Im Test: Alles auf Anfang
Kreative Pause genutzt?
Seit der Premiere von Assassin’s Creed im November 2007 ist jedes Jahr für die jeweils aktuellen Systeme ein neuer Teil der Spieleserie erscheinen - mit wechselndem Erfolg. Das lag auch an der Risikobereitschaft, wenn es um die Einarbeitung neuer Elemente sowie der Ausarbeitung der Charaktere und der für viele Spieler unwichtigen Gegenwartsgeschichte ging. Was einst mit Altair und seinem Meuchlerleben zur Zeit der Kreuzzüge begann, führte mit Ezio ins Europa der Renaissance. Später ging es in die amerikanische Unabhängigkeit, die Karibik, Frankreich zur Zeit der Revolution oder das industrielle Zeitalter Englands. Der Kampf zwischen der "Assassinen-Bruderschaft" und den "Templern", dessen mechanischer Kern im Wesentlichen aus einer Studie hervorging, wie man Prince of Persia modernisieren könnte, hat seit Xbox-360-Zeiten eine Erfolgsgeschichte sondergleichen geschrieben.
Die Wiege der Zivilisation
Assassin’s Creed Origins versetzt den Spieler nach Ägypten zur Zeit der Pharaonen, genauer: In das Zeitalter von Cleopatra. In der Rolle des Medjai Bayek (eine Eliteeinheit, die im Dienst von Städten, Personen oder Institutionen steht), wird man zunächst mit einem persönlichen Schicksalsschlag konfrontiert, als sein Sohn von abtrünnigen Priestern getötet wird. Der darauf folgende Rachefeldzug führt Bayek und seine Frau Aya (ebenfalls eine Medjai) nicht nur durch ein riesiges Ägypten von Alexandria bis zu den Pyramiden Gizehs. Während man u.a. für Cleopatra auf ihrem Weg zum letzten weiblichen Pharao Aufträge erledigt oder Seite an Seite mit Cäsar kämpft, lernt man die Ursprünge der Templer kennen, die hier noch unter einem anderen Namen in Erscheinung treten. Aber sie sind wie die Antagonisten, die man schon mit Altair, Ezio & Co verfolgt hat, bereits damit beschäftigt, Edensplitter zu jagen und die Geheimnissen der "Alten" zu entschlüsseln. Cleopatra ist es auch, womit der Grundstein für das gelegt wird, was sich später zur Bruderschaft der Assassinen entwickelt. So ist Ägypten nicht nur die Wiege der
Zudem bin ich erfreut, dass die für mich von Teil 1 an wichtige Gegenwartsgeschichte bzw. die Verknüpfung mit den historischen Assassinen eine positive Rückkehr feiert. Die abtrünnige Abstergo-Agentin Elysa, die mit einem Eigenbau-Animus nicht nur in Bayek, sondern auch seine Frau Aya schlüpft (mit der man auch Seeschlacht-Missionen à la Black Flag erleben darf), ist eine sehr interessante Figur. Und ihre Erlebnisse wirken im Serienzusammenhang kohärenter als alles, was man seit Black Flag mitmachen musste. Gleichzeitig markiert Origins einen mechanischen Neubeginn. Viele Elemente, die die Serie von Beginn an erst auszeichneten und schließlich die Stagnation markierten, wurden über Bord geworfen. Zur unverrückbaren DNS der Serie scheint allerdings weiterhin zu gehören, dass man Türme oder andere Aussichtsplattformen erklimmen muss – was wie das Klettern im Allgemeinen nach wie vor unkompliziert und mit Halbautomatiken weitgehend gefahrlos von der Hand geht. Angesichts der Änderungen, die ansonsten im Umfeld stattfanden, ist das bei aller Kritik, die ich in den letzten Jahren angesichts dieser starren sowie drögeren Mechanik geäußert habe, aber dennoch ein nettes Überbleibsel aus der Assassin’s-Creed-Vergangenheit. Doch drumherum hat man sehr viele Elemente und Mechaniken auf den Prüfstand gestellt, überarbeitet oder ausgetauscht.
