Iron Sky: Invasion15.05.2013, Michael Krosta
Iron Sky: Invasion

Im Test:

Nazis, die am Ende des Zweiten Weltkriegs auf den Mond geflüchtet sind, um 70 Jahre später mit einer Armee aus bewaffneten Untertassen und Weltraum-Zeppelinen zurückzuschlagen? Was sich ziemlich blödsinnig anhört, bildete die Grundlage für den Kinofilm Iron Sky. Liefert TopWare im dazugehörigen Spiel endlich wieder Raumschiff-Schlachten im Stil von Wing Commander oder würde man Iron Sky: Invasion (ab 4,45€ bei kaufen) am liebsten zusammen mit den Nazis zurück auf den Mond schießen?

Julia über alles

Ich mag ja Julia Dietze, die im Film in die Rolle der naiven Nazi-Lehrerin Renate Richter schlüpfte. Klar, über ihre schauspielerischen Qualitäten lässt sich streiten, aber tatsächlich war sie einer der Gründe, weshalb ich mir überhaupt Iron Sky angesehen habe. Und wie erwartet war „Fräulein Dietze“ ein kleiner Lichtblick in diesem trashigen Machwerk, bei dem ich mir oft nicht sicher war, ob ich angesichts des lächerlichen Szenarios, gepaart mit den oft dämlichen Dialogen und Situationen kichern oder einfach nur mit dem Kopf schütteln sollte. Ganz ähnlich verhält es sich mit Invasion: Die süße Julia ist auch hier eine Bereicherung, denn immerhin wurden komplett neue Szenen gedreht, in denen nicht nur sie, sondern auch andere Kollegen des Filmsets (u.a. Stephanie Paul als durchgeknallte US-Präsidentin mit frappierender Ähnlichkeit zu Sarah Palin) wieder auftauchen. Der Trash-Humor bleibt ebenfalls erhalten und so ist es amüsant zu sehen, dass sich auch das Spiel nicht so ganz ernst nehmen will. Wie denn auch, bei dieser abstrusen Geschichte?! Etwas unglücklich ist jedoch die Einbindung der Videos, die oft während eines laufenden Gefechts in der Mitte des Bildschirms erscheinen und so die Sicht verdecken. Zwar lassen sie sich optional abbrechen, aber dann hätte man auch komplett darauf verzichten können.

Kleine Zeitreise

Ein Zeppelin im Weltraum?
Ein Zeppelin im Weltraum?
Unterhaltsame Videosequenzen sind die eine Sache, aber was hat der Titel zu bieten, wenn man endlich selbst im Cockpit eines Jägers sitzt? Trotz aller Freude, endlich wieder durch den Weltraum  düsen und neben wendigen Schiffen auch gewaltige Kolosse pulverisieren zu dürfen, muss man zunächst einen Schock verdauen: Mit matschigen Texturen, den billigen Blendeffekten, lächerlichen Explosionen und einer erschreckenden Detailarmut scheint die Technik aus der Zeit des Jahrtausendwechsels zu stammen. Die Klangkulisse profitiert von Ausschnitten der gelungenen Film-Musik, doch den Soundeffekten mangelt es an Druck und Präsenz. Damit sieht Invasion nicht nur hoffnungslos veraltet aus, es klingt auch so. Bis auf ein paar deutsche Generäle hat man außerdem auf eine komplette Lokalisierung verzichtet – selbst Julia Dietze spricht vorwiegend Englisch, das mit deutschen Untertiteln versehen wird. Immerhin wird stereoskopisches 3D unterstützt, was die enttäuschende Präsentation aber nur minimal aufwertet. Das gilt allerdings nur für die 360-Version, denn auf der PS3 fällt die Option seltsamerweise flach.

Daneben ist mir der Verzicht auf eine packende Cockpitansicht ein weiteres Rätsel – vor allem, da ohnehin lediglich drei(!) Schiffstypen zur Auswahl stehen, die sich zwar unterschiedlich steuern, aber weder in der Außen- noch der Innenansicht ein packendes Flug- und Geschwindigkeitsgefühl vermitteln. Immerhin dürfen sie mit diversen Upgrades von stärkeren Waffensystemen bis hin zum Leistungstuning ausgestattet werden, wenn man genug Weltraum-Schrott einsammelt und diesen in einer der vielen Stationen im Orbit verkauft. Neben der Plasma- und Laser-Kanone finden sich u.a. zielsuchende Raketen sowie Düppel im Arsenal – ausgefallene Kreationen sucht man vergeblich, so dass man mit dieser Genre-Standardausstattung leben muss.   

