile auch schon wieder über ein Jahr alten Marvel Ultimate Alliance hat sich der PC diese Domäne wieder zurück erobert: Titan Quest, Silverfall, Avencast, Hellgate London und noch einige andere Hack&Slayer haben das Genre wieder zu altem Ruhm geführt. Da, wie wir alle ja wissen, sich Geschichte allerdings permanent wiederholt, ist es wieder Zeit für eine Wachablösung hin zur Konsole. Zumindest nach Meinung von Blue Side Software, den Microsoft Game Studios und ihrem Projekt Kingdom Under Fire - Circle of Doom (CoD) geht.

Alter Ruhm und neue Schwächen

Kingdom Under Fire (KuF) hat als Serie eine fast so weitreichende Historie zu vermelden wie das Genre der Action-Rollenspiele. Gestartet auf dem PC als ansprechender Echtzeitstrategie-Geheimtipp, dann auf der Xbox mit den Varianten KuF Heroes und KuF Crusaders als Dynasty Warriors-Verschnitt mit enormem taktischen Einschlag zu großer Form aufgelaufen, ist mittlerweile die Taktik vollkommen aus CoD verschwunden - theoretisch brauchen Spiel dieser Art auch keine, aber die Mischung war damals doch sehr appetitlich und trug dazu bei, das koreanische Abenteuer von der Konkurrenz abzuheben. Das ist jetzt nicht mehr der Fall.

Doch dies ist leider nicht das einzige Problem, das CoD mit sich herumschleppt. Hinzu kommt, dass die Koreaner den Fokus auf Hack&Slay pur nicht ausnutzen können. Und das, obwohl das Grundprinzip erfolgreicher Genre-Vertreter ohne Taktikelemente eigentlich leicht umzusetzen scheint: Zig Bestien, einfache Steuerung, spektakuläre Spezialfähigkeiten sowie haufenweise Gegenstände und schon hat man alles, was den Monsterjäger glücklich macht. Und diese Elemente finden sich natürlich auch hier. Dennoch ist es erstaunlich, mit wie viel Präzision das Blue Side-Team es schafft, haargenau am Ziel köstlicher Actionunterhaltung vorbei zu schießen.

Das Figurendesign ist ebenso aufwändig wie fantasievoll!
Nehmen wir z.B. die sechs zur Verfügung stehenden Charaktere, die vom langsamen "Wo ich hinschlage, wächst kein Gras mehr"-Typ bis hin zum rasend schnellen Ninja-Verschnitt reichen und so alle wesentlichen Archetypen beinhalten. Dass jede dieser Figuren eine eigene Geschichte hat, ist selbstverständlich. Weniger selbstverständlich ist jedoch, dass diese Figuren sich trotz unterschiedlicher Beweggründe, die allerdings sehr unspektakulär erzählt werden, immer durch dieselben Levelschläuche schnetzeln. Immerhin können sich die knapp ein halbes Dutzend Welten sehen lassen. Sie reichen von üppig begrünten Wäldern über düstere Wüsten bis zu depressiven Sümpfen und werden nach dem Zufallsprinzip aus zusammen gesetzt.

Klick&Blöd-Kampfsystem

Dass das Kampfsystem es nicht schafft, sich an gültige Standards anzunähern, ist die größte Enttäuschung. Immerhin hat das gleiche Team mit Ninetynine Nights bereits bewiesen, dass man es versteht, actionlastige und gut zu steuernde Massenschlachten auf den Bildschirm zu zaubern. Doch bei CoD schien man sich unschlüssig gewesen zu sein, in welche Richtung man nun gehen wolle. Das Ergebnis ist ein unheimliches maues Knopfgehämmer, das negativ an PC-Spiele mit ihren Klick-und-Blöd-Mechanismen erinnert.

      

Nicht einmal die Spezialfähigkeiten, die ihr in einer Art unspektakulärer Traumwelt lernen könnt und für deren Freischaltung ihr eine bestimmte Anzahl Monster töten müsst (wieso, wissen wohl nur die Entwickler), können den Eindruck verbessern.

Denn bis auf sehr wenige Ausnahmen findet sich bei keiner der Figuren eine Fähigkeit, die es wert ist, den ganzen Stress auf sich zu nehmen. Im Normalfall -und das ist auch der nicht vorhandenen KI zuzuschreiben- reicht es, wie wild X oder A zu drücken, um sich der Feinde zu entledigen. Oder schlimmer noch: Ihr haltet euch in der Entfernung und beharkt die tumben Monster mit Distanzwaffen und freut euch darüber, dass sie einer nach dem anderen umfallen, ohne einen Schritt auf euch zuzugehen...

Natürlich stehen auch fette Bossgegner auf der Speisekarte...
Schlampige Item-Symbiose

Auch das Gegenstands-System möchte viel, scheitert aber bereits an Kleinigkeiten. Allerdings muss man CoD zugute halten, dass man nie Probleme mit Gesundheits- oder Manatränken bekommt, da diese ebenso wie alles andere im Überfluss ausgeschüttet werden.

Doch wieso das Waffen- und Rüstungsaufwertungssystem derart draufgestülpt und teils unlogisch wirkt, entzieht sich meinem Verständnis. Dabei gibt es doch schon zahlreiche Genre-Vertreter, die gezeigt haben, wie es gehen kann. Dark Alliance mit dem Sockel-System, bei dem ihr Attribut-verstärkende Edelsteine in Waffen oder Rüstungen einsetzt. Oder selbst Two Worlds mit seinem "Gleicher Typ verstärkt Waffe oder Rüstung"-System.

