Im Test: Ein Epos, drei Blickwinkel
Im Angesicht der Übermacht
Verteilt auf ein Gelände von 20 mal 25 Feldern warten knapp 40 Ritter, Magier und Schützen der finsteren Nohr auf meine kleine Heerschar. Das Ziel lautet: alle vernichten. Hey, ich bin doch drei zu eins unterlegen - ist das nicht unfair? Nein, das Jammern angesichts des numerisch überlegenen Feindes ist nicht nötig. Auch meine Ninja, Falkenritter, Skalden und Samurai haben eine Chance. Denn in Fire Emblem Fates (ab 44,99€ bei kaufen) entscheidet nicht die Masse, sondern die Klasse der Truppe. Sowohl, wenn man sich nach sechs Kapiteln für „Vermächtnis" als auch noch deutlicher, wenn man sich für das strategisch anspruchsvollere „Herrschaft“ als Kampagne entscheidet - wir empfehlen selbst Kennern auf Seiten der Hoshido mit Ersterer zu starten.
Ganz wichtig ist nämlich: Diesen Luxus sporadischer Kämpfe für permanentes Leveln und Goldscheffeln bietet „Herrschaft“ auf Seiten der Nohr nicht. Hier geht es anspruchsvoller zur Sache, so dass in den knackigen Gefechten meist nur optimale Kombinationen von Einheiten sowie Routen den Sieg bringen. Schon in einer der ersten Schlachten, in der man 16 Ungesichter besiegen soll, wird man gnadenlos überrollt, wenn man seine Kämpfer nicht clever kombiniert. Denn die territorialen sowie persönlichen Beziehungen sind der Schlüssel zum Erfolg auf den Schlachtfeldern.
Nachbarschaftsbonus und Beziehungskiller
Zum einen profitieren Kämpfer nicht nur in Form erhöhter Werte davon, wenn sie neben- oder hintereinander stehen: Nur so können auch gefährliche Doppelschläge ausgeteilt werden, wenn man angegriffen wird! Es lohnt sich also, seine Figuren clever zu positionieren. Zum anderen kann man sie zu Partnern kombinieren, die dann auf einem Feld kämpfen – die Haupteinheit greift an, die Nebeneinheit verteidigt; diese Rollen darf und muss man dynamisch wechseln, wenn man z.B. einen Heiler und einen Krieger verbandelt. Je enger die Beziehung zwischen ihnen, desto besser kämpfen sie zusammen.
Bei der Wahl des Spielmodus (Phönix, Anfänger, Klassisch) sollten nur Kenner Letzteren einstellen, denn hier verliert man Kämpfer permanent. Wer sie alle sammeln will, sollte auf "Anfänger" spielen, damit sie nach dem Tod wieder in der Basis auftauchen. Wer es noch undramatischer mag, darf seine Helden auf "Phönix" direkt nach dem Ableben auf dem Schlachtfeld auferstehen sehen. Ist dieses Duett öfter in einer Schlacht aktiv, gewinnt es Schildpunkte, die irgendwann eine Doppelverteidigung auslösen. Außerdem können Freunde oder Partner über Siegel die Klasse bei gleich bleibender Stufe wechseln – die Entwicklung von Beziehungen lohnt sich also auch perspektivisch.
Aber wann ist es klüger, seine Einheiten aufzuteilen und sie benachbart kämpfen zu lassen? Und wann sollte man möglichst viele Paare bilden? Das richtet sich nach den Anforderungen auf dem Schlachtfeld: Mal ist es besser, mit vielen Einzelkämpfern und schachbrettartig verteilt anzugreifen, mal lohnt sich gerade in engen Bereichen oder bei besonders starken Feinden die Paarbildung. Oder wenn man mal einen Heiler, Schützen oder Adligen schnell von A nach B bringen muss, ist das Aufsitzen auf einem Wyvern natürlich ideal - ganz unabhängig von der Bindung der beiden. Genau diese Balance bei ständig wechselndem Gelände und Karteninteraktionen zu finden, macht einen sehr großen Reiz des Spiels aus - vor allem in "Herrschaft" gibt es manchmal nur spezielle Lösungen, so dass man länger tüftelt. Es ist also bei weitem nicht so, dass man mit ein und derselben Taktik und hoher Teamchemie immer das Ziel erreicht.
