Darksiders 328.11.2018, Mathias Oertel
Darksiders 3

Im Test: Mit Raserei zur Selbstfindung

Die Freude war groß, als THQ Nordic letztes Jahr Darksiders 3 (ab 8,00€ bei kaufen) ankündigte. Immerhin konnten die Spiele um die apokalyptischen Reiter sowohl stilistisch als auch inhaltlich überzeugen. Ob es dem Team von Gunfire Games gelungen ist, der schnell reizbaren Fury eine adäquate Fortsetzung für die Action-Adventure von Krieg und Tod zu spendieren, klären wir im Test.

Wer? Wie?

Als Fury, einer der apokalyptischen Reiter, zum feurigen Rat beordert wird, befindet sich die Welt bereits in einem schier aussichtslosen Kampf zwischen Himmel und Hölle. Ihr Bruder Krieg ist in Ketten und wird angeklagt, die Apokalypse eigenmächtig angezettelt zu haben. Tod, ein weiterer Reiter, ist verschwunden und Hader, der letzte der Geschwister, scheint ebenfalls verhindert. Wer mit Darksiders bisher nichts zu tun hatte, wird trotz der richtig guten deutschen Lokalisierung sowohl mit der Einführung in die Geschichte als auch den Figuren Probleme haben. Wer oder was ist der Feurige Rat? Was hat Krieg gemacht? Wo ist Tod? Wieso muss die hitzköpfige Schwester die sieben Todsünden jagen und erledigen?  Wieso hat man bei Fury den englischen Namen behalten, während alle anderen eingedeutscht wurden und man ihr mit Raserei oder Wut ebenfalls einen lokalisierten Namen hätte geben können? Warum wird sie immer als Reiter bzw. im englischen Original als Horseman und nicht als Reiterin bzw. Horsewoman bezeichnet? Und wieso wurden die Reiter im Gegensatz zur biblischen Überlieferung  verändert?

Sehr schön: Darksiders 3 stellt viele Bezüge zu den Vorgängern her. Weniger schön: Als Neueinsteiger bleibt vieles unklar.
Obwohl THQ Nordic mit der Warmastered Edition des ersten Darksiders sowie der Deathintive Edition der Fortsetzung HD-Versionen für die aktuellen Systeme veröffentlichte, macht man erzählerisch den Fehler, davon auszugehen, dass die Vorgeschichten bekannt seien. Eine Zusammenfassung der Geschehnisse wäre sinnvoller gewesen als die zwar dramatische, aber stilistisch etwas spröde Einführung, die hier gezeigt wird. Kenner der Vorgänger werden hingegen zu schätzen wissen, dass Gunfire Games durchaus erfolgreich versucht hat, die Geschichte in den bestehenden Kanon einzufügen. Hier zahlt sich aus, dass einige Team-Mitglieder bereits zu Zeiten des ursprünglichen Darksiders-Entwicklers Vigil Games mit den Reitern Bekanntschaft machten, die seinerzeit von Comic-Maestro Joe Madueira (Uncanny X-Men Comics, Battle Chasers Nightwar) ins Leben gerufen sowie stilistisch geprägt wurden.

Wut im Bauch

Apropos stilistisch: Obwohl man mit den gewaltigen Comic-Einflüssen, der prägnanten Farbgebung und den klaren Strukturen eindeutig das Artdesign weiterführt, das auch in den Vorgängern zu finden war, kann es nicht mehr ganz so faszinieren wie noch in den Teilen 1 und 2. Das Figuren- sowie Gegnerdesign ist zwar gelungen und die mitunter etwas tristen Umgebungen spiegeln die im Kriegszustand befindliche, von Menschen nahezu verlassene Erde gut wider. Doch es fehlt das gewisse Etwas, das Besondere – vielleicht das Genie, das Madueira mitbrachte und damit die Welt der Apokalpyse veredelte. Hier wirken die sechs thematischen Bereiche zwar stimmungsvoll, aber eben nicht mehr außergewöhnlich. Zudem haben sowohl die PC- als auch vor allem die PS4-Version mit technischen Problemen zu kämpfen: Manche Umgebungsspiegelungen im Wasser (vor allem in den ersten Tutoral-Bereichen) wirken schlichtweg unnatürlich. Doch das legt sich irgendwann, ganz im Gegensatz zu den Textur-Blitzen bei Kameradrehungen, wenn die Tapeten erst im sichtbaren Bereich auf die Levelarchitektur geklatscht werden. Das passiert auch mit dem aktuellen Patch 1.03 immer wieder und nagt am technischen

