Lego City Undercover25.04.2013, Mathias Oertel
Lego City Undercover

Im Test:

Vor etwa vier Wochen konnten Nintendo-Spieler erstmals Bekanntschaft mit dem Polizisten Chase McCain machen, der auf Wii U in die offene Welt von Lego City Undercover (ab 6,25€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) entführte. Auf dem 3DS wird nun die Vorgeschichte erzählt, die in vielerlei Hinsicht ein ähnliches Potenzial zeigt.

Die spröden Anfänge einer Legende

"Vor ein paar Jahren war Chase McCain ein junger, aufstrebender, sehr talentierter Cop in Lego City." So habe ich vor wenigen Wochen den Test zur Wii U-Version von Lego City Undercover begonnen. Auf Nintendos 3D-Handheld darf man jetzt im schlicht "The Chase Begins" untertitelten Ableger genau dieses "Vor ein paar Jahren" erleben. Denn anstatt einfach nur die Inhalte der Wii U-Version auf den 3DS zu kopieren und technisch anzupassen, erzählt Traveller's Tales hier, wie Chase zu dem Supercop wurde, den man auf dem stationären System steuerte. Das ist prinzipiell eine clevere Idee. Allerdings bleibt die Erzählung mobil vor allem hinsichtlich des charmanten Humors hinter dem zurück, was auf Wii U sowohl auf Deutsch als auch noch mehr auf Englisch immer wieder für ein Schmunzeln oder prustendes Lachen sorgte.

Nicht nur, dass Anspielungen auf einschlägig bekannte Polizei- oder Actionfilme, die natürlich auch hier Grundlage der durchsichtigen Geschichte sind, nur höchst oberflächlich bleiben. Durch die starke Reduzierung der filmischen Zwischensequenzen und dem erzwungenen Fokus auf schwach inszenierte sowie vollkommen ohne Sprachausgabe und nur mit wenig Musik auskommende Szenen wird die Atmosphäre merklich gedämpft. Als ob das nicht reichen würde: Es gibt keine Möglichkeit, die aus nur wenigen, häufig belanglosen Sätzen bestehenden Dialoge abzukürzen. Man muss sie quasi aussitzen. Und damit habe nicht nur ich als erwachsener "Schnellleser" ein Problem. Auch jüngere Spieler zeigten sich häufig vom nicht abbrechbaren Lesezwang genervt.

Nachgelagerte Problematik

Die Kämpfe sind zu leicht und können mitunter blind bewältigt werden.
Die Kämpfe sind zu leicht und können mitunter blind bewältigt werden.
Und das zieht einen ganzen Rattenschwanz kleinerer Probleme nach sich. Die haben zwar jedes für sich nur kleine Auswirkungen auf die Motivation. Doch in der Summe sorgen die Unterschiede zum stationären Halbbruder für ein anderes Spielerlebnis. Oder um einen Vergleich aus der Lego-Welt zu bemühen: Auf Wii U baut man ein Modell aus der Technics-Serie, während man mobil quasi mit Duplo-Steinen spielt. Die Kernmechanik ist identisch, die Komplexität könnte jedoch kaum unterschiedlicher sein. The Chase Begins nutzt viele mechanische Elemente, die man von Wii U kennt, die überraschend akkurat nachgebildet wurden, so dass Veteranen sich schnell zurecht finden und auch die eine oder andere Sehenswürdigkeit wieder entdecken. Man läuft oder fährt durch die Stadtviertel, kann dabei einiges entdecken, folgt dem gut acht bis zehn Stunden dauernden Hauptmissionsstrang, kämpft dort auch immer wieder gegen böse Buben und schaltet nach und nach neue Kostüme frei. Diese sind mit bestimmten Fähigkeiten verknüpft, die nicht nur in der Kampagne wichtig sind, sondern auch in der Spielwelt Zugang zu neuen Bereichen und Elementen ermöglichen. Nur als Polizist kann man an bestimmten Positionen Spuren lesen oder seine Enterhaken-Pistole einsetzen. Das Farmer-Outfit wiederum ermöglicht einem, an einem Huhn hängend größere Distanzen schwebend zu überbrücken oder Pflanzen wachsen zu lassen, an denen man sich zu neuen Arealen hochhangelt. Der Grubenarbeiter, Feuerwehrmann oder Astronaut haben alle ihre Eigenheiten, die im zunehmenden Spielverlauf für etwas komplexere Rätsel sorgen.

Wobei "komplex" in diesem Fall ein dehnbarer Begriff ist, denn unter dem Strich werden selbst jüngere Spieler nicht gefordert. Das gesamte Anforderungsprofil unterbietet die nur selten anspruchsvolle Wii U-Variante, was sich vor allem im Kampf bemerkbar macht.

Die wenigen filmischen Zwischensequenzen sind gelungen.
Die wenigen filmischen Zwischensequenzen sind gelungen.
Dieser dürfte nicht einmal Anfänger vor Probleme stellen. Aus purer Neugier habe ich sogar versucht, ob es möglich ist, die Gegnerschar ohne Blick auf den Bildschirm zu besiegen - und siehe da: Es geht. Nicht, dass es eine Rolle spielen würde, denn wenn die Herzen als Lebensenergie aufgebraucht sind, gibt es keine nennenswerte Bestrafung in irgendeiner Form. Wo bei den Lego-Titeln von Star Wars bis hin zur Herr der Ringe-Variante ein Ableben mit dem für die Level-Endabrechnung wichtigen Verlust von Lego-Noppen einhergeht, ist es hier irrelevant - da man keine Endabrechnung hat, in die etwaige Verluste einfließen können. Wenn man jetzt an einen Punkt kommt, an dem man sich 30 Sekunden durch die Welt bewegt, dann ein nicht abbrechbarer Dialog erscheint, dem ein anspruchsloser Kampf folgt, beginnt sich der Frust aufzustauen. Der entlädt sich spätestens dann, wenn diese Schleife (kurze Bewegung, Dialog, Kampf) noch drei Mal wiederholt wird, weil den Entwicklern offensichtlich die Ideen ausgehen - mit dem Ergebnis, dass ich den 3DS erst mal schließe oder gleich ganz abschalte.