Besser gut "inspiriert" als schlecht selbst gemacht
Dass man dabei nicht nur auf sich selbst, sondern auch über den Tellerrand geschaut hat, wie andere Spiele mit offener Welt umgehen, sehe ich in diesem Fall nicht als Schwäche. Zumal man sich in erster Linie bei CD Projekt Reds The Witcher 3 orientiert. Ubisoft hätte sich deutlich schwächere Titel zum Vorbild nehmen können als das bei uns mit Platin prämierte sowie zum Spiel des Jahres ausgezeichnete Action-Rollenspiel. Allerdings sind das natürlich auch große Fußstapfen, die man zu füllen versucht und die zwangsläufig zu Vergleichen mit dem Original führen. Doch im Großen und Ganzen hat man bei Ubi die Hausaufgaben ordentlich erledigt. Denn auch wenn man die Fragezeichen auf dem Kompass kennt, die nicht nur Missionsgeber, sondern auch neue Schauplätze, Nebenaufgaben, Kasernen und vieles mehr markieren, funktionieren sie in diesem Assassin’s Creed gut, dass sich Renovierung statt Innovation auf die Fahne geschrieben hat. Sie haben bei mir immer wieder dafür gesorgt, dass ich vom „Weg“ abgekommen bin und zunehmend Zeit mit dem Erkunden der Umgebung zugebracht habe, anstatt mich auf die Hauptgeschichte zu konzentrieren, die bei mir erst nach knapp 40 Stunden erledigt war. Die mit vielen Missionen zusammenhängenden Untersuchungen samt innerer Monologe von Bayek erinnern ebenfalls an die Kriminalfälle samt Spurensuche, die Geralt mit Hilfe seines Hexersinnes lösen konnte.
Ein bisschen hier, ein bisschen da
Das Inventar, das dank haufenweise als Belohnung ausgeschütteter Ausrüstung stets prall gefüllt ist, weist ebenfalls Ähnlichkeiten zu Geralts Abenteuer auf, zeigt hier aber auch andere Einflüsse. Noch deutlicher wird der Schritt, den Assassin’s Creed weg vom klassischen explorativen Action-Adventure hin zum Action-Rollenspiel macht, beim Kampfsystem sowie dem Freischalten von gut 50 Fähigkeiten in drei Bereichen (Jäger, Kämpfer, Seher), die mal passiv sein können, mal aktiv oder bestehende Fähigkeiten erweitern. Bei den Auseinandersetzungen hat man einen schwachen sowie starken Schlag, Ausweichen und Block zur Verfügung. So wie beim Hexer, aber auch mit Ähnlichkeiten zur Souls-Serie oder Darksiders, zeigt es mit seinem fließenden Wechsel aus Nah- und Fernkampf aber auch Berührungspunkte mit Horizon: Zero
Es stehen für den Nah- und Fernkampf zahlreiche Waffentypen zur Verfügung, von denen jeweils zwei ausgerüstet werden können und die alle mit unterschiedlicher Handhabe für Abwechslung sorgen. Mit einem trägen Streitkolben muss man anders umgehen als mit einem schnellen Sichelschwert oder der Doppelklinge – und alle haben auch eine anderen Adrenalin-Spezialfunktion zur Verfügung, die von einem mächtigen Angriff bis hin zu einer Aktivierung von verstärkten Schlägen reicht. Bei den Bögen gibt es ebenfalls zahlreiche unterschiedliche Systeme, von mächtigen Schüssen, die angelegt werden müssen, aber nahezu ohne spürbaren Sehnenzug stattfinden, bis hin zu Mehrfachschüssen, Pfeilstakkatos oder Angriffen, die umso effektiver werden, je länger man die Sehne zieht. Allerdings vermisst man ein Ausdauersystem: So verkommen die Auseinandersetzungen mit Standardgegnern oder der einen immer wieder angreifenden Fauna zu häufig zu einem wilden Knopfhämmern. Erst auf einem höheren Schwierigkeitsgrad bzw. gegen überlegene oder mit massiver Rüstung oder Schilden ausgerüstete Gegner wird es taktischer, so dass man gezielter ausweichen, den Schild verwenden oder vielleicht sogar eine andere Waffe wählen sollte.
Kaufen, Finden, Selbstbau, Beutekisten
Tötungswerkzeuge, deren Ideallevel man bereits deutlich überschritten hat und die es natürlich einem Action-Rollenspiel entsprechend in Kategorien von „gewöhnlich“ bis „legendär“ gibt, kann man übrigens bei Händlern gegen Drachmen eintauschen oder jederzeit für Rohstoffe auseinandernehmen. Letztere kann man für sechs Basisverstärkungen wie Brustpanzerung etc. einsetzen, die allerdings nur für Erhöhung von Statistikwerten wie Gesundheit, Schaden für Meuchelklinge, Nah- oder Fernkampf oder Köchergröße verwendet werden. Selbst an die Spieler, die Vorlieben für eine bestimmte Waffe haben, wurde gedacht: Gegen Drachmen kann man sie beim Schmied auf die aktuelle Stufe von Bayek bringen. Dadurch bekommen die Funde natürlich eine gewisse Beliebigkeit. Dennoch habe ich mich immer wieder gefreut, wenn ich eine seltene Waffe gefunden habe – auch wenn ich stets versucht habe, meine Lieblingsklingen auf Bayeks Niveau zu halten. Dementsprechend hatte ich nie das Bedürfnis (auch nicht im Hinblick auf Erfahrungsboosts) in den Echtgeldshop zu wandern, wo man Helix-Dollar ersteht, die man für Zeitverkürzer, Drachmen oder besondere Ausrüstung verwenden kann. Auch die im Vorfeld diskutierten Heka-Kisten, die man bei Nomadenhändlern erstehen kann, habe ich nur aus Testzwecken einmal benutzt. Die Waffe, die ich für 3000 Drachmen in Empfang nehmen durfte, schläft noch immer in meinem Inventar.