Mit aktiviertem "Macht-Hollow" hat man nicht nur einen Hammer im Kampf zur Verfügung - auch bei der Levelerkundung ergeben sich neue Möglichkeiten.
Gesamtindruck – wie auch die gelegentlichen Bildratenverluste, die auf PS4 Pro häufiger auftreten als am PC. Zur Xbox-One-Version können wir noch nichts sagen, da diese zum Test nicht vorlag. Hier werden wir schnellstmöglich den Text und die Wertung ergänzen.

Dass Gunfire Games die verwendete Unreal Engine auch anders einzusetzen versteht, wird im letzten Viertel der gut 22 bis 25 Stunden langen Reise deutlich, wenn man z.B. einem gefährlichen Mega-Tornado begegnet, der dem aus Just Cause 4 durchaus ebenbürtig ist – auch wenn die angerichtete Zerstörung deutlich geringer ausfällt. Und auch die Gefechte, die neben den Erkundungsreizen mit überraschend vielen Geheimnissen im Fokus stehen, können sich sehen lassen. Zu großen Teilen wurden die Kämpfe gut animiert und mit ordentlichen Effekten ausgestattet. Allerdings lässt die Kameraposition in bestimmten Situationen zu wünschen übrig, woraus einem aber nur selten Nachteile entstehen. Ungewöhnlich grob bzw. sehr uneinheitlich ist die Mimik der Figuren: Dezidierte Dialogszenen gibt es zwar nur wenige. Doch gerade angesichts dessen wäre es sinnvoll gewesen, die Gesichtsanimationen zu optimieren. Vor allem die Mund- und Lippenbewegungen wirken häufig unsauber und abgehackt, so dass man von den eigentlich in der Szene vermittelten Emotionen abgelenkt wird. Denn im Kern ist die Geschichte um den Selbstfindungsprozess der ihren Namen vollkommen zu Recht tragenden Fury durchaus interessant – und dazu plausibel in die Apokalypse und die Geschichten ihrer Brüder integriert.

Zurück zu den Wurzeln – und From Software

Nachdem Vigil seinerzeit beim Design von Darksiders 2 den Sprung in eine weitgehend offene Welt wagte, kehrt Gunfire für Furys Abenteuer im Wesentlichen zum Konzept von Teil 1 zurück: Mit gefährlichen Gegnern gefüllte Hub-Welten, die den Zugang zu weitgehend linearen, allerdings mitunter großräumigen Schlauchlevels mit ihrerseits einigen versteckten Geheimnissen gewähren. Mit frischen Fähigkeiten bekommt man nicht nur Zutritt zu neuen Bereichen, sondern auch mehr Möglichkeiten, die großteils clever angelegten Umgebungsrätsel zu lösen. Fury hat anfangs nur ihre irgendwie an das Schwert von Soul Caliburs Ivy erinnernde Kettenpeitsche zur Verfügung, um sich der Gegner zu entledigen oder Abgründe mit Schwung zu überqueren. Wandert man durch die Abschnitte, sieht man aber schon zahlreiche Bereiche, die man noch nicht erreichen kann. Im Laufe der Zeit kommen vier umschaltbare so genannte Hollows sowie eine Wurfklinge dazu, die nicht nur Elementangriffe wie Eis, Blitz oder Feuer, sondern auch spezielle Fortbewegungsmöglichkeiten ermöglichen. Mit dem Blitz-Hollow z.B. darf man wie Storm (X-Men) schweben, während man mit Hilfe des Macht-Hollows zu einem Magnetball werden kann, der sich an bestimmten Metallformationen befestigen lässt. Auch im Hinblick auf die Erkundung interessant sind die Möglichkeiten, die Gunfire einem im Umgang mit Wasser bietet. Mit dem Blitz- oder Feuer-Hollow kann man schwimmen und tauchen. Die Macht-Version hingegen sorgt dafür, dass man am Boden entlang gehen kann, während man mit Eis auf dem Wasser läuft oder an bestimmten Positionen Wandsprünge durchführen kann.

