Im Test:
Das schlechte Gewissen
Während Hershel meine Wunde versorgt, bombardiert er mich mit Fragen. Woher ich komme, mit wem ich kam, wohin ich will. Und weil ich nicht ewig Zeit für die Antwort habe, mache ich einen Fehler: Einmal antworte ich mit "Wir sind...", dann behaupte ich, dass ich alleine im Auto unterwegs war. Er runzelt zwar nur die Stirn und verbindet mich weiter, aber er ist nicht dumm. Ein paar Szenen später wird auf meine Lüge zu sprechen kommen, während er seinen Stall ausmistet. In diesem Spiel sollte man sich gut überlegen, was man sagt - und das motiviert dazu, in jeder Begegnung hellwach zu sein.
Wandelndes Misstrauen
Das dreidimensionale Abenteuer wird in einem markanten Comicstil inszeniert, der angenehm realistisch und genauso explizit in der Gewaltdarstellung ist wie die Vorlage. Man schlägt mit Hammer oder Axt teilweise mehrmals auf die heran kriechenden Zombies ein, Blut spritzt und Köpfe fliegen; hier wird nichts in bunten Farben verharmlost oder ausgeblendet. Und das ist gut so. Noch besser ist, dass neben der brutalen Gnadenlosigkeit auch einige idyllische und vor allem viele emotionale Momente gibt, in denen man einfühlsam und mitfühlend agieren kann, wenn man z.B. die kleine Clementine trösten muss. Es ist also möglich, seine Rolle als Lee Everett in gewissen Grenzen zu interpretieren.
Und man muss dramatische Entscheidungen über Leben und Tod treffen. Der Spielrhythmus wechselt plötzlich von ruhiger Erkundung hin zu hektischer Panik, wenn die wandelnden Toten auftauchen. Gerade eben sucht man die Gegend noch gemütlich nach Hinweisen ab oder hilft den Farmern beim Anlegen eines Zaunes, dann ertönt irgendwo ein Schrei und die Kamera zoomt direkt rein in die geifernden Fratzen: Hilft man zuerst dem älteren Sohn von Hershel oder dem kleinen Jungen von Kenny, wenn die Zombies durch den Zaun brechen? Man muss schnell reagieren, denn es gibt keine Pause - eine sehr gute Designentscheidung. Wer es einfacher mag, kann vor und während des Spiels übrigens mehr optische Hinweise und interne Hilfen aktivieren. Aber wer sich einigermaßen mit Spielen auskennt, sollte das nicht tun, denn der Schwierigkeitsgrad ist nicht gerade knackig.
Leben oder Tod?
Dass sich die Pfade manchmal deutlicher gabeln können, zeigt sich aber schon in diesem Abenteuer: Je nachdem, welche Antwort man dem kleinen Mädchen gibt, verlässt man ihr Haus z.B. entweder bei Tag oder Nacht, wobei es jeweils komplett unterschiedliche Szenen und Begegnungen gibt; das erhöht den Wiederspielwert der knapp dreistündigen Episode.
Der Regie gelingt es sehr gut, selbst in ruhigen Phasen ein Gefühl der Unsicherheit zu schaffen. Dann kann man mit Leuten reden, Hinweise und Gegenstände sammeln, indem man seinen Charakter direkt bewegt - allerdings in recht kleinen Arealen, in denen man nicht sehr viel findet. Die Rätsel sind einfacher, aber angenehm logischer Natur: Ein Radio funktioniert nicht. Man kann heran zoomen und alle Tasten drücken, kann es umdrehen und auf der Rückseite die Klappe öffnen - aha, zwei Batterien fehlen. Die sucht man dann und schon empfängt man Sender. Schade ist, dass man sein Inventar nicht öffnen und sich die Gegenstände darin genauer anschauen kann; sie erscheinen nur als kleine Icons am linken Rand und werden kontextsensitiv eingeblendet, falls eine Aktion mit ihnen möglich ist.
