Im Test: Shooter verfehlt Dark Souls
Im Angesicht der Apokalypse...
...wurden schon viele großartige Spiele entwickelt, man denke an God of War. Und auch die Amnesie ist zwar ein inflationär gebrauchter Geisteszustand für einen Helden, aber kann zu spannenden Geschichten führen. Leider kann die schwache Story von Immortal: Unchained (ab 9,80€ bei kaufen) weder die drohende Zerstörung der Planeten interessant gestalten noch kann der Held mit seinem Gedächtnisverlust die Neugier wecken. Regelrecht ernüchternd sind später die Auftritte der Nichtspielercharaktere, denen jegliches Charisma fehlt. Es gibt dezente Inspirationen aus der nordischen Mythologie, was auch bei der Zahl Neun sowie der Namenwahl deutlich wird, aber diese Science-Fiction will nicht zünden. Viel zu schablonenhaft wird von sich erhebenden Toten erzählt, von faulen Winden und dem Tag der Prophezeiung, der mit dem Spielstart beginnt.
Da reißt man als unsterblicher Held die Ketten von sich, um seinen Gefängnisaufenthalt zu unterbrechen und die Welt zu retten. Vorher gibt es eine Charaktererschaffung samt üblicher Kosmetik für Gesicht und Haut. Dort stehen in männlicher oder weiblicher Variante sechs Klassen vom Fährtenleser bis zum Plünderer zur Verfügung, die sich hinsichtlich ihrer acht Attribute, Widerstände gegen Feuer, Frost oder Gift, Ausrüstung sowie den wichtigen Fähigkeiten in Nah- und Fernkampf unterscheiden. Bereits hier wird das Vorbild Dark Souls sichtbar, denn Gewandheit, Stärke, Beweglichkeit & Co wirken sich unmittelbar auf die verfügbaren Waffen, den Schaden, kritische Treffer, die Nachladezeit etc. aus. Und die Ausdauer spielt natürlich eine wichtige Rolle beim begrenzt möglichen Ausweichen sowie Sprinten.
Dark Souls mit Schusswaffen
Obwohl auch das legitim ist, obwohl auch Nioh oder The Surge einiges abkupfern, wirkt zu vieles leider wie eine oberflächliche Kopie, der die künstlerische Vision fehlt. Symptomatisch dafür ist "Aras", der in der zentralen Halle wartet. Er soll offensichtlich als archetypischer Mentor des Helden die mysteriöse Rolle der "Maiden in Black" sowie anderer Seelenhüterinnen einnehmen. Das Problem: Er wirkt wie ein riesenhafter Bot. Dass seine englischen gesprochenen Hinweise nicht lippensynchron sind, kann ich verschmerzen; es gibt übrigens für alle Dialoge und Menüs eine gute deutsche Übersetzung. Aber dass er keinerlei Ausstrahlung in dieser kalten Halle hat, deutet bereits auf die Ernüchterung der kommenden Stunden hin. Bereits beim zweiten Besuch der Halle war er für mich wie Luft.
Verschachtelte Labyrinthe
Das Positive: Die Spielwelt ist ähnlich verschachtelt, man erlebt also auch die angenehmen Déjà-vus, wenn man einen bekannten Ort aus anderer Richtung wieder entdeckt, weil man eine Abkürzung findet, eine Leiter runtertritt oder ein Tor öffnet. Allerding stellt sich bei der Erkundung der Areale viel früher eine grafische Gewöhnung ein. Obwohl es einige monumentale Aussichten gibt, kann das durchwachsene Artdesign allerdings keine Sogkraft entfalten. Schon das Gefängnis wirkt steril und das wird in den ersten Eis- sowie Waldgebieten zwar visuell vielfältiger, da gibt es tatsächlich mal Wind und Partikeleffekte, aber die Oberflächen glänzen künstlich und technisch gibt es einige Defizite von Pop-ups bis hin zu sporadischen Rucklern sowohl auf PS4 Pro als auch One X. Sehr lieblos wirken zudem die bruchstückhaften Texte mit ihren Beschreibungen von Natur, Story oder Umgebung, die man an einigen Stellen findet.