Nazis sind dumm

Madame President ist hocherfreut über die Leistung ihres treuen Piloten. Eine Gehaltserhöhung verweigert sie trotzdem.
Madame President ist hocherfreut über die Leistung ihres treuen Piloten. Eine Gehaltserhöhung verweigert sie trotzdem.
Aber sie reicht auch aus, um es mit den Mond-Nazis aufzunehmen, denn besonders clever stellen sich die Piloten nicht an: Zum einen lässt ihre Flugkunst zu wünschen übrig – intensive Dogfights-sucht man vergeblich, denn dafür lassen sich die meisten Widersacher viel zu schnell und einfach abschießen. Zum anderen tragen die Jäger, die auf Namen wie Walküre oder Rheingold hören, mit ihrer minimalen Panzerung ihren Teil dazu bei, dass es den Raumkämpfen oft an der gewünschten Dramatik fehlt. Wenige Treffer reichen aus und schon verabschieden sie sich in einer unspektakulären Explosion. Okay, zugegeben: Ich habe mich meistens mit aktivierter Zielhilfe ins Cockpit gesetzt – aber auch nur deshalb, weil mir Steuerung ohne diese Unterstützung nicht feinfühlig genug reagierte und mich die mangelnde Präzision zu viele Nerven gekostet hat. So bleibt nur die Wahl zwischen „zu einfach“ und „zu frustig“, denn ein Schwierigkeitsgrad lässt sich nirgends einstellen. Der viel zu einfachen Jäger-Schießbude stehen größere Schiffe wie die Wotan- und Siegfried-Modelle oder gar die mächtigen Zeppeline gegenüber. Letzteren fügt man z.B. erst dann richtig Schaden zu, wenn sich ihre Hangarluken öffnen.

Die Nazis rücken mit fliegenden Untertassen an.
Die Nazis rücken mit fliegenden Untertassen an.
Zudem sollte man vorher bereits Attacken gegen den Antrieb oder Geschütze fliegen, um die Kolosse zu schwächen. In diesen Momenten kommt zumindest ein Hauch Taktik ins Spiel, da man seine Angriffe planen und das Monstrum im richtigen Moment unter Beschuss nehmen muss. Problem: Während man die kleinen Gegner viel zu schnell wegpustet, gestalten sich die Kämpfe gegen besser gepanzerte Schlachtschiffe viel zu zäh. Zusammen ergibt das eine unendliche Langeweile, wenn man sich auf die Weltraum-Duelle mit den Nazi-Schergen einlässt. Eine Mehrspielerkomponente hätte sicher für mehr Pepp gesorgt – sei es in Koop- oder Versus-Modi. Doch leider verzichten die Macher komplett auf Online-Duelle.

Unendliche Langeweile

Wäre wenigstens das Missionsdesign halbwegs gelungen, doch auch hier beschränkt man sich in der Regel auf das „Vernichte-einfach-alles-Prinzip“. Und kommt es doch mal zu Variationen, fallen diese extrem dröge aus: Ein Eskort-Auftrag zieht sich wie Kaugummi, weil sich die zu beschützende Raumkapsel in Zeitlupe von der Erde in Richtung Mond bewegt. Ein anderes Mal lautet mein Auftrag, eine Weltraumschlacht für Propaganda-Zwecke zu filmen. Klingt eigentlich cool, ist es aber nicht: Anstatt wirkungsvolle Szenen einzufangen, reicht es aus, meinen Blick 20 Sekunden lang starr auf das amerikanischen Trägerschiff USS George W. Bush zu richten, während es Lasersalven abfeuert. Gähn!

Die Erde wird ständig von neuen Gegnerwellen angegriffen.
Die Erde wird ständig von neuen Gegnerwellen angegriffen.
Da reißt auch der interessante Ansatz nicht mehr viel raus, dass hier keine klassische Missionsstruktur serviert wird, sondern der gesamte Krieg quasi in Echtzeit stattfindet. So sieht man auf der Mini-Karte, wie sich ständig neue Nazi-Einheiten der Erde nähern und muss spontan entscheiden, ob man eingreift oder sich weiter auf seine aktuelle Hauptaufgabe konzentriert. Allerdings artet es oft in Stress aus und so ist es einem irgendwann egal, ob mal wieder ein Asteroid auf unseren Heimatplaneten geschleudert wird oder nicht, auch wenn man an Reputation einbüßt, sobald es den Nazis gelingt, die Verteidigungslinie zu durchbrechen.   

