Im Test: Longshot und Frostbite im Fokus
Underdog à la Madden
Was den FIFA-Kollegen recht ist, kann den American Footballern nur billig sein: Alex Hunters Leidensweg durch die britische Premier League war zwar nicht die erste erzählerisch motivierte Karriere bei Sportspielen (man denke nur an 2Ks NBA-Serie), aber dennoch eine willkommene Abwechslung im ansonsten eher stagnierenden Kicker-Alltag. Und der Story-Modus wurde von den Fans auf breiter Front gut angenommen. Dementsprechend rückt dieses Jahr die Madden-Serie nach, die mit ihrer Premiere im Jahr 1988 auf dem PC bzw. der Konsolen-Veröffentlichung 1990 auf dem Mega Drive die langlebigste Sportspiel-Reihe nicht nur für EA, sondern auch allgemein darstellen dürfte. Wo man bei FIFA allerdings überdurchschnittlich viel Zeit auf dem Platz verbringen durfte, um entweder in Minspielen zu trainieren oder sich unter Wettkampfbedingungen beweisen musste, hält man sich in den etwa fünf bis sechs Stunden, die die „Longshot“ betitelte Geschichte dauert, gefühlt maximal ein Viertel der Zeit auf dem Feld auf.
Störende Kleinigkeiten
Doch auch wenn es nicht die gut getimte Dramaturgie beeinflusst, haben einige Antworten und Entscheidungen auf dem Spielfeld Auswirkungen auf die Berichte der Scouts sowie Devins so genannten Football-IQ. Allerdings muss nochmals betont werden, dass man im Vergleich zu anderen Story-Karrieren wie bei FIFA oder NBA vergleichsweise wenig Zeit auf dem Platz mit Training oder Spiel entscheidenden Situationen verbringt. Erst gegen Ende verschiebt sich dieser Anteil dramatisch, doch bis dahin wird man Zeuge einer emotionalen und häufig bewegenden Freundschaft zwischen Devin und Cole, die konsequent sowohl von einem gelungenen Original-Soundtrack als auch gut eingepflegten Lizenz-Songs eingerahmt wird, die vornehmlich aus den Bereichen Country sowie Southern Rock stammen. Zwischen Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und Flucht vor Verantwortung bekommt man vor dem Hintergrund des American Football sowie mit coolen Cameo-Auftritten u.a. von Miami-Dolphins-Legende Dan Marino eine clever konstruierte Underdog-Geschichte, die Sylvester Stallones Rocky nicht nur zitiert, sondern auch nachahmt. Ich habe hier unter dem Strich mehr Spaß gehabt und wurde mehr mitgerissen als mit einigen der letzten Telltale-Abenteuer. Schade ist allerdings, dass manche Spielsituationen tatsächlich nur alternativlos zu lösen sind. Sprich: Es gibt eine Hand voll Momente, in denen ein Scheitern dafür sorgt, dass man einen weiteren Versuch starten muss und es keinen dramaturgischen Plan B gibt. Dadurch wird der kinoreife Eindruck, der sich einstellt, immer wieder leicht entwertet.
Gewohnte Qualität, erweiterter Umfang
Und auf dem Platz bleibt es bei geschmeidigen Animationen und krachenden Tacklings, die physikalisch korrekt durchgeführt werden – zumeist zumindest. Schon Ignite hatte hier immer wieder leichte Probleme. Und auch Frostbite verliert im Rahmen der hinsichtlich der Geschwindigkeit ohnehin leicht entschleunigten bzw. trägeren Darstellung gelegentlich den Bezug zu jeglicher physikalischer Realität. Niemals so, dass es den Spielverlauf stört oder einen Spielzug nachhaltig beeinflusst. Doch wenn sich beim Aufstehen nach einer Kollision beide betreffenden Spieler an Knien oder Ellbogen verhaken und wieder umfallen, ist dies nicht nur unfreiwillig komisch, sondern reißt auch aus dem ansonsten sauber inszenierten Football-Spektakel, das auch von coolen Zeitlupeneinspielern und fernsehreifen Kamerafahrten profitiert. Umso mehr, wenn man sich bei den drei zur Verfügung stehenden Realismus-Einstellungen für „Arcade“ entscheidet. Hier gibt es weniger Penalties, allgemein mehr Chancen, Punkte und spektakuläre Manöver zu erzielen. Simulation entspricht den mechanischen sowie KI-Einstellungen der letzten Jahre. „Competitive“ wiederum reduziert Verletzungen und zufällige Geschehnisse, so dass hier zunehmend die Fähigkeit des Quarterbacks am Pad und seine Spielintelligenz wichtig wird.
