Disneyland Adventures09.11.2017, Mathias Oertel
Disneyland Adventures

Im Test: HD-Rückkehr ins Wunderland

Als vor etwa sechs Jahren Frontier (Planet Coaster, Jurassic World Evolution) ins virtuelle Disneyland einlud, war der Besucherkreis recht klein – immerhin konnte man diesen Titel nur mit Kinect spielen. Parallel zum Start der One X bringt man eine überarbeitete Version auf den Markt, die neben visuellen Optimierungen vor allem mit der frischen Pad-Steuerung überzeugen soll. Ob Disneyland Adventures (ab 5,55€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) auch ohne Bewegungssteuerung seinen Charme bewahrt hat, verraten wir im Test.

Micky Maus zu Haus

Heide-Park. Europa-Park. Fantasia-Land. Hansa-Park. Dies ist nur eine kleine lokale Auswahl der großzügig angelegten Freizeit-Areale, die vor allem in den Sommermonaten ein Anziehungsmagnet für Familien und Schulklassen sind. Achterbahnen, Karussells und eine Großzahl an kostümierten Maskottchen üben aber nicht nur in Deutschland eine große Faszination aus. Denn wie so vieles nahmen die Themenparks in Amerika ihren Ursprung.

Genauer gesagt im Jahr 1955, als ein Multitalent und Visionär namens Walt Disney im kalifornischen Anaheim mit Disneyland den Urvater moderner Familienunterhaltung eröffnete. Einige räumliche Erweiterungen und  insgesamt beinahe 700 Millionen Besuchern später öffnet der Vergnügungspark nach Xbox 360 im Jahr 2011 erneut seine Tore im Konsolen-Wohnzimmer – und dieses Mal kann man sogar ohne Kinect Spaß haben.

X für ein U vormachen?

Auf One X und mit entsprechenden PCs kann man den Ausflug ins Disneyland in 4K genießen, wovon vor allem die Figuren profitieren.
Man kommt weiterhin nicht umhin, Frontier bzw. den für diese Umsetzung beauftragten Franzosen von Asobo  ein Lob ob der Ambition zuzusprechen. Sicher: Im Detail sind manche Texturen auch gut sechs Jahre nach Originalrelease etwas schwammig. Durch fehlende V-Synchronisation wird das Bild ab und an zerrissen – auch und gerade mit der neuen 4K-Auflösung auf der One X, was für eine überhastete Umsetzung spricht. Überhaupt fehlen auf der X Grafikoptionen, um z.B. aus dem Spiel heraus die schwachen Kontrastwerte zu regulieren oder vielleicht die Auflösung auf 1080p zu forcieren. Merkwürdig, da die PC-Version zumindest ein paar rudimentäre Optionen zur Verfügung stellt. Aber auch hier hat die Engine mit der hohen Sichtweite weiterhin ihre liebe Mühe, was zu Pop-Ups, Fade-Ins und sporadischen Bildrateneinbußen führt – wenngleich deutlich seltener als seinerzeit auf der Xbox 360. Aber nicht nur die vermeintliche Zielgruppe von Kids und jüngeren Zockern bis geschätzte zwölf bis 14 Jahren hat damit keine Probleme. Auch mir waren die technischen Macken irgendwann weitgehend egal – zumindest nachdem ich mich schweren Herzens damit angefreundet hatte, dass trotz „Optimiert für One X“ noch Luft nach oben war. Denn im Gegenzug bekommt man eine akkurate Nachbildung des beliebtesten Freizeitparks aller Zeiten mit einem charmanten, weitgehend zeitlosen Cartoon-Ansatz, der dafür sorgt, dass man dem Titel nur selten sein Alter ansieht. Alle Gebiete sind vorhanden und komplett offen begehbar. Zwar kann man nicht sämtliche Shops oder sonstige Anlagen betreten, doch die wesentlichen Attraktionen stehen da, wo sie sein sollten. Und sie bieten entweder eine Fahrt im Ego-Modus wie z.B. Dumbos Flug oder aber eine Reihe an Minispielen, die thematisch auf die reale Attraktion abgestimmt wurden.

Es gibt gut 100 Missionen und Minispiele, die man in Disneyland erleben darf.
Die Bewegung durch diese offene und zumeist ansehnlich mit glücklichen Familien gefüllte Welt, in der man fast das Popcorn riechen oder die kalifornische Sonne im Nacken spüren kann, hat Frontier bei Kinect-Einsatz (diese Option steht nach wie vor zur Verfügung) gut gelöst: Die kindliche Figur, die man sich aus einigen visuellen Versatzstücken (Gesicht, Haare, Farben) zusammenbaut und die man in Shops mit neuen Klamotten eindecken kann, geht bzw. läuft per Heben des rechten Armes nach vorne. Bewegt man den Arm nach rechts oder links, dreht sich die Figur entsprechend. Einfacher geht es natürlich mit der neuen Pad-Steuerung, die alle Fähigkeiten, die man vorher nur per Geste kontrolliert hat, optimal auf die Knöpfe gelegt hat. Es geht zwar ein gewisser Teil der Immersion verloren, wenn man eine Bildschirmgeste über einen Druck auf das Digikreuz initiiert, anstatt sie vor der Kinect-Kamera zu imitieren. Doch der Spaß leidet darunter nicht – Spielern, denen das Rumhampeln vor der Kamera zu albern oder zu peinlich ist, haben endlich eine Alternative.

