Need for Speed Payback09.11.2017, Mathias Oertel
Need for Speed Payback

Im Test: Der Civic unter den Rasern

Obwohl das letzte Need for Speed mit seinem puristischen Namen eine Rückkehr zu den Wurzeln suggerierte, blieb diese Hoffnung unerfüllt – um genau zu sein, enttäuschte der Arcade-Raser in vielerlei Hinsicht. Jetzt meldet sich EA Ghost mit Need for Speed Payback (ab 15,97€ bei kaufen) zurück, das versucht, das Flair von Fast & Furious mit den Inhalten einschlägiger Rennspiele in offenen Welten zu verbinden. Ob diese Mischung erfolgreich ist, klären wir im Test.

Unter Filmniveau

Zwei Jahre hat sich EA Ghost für Need for Speed Payback Zeit gelassen. Und man hat vor allem in einem Punkt auf das Feedback von Spielern gehört: Die mit dem mitunter peinlichen Drehbuch kämpfenden realen Darsteller der Zwischensequenzen aus dem Vorgänger wurden durch virtuelle Kollegen ersetzt, die einen ordentlichen Job erledigen. Das wird auch dadurch erleichtert, dass das Payback-Drehbuch mit seiner Geschichte um Verrat und Rache besser ist als die hanebüchene Tuning-Eroberung des Vorgängers.

Payback versucht, filmreife PS-Action à la Fast & Furious zu inszenieren. Meist bleibt es bei dem Versuch...
Doch besser ist nicht automatisch gleichbedeutend mit gut. Denn selbst wenn man die als Vorbild fungierenden Fast-&-Furious-Filme als Maßstab nimmt, die sich ebenfalls nicht gerade durch interessante Dialoge, überzeugende Charakterzeichnung oder vielschichtige Geschichten auszeichnen, ist die Story hier schwach auf der Brust. Die Charaktere sind oberflächliche Schönlinge ohne Charme und müssen in den sich über die gesamte Kampagne ziehenden Dialogen haufenweise Klischees abarbeiten. Dass diese in der technisch ordentlichen, aber inhaltlich maroden deutschen Version mit einer aufgezwungenen Flappsigkeit zusätzlich an Qualität einbüßen, macht es einem nicht leichter, von der Option Gebrauch zu machen, zumindest die Zwischensequenzen abzubrechen, wo es geht.

Speedy and Furious

Die echten Darsteller des Vorgängers werden von virtuellen Schauspielern abgelöst - das Drehbuch wird dadurch allerdings auch nicht besser.
Dass man sich in vielerlei Hinsicht am Erfolg von Fast & Furious orientiert, wird auch an den geskripteten Sequenzen deutlich, die man im Lauf der gut 15 bis 20 Stunden dauernden Kampagne in der offenen Welt von Payback erleben darf. Trucks werden unterstützt von wilden Kameraeinstellungen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf Highways gekapert. Die Boliden entkommen durch megaknappe Sprünge der verfolgenden Staatsgewalt oder holen selbst Helikopter vom Himmel. Diese Versuche, die Intensität der Filme mit Vin Diesel und Dwayne Johnson nachzustellen, gelingt aber nur eingeschränkt. Denn noch interessanter und damit intensiver wäre es gewesen, wenn diese Sequenzen als Belohnung für erfolgreiches Fahren an den Spieler vergeben würden. Doch in den entscheidenden Momenten wird das Geschehen immer wieder viel zu früh aus der Hand des Spielers genommen.

Nehmen wir z.B. das Beispiel mit dem Truck. Anstatt den Spieler aufzufordern, z.B. mit einer bestimmten Geschwindigkeit für einen bestimmten Zeitraum neben dem LKW zu fahren, damit der Partner den Transporter kapern kann, reicht es, eine bestimmte Position zu erreichen, damit die Zwischensequenz ausgelöst wird. Da dies aber nicht nur bei vermeintlich filigranen Aufgaben, sondern selbst bei Anfahrten auf bestimmte Sprungschanzen usw. mit angeschlossenen Skriptsequenzen passiert, beraubt sich Payback in diesen Momenten seines spielerischen Potenzials. Was diese Schlüsselszenen betrifft, ist nur das Ziel und nicht der Weg (und damit das fahrerische Können) wichtig – schade!