Darksiders 3 setzt auf einen angenehmen Wechsel zwischen Levelerkundung mitsamt cleverer Umgebungsrätsel sowie zumeist fordernden Kämpfen.
Das Leveldesign wurde dabei sehr clever auf den Einsatz der Hollows abgestimmt, die man teils in fantasievollen Kombinationen anwenden muss, wenn man alle Geheimnisse lüften möchte. Und wenn man nach einer elendlangen Odyssee durch die Höhlen, Gruften, Hochhauscanyons, Sümpfe usw. ein Tor oder ein Gitter öffnet und auf einmal feststellt, dass man wieder in der Verteiler-Welt gelandet ist, in der man das letzte Mal vor zig Stunden war, wird die Qualität des Leveldesigns deutlich – und erinnert so ganz nebenbei an Momente der Souls-Reihe. An der hat sich Gunfire allerdings nicht nur beim herrlich verschachtelten Leveldesign orientiert. Die Lurcher-Gefäße und aktivierbaren "Splitter", die man bei leuchtenden Kugeln findet, erinnern ebenfalls an Elemente, die From Software in Dark Souls etablierte sowie später verfeinerte. Und auch bei den Kämpfen findet nicht nur eine Rückbesinnung auf Teil 1 statt. Mit deutlich weniger Gegnern als in Darksiders 2 sollen sowohl Wertigkeit der einzelnen Gefechte als auch deren Gefahr erhöht werden. Und dieses Konzept geht weitgehend auf. Nicht nur, weil mit einer vor allem in der zweiten Hälfte cleveren Zusammenstellung der Gegner ein überlegter Einsatz von Hollow-Attacken, Standardangriffen und vor allem der Ausweichrolle nötig ist und somit sturem Knopfhämmern der Kampf angesagt wird – wobei der Wechsel von Attacken zum Ausweichen einen Hauch responsiver sein könnte. Insbesondere, da das auf gutes Timing setzende Ausweichen nicht übermächtig ist und man auch immer wieder Zeiträume schaffen muss, um die Heilfähigkeiten einzusetzen.

Zwischen Lust und Frust

Mit einem eleganten Sprung nach hinten, vorne und zur Seite kann man zwar vielen, aber eben nicht allen Angriffen der unter Umständen aus allen Richtungen attackierenden, aber durch (abschaltbaren) Warnpfeile angekündigten Feinden entgehen. Dass zudem bei einem "perfekten" Ausweichen die Zeit kurz verlangsamt wird und damit ein Fenster für einen verheerenden Konter geöffnet wird, der auch mit einem "Hollow-Angriff" gesetzt werden kann, macht das Beobachten und Einschätzen der Angriffsmuster beinahe so wichtig wie bei den einschlägig bekannten Spielen von From Software. Dass man beim zwangsläufigen Ableben alle bis dahin verdienten "Seelen" verliert, die am Todesort darauf warten, wieder aufgesammelt zu werden, ist eine weitere Parallele. Doch trotz aller Anleihen schafft es Fury, sich sowohl beim Kampf als auch beim Ausleben der Erkundungsreize eine durchaus eigene spielerische sowie mechanische Identität aufzubauen. Die wäre sogar noch intensiver gewesen, wenn es nicht die schon erwähnten Kameraprobleme gäbe, die zusätzlich zum gehobenen

Das Artdesign zeigt sich zwar stimmungsvoll und setzt die Einflüsse der Vorgänger fort. Ihm fehlt jedoch das gewisse Etwas.
Schwierigkeitsgrad ab und an die Auseinandersetzungen unnötig kompliziert machen. Das eigentlich gute Kontrollpunkt-System (man wird immer beim letzten Aufeinandertreffen mit Händler Vulgrim wiederbelebt) hat ebenfalls mit leichten Problemen zu kämpfen, die allerdings eher damit zusammenhängen, dass es keine Karte gibt, die einem anzeigt, wo man sich befindet.

