Pokémon Super Mystery Dungeon26.02.2016, Mathias Oertel
Pokémon Super Mystery Dungeon

Im Test: Kampf mit dem Zufall

Zum Jubiläum der Taschenmonster lässt es Nintendo krachen: In diesem Jahr erscheinen mehr Pokémon-Titel als sonst in einer ganzen Konsolengeneration, möchte man meinen. Doch gänzlich neue Konzepte sind nicht darunter. Denn auch Super Mystery Dungeon setzt auf Bekanntes. Was die auf Kampf fokussierten Ausflüge in zufällig generierte Höhlen bieten, verraten wir im Test.

Ich bin wer?!?

Nach einer Hand voll Fragen, die denen einschlägiger Internet-Tests wie "Welcher Disney-Bösewicht bist du?" ähneln, verrät mir Super Mystery Dungeon, in welcher Pokémon-Rolle es mich durch das Abenteuer lotsen würde. Und natürlich: Ich bin Pikachu! Ausgerechnet das gelbe Markenzeichen der Serie. Glücklicherweise kann ich manuell nachbessern und mir aus einer Liste von 20 Taschenmonstern meinen Favoriten auswählen - ich entscheide mich schließlich für Fennekin. Danach wird mir ein Partner zugeordnet, den ich aber ebenfalls eigenständig aus einer Liste wählen darf, so dass ich schließlich mit dem Pinguin Piplup an meiner Seite losziehe. Erzählerisch setzt Super Mystery Dungeon auf den Verwandlungsfaktor. Es kokettiert damit, dass der Spieler in ein Pokémon verwandelt wurde und sich in der beschaulichen Kleinstadt Ruhenau nicht nur damit auseinandersetzen muss, dass man ein Taschenmonster ist.

Wieso bin ich Pikachu? Naja, man kann immerhin auch manuell aus den 20 Helden-Pokémon seinen Favoriten wählen.
Man muss hier nicht nur schnöden Alltags-Anforderungen wie Schulbesuchen etc. folgen, sondern auch die anderen überzeugen, dass man eigentlich ein Mensch ist, während man so ganz nebenbei kampffokussierte Ausflüge in Höhlen, Wälder oder andere gefährliche Gebiete unternimmt. Auf seinen Reisen kann man über 700 bekannten Pokémon begegnen, sich mit einem Haufen davon anfreunden und viele (darunter auch legendäre) sogar in seine Gruppe aufnehmen und dann Seite an Seite mit ihnen kämpfen. Schade ist allerdings, dass die Geschichte zu sehr auf eine ganz junge Zielgruppe zugeschnitten wurde. Man begegnet zwar von Zeit zu Zeit auch sehr ernsten Themen wie Mobbing, Fremdenfeindlichkeit oder Auswirkungen von Vorurteilen, die ohne streng erhobenen Zeigefinger behandelt werden. Doch zu häufig bleibt die Geschichte platt oder wird mit schwachen Gags gefüllt, für die sich selbst  Disney’s Lustige Taschenbüchern zu schade wären. Schade, denn so plätschert das Geschehen meist vollkommen belanglos vor sich hin. Und auch Kinder erwarten mittlerweile mehr als seichte Kopf-Aus-Unterhaltung.

Dungeon-Crawler mit Pokèmon-Kämpfen?

Die Kulisse geht in Ordnung, verlässt sich mit ihrem Baukastenprinzip in den Dungeons aber auf zu viel Bekanntes.
Immerhin: Sobald es nach mitunter einschläfernd langen Dialogszenen in die Höhlen, dunklen Wälder oder über grüne Wiesen ins Abenteuer geht, nimmt Super Mystery Dungeon Fahrt auf - zumindest etwas. Allerdings darf man hier ebenfalls keine Überraschungen erwarten, Nintendo setzt auf Bekanntes. Wie im Vorgänger "Portale in die Unendlichkeit" findet die Bewegung quasi rundenweise statt. Erst bewegt man seinen Helden, wobei die Mitläufer der Gruppe meist wie an der Schnur gezogen folgen,  dann ziehen alle auf der jeweiligen Dungeon-Etage befindlichen Gegner. Bei normaler Navigation durch die verschalteten Gebiete entsteht dadurch zwar fast ein Echtzeit-Eindruck. Doch spätestens wenn ein noch nicht sichtbarer Gegner irgendeinen Unterstützungszauber wirkt und dadurch die Bewegung auf deutlich erkennbares "Schritt-für-Schritt" heruntergebremst wird, spürt man die Rundenbasis allzu deutlich. Natürlich setzt sich dies auch beim Kampf fort, der noch am ehesten an klassische Pokémon-Duelle erinnert. Vier Angriffs- bzw. Buff-Optionen stehen jeder Figur zur Verfügung, wobei man nur für „seinen“ Helden jedes Mal die Aktion festlegt, die man zudem nur für eine begrenzte Anzahl einsetzen kann, bevor man sie dafür nötigen Punkte wieder über das Trinken von Elixieren auffüllt. Die übrigen Team-Mitglieder rufen ihre Fertigkeiten gemäß der Einstellungen ab, die man im übersichtlichen Menü festlegt. Nur bei den Komboattacken, die man per Druck auf die R-Taste einfach aktivieren kann, wählt man auch die Angriffe der mit einem laufenden Monster aus.