The Burnout Horizon Crew

Doch nicht nur bei der Inszenierung ließ man sich von dem Erfolg anderer inspirieren. Auch bei den Inhalten der offenen Welt bietet man ein breites Sammelsurium an Elementen, die man nicht nur aus älteren Need-for-Speed-Teilen, sondern auch Burnout Paradise, Forza Horizon und The Crew kennt. Allerdings sind die jeweils entliehenen Elemente hier weder qualitativ auf der Stufe der Originale, noch werden sie besonders kunstvoll miteinander verwoben. Man kann z.B. wie in Need for Speed Most Wanted (dem 2012-Remake) oder Burnout Paradise (2009) durch Plakatwände brettern. Man darf wie in Forza Horizon an Blitzanlagen Geschwindigkeitsrekorde aufstellen oder sich an Zeitherausforderungen und Driftpunktzahlen versuchen. Über die Quantität der Nebenmissionen kann man sich nicht beschweren, wenn man die überladene Karte öffnet, bei denen man allerdings auch über Reiter wichtige Informationen filtern darf. Bei der Qualität hingegen schafft man es nur selten, die Vorbilder zu erreichen. Wo andere Spiele ihre Nebenaufgaben zelebrieren und sie zu einem integralen Bestandteil der Spielwelt machen, wirken sie hier belanglos und im schlimmsten Fall unnötig.

Mitunter erschafft die Frostbite-Engine sehr schicke Panoramen mit überzeugenden Lichtstimmungen.
Eine positive Ausnahme stellen die Fahrzeugwracks dar, die man ebenfalls aus Forza Horizon kennt und die man über Hinweise finden muss, bevor man nach den nötigen Ersatzteilen suchen kann und schließlich den Boliden in seinem alten Glanz erstrahlen lassen zu können. Ein weiterer zentraler Bestandteil der Mechanik wiederum ist aus Ubisofts „CaRPG“ The Crew bekannt: Um in der Geschichte vorwärts zu kommen und die überdramatisierten Missionen des Kampfes gegen ein Wett-Kartell freizuschalten, muss man die verschiedenen Gangs besiegen, die sich alle auf bestimmte Bereiche wie z.B. Offroad, Straßenrennen, Dragrennen oder Driften spezialisieren. Um Erfolg zu haben, spielen die Fahrkünste im Rahmen der positiv auffallenden Arcade-Fahrphysik allerdings nur eine eingeschränkte Rolle. Viel wichtiger ist, wie hoch der Leistungsindex des eigenen Fahrzeugs ist, mit dem man antritt. Vor allem bei Straßenrennen und den Drag-Wettbewerben sieht man nur noch die Rücklichter der Gegner, wenn man mit einem untermotorisierten Boliden unterwegs ist.

Grind, Credits oder Echtgeld

Die Fahrzeuge werden über "Speed-Karten" aufgewertet. Der damit verbundene Leistungsindex des Boliden sorgt immer wieder für Grind. Dieses Konzept kennt man aus "The Crew", allerdings war es dort besser umgesetzt.
Abhilfe schafft ein Abstecher in den Tuning-Shop, wo man neue Bauteile in sechs Kategorien für Credits erstehen kann. Man muss aber auch ein wenig Glück haben, da die Shops alle 30 Minuten mit neuen Einbauten ausgestattet werden. Allerdings werden diese Bauteile mit ihren Boosts in sekundären Bereichen (ebenfalls wie in The Crew) auch als Belohnung für erfolgreiche Missionen ausgeschüttet. Sprich: Da Geld vor allem in den ersten Stunden knapp ist und man diese so genannten Speed-Karten auch in einem Mini-Glücksspiel à la einarmiger Bandit für neue Teile tauschen darf, wird der Grundstein für einen Grind gelegt, der bis zum Ende anhält. Die späteren Kontrahenten liegen im Normalfall deutlich über der per normalem Missionsfortschritt erzielten eigenen Leistungsklasse. Hier werde ich das Gefühl nicht los, dass die Spielzeit künstlich gestreckt wurde. Bei The Crew gab es zwar auch Grind-Ansätze. Dennoch haben Ubi und Ivory Tower eine bessere Lösung gefunden, indem man z.B. für alle Nebenaktivitäten wie Sprungschanzen (gibt es auch hier), etc. Bauteile als Belohnung bekommen hat.

Die z.B. für "Drift" vorgesehenen Fahrzeuge lassen sich nicht in anderen Missionen verwenden - selbst wenn sie genügend Leistung hätten.
Zusätzlich nervt, dass man hier für jeden Wettbewerb ein eigenes Auto benötigt. Die Drift-Karre kann nicht für Straßenrennen verwendet werden und umgekehrt. Dabei erzielt der Honda S2000, den ich mir dafür aufgerüstet habe, auch ansehnliche Driftpunktzahlen. Innerhalb der Hauptmissionen darf man das Fluchtauto nicht für Dragracing nutzen – obwohl es vielleicht die besseren Beschleunigungswerte besitzt. Alles wirkt, als ob EA Ghost irgendwo den Design-Faden verloren und stattdessen auf das Motto „Mehr ist besser“ gesetzt hat, anstatt ein fokussiertes und gut inszeniertes Rennspektakel abzuliefern. Oder aber man wollte darüber die Aufmerksamkeit auf die so genannten „Lieferungen“ lenken, die man als Basis-Variante in bestimmten Abständen gratis erhält, aber auch für Echtgeldeinsatz bzw. den Umtausch in entsprechenden Punkte als Premium-Pakete erhalten kann. Doch bevor die Aufregung zu groß wird: Im Wesentlichen enthalten sie Credits, Umtausch-Marken für Upgrades sowie kosmetische Verschönerungen – unter dem Strich nichts, wodurch das normale Spielerlebnis gestört wird und was letztlich als Geld-vs-Zeit abgetan werden kann. Zumal das umfangreiche visuelle Tuning keinerlei Auswirkungen auf irgendwelche Elemente in der Payback-Welt hat.