Nicht viel neu
Doch sowohl in der Franchise, mit dem Skills Trainer oder dem Draft sollten langjährige Madden-Spieler keine Überraschungen erwarten. Immerhin: Es gibt bei den MUT-Herausforderungen auch einen Bereich, der auf die Fortsetzung der Karriere von Devin Wade zugeschnitten ist. Und man hat mit "MUT Squads" jetzt die Möglichkeit, kooperativ 3-gegen-3-Partien mit seinen Ultimate Teams zu bestreiten. Dabei übernimmt ein Spieler die Kontrolle über die Defensive und einer über die Offensive, während der Head Coach die Zeit im Auge behält, Stadion sowie Uniformen festlegt. Als Head Coach fühlt man sich zwar ab und an wie das fünfte Rad am Wagen, da die Eingriffsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Doch wenn man als Team gewinnt, ist die Freude dennoch groß – und spannend ist das Zuschauen und Diskutieren mit den Coach-Kollegen allemal.
Bekannte Qualität
Und mit der Möglichkeit, seine Karten nicht nur zu verkaufen, sondern sie auch einzusetzen kann, um Spieler zu verstärken, hat man einen zusätzlichen Anreiz auf Kartenjagd zu gehen. Hat man die Enttäuschung überwunden, dass es abseits der angepassten Geschwindigkeit oder Physik und (endlich, möchte man sagen) der verbesserten KI, deren Schnitzer-Frequenz erfreulich nach unten gegangen ist, pendelt sich die Motivation auf dem gleichen Niveau ein wie in den vergangenen Jahren – vor allem, wenn man die Versionen der letzten zwei Jahre ausgelassen hat. Der Franchise-Modus mit seinem skalierbaren Tiefgang ist so fordernd, wie man es gewöhnt ist. Und die Motivationsspirale im Ultimate Team dreht mit ihrem ständigen Kreislauf aus neuen Karten, Verbesserungen des Teams, dadurch höheren Siegchancen sowie daraus folgenden besseren
Denn die Qualitäten, die die Serie in den letzten Jahren auszeichneten, sind natürlich ebenfalls weiterhin vorhanden. Man hat eine große Bandbreite an Spielzügen zur Auswahl, die man auch manuell durchforsten kann, wenn einem die dynamischen Vorschläge nicht behagen. Die Steuerung ist punktgenau, die Kollisionsabfrage gibt nur bei gelegentlichen Clippings von Spielern und Boden und seltenen Körperteil-Überschneidungen nach Spielzug-Ende Anlass zur Klage. Die Kommentare und Analysen passen meist akkurat zum Geschehen. Die Kollisionen auf dem Feld sind knackig. Alles ist so, wie man es von der langjährigen Erfolgsserie erwartet – bis auf die weiterhin schwachen Halbzeit-Analysen. Das wiederum hinterlässt allerdings auch den Eindruck, dass sich das Tiburon Studio kein Bein ausreißt. Wieso auch? Die einzige nennenswerte Konkurrenz sind die Vorjahres-Versionen...
Fazit
Gäbe es den schick inszenierten, größtenteils überzeugend gespielten sowie mitunter emotionalen Story-Modus "Longshot" nicht, wäre Madden NFL 18 definitiv nicht mehr als ein (Grafik-)Upgrade zum Vollpreis. Ja: Mit dem Umstieg von der ursprünglich exklusiv für EAs Sportspiele entwickelten Ignite- auf die Frostbite-Engine hat man sowohl bei der Qualität der Präsentation (Stichwort: Zuschauer), Physik, KI als auch allgemein bei der visuellen Güteklasse zugelegt. Doch mit dem Fokus auf den Engine-Wechsel sowie den von einem guten Drehbuch profitierenden „Longshot“ ist es nicht überraschend, dass sich hinsichtlich der Modi und des trotz reduzierter Spielgeschwindigkeit weitgehend unveränderten Spielgefühls wenig getan hat. Dementsprechend können alle, die auf die Story verzichten können und keine Lust auf die neuen kooperativen 3-gegen-3-Duelle im Ultimate Team haben, dieses Jahr warten oder ganz verzichten. Wer andererseits jedoch in den letzten Jahren pausiert hat, kann sich sicher sein, mit Madden NFL 18 das visuell ausgereifteste sowie ein spielerisch umfassendes American-Football-Gesamtpaket zu bekommen, dessen mechanische Stärken und Schwächen trotz Modifikationen hier und da weitgehend identisch zum Vorjahresmodell sind.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Vor allem der gut inszenierte Story-Modus "Longshot" sorgt dafür, dass das mechanisch routinierte und mit wenig Überraschungen ausgestattete Football-Spektakel mehr ist als nur ein (Grafik-)Update.
PlayStation4
Vor allem der gut inszenierte Story-Modus "Longshot" sorgt dafür, dass das mechanisch routinierte und mit wenig Überraschungen ausgestattete Football-Spektakel mehr ist als nur ein (Grafik-)Update.
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