Subnautica31.01.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Überleben zwischen Tiefsee und Technik

Ein mysteriöser Absturz, bissige Meereskreaturen, giftige Quallen-Kolonien und eine verstrahlte  See: Subnautica (ab 18,98€ bei kaufen) versteht es, dem Spieler Respekt vor den Naturgewalten einzuflößen. Trotzdem entfalten die farbenprächtigen Biome eine erstaunliche Anziehungskraft. Mehr dazu im Test.

Danke für die Aufmunterung!

„Deine Überlebenswahrscheinlichkeit hat sich gerade erhöht zu: Unwahrscheinlich, aber möglich.“  Die sprechende KI meines Notfall-PDAs weiß wirklich, wie man einem Absturzopfer Mut macht. Immer wieder gibt sie mir hilfreiche Informationen über meine feindliche Umwelt oder sie bringt mich mit trocken präsentierten Statistiken zum Schmunzeln. Gut, dass mein Alter Ego so geistesgegenwärtig in eine Rettungskapsel gespurtet ist, als sein fettes Raumschiff Aurora auf den fremden Planeten zu raste. Eigentlich sollten die Techniker an Bord nur ein Phasentor aufbauen, doch offensichtlich ging irgendetwas gewaltig schief. Worum es sich dabei handelte, muss ich selbst herausfinden, während ich die Unterwasserwelt erkunde, Ressourcen sammle und mir Basen aufbaue, die mit allerlei Gerätschaften das Überleben erleichtern. Um Schutzräume zum Nahrungsmittelanbau, U-Boote und andere Hilfsmittel zu errichten, muss ich verstreute Trümmer scannen. Mit Hilfe der gewonnenen Baupläne, Erze sowie anderer Ressourcen lässt sich dann vieles konstruieren.

Freund oder Feind? Manche Kreaturen lassen den Spieler sogar in Frieden. Diese gehört ganz gewiss nicht dazu...
Das vor gut drei Jahren im Early-Access gestartete Subnautica ist also in erster Linie ein Survival-Spiel mit Crafting-Elementen. Die größte Faszination entfaltet es aber durch seine wunderhübsch gestalteten Biome. Als ich zum ersten Mal einen Wald voller surreal glühender, sich in der Strömung wiegender Tiefseepflanzen entdeckte, konnte ich gar nicht anders, als immer ausgiebigere Ausflüge zu starten. In den Untiefen warten schließlich weitere Geheimnisse und seltene Ressourcen auf ihren Entdecker. Auf fast jedem Trip gibt es neue Formationen und Kreaturen zu bewundern. Mal ist es ein gewaltiger Rochen, auf dessen Rücken ein kompletter Wald aus Algen und ein Biotop aus Kleintieren herumwuselt. Als ich später an einer zertrümmerten Unterwasserbasis nach der einzigen Öffnung suche, werde ich von bissigen, gezackten Drachenwesen umzingelt. Der sphärisch-ruhige, auf das Gebiet abgestimmte  Soundtrack unterstreicht währenddessen schön die Abenteuerstimmung.

Überraschung!

Die Welt ist erfreulich groß und bietet sogar kleine Landmassen wie die Klippen, auf welcher die abgestürzte Aurora wie ein brennendes Mahnmal thront. Die mit Unity erschaffene Kulisse besitzt aber auch ihre Macken, welche ab und zu die Immersion durchbrechen. Die erste davon springt einem wortwörtlich ins Auge. Immer wieder bauen sich komplette Felsen, große Tiere oder andere Dinge vor den eigenen Augen aus dem Nichts auf – was in unbekannten Abschnitten sogar die Orientierung stören kann. Einige Wand- oder Gesteinstexturen wirken zudem aus der Nähe erstaunlich grob.

Weihnachten unter Wasser!
So kann es schon mal passieren, dass man sich auf der Trümmersuche nahe des Schiffs zwischen gigantischen Flächen aus Pixelbrei bewegt. Ein weiteres Manko ist zu Beginn der starke Fokus auf die mühsame Ressourcenbeschaffung. Sicher, es handelt sich um ein Survival-Spiel. Trotzdem wäre ich nach dem Funkspruch eines Überlebenden oft lieber direkt zu den Koordinaten gedüst. Stattdessen steht häufig erst einmal das Aufspüren von rund zehn „Blasenfischen“ und anderem Getier auf dem Programm, um Proviant sowie das knappe Trinkwasser zu produzieren. Oder man muss am Rande von Vorratskisten erst einmal aufräumen und mühsam Ressourcen umlagern, um genügend Platz im Inventar zu schaffen.