Prominente Auftraggeber

Immerhin bekommt man hier die Möglichkeit, mit fast 40 Disney-Figuren der Filmgeschichte zu interagieren und Aufträge für sie zu erfüllen. Man kann z.B. mit Peter Pan durch Nimmerland fliegen und schließlich gegen Captain Hook kämpfen, mit Alice im Wunderland Abenteuer erleben, mit Buzz Lightyear auf actionreiche Zurg-Jagd gehen und vieles mehr. Als besonderes Bonbon darf man mit ihnen im Park tanzen, ihre Autogramme sammeln, mit ihnen abklatschen („High Five“) und sie sogar in der virtuellen Welt umarmen. Vor allem das Tanzen und die Umarmung ist bei den Kids ein Hit. Klar: Es ist kein echter Ersatz für die Momente, die man im echten Park mit den in Kostüme gesteckte Laiendarstellern oder vorbildlich instruierten Sommerjobbern in der Rolle von Jack Sparrow, Woody oder Winnie Puuh erlebt. Doch das Lächeln, das die akkurat nachgebildete "echte" Arielle bei der Umarmung auf das Gesicht von jüngeren Spielern zaubert, ist herzerwärmend. Und dass ein Spiel so etwas schafft, ist eine bemerkenswerte Errungenschaft.

Und noch eines ist mir beim "Familientest" klar geworden: Entgegen meiner Erwartung werden die für mich zu häufig auftretenden Hol-und-Bring-Dienste, die man für die sympathischen Charaktere erledigt, von den jüngeren Spielern anders wahrgenommen. Es machte zumindest für die "kleinen" Disney-Fans einen starken motivierenden Unterschied aus, in der einen Situation "Dingelhopper" für Arielle zu suchen und zu sammeln und in einer anderen für Stitch auf Hamburger-Jagd zu gehen – obwohl beides für mich keinen Unterschied machte.

Minispiel- und Entdeckungswahn

Besonders bei jüngeren Spielern beliebt: Die Interaktion mit bekannten Disney-Figuren, die wahlweise auch mit Kinect stattfinden kann.
Ingesamt gibt es gut 100 Missionen, die man in Disneyland finden und erfüllen kann, wobei das "Finden" generell einen großen Reiz ausmacht. Denn nach und nach bekommt man Hilfsmittel, mit denen man zusätzliche Interaktionen starten kann. Mit dem Fotoapparat bekommt man z.B. nicht nur die Aufgabe, sämtliche Disney-Figuren zu fotografieren, sondern kann in jedem Abschnitt der nahtlos streamenden Welt auch das bekannte Symbol der Micky Maus-Ohren in mehrfacher Ausfertigung finden und im Bild festhalten. Diese Suche ist angelehnt an das 50-jährige Jubiläum des Parks, für das 50 dieser Symbole im Park versteckt und nach etwa einem Jahr zum Ende der Feierlichkeiten wieder entfernt wurden. Mit einem Zauberstab, den man von Cinderella erhält, kann man wiederum mit markierten Gegenständen agieren und so u.a. zusätzliche Münzen finden, die sich in den Shops gegen frische Kostüme und weitere Gimmicks eintauschen lassen.

Bei den Minispielen bietet man ebenfalls ein breites Spektrum an Aktivitäten: Vom Ski- und Bobfahren über Fliegen, Schwertkämpfen, Werfen von Gegenständen, Nachahmen von Gesten oder Positionen (was per Pad nicht ganz so spaßig ist) bis hin zu (kinderfreundlichen) Laser-Ballereien wird fast alles angeboten, was Sinn ergibt und von der Steuerung weitgehend problemlos bewältigt werden kann. Beim Werfen (von z.B. Schneebällen) oder beim Abfeuern des abendlichen Feuerwerks zeigen sich jedoch ähnliche Probleme bei der Erkennung wie bei vielen Kinect-Titeln auf 360 oder der Anfangsphase der One: Es ist schwer abzuschätzen, wie die Kamera den Winkel und die Richtung festlegt, in die die Kugel schließlich fliegt. Per Pad steuert man das Fadenkreuz in diesem Beispiel mit dem Stick, so dass es beim Werfen der Schneebälle keine Schwierigkeiten gibt. Da man jedoch in den Minispielen nicht scheitern kann, sondern nur eine Sternenbewertung sowie Münzen als Belohnung bekommt, wird Frust während des insgesamt deutlich über 30 Stunden liegenden Ausfluges, in den jederzeit ein zweiter Spieler einsteigen kann, ohnehin weitgehend minimiert.