Tödliche Konter und hilfreiche Unterstützer
Selbst die dicksten Kumpel oder Ehepaare, die mit A+ oder S bereits die höchste Beziehungsstufe erreicht haben, sind keine Überhelden. Auch sie müssen im Kampf auf das Waffen-Dreieck sowie tödlichen Bonusschaden achten. Je nachdem, welche Klinge man selbst sowie der Gegner führt, kann es ganz unterschiedliche Trefferchancen und anschließenden Schaden geben. Es gibt fatale Begegnungen, die man auch als hochstufiger Held dringend vermeiden muss: Wyrmtöter machen mit Drachen, Bögen mit Fliegern und Hämmer mit Rittern sofort kurzen Prozess. Eine große Rolle spielen auch Unterstützer wie
Nicht zu vergessen die automatisch aktiven Fähigkeiten: Zu Beginn haben die meisten Helden nur zwei, aber bei bestimmten Levelstufen gewinnen sie - leider ohne manuelle Auswahl - weitere hinzu. Da geht es nicht nur um Zusatzschaden, Erstschläge, Positionswechsel, Defensivboni, sondern auch um Heilung naher Freunde, das Knacken von Schlössern oder Vergiften nach einem Treffer. Gerade Kenner berücksichtigen auch diese Fähigkeiten bei Wahl der Einheiten sowie der Routenplanung.
Es gibt also eine Vielzahl an taktischen Optionen, Abhängigkeiten, Unterstützungen und Kontern. Das Schöne an Fire Emblem ist, dass es kein sprödes Statistikmonster ist, sondern eine sehr anschauliche Rundentaktik inszeniert, die sowohl Einsteiger als auch Kenner mit zig einblendbaren oder aktivierbaren Optionen von simpel bis komplex abholt.
Menükomfort und Optionen
Aufgrund informativer Benutzeroberflächen
Und es ist sehr motivierend, für jeden Kämpfer ein optimales Arsenal zu entwickeln - je variabler man zuschlagen kann, desto besser. Sehr hilfreich ist zudem das Einblenden der maximalen Angriffsreichweiten und Laufwege: Bis wohin darf ich meinen Kinshi-Ritter fliegen lassen, ohne dass er mit nur einem Pfeil abgeschossen werden kann? In welchen Bereich kann ich meinen Heiler zurückziehen? Manchmal muss man auch gezielt erst ein, zwei Feinde vernichten, um sich diese Freiräume zu verschaffen.
Drachenadern und Levelkomfort in "Vermächtnis"
Je nach Gelände kommt man schneller oder langsamer voran und genießt vielleicht Heil- oder Defensivboni in Wald oder Burg. Sehr schön sind auch die dynamischen Gelände, wenn z.B. drei Boote ständig hin und her navigieren und man in der richtigen Runde übersetzen sowie auf die plötzliche Trennung seiner Truppe achten muss. Außerdem sollte man die für die Serie neuen „Drachenadern“ in seine Routen- und Kampfplanung einbeziehen, denn nur auf diesen pulsierenden Feldern können Helden königlichen Geblüts territoriale Magie entfachen: Mal kann man ganze Flüsse austrocknen oder füllen, Eis schmelzen oder Heilzonen erschaffen, Blitze oder Regen rufen oder gar Berge einebnen. Cool ist, dass manchmal auch die feindlichen Helden darauf zurückgreifen, so dass man seine Soldaten möglichst nicht in die Trefferzonen dieser arkanen Macht schicken sollte – aber auch diese lassen sich einblenden.
Meistersiegel, Karrierewechsel & Gestaltwandler
Seine Veteranen kann man wie gehabt ab dem zehnten Level mit dem Meistersiegel in
Hinzu kommen auch Siegel, die Berufswechsel lediglich nach vorhandenen Talenten oder Beziehungen ermöglichen. Und es gibt natürlich erneut Bestien, die wie der Hauptheld ihre Gestalt wechseln können; neben Drachen sind z.B. Füchse und Wölfe dabei. Aber Vorsicht: Auch wenn sie sich spektakulär verwandeln und meist hohe Widerstände gegen normale Waffen besitzen, gibt es auch beim Feind Klingen, die nicht umsonst "Bestientöter" heißen.