Sauberes Arcade-Rasen, unsaubere Bugs

Immerhin gibt sich Payback bei der hocharcadigen Fahrpyhsik keine Blöße, wobei es mir vor allem das Driften angetan hat. So schön und beinahe intuitiv durch die Kurven schliddern sowie dabei sogar noch die Möglichkeit zu haben, mit guten Reaktionen entgegen kommenden Fahrzeugen auszuweichen, konnte man schon sehr lange nicht mehr in einem Rennspiel. Im Rahmen der Arcade-Möglichkeiten zeigen die unterschiedlichen Fahrzeugtypen (Drift, Rennen, Flucht, Drag, Offroad) vor allem in der Anfangsphase passable Unterschiede, gleichen sich aber zunehmend an, je mehr und vor allem je mächtigere Bauteile man einsetzt. Größer sind die Differenzen beim Sound der Motoren. Während einige Karren klingen wie altersschwache Nähmaschinen, hier ist besonders der Mazda RX-5 ausgefallen, schnurrt ein aufgerüsteter Audi S5 angenehm sonor aus den Lautsprechern. Allerdings ist es auf der One auch zwei Mal zu einem (nicht replizierbaren) Soundbug gekommen, bei dem der eigene Wagen wie ein Elektroauto keinerlei Motorengeräusche von sich gab – was nur durch einen Neustart des Spiels zu beheben war.

Die Kulisse mit ihren weitläufigen Landschaften, Stadtgebieten, Wüsten und Wäldern ist sauber und bietet eine hohe Sichtweite, hat aber je nach System mit Problemen bei Zeichendistanz und Detailtexturen zu kämpfen.
Ein weiterer Bug, der sich in einem Fall gezeigt hat, betrifft die Grafik oder genauer: mangelnde Kollisionsabfrage. Denn bei einem Versuch, eine Plakatwand zu zerstören, hat sich das Fahrzeug mit seinen Felgen im Stahlgerüst des Billboards verfangen. Auch dieses merkwürdig aussehende Malheur konnte nicht repliziert werden und ließ sich durch die komfortable Teleportfunktion beheben. Momente, in denen man nach einem Sprung mehrfach durch den Boden fiel, bevor das Spiel einen Rücksetzpunkt erwischte, der über der Erdoberfläche lag, waren ebenfalls zu beobachten – allerdings im Laufe der Spielzeit nur einmal. Dennoch hinterlassen nicht nur diese Mankos, die bei einigen Spielern abhängig vom System evtl. gar nicht auftauchen, für den Eindruck, dass Payback der letzte Feinschliff fehlt.

Schnittig, schnell und plopp, plopp, plopp

Zu häufig ist die im Kern grundsolide Arcade-Raserei, die in ihren besten Momenten für spannende Unterhaltung sorgt, ein bemüht wirkender Versuch, ein Best-of der Open-World-Rennspiele mit dem Flair der Fast & Furious Filme zu verbinden. Dabei vergisst man jedoch, dem Spiel eine eigene Identität zu geben – was übrigens auch für die Kulisse gilt. Prinzipiell zwar auf allen Konsolen von One über PS4, Pro bis hin zu One X mit einer hohen Sichtweite, teils enorm schicken Lichtstimmungen sowie stabiler Bildrate ausgestattet, können die angenehm unterschiedlichen Umgebungen wie Wüste, Wald, Stadt, Vorstadt usw. sich nicht markant von ihren Vorgängern Need for Speed Rivals (2013) sowie Need for Speed (2015) absetzen. Dass EA

Kaum zu glauben, dass dies mal ein Wrack in der Wüste war.
aus Effizienzgründen alle Spiele nur noch mit der Frostbite-Engine von Dice anfertigen lässt, wirkt sich hier nachteilig aus. Zudem zeigt der eigentliche für kleinere Gebiete konzipierte Grafikmotor abhängig vom verwendeten System einige Macken.