Stimmungsvoll mit Abstrichen
Dafür sind die Flüge sehr gut geeignet, um die stimmungsvolle Kulisse zu demonstrieren, die u.a. mit fantastischer Wasserdarstellung, abwechslungsreichen Umgebungen oder eindrucksvoller Sichtweite punktet, sich andererseits aber bei den Animationen, der Kollisionsfrage sowie Texturdetails uneinheitlich zeigt. Je nach System kann es zudem größere Unterschiede bei Bildrate, Zeichendistanz und Entfernung von aufploppenden Detailtexturen geben, die allerdings unter dem Strich keine Wirkung auf die Wertung haben. Von dem letzten Patch (1.03) hat visuell vor allem die One bzw. die One X profitiert, die mit 4K-Unterstützung und HDR einen knackscharfen Eindruck hinterlässt, der der PC-Version nur wenig nachsteht. Doch auch schon vorher konnte die Welt mit ihrem Variantenreichtum und den vielen kleinen Details überzeugen. Geht man durch ein Blumenfeld, biegen sich nicht nur die Halme mit der Bewegung, sondern hinterlässt man auch eine Spur an Blütenblättern, die vom Wind weggetragen werden – schön. Wetter- und Tag-/Nachtwechsel wurden ebenfalls eindrucksvoll inszeniert, wobei Ersteres beim PC deutliche Performance-Einbußen zeigen kann, allerdings nicht immer.
Von grandios bis okay
Fazit
Assassin’s Creed Origins ist mehr als die Summe seiner Einzelteile, für die sich Ubisoft bei der Neuerfindung der ruhmreichen Serie bei zahlreichen Vorbildern, allen voran The Witcher 3, bedient hat. Doch man hat es mit dem Richtungswechsel hin zum Action-Rollenspiel sowie weiteren Einflüssen u.a. von Tomb Raider, Horizon: Zero Dawn oder Destiny geschafft, rundum gelungene Unterhaltung aufzubieten. Charismatische Figuren, von denen Bayek hoffentlich in weiteren Teilen eine Rolle spielt, eine clever konstruierte Ursprungsgeschichte für den Kampf zwischen Assassinen und Templern, dazu eine gut verzahnte Verbindung von einigen alten und vielen neuen Mechaniken stimmt positiv für die Zukunft der Serie und macht Origins für mich zum besten Assassin’s Creed seit Black Flag. Dementsprechend stört es mich nicht, dass man sich z.B. beim neuen Kampfsystem bei bekannten Vorbildern bedient hat, sondern dass man hier nicht in die letzte Konsequenz gegangen ist. So hätten die dynamischen Auseinandersetzungen von einem Ausdauersystem massiv profitieren können, während der Adler als Umgebungsanalyse und Markierungs-Tool visuell zwar eindrucksvoll, mechanisch aber zu „wimmelbildig“ und insgesamt zu übermächtig ist. Ubisoft hat es im Rahmen der Serienrenovierung geschafft, einige traditionelle Stärken wie die ansehnliche Spielwelt und die gelungene Erzählstruktur mit neuen Elementen zu verbinden. Dass dabei auch vor allem hinsichtlich des Figurendesigns und der Inszenierung einige visuelle Umstimmigkeiten auftauchen, ist allerdings schade – wie auch die nach wie vor wankelmütige KI und vor allem die aufdringliche Einbindung von Community-Funktionen. Doch auch mit diesen Mankos weiß Origins zu unterhalten. Und das für dutzende Stunden – selbst, wenn man nur versucht, sich auf die Hauptgeschichte zu konzentrieren.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Gelungener Neustart der Serie, der mit Einflüssen aus dem Action-Rollenspiel sowie einer teils famosen Kulisse punktet, aber in einigen mechanischen Bereichen noch Luft nach oben hat.
XboxOne
Gelungener Neustart der Serie, der mit Einflüssen aus dem Action-Rollenspiel sowie einer teils famosen Kulisse punktet, aber in einigen mechanischen Bereichen noch Luft nach oben hat.
PlayStation4
Gelungener Neustart der Serie, der mit Einflüssen aus dem Action-Rollenspiel sowie einer teils famosen Kulisse punktet, aber in einigen mechanischen Bereichen noch Luft nach oben hat.
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