Statische Bosse und Geländedefizite
Bei allem Lob für die taktische Vielfalt, gibt es auch einige Defizite. Fire Emblem setzt etwas zu oft auf das Spielziel „Alle vernichten“ und nur selten auf alternative Lösungen wie z.B. eine Flucht oder das Töten des Bosses. Gerade Letztere verhalten sich zudem recht statisch: Sie verharren häufig so lange in ihrem kleinen Bereich, ohne den Rest der Truppe zu unterstützen, bis man sie relativ einfach niedermetzelt. Immerhin gilt das nicht für alle feindlichen Story-Helden, die deutlich aktiver sind und auch mal eine Drachenader einsetzen. Unterm Strich ist die Gegner-KI der Bosse als auch jene des Kollektivs allerdings berechenbar; man kann die Karte lesen und wird nur selten von Flankierungen oder Manövern überrascht. Aber das wird dadurch abgemildert, dass sie zumindest konsequent die schwächsten eigenen Einheiten
Es gibt auch im Gelände einige offene Wünsche. Zwar spielt der Untergrund wie Straße, Wald oder Hügel meist eine Rolle für das Vorankommen und es gibt auch mal zerstörbare Wände für Abkürzungen, aber die Höhe bringt einem z.B. keinen Vorteil in der Reichweite. Außerdem ist es ärgerlich, dass Schützen mit ihren Pfeilen oder Ninja mit ihren Shuriken quasi durch Wände feuern dürfen, die als unpassierbar gelten. Auch die Effekte der Drachenadern wirken manchmal inkonsequent: Wenn ich schon einen vereisten See schmelzen kann, auf dem Feinde stehen, dann sollen sie bitte auch untergehen – oder zumindest großen Schaden nehmen. Nicht immer kann man diese arkanen Kräfte sinnvoll einsetzen.
Zwischen Kitsch und Kunst
Viel schwerer zu verdauen als diese kleineren Probleme im Gelände ist der anschließende Kitsch im Hauptquartier. Um
Einstieg mit Widersprüchen, Präsentation auf höchstem Niveau
Zwar leidet der Einstieg auch daran, dass Gut und Böse so klar wie in einem Märchen erkennbar sind, so dass man sich zunächst fragt, warum man sich nach sechs Kapiteln überhaupt für eine Kampagne entscheiden soll: Die moralische Antwort
Der Konflikt zwischen den „guten“, an die japanische Kultur angelehnten, Hoshiden und den „bösen“, an europäisches Mittelalter mit deutschem Einschlag angelehnten, Nohr entfaltet erst auf lange Sicht seine Reize – nicht nur, weil es Verrat und Überläufer sowie einige Überraschungen gibt, sondern vor allem aufgrund der verschiedenen Blickwinkel der drei Kampagnen, in denen man ja nicht nur identische Nebenquests aus anderer Sicht, sondern auch die Machtpolitik erlebt.
Rechtfertigt der Perspektivwechsel die Aufteilung in drei Spiele? Nein, absolut nicht. Selbst wenn sie unterschiedlich konzipiert sind, was Anspruch und Fraktionen betrifft, wiederholen sich wie gesagt viele Spielmechaniken. Für treue Fans ist das natürlich auch eine teure (40 Euro pro Kampagne) und verwirrende Aufteilung: Was bekommt man wann? Was spielt man am besten zuerst? Wieso gibt es "Offenbarung" nur digital ab Juni?
Nicht vergessen darf man bei aller Kritik an der Regie sowie Distribution, dass Fire Emblem Fates trotz dieser Kitschanflüge und Aufstückelung überaus hochwertig präsentiert wird. Der dramaturgische Kontrast zwischen kindlicher Naivität in Dialogen & Co und dem heroischen Pathos in den kunstvoll arrangierten Zwischensequenzen ist groß. Intelligent Systems zeigt die ansehnlichsten Cutscenes, die ich bisher auf einem Handheld gesehen habe – voller Eleganz und Ausdruckskraft entfaltet sich ein Fantasystil, den man auch als Erwachsener westlicher Prägung genießen kann. Schon das Intro ist klasse, was die Regie sowie das Art-, Sound- oder Figurendesign betrifft. Ich habe mir später in der „Ruhmeshalle“ sehr gerne all die archivierten Filmszenen wie „Lied am See“ oder „Unwirksamer Fluch“ nochmal angeschaut. Last but not least: Die Kampfanimationen. Das
Sammelwahn und Aufbauspiel
Fire Emblem hat sich traditionell auch über Sammelreize definiert: Man wollte immer möglichst viele Helden in seinen Reihen haben und sie optimal ausrüsten. Intelligent Systems treiben es diesmal auf die Spitze – man fühlt sich fast wie in einem Harvest Moon mit Communityfunktionen. Aber diese Ernte- und Aufbauelemente können nicht mal ansatzweise so gut unterhalten wie die Kämpfe. Ich habe natürlich nichts dagegen, dass sich die neun Ausrüstungskategorien von Schwert über Axt und Bogen bis hinzu Schriftrollen, Steinen und Stäben auch aufgrund der Läden so schnell füllen. Es bleibt übrigens dabei, dass es keine Rüstungen oder Schilde für die Kampagne gibt und dass bei einem Aufstieg bestimmte Werte von Stärke über Magie bis Glück automatisch steigen. Allerdings kann man einzelne Werte über Artefakte nicht nur temporär für eine Schlacht, sondern auch permanent erhöhen.