So wacht man nach einem Ableben mitunter "irgendwo im Nirgendwo" auf und weiß angesichts der Level-Verschachtelungen erst einmal nicht, wo man eigentlich gestorben ist und nachfolgend natürlich nicht, wie man jetzt wieder dahin kommt – vor allem wenn man sich auf Erkundung in irgendeinem Seitenpfad befand, anstatt dem über den "Kompass" angezeigten Weg zur nächsten Todsünde zu folgen. Das wiederum kann dafür sorgen, dass man etwas orientierungslos durch die Abschnitte irrt, aber auf dem Weg zu dem liegen gelassenen Seelenhaufen immerhin auch genug Opfer findet, an denen man seinen Frust auslassen kann. Dennoch: Dieses Backtracking hätte wie das allgemeine Zurückkehren und Durchlaufen bereits bekannter Abschnitte reduziert werden können. Die Spielzeit würde auch ohne diese aufgesetzten Wiederholungen deutlich jenseits von 15 bis 18 Stunden liegen. Was angesichts des deutlich zurückgestuften Entwicklungspotenzials von Fury sowie ihrer Waffen vollkommen ausreichen würde. In dieser Form wirkt das Spielerlebnis hier und da etwas gestreckt sowie ausgedünnt – auch wenn ich die Phasen der Ruhe, die man erleben kann, durchaus wertzuschätzen weiß.

Fazit

Die Alt- bzw. Neuausrichtung der Darksiders-Serie funktioniert. Es gibt zwar sowohl mechanisch als auch inhaltlich oder bei der Technik Kleinigkeiten, die für gelegentlichen Frust sorgen, doch es überwiegen eindeutig die positiven Eindrücke. Es ist schade, dass Spieler ohne Vorkenntnisse viele der Bezüge nicht verstehen. Doch mit dem Wissen um die Geschehnisse von Krieg und Tod passt sich Furys Geschichte gut in das bestehende Darksiders-Universum ein. Dass man beim Level-Design einen Schritt zurück gemacht und sich von der offenen Welt aus Teil 2 entfernt hat, ist ebenfalls ein gelungenes Wagnis – auch wenn dem Design zwar das Stimmungsvolle nicht abzusprechen ist, ihm aber das ganz Spezielle fehlt, vielleicht weil Joe Madueira als Schöpfer des Universums nicht mehr von der Partie ist. Das versucht man dadurch auszugleichen, dass sich Gunfire Games bei den clever verschachtelten sowie mit durchweg intelligenten Rätseln versehenen Abschnitten ebenso wie beim Kampf- und Seelensystem an Stilmitteln orientiert, die man auch aus der Souls-Serie kennt. Das Kampfsystem könnte beim Übergang von Attacken zu den sehr wichtigen Ausweichbewegungen oder dem Einsatz von Heilpaketen besser reagieren, aber die Gefechte sind angenehm intensiv. Das Backtracking hätte man bei der Erkundung allerdings reduzieren oder zumindest durch eine Karte auffangen können. Unterm Strich wird man von Fury und ihrem Rachefeldzug weit über 20 Stunden richtig gut unterhalten. Man kann gespannt sein, was sich Gunfire Games für Hader, den letzten der Reiter, einfallen lässt.

[Zum Test standen vorerst PC- und PS4-Version zur Verfügung. Wir werden Wertung und ggf. nötige Textanpassungen für die One-Variante schnellstmöglich nachliefern. Anm. d. Red.]

Pro

erzählerisch passabel in das bestehende Universum eingebunden...
saubere Steuerung
passables Kampfsystem mit wichtiger Ausweichrolle
gute Mischung aus Erkundungsreizen und Auseinandersetzungen
schick inszenierte Bosskämpfe
clevere Umgebungsrätsel
intelligent miteinander verknüpfte Abschnitte
gute bis sehr gute deutsche Lokalisierung
stimmungsvolle Musik
gehobener Schwierigkeitsgrad
viele versteckte Geheimnisse

Kontra

... setzt allerdings Vorkenntnisse voraus
Erfassung beim Wechsel von Attacken zum Ausweichen oder den Heilmitteln könnte responsiver sein
fehlende Karte erschwert die Navigation
großteils schwache Mimik
nur oberflächliche Figuren-/Waffenentwicklung
technische Probleme (Bildrate, blitzhaftes Texturnachladen), vor allem auf PS4

Wertung

PC

Im Detail gibt es in einiger Hinsicht Schwächen, doch unter dem Strich legt Fury einen durch die Bank unterhaltsamen sowie fordernden Auftritt hin.

PlayStation4

Im Detail gibt es in einiger Hinsicht Schwächen, doch unter dem Strich legt Fury einen durch die Bank unterhaltsamen sowie fordernden Auftritt hin.

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  • Nach Release werden zwei DLCs erscheinen.
  • Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.
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