CoD setzt auf ein "Symbiose-System". Soll heißen: Ihr habt die Möglichkeit, bei bestimmten Händlern Waffen oder Rüstungen miteinander zu verschmelzen und auch noch andere Gegenstände mit einfließen zu lassen. Hört sich nicht schlecht an? Stimmt. Auf dem Papier klingt das gut. Doch die Umsetzung ist einfach nur schlampig. Die Attribute der "neuen" Waffe sind nur selten deutlich besser als die der zusammengefügten Teile und letztlich scheint dies nur ein Mittel der Entwickler zu sein, um euch von eurem Gold abzuhelfen, für das es sonst keinerlei Verwendung gibt...

Da man aber immer wieder eine neue Waffe oder eine Rüstung findet, die tatsächlich sinnvoll genutzt werden kann und die rudimentären Grundkonzepte nach wie vor ziehen, können hartgesottene Dungeon-Plünderer durchaus ein paar interessante Stunden gefüllt mit unkompliziertem Monsterplätten erleben. Vorzugsweise allerdings mit Gleichgesinnten. Zwar gibt es keinen Splitscreen-Modus (geteiltes Leid ist halbes Leid), doch online können bis zu vier Recken den Monsterhorden den Garaus machen. Zwar ist hier auch keinerlei Taktik oder gar Absprache zwischen den Schnetzlern nötig, doch im Quartett kommt tatsächlich so etwas wie Unterhaltung auf.

Vergebene Liebesmüh

Angesichts der technischen Umsetzung ist es umso bedauerlicher, dass die Entwickler es nicht verstanden haben, Circle of Doom auf ein spielerisches Niveau jenseits von "solide" zu heben. Die Animationen aller Figuren gehen in Ordnung - auch wenn die Kämpfer alle an dem gleichen Syndrom leidern, dass eine Kombo erst komplett abgespult wird, bevor man

Die Kulisse ist teils idyllisch, teils bedrohlich, aber in jedem Falle streng linear...
"spontan" seine Bewegungsrichtung ändern kann. Und es gibt sogar das eine oder andere kleine Highlight wie z.B. das Zweihand-Schwert, mit dem man tatsächlich den Level geometrisch verändern und Gräben und Furchen in die Landschaft ziehen kann.

Überhaupt muss man sagen, dass der düstere, manchmal sogar "schmutzige" Stil zwar sicherlich nicht dazu geeignet ist, um die Fähigkeiten der 360 auszuloten, aber insgesamt ansehnlich ist. Wieso man es allerdings nicht geschafft hat, das immer wieder auftauchende, teils üble Tearing in den Griff zu bekommen, ist eines der vielen Geheimnisse, die CoD umgeben. Auf der anderen Seite bekommt man wie bei Ninetynine Nights teils über Hundert phantasievoll designte Gegner präsentiert, die natürlich von spektakulären, Bildschirm füllenden Bossmonstern angeführt werden. Wenn jetzt auch noch die Bosskämpfe wenigstens annähernd so spannend wären wie sagen wir mal in der Devil May Cry-Serie, könnte man das Design noch mehr zu schätzen wissen.  Akustisch bekommt man die üblichen Schlag- und Grunz-Samples sowie ein multilinguales System, bei dem sowohl die deutsche als auch die englische Sprachausgabe absolut in Ordnung gehen. Das kann man allerdings von der Musik weniger behaupten, deren eintönige Kompositionen bereits nach kurzer Zeit sogar stärker an den Nerven nagen als die Schwachpunkte der enttäuschenden Spielmechanik.   

Fazit

Uiuiuiuiui! Ich spiele seit Jahren fast alles, was mir auf Konsole und PC im Action-Rollenspiel-Bereich in die Finger kommt. Und ich bin bekennender Fan der KuF-Spiele auf Xbox. Doch dieses Circle of Doom verdirbt mir den Hack&Slay-Appetit: Technisch durchaus okay, hat das Entwicklerteam sich bei Fragen hinsichtlich der Spielmechanik mit nahezu zielsicherer Genauigkeit immer für die falschen Antworten entschieden. Wieso gibt es keine offene Welt, sondern nur Levelschläuche? Wieso sind die Sonderfähigkeiten zwar prinzipiell interessant, aber faktisch nahezu nutzlos? Wieso ist die Gegenstandsverbesserung derart undurchschaubar und scheinbar zufällig? Wieso sind selbst Bosskämpfe fast vollkommen spannungsfrei? Fragen über Fragen, die deutlich machen, dass sich Blue Side mit Circle of Doom letztlich nicht nur übernommen, sondern hinsichtlich der wichtigen Spannungsmomente fast schon schlampig versagt hat. Selbst wenn mich das Jagen und Sammeln kurzfristig immer wieder mal ans Pad gelockt hat, bleibt immer ein sehr schales Gefühl zurück. Selbst ich als eingefleischter Monstermetzler konnte auf lange Sicht einfach keinen Gefallen an diesem unausgereiften, viel zu linearen und erzählerisch belanglosen Abenteuerversuch finden.

Pro

eingängige Steuerung
sechs spielbare Charaktere
phantasievolles Charaker- und Gegenerdesign
umfangreiche Gegenstandsausschüttung
online mit vier Spielern möglich

Kontra

KI Fehlanzeige
Sonderfähigkeiten grenzwertig nutzlos
unausgereifte Gegenstandsverbesserung
Story? Welche Story?
”Klick&Blöd” auf Konsole
Tearing-Probleme
lineare Levelschläuche

Wertung

360

Ein interessanter Grafikstil kann nicht verschleiern, dass Circle of Doom bereits an elementaren Mechaniken scheitert.

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