Im Angesicht der Zombies
Auch der Kampf läuft als Reaktionstest gegen die Zeit ab. Das wird in manchen Szenen ganz einfach inszeniert: Falls man direkt angefallen wird, muss man nur schnell einen oder rechtzeitig noch einen zweiten Knopf drücken, um sich zu befreien - schade, dass man den Schwierigkeitsgrad da nicht über Mehrfachkombos erhöht. Wenn man etwas mehr Zeit hat, muss man vorher immerhin zielen - z.B. mit dem Hammer oder der Flinte auf Kopf, indem man das übergroße Fadenkreuz bewegt. Das wird lediglich ein wenig erschwert, wenn man gerade gestürzt ist und die Situation von unten sieht oder wenn man vor dem Hieb oder Schuss erstmal die Waffe greifen oder laden muss, während der Zombie heran schlurft. Unterm Strich sind die Kämpfe etwas zu simpel.
Zur Unsicherheit trägt allerdings auch bei, dass der Held keine Waffe dauerhaft besitzt,
Ärgerlich sind unter iOS die kleinen technischen Mängel, denn es kommt vor allem unter iPhone 4 gelegentlich zu Rucklern. Zudem ist das Umschauen manchmal etwas zu sensibel: Kaum hat man den Finger etwas bewegt, zieht die Kamera weit weg - das kann man auch in den Menüs nicht präziser einstellen. Trotzdem kommt man unter iOS in einen etwas besseren Spielfluss, denn die Reaktionstests sind dank des intutiven Wischens und Tippens einfacher als mit dem Gamepad zu meister. Auch die Bewegung des Hauptcharakters läuft sauber über einen Fingerzeig.
Obacht hinsichtlich der Sprache: Auch in der deutschen Version des AppStore gibt es nur englische Untertitel. Da man recht viele Dialoge mit Entscheidungen führt, sollte man Englisch mindestens gut verstehen, damit einem nicht wichtige Nuancen entgehen. Sehr interessant nach dem Durchspielen sind die Statistiken: Man erfährt z.B. wie viele Spieler gelogen oder Gnade gezeigt haben, wie viele wem das Leben gerettet oder loyal begegnet sind. Die fünf Teile erscheinen monatlich und kosten fünf Euro; wer schon jetzt alle über das Spielmenü vorbestellt, zahlt laut AppStore 25% weniger.
Fazit
Das ist eine sehr gute Umsetzung! Man bekommt unter iOS dasselbe hochwertige Spielerlebnis in nahezu identischer Kulisse. Zwar reagiert die Kamera beim freien Umschauen etwas zu sensibel (da vermisst man eine Feinjustierung über das Menü) und unter iPhone 4 kann es Bildstockern kommen, aber dafür gehen die Reaktionstests intuitiver von der Hand als mit dem Gamepad: Das Antippen und Wischen macht die Kämpfe leichter. Zwar sind die Rätsel wie auf PC und Konsolen recht einfach und die Gebiete etwas klein. Aber wie im Comic werden die Menschen in zig emotionale, familiäre und gruppendynamische Konflikte gestürzt, die man als Spieler beeinflussen kann. Klassische Point&Click-Tugenden wie das Absuchen einer Kulisse und das Sammeln von Gegenständen werden mit moderneren Elementen wie Echtzeitaction gemischt – das erinnert an Heavy Rain. Mir gefällt nicht nur die Gnadenlosigkeit der Inszenierung, sondern auch die offene Dialogführung unter Zeitdruck sowie die spürbaren Konsequenzen. Sean Vanaman erzählt eine komplett neue Story aus der Perspektive des Schwarzen Lee Everett mit teilweise bekannten Charakteren. Zwar hätten sich die Wege schon in dieser ersten Folge öfter gabeln und etwas mehr Rätsel auftauchen können, aber nach den drei Stunden lohnt sich das erneute Spielen, denn man erlebt je nach Verhalten teilweise komplett andere Szenen.
Pro
Kontra
Wertung
iPad
Kein Unterschied zu PC, PS3 & Co: Sehr gute Umsetzung des Zombie-Adventures für das iPad!
iPhone
Trotz kleiner technischer Probleme ein tolles Zombie-Adventure mit offenem Spielprinzip!
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