Im Test: Knallhart und wunderschön
You’re dead!
„Man kann da schon mal sterben, ne?“ – „Na, macht’s noch Spaß?“ – „Und - wie lange hast du fürs Tutorial gebraucht?“ Wer beim Testen von Cuphead eine Pause einlegt, kann sich sicher sein, dass es sofort Fragen zum Schwierigkeitsgrad hagelt. Um es schon mal vorwegzunehmen: Ja, das klassische horizontale Shoot-em-up ist richtig knifflig! Derart knifflig, dass so viele Flüche durchs Konsolenbüro hallten wie schon lange nicht mehr. Manche Levels müssen auch gestandene Contra-Veteranen gleich zehnmal oder häufiger starten. Gleichzeitig hat man dabei aber fast immer das Gefühl, ein bisschen weiter gekommen zu sein: „Nur noch ein Stückchen, diesmal schlüpfe ich mich geschickter an den Hummelgeschossen der Bienenkönigin vorbei und decke sie gleichzeitig mit zielsuchenden Geschossen ein!“ So oft man auch fassungslos den Controller fallen lässt, man will es immer gleich nochmal versuchen, was dank unendlich vieler Leben zum Glück problemlos möglich ist. Im Prinzip nehmen die bizarren Verwandlungen der Bosse nämlich nur wenige Minuten in Anspruch – falls man es denn beim ersten Anlauf schaffen sollte.
Fast wie in den Dreißigern
Dank der Animationen im Dreißiger-Design entwickelt sich aber eine ganz eigene, faszinierende Atmosphäre. Zunächst versuchten die Entwickler bei Studio MDHR (kurz für Moldenhauer), den typischen Look alter Disney-Cartoons und der Fleischer Studios am Computer zu imitieren. Da das Ergebnis aber nie wirklich ihren Vorstellungen entsprach, setzten sie sich noch einige Jahre an den Lichttisch, um Bild für Bild von Hand zu animieren. Dass sich die Mühe gelohnt hat, ist offensichtlich: Am meisten stechen die abrupten Bewegungen und bizarren Verformungen heraus. Die Pioniere früher Cartoons ließen schließlich noch ohne Rücksicht auf Verluste oder Familienfreundlichkeit ihre Fantasie spielen. Die unruhig wackelnde Linienführung ist ebenfalls ein bekanntes Merkmal, das sich offenbar gar nicht so leicht authentisch imitieren lässt.
Boss, Boss, Hüpfen, Boss
Im Laufe des Abenteuers ist man abwechselnd zu Fuß oder in einem Flieger unterwegs, während man kleine Gegnerschwärme und fette Endgegner mit Projektilen eindeckt. Der Fokus liegt eindeutig auf den Bosskämpfen. Zwischendurch werden aber auch einige Hüpflevels und eine Oberwelt eingestreut, auf der man sich beim grunzenden Händler mit frischen Waffen eindeckt. Das überschaubare Arsenal wurde motivierend aufeinander abgestimmt: Wer sich in etwas gefährlichere Ecken der Levels wagt, kann dort Münzen einsammeln und sie etwa in einen gefächerten Streuschuss oder einen praktischen Boomerang investieren, der Gegner hinter dem Helden besonders effektiv aus dem Weg räumt. Sehr nützlich ist auch der aufgemotzte Dash, der den Tassenkopf einen Sekundenbruchteil lang unbesiegbar macht, so dass er sich noch rechtzeitig aus einem Gegnerpulk stehlen kann. Rosa eingefärbte Objekte lassen sich per Sprungknopf „parieren“. Mit dem passenden Timing lädt man so schneller Spezialattacken auf, um z.B. einen angenehm fetten Energiestrahl abzufeuern.
Exklusiver Crossplay-Shooter
Ein kleine Spaßbremse sind auch die ständige Anspannung und der Fokus auf superknifflige Bosse. Viele Attacken lassen sich auf Anhieb nur schwer einschätzen, so dass das Auswendiglernen auf Dauer ein wenig ermüdend und monoton werden kann. Es fehlen Momente zum Durchatmen, in denen man sich einfach mal mächtig fühlen und die wunderhübsch gezeichnete Kulisse genießen darf. Manch eine lustige Animation im Hintergrund fällt einem erst dann auf, wenn man einem anderen Spieler zuschaut oder sich Aufnahmen ansieht. Im Gegenzug versetzt einen der knallharte Ballermarathon aber in ein regelrechtes Wechselbad aus Verzückung, Hass und dem Ansporn, den Boss diesmal doch besiegen zu wollen. Neulinge sollten also lieber komplett die Finger vom Spiel lassen, Fortgeschrittene bekommen vor Bosskämpfen aber immerhin eine Option, den Schwierigkeitsgrad ein wenig zu senken. So lassen sich auch ohne hohe Skills die nächsten Welten freispielen. Der Teufel pocht dann allerdings darauf, dass Cupheads Seele nur mit „echten“ Kämpfen gegen die übrigen Schuldner befreit werden kann.
Fazit
Was für ein Flashback: Als Liebhaber alter Cartoons ist Cuphead für mich ein Spiel gewordener Kindheitstraum. Ich bin zwar eher Fan von Warners Looney Tunes mit ihrem flapsigen Humor, aber auch der exzentrische frühe Animationsstil von Disney und Fleischer (Popeye, Betty Boop) üben nach wie vor eine große Faszination auf mich aus. Das gilt natürlich besonders, wenn die Vorbilder so wunderhübsch nachgeahmt werden wie in Cuphead: Abgesehen von fehlenden Treffer-Animationen merkt man an jeder Ecke, wie viel Liebe in die albernen Animationen geflossen ist, die mit ihren Unmengen verrückter Ideen und Verwandlungen beinahe schon wie ein psychedelischer Trip wirken. Auch der knallharte und trotzdem meist faire Schwierigkeitsgrad hat mich immer wieder angespornt, mich ein Stückchen weiter durch den bunt morphenden Wahnsinn zu kämpfen. Auf Dauer kann es allerdings ein wenig ermüdend werden, jederzeit angespannt und hochkonzentriert vorm Fernseher zu sitzen. Schade, dass die Entwickler nicht mehr und leichtere Plattformlevels eingestreut haben, um einen besseren Rhythmus aus An- und Entspannung zu schaffen - damit man auch mal durchatmen und die Grafik genießen kann. Doch auch in seiner Form als hübscher Hardcore-Marathon ist aus Cuphead ein gelungener Arcade-Shooter geworden.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Wunderhübsch animierter Cartoon-Shooter mit motivierend knackigen Bossen, der auf Dauer aber ein wenig monoton werden kann.
XboxOne
Wunderhübsch animierter Cartoon-Shooter mit motivierend knackigen Bossen, der auf Dauer aber ein wenig monoton werden kann.
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