Man spricht Deutsch?

Natürlich wird man auch von Micky Maus Willkommen geheißen!
Dass das virtuelle Disneyland visuell seine Macken hat, die auch noch auf der neuen Konsole ihr Gesicht zeigen, aber durch sein stimmiges Gesamtbild punkten kann, habe ich eingangs erwähnt. Bei der Akustik hingegen ist der Eindruck zwiespältig. Auf der einen Seite kann man bei genauem Hinhören genau die gleichen Musiken und Ansagen aus den Lautsprechern hören, die an entsprechender Stelle im echten Disneyland ertönen würden. Allerdings sind diese Ansagen komplett in Englisch – was einerseits zwar authentisch ist und die Liebe zum Detail unterstreicht, anderseits aber für die mit der Sprache weniger vertrauten Spieler  eher für Verwirrung sorgt. Die wird auch dadurch nicht kleiner, dass sämtliche Hauptfiguren zwar gut besetzt wurden und Deutsch mit einem sprechen, alle anderen Sprachsamples wie z.B.  von an einem vorbei flanierenden Familien jedoch wie die Attraktionen auf Englisch aus den Lautsprechern tönen. Wie schon gesagt: Authentizität ist das eine, aber hier handelt es sich um ein Spiel, bei dem keinem ein Zacken aus der Krone gebrochen wäre (vermutlich mit Ausnahme des Lizenzgebers), wenn man eine Komplettlokalisierung spendiert hätte. Denn auch in einem anderen, durchaus damit zusammenhängenden Punkt gibt man sich sehr spielerfreundlich: dem Gästeaufkommen. Herrscht in der Hochsaison Gedränge und muss man mit langen Wartezeiten an den Attraktionen rechnen, falls man nicht in den Fastpass investiert, ist im Disneyland auf der One permanent Nebensaison: Man hat immer Platz und muss nirgends warten.

Fazit

Der Reiz der Disneyland Adventures ist wie bei seiner Kinect-Premiere auf der 360 vor gut sechs Jahren für Kids naturgemäß am größten. Doch auch Junggebliebene, die ihre Vorfreude auf ihren geplanten Ausflug in die "reale" Welt von Micky Maus und seinen Freunden nicht verhehlen können, dürften ihren Spaß mit dem Abstecher in den virtuellen Freizeitpark haben. Frontier bzw. das Umsetzungs-Team von Asobo hat vor allem hinsichtlich der Authentizität ganze Arbeit geleistet: Der kalifornische Themenpark wurde erstaunlich akkurat nachgebildet, so dass jeder, der trotz der nach wie vor (und auch auf One X vorhandenen) technischen Mankos staunend durch die offene Welt des virtuellen Parks wandert, keine Probleme haben wird, sich im echten Gegenstück zurechtzufinden. Wer noch eine Kinect-Kamera sein Eigen nennt, wird sich freuen, dass diese Kontrolloption nach wie vor vorhanden ist, aber um eine akkurate sowie gut gelungene Pad-Variante ergänzt wurde - die überwiegende Mehrzahl der Attraktionen lässt sich mit beiden Optionen ordentlich kontrollieren. Die Möglichkeiten mit den fast 40 Charakteren zu agieren, hätten allerdings umfangreicher oder individueller sein können. Doch das wird durch die ständig zunehmenden Aktionsoptionen im Park sowie die größtenteils gelungenen Minispiele aufgefangen. Wer noch nicht mit seinen Kindern oder jüngeren Geschwistern auf der 360 Station im Disneyland gemacht hat, bekommt jetzt nochmals eine Chance, charmante sowie kurzweilige Ausflüge zu unternehmen. Allerdings muss man sich auch bewusst darüber sein, dass trotz der vermeintlichen X-Optimierung dieses Abenteuer nicht geeignet ist, um die Fähigkeiten des neuen Konsolen-Flaggschiffs von Microsoft zu demonstrieren.

Pro

akkurate Nachbildung von Disneyland
Interaktion mit über 30 Charakteren
sehr gute neue Pad-Kontrollen
größtenteils gute Bewegungssteuerung...
deutsche Sprecher sind gut...
frei begehbare offene Welt
viel zu entdecken
gute Minispiele basierend auf Disney-Attraktionen

Kontra

Interaktion auf Dauer eingeschränkt
zu viele Hol-und-Bring-Aufträge
halbherzige One-X-Anpassung
... die nur Aussetzer bei ein paar Minigames sowie hektischen Bewegungen (mit Kinect) zeigt
... Lokalisierung ist aber inkonsequent
V-Sync (One/X), Bildratenprobleme

Wertung

PC

Inhaltlich gelungene Umsetzung des sechs Jahre alten Kinect-Titels mit neuer Pad-Steuerung. Visuell fand die Anpassung aber nur halbherzig statt.

XboxOne

Inhaltlich gelungene Umsetzung des sechs Jahre alten Kinect-Titels mit neuer Pad-Steuerung. Visuell fand die Anpassung aber nur halbherzig statt.

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