Widerwilliges Vergnügen

Doch ich ertappe mich auch dabei, dass ich der Bauklotz-Metropole trotz aller mechanischer Defizite immer wieder einen Besuch abstatte. Denn abseits der Kämpfe findet sich das gleiche charmante, unkaputtbar scheinende Spielgefühl - auch wenn sich die Fahrzeuge schwammiger steuern als am großen Bildschirm und der Touchscreen hinsichtlich Nutzung oder Funktionalität ähnlich unterfordert ist wie das Wii U-GamePad. Ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Chase weiter geht und wie es zu den Ereignissen kam, die am Anfang vom "ausgewachsenen" Lego City Undercover angerissen wurden.

Man kann haufenweise Fahrzeuge kapern, die sich jedoch alle schwammig steuern.
Man kann haufenweise Fahrzeuge kapern, die sich jedoch alle schwammig steuern.
Spieler, die keine emotionale Anbindung an den stationären Vorläufer haben, werden sich (ungeachtet des Alters) dagegen aller Wahrscheinlichkeit nicht dazu durchringen können, den Cop bis zum Ende auf seiner Mission zu begleiten - und schon gar nicht, danach noch alle Geheimnisse der Stadt zu lüften.

Und das, obwohl The Chase Begins technisch einen ordentlichen Eindruck hinterlässt. Die unterschiedlichen Stadtteile sind ansehnlich, ich fühle mich in Lego City wohl, der Wiedererkennungswert ist hoch. Während die allgemeine Sichtweite in Ordnung geht, kriegt der farbenfrohe Lack bei bewegten Objekten jedoch erste Risse. Sowohl die gut animierten Figuren als auch Fahrzeuge werden unheimlich spät ins Bild geploppt. Teilweise findet dies in geschätzten zehn Meter Entfernung statt, was erst recht unangenehm ist, wenn man mit einem Flitzer unterwegs ist und man unvermutet ins nächste Auto rast, das sich vor einem so knapp materialisiert, dass man keine Ausweichmöglichkeit mehr hat. Bedauerlich sind die Ladezeiten, die sich beim Wechsel in ein neues Stadtviertel bemerkbar machen und auch mal jenseits der 30 Sekunden-Marke (also einer gefühlten Ewigkeit) liegen. Dadurch wird nicht nur der aufkeimende Spielfluss gestört, man verliert zudem ein Gefühl für die Größe der Stadt, die auf das kleine Modul gestopft wurde bzw. etwa 5900 Blöcke auf der SD-Karte einnimmt.

Fazit

Ich weiß die Ambition von Traveller's Tales zu schätzen, das Erlebnis einer offenen Welt auf dem 3DS anzubieten. Doch Ehrgeiz hin, guter Wille her: Von der Umsetzung bin ich im Vergleich zur Wii U enttäuscht. Dabei kann ich der Technik nur eingeschränkt einen Vorwurf machen. Die allgemeine Sichtweite in der Stadt ist zwar angenehm, Figuren und Fahrzeuge ploppen jedoch spät rein und zu allem Überfluss sorgen mitunter hohe Ladezeiten zwischen den Stadtvierteln dafür, dass man kein Gefühl für die Größe der Stadt bekommt. Dennoch bin ich gerne durch Lego City gelaufen oder gefahren - was in erster Linie dem von Wii U bekannten Spielgefühl zu verdanken ist, das sich trotz nochmals reduzierten Schwierigkeitsgrads und in vielerlei Hinsicht abgespeckten Mechaniken auch auf dem 3DS wiederfindet. Und weil ich unbedingt wissen wollte, was Chase McCain vor seinem Wii U-Ausflug erlebte. Dieser Willen wurde allerdings immer wieder auf eine harte Probe gestellt: In erster Linie von Defiziten wie einem viel zu niedrigem Anforderungsprofil, was sich auch in beinahe blind zu erledigenden Kämpfen äußert. Aber auch von der banalen Story, die bis auf zu wenige Ausnahmen nahezu ihren kompletten Humor eingebüßt hat, durch den sich das "große" Lego City Undercover auszeichnete.

Pro

ansehnliche Kulisse...
einiges zu tun, zu entdecken und freizuspielen
offene Welt lädt zum Erkunden
nette Geschichte im Stil klassischer Copfilme Hollywoods

Kontra

... die aber im Detail Schwächen offenbart
Potenzial der offenen Welt wird nur angekratzt
starke Ladezeiten zwischen den Stadtvierteln
kaum Sprachausgabe
insgesamt sehr leicht
Touchscreen wird kaum genutzt
Humor der Wii U-Version weitgehend Fehlanzeige

Wertung

3DS

Die Kulisse hinterlässt trotz Detailschwächen einen guten Eindruck, mechanisch und inhaltlich bleibt man deutlich hinter der Wii U-Variante zurück.

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