Keine Kommandogewalt  

Zwar kämpft man nicht alleine gegen die Invasoren, Befehle an andere Piloten darf man trotzdem nicht erteilen.
Zwar kämpft man nicht alleine gegen die Invasoren, doch aktiver Funkverkehr mit anderen Piloten ist nicht möglich.
Obwohl man in einigen Abschnitten von verbündeten Schiffen begleitet wird, hat man leider keine Gelegenheit, via Funk mit ihnen zu interagieren oder gar Befehle zu erteilen. Den „Wing Commander“ darf man hier also nicht wie erhofft ausleben. Dafür lassen die Verbündeten ab und zu Nachschub zurück, mit dem man u.a. seinen Raketenvorrat aufstocken kann. Zudem hat man eine Mechanik kopiert, die sich schon in anderen Weltraum-Sims wie X-Wing als nützlich erwiesen hat: Zwar wird die Energie für Schilde, Hülle und Antrieb genauso automatisch regeneriert wie bei der Standard-Kanone, doch darf man sie außerdem dorthin umzuleiten, wo sie aktuell am meisten gebraucht wird. Nimmt z.B. das Schutzschild bei Beschuss rapide ab, zapft man einfach den Antrieb an und stärkt damit die Verteidigung. Ein Knopfdruck genügt, um den Vorgang einzuleiten.

Überhaupt ist die Belegung des Controllers gelungen, was aber auch der mangelnden Komplexität und Spieltiefe zu verdanken ist: Mit dem linken Analogstick steuert man seinen Jäger, während man mit dem rechten Stick den Schub regelt oder den Nachbrenner zündet. Die Schultertasten werden zum Feuern sowie zum Durchschalten von Waffen und Modifikationen genutzt. Über das Digipad wählt man Ziele und Segmente der feindlichen Schiffe aus, wobei man auch mit einer Aktionstaste das nächstgelegene Ziel automatisch anvisieren darf. Das alles geht locker-flockig von der Hand und ist kein Vergleich zu dem Akt, Super Wing Commander mit dem 3DO-Controller zu meistern. PS3-Spieler fliegen alternativ mit Sixaxis, doch ist die Bewegungssteuerung nur in Kombination mit der Zielhilfe empfehlenswert und kommt an die Präzision des Analogsticks nicht heran.

Fazit

Die Sehnsucht nach einer modernen Space-Opera im Stil von Wing Commander, Freespace oder Privateer ist groß. Leider schafft es Iron Sky: Invasion nicht, diese gewaltige Lücke halbwegs befriedigend zu füllen: Zu eintönig und zäh sind die Weltraum-Schlachten gegen die oft hilflosen Mond-Nazis, zu angestaubt wirken Technik und Präsentation. Einzig die netten Videosequenzen mit ihrem angenehmen Trash-Faktor und Original-Schauspielern haben mich gut unterhalten, doch sobald ich zurück im Cockpit war, ging das große Gähnen wieder los. Dabei zeigen die Entwickler mit dem Echtzeitfaktor und leichten Variationen im Missionsdesign gute Ansätze, aber leider hapert es an der Umsetzung, Spannung und Abwechslung. Ein Mehrspielermodus wäre sicher eine Bereicherung gewesen und hätte vermutlich packendere Dogfights geliefert als gegen die KI-Tölpel – wir werden es nie erfahren. Unterm Strich ist Iron Sky: Invasion ein Spiel, das gerne wie Wing Commander sein würde, aber Lichtjahre davon entfernt ist, auch nur annähernd die Qualitäten des Klassikers zu erreichen.   

Pro

endlich wieder Weltraum-Action
diverse Schiff-Upgrades
Trash-Humor der Filmvorlage
Umleiten & Verteilen der Schiffsenergie
guter (Film-)Soundtrack
gelungene Controller-Belegung

Kontra

langweiliges, mitunter sehr zähes Missionsdesign
keine Cockpitansicht
altbackene Technik
nur drei Schiffstypen
keine Mehrspieler-Komponente
schwache Soundeffekte
Videos verdecken Sicht
keine verschiedenen Schwierigkeitsgrade wählbar
meist dumme KI-Piloten
kein Befehlssystem / Flügelmänner

Wertung

360

Auch hier furchtbar öde Weltraum-Action, aber immerhin in stereoskopischem 3D.

PlayStation3

Die Sehnsucht ist groß, die Enttäuschung größer: Trotz des angenehmen Trash-Faktors braucht niemand diese furchtbar eintönige Weltraum-Ballerei!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.