Sammle, crafte, Basle baue

Wer dran bleibt, wird aber belohnt: Je mehr Baupläne ich auf den Erkundungen zusammenraffte, desto mehr faszinierende Technik erleichterte mir schließlich die Nahrungsgewinnung. Es gibt Filteranlagen, Pflanzenbeete für Früchte wie „Marmormelonen“, futuristische, kugelförmige Räume und Observatorien, Solarzellen und sogar Kraftwerke, mit denen man die zwingend nötige Belüftungsanlage in Unterwasserbasen in Gang hält. Nach kurzer Gewöhnung an den etwas hölzernen Bau-Editor lassen sich faszinierende vielstöckige Unterwasserbehausungen konstruieren, die man hinterher mit allerlei Schränken oder Aquarien vollstopft. Der Zwang zu technischem Fortschritt ist ein schöner Anreiz, sich in immer tiefere Areale vorzuwagen.

Mit Außenbasen lassen sich lange Wege vermeiden.
Wer das nötige Erz für Elektronik, Energiezellen und Microchips bechaffen will, muss eben die Zähne zusammenbeißen und mehrmals hinab in die schmale, monsterverseuchte Grotte, deren Eingang neben dem Schlingpflanzenwald man leicht übersehen kann. Trotz der Möglichkeit, jederzeit zu speichern, wird es auf den Tauchtouren in verwinkelte Grotten mitunter richtig spannend. Als ich etwa eine Blaupause aus einem tiefen Wrack gescannt hatte, fand ich erst in letzter Sekunde den rettenden Ausgang wieder, um mich mit einem selbstaufblasenden Auftriebs-Gadget an die Oberfläche zu katapultieren. Meinem Alter Ego wurde bereits schwarz vor Augen, doch es reichte gerade noch.

Entspannt oder Hardcore?

Schafft man es nicht mehr rechtzeitig, verliert man im Hauptmodus „Survival“ ein paar Objekte aus dem Inventar und wacht in der Kapsel auf. Wer es kniffliger mag, kann alternativ einen Hardcore-Modus starten. Für Freunde entspannter Tauchgänge gibt es zudem Spielvarianten ohne Hunger und Durst - sowie einen freien Baumodus, in dem von Anfang an sämtliche Baupläne zur Verfügung stehen. Beides nimmt für meinen Geschmack aber zu viel Spannung aus dem Spiel, weshalb ich letztendlich beim Überlebens-Modus blieb.

Beeindruckend: Manche Tiere schleppen ein ganzes Ökosystem mit sich herum.
Diverse Vehikel und sogar Waffen lassen sich ebenfalls erschaffen. Ein Großteil der riesigen Raubfische ergreift bei Attacken wie einem Messerstich aber bestenfalls die Flucht. Das vorsichtige Vorbeischleichen bzw. Umschiffen bleibt also die beste Taktik. Auch verkeilte Trümmerteile entwickeln sich mitunter in eine heimtückische Falle - z.B. bei einem Tauchgang unterhalb der Aurora, nachdem ich schon eine Weile lang nicht mehr gespeichert hatte. Beim langwierigen Auftauchen hätte ich lieber nicht selbstvergessen in der Datenbank blättern sollen: Erst als ich zurück in die Ego-Sicht wechselte, dämmerte mir, dass meine Figur hundert Meter unter Wasser an einem zerbrochenen Deck hängen geblieben war. Panisch suchte ich nach einem Ausweg, bevor langsam aber sicher die Lichter ausgingen und ich sogar vorm Rechner Schnappatmung bekam, weil ich unterbewusst die Luft angehalten hatte.

Überaus üppig

Im Laufe der üppigen Spielzeit von über 50 Stunden (hängt stark vom Spielstil ab) wächst die Geschichte ebenfalls zu einem immer größeren Motivationsfaktor heran. Zu Beginn wirkte es etwas minimalistisch, wenn an den Absturzstellen anderer Pods keine Überlebenden, sondern lediglich Audiologs warten. Je mehr ich über die Hintergründe erfuhr, desto gespannter war ich aber auf die nächsten, immer bizarrer anmutenden Ausflusgsziele. Sie werden im HUD oft mit einem mehr oder weniger präzisen Navi-Symbol markiert. Mehr verrate ich lieber nicht, um keine Wendungen vorwegzunehmen. Die Entwickler haben aber einen schönen Mittelweg mit nur eingeschränkt verfügbaren Orientierungshilfen gefunden: Statt die Welt von Beginn an mit präzisen Karten oder einem Overkill an Zielen zu entzaubern, liefert man dem Spieler lieber regelmäßige kurze Funksprüche und Koordinaten-Übermittlungen, an denen sich die Handlung entlanghangelt.

Eine deutsche Übersetzung gibt es übrigens nicht, die englische Vertonung klingt aber angenehm professionell. Immer wieder streuen die Autoren alltägliche Zankereien ein, welche den Dialogen Leben einhauchen. In einem Moment streitet eine Crew eines potenziellen Rettungsschiffs noch über Sandwiches, im nächsten Augenblick passiert bereits ein riesengroßes Unglück.