Tageszeiten, Ernte und Astraldrache
Mir war das als Feldherr alter Schule ehrlich gesagt zu viel. Es gibt ja nicht nur vier
Ein Ziel dieser Aufbauspirale ist, dass man sich für Belagerungen wappnet, die man
Und ja, die Kämpfe gegen unberechenbare menschliche Gegner sind natürlich reizvoller, zumal man jetzt erstmals lokal oder online auch im 2-vs-2 gegeneinander antreten kann, wobei jeder bis zu fünf Einheiten ins Feld führt. Zu Beginn wählt man zusammen eine Karte oder lässt den Zufall entscheiden. Allerdings ist gerade die Beschränkung auf lediglich fünf Helden natürlich ein Dämpfer für alle, die mal etwas komplexer auf dem PC rundentaktisch im Netz gekämpft haben. Außerdem ist die Balance abhängig vom Level des Gegners: Wer seine Kampagne bereits beendet hat, kann natürlich mit deutlich stärkeren Kriegern auftreten. Immerhin kann man den Kontrahenten auch unter seinen Freunden suchen, falls man denn Codes ausgetauscht hat.
Fazit
Fire Emblem Fates ist ein episches Biest. Ich verabscheue seine alberne Fratze, aber ich liebe es, wenn es die rundentaktischen Krallen ausfährt. Auch wenn die Aufspaltung in drei Kampagnen unnötig verwirrt und treue Fans mehrmals zur Kasse bittet: Der Reiz der drei Blickwinkel auf diesen Krieg erschließt sich am Ende der Reise. Der Weg dahin war für einen westlich geprägten Taktiker wie mich manchmal steinig, weil die Dialoge und das Geturtel schrecklich dämlich, das Betatschen oder Bepusten von Figuren einfach nur peinlich und der Aufbau einer Siedlung mit zu viel Ballast überladen ist. Aber neben dem Kitsch gibt es viel Kunst, sowohl im Spiel- als auch Artdesign. Da sind nicht nur die fantastisch inszenierten Filmszenen, die dieser Fantasy die nötige Eleganz verleihen, sondern auch richtig coole Kampfanimationen. Die Produktionsqualität ist für ein Handheld-Abenteuer enorm, die Spielzeit ebenfalls und nach der anfänglichen Schwarzweißmalerei kann die Story auch machtpolitische Grautöne zeigen und mit Wendungen überraschen. Das komplexe Figuren- und Beziehungsmanagement wird Rollenspieler und Feldherren begeistern, es gibt neue magische Gelände-Funktionen sowie vor allem tolle Kämpfe. Auch wenn es in der Geländetaktik oder KI kleinere Defizite gibt, entspinnen sich abwechslungsreiche Gefechte, die Einsteigern sinnvolle Hilfen anbieten und Perfektionisten alter Schule clevere Planung abverlangen, um alle Helden zu retten und Boni abzustauben. Aufgrund vorbildlicher Menüs und Anzeigen kann man sich in aller Ruhe in anspruchsvolle Scharmützel stürzen, um das Beste aus seinen Truppen und der Karte herauszuholen. Last but not least kann man sich erstmals auch mit bis zu vier Freunden online bekämpfen - leider nur mit jeweils fünf Kriegern. Auch wenn Intelligent Systems mit den Community- und Aufbaufunktionen sowie der Veröffentlichungspolitik überdreht, ist der rundentaktische Kern dieser Fantasysaga ein sehr guter.
Pro
Kontra
Wertung
N3DS
Fire Emblem Fates ist ein episches Biest. Ich verabscheue seine alberne Fratze, aber wenn es die rundentaktischen Krallen ausfährt, liebe ich es.
3DS
Fire Emblem Fates ist ein episches Biest. Ich verabscheue seine alberne Fratze, aber wenn es die rundentaktischen Krallen ausfährt, liebe ich es.
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