Die KI reagiert übrigens auch umgehend auf gefährliches Absinken von Gesundheitspunkten und offeriert Hilfsmittel aus dem Inventar - insofern man noch welche dabei hat. So kann man sich auf die Kämpfe gegen die ebenfalls per Zufall ausgewählten sowie platzierten Gegner konzentrieren. Und die werden vor allem nach den ersten drei Stunden problematisch genug. Denn die Herausforderung jeglicher zufällig generierter Inhalte liegt auf Entwicklerseite immer in der Balance. Und die kann einem hier auch zum Verhängnis werden. Wenn man von zwei Bluzuks gepiesackt wird, die das gesamte Team mit Verwirrung außer Gefecht setzen, steigt der Frust. Zwar kann man auch von der Pelippa-Insel aus eine Rettungsmission starten. Doch mit etwas mehr Feingefühl bei den Grundparametern der Zufallseinstellungen hätte man die unerwarteten Spitzen in der eigentlich angenehmen Lern- und Schwierigkeitskurve glätten können.

Reduktion auf das Wesentliche

Die Gewölbe strotzen zwar vor Gefahren, doch sowohl Kulisse als auch Kampfmechanik werden schnell redundant.
Das aufgesetzte Bau-Feature des Vorgängers sucht man hier vergebens. Stattdessen kann man sein Spiel- und damit auch das Aufstiegserlebnis nicht nur in der umfangreichen und sich über einige Kontinente erstreckenden Geschichte, sondern auch mit dem Dungeon auf der Pelippa-Insel erweitern. Neben den sporadischen neuen Fähigkeiten, die man für sich und seine Team-Pokémon bekommt und von denen man sich auf vier festlegen muss, kann man seine Kampfoptionen auch über die so genannten „Ringel“ aufbessern, in die kleine Edelsteine eingesetzt werden. Das Besondere: Jeder Ringel fasst nur drei dieser Steine und verlässt man den jeweiligen Dungeon, lösen sich die Mini-Buffs wie Gift-Resistenz oder erhöhte Initiative wieder auf. Ebenfalls neu sind die Zauberstäbe, die in den Gewölben aufgesammelt werden können und deren Fähigkeiten begrenzt genutzt werden können.

Doch auch die wenigen neuen Elemente können nicht verschleiern, dass Super Mystery Dungeon von einer großen Portion Redundanz gepeinigt wird, die durch das gemäßigte Spieltempo zusätzlich verschleppt wird. Die Gebiete sehen genauso baukastenhaft aus, wie man sie sich bei einem Spiel vorstellt, dessen Inhalte per Zufall aufgebaut werden. Die Kämpfe sind taktisch spannend, aber bieten auf Dauer zu wenige Finessen, um faszinieren zu können. So ist es eigentlich nur die typische „Fang-sie-alle“-Qualität, die einen bei der Stange hält und hier in „Triff-sie-alle“ umfunktioniert wurde.

Fazit

Während die wahren Pokémon-Fans schon jetzt nach den neuen Abenteuern "Sonne" und "Mond" lechzen, sollen Ableger das 20-jährige Jubiläum der Taschenmonster gebührend feiern. Doch Super Mystery Dungeon scheitert ebenso auf hohem Niveau wie das vor kurzem veröffentlichte Rumble World. Beiden gemeinsam ist übrigens, dass man auf über 700 Pokémon treffen kann. Und dass die Zufallsmechaniken zu schnell für Redundanz sowie mitunter frustrierende Spitzen im Schwierigkeitsgrad sorgen, während die Geschichte es nicht schafft, die Lücken zwischen den Dungeon-Ausflügen sinnvoll zu füllen. Die Kämpfe erinnern mit ihren vier Fähigkeiten und natürlich den elementaren Anfälligkeiten noch am ehesten an die klassischen Pokémon-Spiele. Andererseits jedoch war dies auch schon beim Vorgänger so, der unter dem Strich sogar noch das frischere Spielerlebnis bot. So ist es eigentlich nur die typische "Fang-sie-alle"-Qualität, die einen bei der Stange hält und hier in "Triff-sie-alle" umfunktioniert wurde.  Super Mystery Dungeon ist eines der Spiele, das einen durchaus auch langfristig beschäftigen kann, das man aber nicht vermisst, wenn man es nicht hätte.

Pro

zufällig generierte Dungeons sorgen für Spannung...
20 Pokémon stehen als Grundfiguren zur Verfügung
man kann über 700 Pokémon treffen
Team-KI arbeitet den Vorgaben entsprechend gut mit
Texte sauber lokalisiert
saubere Kulisse

Kontra

... aber auch sehr früh für enorme Redundanz
schwach erzählte Geschichte ohne nennenswerte Höhepunkte
unausgewogener Schwierigkeitsgrad mit frustrierenden Spitzen

Wertung

3DS

Aus "Fang-sie-alle" wird "Treff-sie-alle". Doch weder mechanisch noch inhaltlich wird einem hier mit den zufällig generierten Dungeons die Motivations-Grundlage dafür geboten.

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