Die Sichtweite ist zwar angenehm, doch mit der mitunter imposanten Weitsicht wird das Problem der Zeichendistanz sowie der abrupt aufploppenden Detailtexturen in den Fokus gerückt. Vor allem auf der One bzw. der Standard-PS4 kann es in manchen Gebieten zu einem nervenden Nebenkriegsschauplatz werden, wenn beinahe im Sekundenrhythmus die Texturen auf Gebirge und sogar den Asphalt aufgelegt werden. Auf PS4 Pro sowie Xbox One X ist die Distanz, in der dies passiert, zwar höher und damit nicht ganz so auffällig – vor allem, wenn man damit beschäftigt ist, sich die Polizei vom Leib zu halten und keine Gelegenheit hat, auf die Kulisse zu achten. Doch auch hier ist man vor den plötzlichen Textur-Einblendungen nicht gefeit.

Fazit

Für mich ist Need for Speed Payback das Gegenstück zu einem Honda Civic oder Toyota Prius: Kann man fahren, doch für das gleiche Geld kann man auch ein „vernünftiges“ Auto lenken. Selbst angesichts von Fast & Furious 8 ist das Drehbuch rund um eine vollkommen belanglose Rachemär extrem schwach. Die Arcade-Fahrphysik liefert zwar eine saubere Grundlage für die etwa 15 bis 20 Stunden lange Kampagne mit ihrer Hochgeschwindigkeits-Raserei. Doch man wird zu viel Grind genötigt und erlebt passiv viele geskriptete Szenen, die nicht als Belohnung für das eigene Können ausgespielt werden. Außerdem hat man sich bei allen Inhalten entweder bei einschlägigen Filmen, der eigenen Serienhistorie oder ganz unverblümt bei der Konkurrenz bedient – was letztlich dazu führt, dass Payback keine eigene Identität entwickelt. Zumal diese Elemente im jeweiligen Original wie Forza Horizon, Burnout Paradise oder The Crew schlichtweg besser umgesetzt werdeb. Nicht einmal die von Frostbite angetriebene Kulisse überzeugt auf breiter Front: Sichtweite, Geschwindigkeitsgefühl sowie Bildrate sind zwar über Zweifel erhaben, doch je nach verwendetem System gibt es einige visuelle und akustische Unzulänglichkeiten, zumal die zeitverkürzenden Mikrotransaktionen zusätzlich nerven können - auch wenn man nicht permanent mit der Nase drauf gestoßen wird.

Pro

hohe Sichtweite, stabile Bildrate
ansehnliche Fahrzeugmodelle
angenehm einfache Kontrolle über die Boliden
saubere Arcade-Fahrphysik
sehr gutes Driftmodell
umfangreiches visuelles Tuning...
zig Haupt- und Nebenmissionen
passables Geschwindigkeitsgefühl
Wracks können gefunden und wiederhergestellt werden
komfortables Teleportsystem
reale Darsteller des Vorgängers wurden durch virtuelle Schauspieler ersetzt
knackiger Soundtrack

Kontra

an Leistungsklasse gekoppelter Fortschritt sorgt für viel Grind
Payback entwickelt keine eigene Identität, alle Elemente kennt man aus anderen Spielen oder Filmen, dort aber besser umgesetzt
nur kosmetischer Schaden
Verlockung zum Echtgeldeinsatz für Premium-Lieferungen mit kosmetischen Verbesserungen sowie
Zeitverkürzern
visuelle Unzulänglichkeiten
... das allerdings vollkommen belanglos für den Spielfortschritt ist
sporadische Bugs
schwaches Skript rund um eine hanebüchene Rachestory
schwankende Qualität der Motorensounds

Wertung

PlayStation4

Solider Arcade-Raser in offener Welt, der es aber zu keinem Zeitpunkt schafft, sich eine eigene Identität zu erarbeiten.

XboxOne

Solider Arcade-Raser in offener Welt, der es aber zu keinem Zeitpunkt schafft, sich eine eigene Identität zu erarbeiten.

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Kommentare

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BestNoob

Lieber NFS UG1 UG2 und Most Wanted 2005 mit Widescreen Patch und HD Texture Mod als das ....
Ich hab ja schon überlegt ob ich für unter 16 Euro schwach werde, aber dein Kommentar bringt es auf den Punkt. Mit EA Produkten speziell zu NFS Reihe werde ich seit gut 15 Jahren nicht mehr wirklich warm.
Man kann sogar online zocken über Hamachi, Gameranger etc.

vor 5 Jahren
CritsJumper

Lieber NFS UG1 UG2 und Most Wanted 2005 mit Widescreen Patch und HD Texture Mod als das ....
Ich hab ja schon überlegt ob ich für unter 16 Euro schwach werde, aber dein Kommentar bringt es auf den Punkt. Mit EA Produkten speziell zu NFS Reihe werde ich seit gut 15 Jahren nicht mehr wirklich warm.

vor 5 Jahren
vor 5 Jahren