Update zum VR-Modus von Eike Cramer, 31. Januar 2018:

Mahlzeit: Später lässt sich die Nahrungssuche mit dem Anbau diverser Pflanzen verkürzen.
Auch mit Oculus Rift und HTC Vive überzeugt Subnautica dank seiner stimmigen Kulisse und den in der virtuellen Realität noch beeindruckenderen Unterwasser-Panoramen, tollen Lichtstimmungen sowie einer einzigartigen Fauna. Dennoch merkt man dem Survival-Abenteuer an, dass es keineswegs grundlegend für VR optimiert, sondern mit minimalen Anpassungen Kostengünstig umgesetzt wurde. So wurden u.a. die Menüs und Helm-Anzeigen eins zu eins aus der 2D-Variante übernommen, was das Umsehen erschwert, die Übersicht in den Kisten und Fabrikationsmenüs reduziert und viele der Logs schwerer lesbar macht.

Die freie Bewegung unter Wasser ist zudem ein zweischneidiges Schwert: Für den stabilen Magen sind die Streifzüge durch die Korallenriffs und Kelp-Wälder unheimlich faszinierend und dank des freien Umsehens auch herrlich intuitiv. Für Spieler mit VR-Sickness führt das flotte Ab- und Auftauchen, das nicht durch eine Vignette oder schrittweises Drehen entschärft werden kann, schnell zu heftiger Übelkeit. Zudem fallen auch weitere technische Probleme hier stärker ins Gewicht: Während mit Vive die Performance stärker leidet als mit Oculus Rift, werden der verzögerte Bildaufbau und Pop- bzw. Fade-Ins in der VR deutlich stärker wahrgenommen als noch am Bildschirm. Somit ist der VR-Modus eine nette Ergänzung für kurze Streifzüge – das eigentliche Abenteuer sollte aber definitiv am Bildschirm stattfinden.

Fazit

Nach einem etwas zähen Einstieg hat mich Subnautica doch noch gepackt. Als ich mich an Probleme wie die zu mühsame Trinkwasserbeschaffung, den hölzernen Editor oder den Grafikaufbau gewöhnt hatte, zog mich die Geschichte um den rätselhaften Absturz auf einem lebensfeindlichen Planeten immer stärker in ihren Bann. Manche Tauchgänge in die idyllisch leuchtende Alienwelt sind derart faszinierend, dass ich sogar vorm Monitor die Luft anhielt. Je weiter man sich in die abwechslungsreichen, immer bizarrer designten Untiefen vorwagt, desto tiefer geht man auch den Ursachen der Unfälle auf den Grund. Nebenbei rafft man immer mehr Technik und Ressourcen zusammen, um sich Werkzeuge, Vehikel sowie vielschichtige Unterwasser-Basen zu bauen, die das Überleben im Laufe des sehr umfangreichen Spiels deutlich erleichtern. Unterm Strich ein vereinnahmendes Survival-Abenteuer. Die Xbox-One-Umsetzung befindet sich übrigens noch im Early-Access-Stadium.

Update zum VR-Modus von Eike Cramer, 31. Januar 2018:

Obwohl Subnautica in VR dank seiner faszinierenden Welt und motivierenden Mechanik die selbe Sogwirkung erzeugt wie auf dem Bildschirm, ist der Tauchgang mit Oculus Rift und HTC Vive eher kurzer Ausflug als lange Reise. Zwar ist die Unterwasserwelt für stabile VR-Mägen beeindruckend, fehlende Anpassung von Menüs und Einblendungen und die in VR eher präsenten technische Macken sorgen für Abzüge in der B-Note. Das eigentliche Unterwasser-Abenteuer sollte vor dem 2D-Monitor stattfinden!  

Pro

geheimnisvoller Absturzplanet
lebendige, vielseitige Tier- und Pflanzenwelt
Verkettung merkwürdiger Unfälle weckt die Neugier
stimmungsvoll variierende Unterwasser-Areale
interessante Story-Wendungen
schön auf die Biome zugeschnittener Soundtrack
coole Bau- und Konstruktionsmöglichkeiten
humorvoll trockene Anmerkungen der KI
alternative Modi wie Hardcore oder freier Bau
sehr umfangreich

Kontra

mühsame Nahrungs
und Ressourcenbeschaffung bremst zu Beginn die Lust am Erkunden aus
starker Grafikaufbau, der manchmal sogar die Orientierung erschwert
etwas fummeliger Bau-Editor
Geschichtenerzählung mit Funksprüchen und Audiologs wirkt auf Dauer etwas minimalistisch
übelkeitsverursachendes freies Schwimmen passt nur sehr bedingt zu VR (Rift, Vive)

Wertung

VirtualReality

Faszinierendes Survival-Abenteuer in einer fremdartigen Unterwasserwelt, das allerdings nicht grundlegend genug für den VR-Betrieb optimiert wurde.

OculusRift

Faszinierendes Survival-Abenteuer in einer fremdartigen Unterwasserwelt, das allerdings nicht grundlegend genug für den VR-Betrieb optimiert wurde.

PC

Faszinierendes Survival-Abenteuer in einer fremdartigen Unterwasserwelt.

HTCVive

Faszinierendes Survival-Abenteuer in einer fremdartigen Unterwasserwelt, das allerdings nicht grundlegend genug für den VR-Betrieb optimiert wurde.

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