Man ist in der Schulterperspektive unterwegs, um zunächst aus der Distanz mit diversen Schusswaffen und Granaten zu
agieren, bevor die Gefechte nahtlos in den Nahkampf mit Finishern wechseln können - der ist zwar brachial, aber weit entfernt von den reaktiven Möglichkeiten der Soulsreihe. Je nach Klassenwahl startet ihr übrigens mit Dolchen, Äxten oder Schwertern auf dem Rücken. Der Spielrhythmus ist inklusive der Waffenwechsel und Feindfixierungen angenehm flüssig, aber gerade beim einzigen neuen Aspekt, den Schusswechseln, viel zu statisch. Und warum darf ich meine Fernwaffen nur an den Obelsiken wechseln, an denen ich wiederbelebt werde? Immerhin kann man bei gedrückter Schusstaste einen Spezialangriff wie sehr effiziente Feuerstöße mit dem Karabiner einleiten, der "Energie" verbraucht, und es ist möglich, die Gliedmaßen der Feinde abzutrennen. Das war es aber auch schon.
Statische Gefechte
Die Schulterausrichtung der Waffe lässt sich nicht wechseln, in die Hocke oder in eine liegene Haltung geht es ebenfalls nicht und es gibt auch kein Deckungssystem oder akrobatische Manöver neben der Ausweichrolle. Und warum hat man nicht zumindest die Erkundung freier gestaltet? Die Vertikale findet gar nicht statt, obwohl das gerade in einer futuristischen Welt mit Jetpack & Co gut gepasst hätte. Man kann also weder über hüfthohe Hindernisse springen noch die eigentlich nützlichen Laserbarrieren verschieben. Es kommt zu recht monotonen Ballereien, bei denen man die Feinde aus der Distanz mit Projektilen, Lasern & Co eindeckt, sobald die Zielerfassung rot leuchtet, während man immer wieder von links nach rechts hinter einen Felsen oder eine Säule in Deckung geht; die Feinde klettern keine Leitern
hoch oder runter, verfolgen nur selten konsequent und manche haben das Bewegungsprofil einer Schildkröte. Immerhin gibt es fiese Fallen, die plötzlich aus dem Boden schießen, aber die fairerweise zu erkennen sind, und die Munitionsknappheit sorgt manchmal für Engpässe.
Hoher Anspruch, wenig Identität
Toadman Interactive hat ein "gnadenloses" Abenteuer angekündigt und kann das zumindest hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades bestätigen. Der erste Boss "Huskarl-Invasor" rennt einen über den Haufen, wenn man nicht sofort wegrollt und verlangt Konzentration, so dass man möglichst seinen verwundbaren Rücken anvisiert - danach wird es immer kniffliger, auch wenn der zweite Boss schon zu sehr wie eine Kopie des ersten wirkt; kein Vergleich zu den bizarren Kreaturen
Was viele bei der Diskussion über die Soulsreihe vergessen, wenn sie über die Schwierigkeit, die Bosse, den Kampf oder die zig Tode sprechen, ist die geniale Weltschöpfung mit ihren vielen Geheimnissen. Erst die kreative Vision hinter dieser Fantasy macht sie so anziehend. Erst die vielen magischen Momente abseits (!) der Klingentänze sorgen für diese Sogwirkung. Man kann zwar ein Dark Souls über seine Spielmechanik kopieren, wie etwa in Lords of the Fallen, aber damit es keine seelenlose Hülle bleibt, braucht es auch kreatives Feuer auf Seiten des Storytellings, des Artdesigns und der Weltkonzeption. Und all das fehlt Toadman Interactive. Das unabhängige Studio aus Stockholm hat sich da zu viel vorgenommen. Vielleicht brauchen sie noch etwas Zeit. Auch Deck 13 konnte sich erst im zweiten Anlauf mit The Surge vom japanischen Original emanzipieren.
Fazit
Shooter-Mechaniken in einer futuristischen Welt, die ähnlich konzipiert ist wie die Soulsreihe? Was mich auf dem Papier neugierig gemacht hat, sorgt in der Praxis schnell für Ernüchterung. Toadman Interactive haben viel zu viel vom großen Vorbild kopiert, ohne ihre eigene Idee, nämlich den Fernkampf mit Schusswaffen, wirklich kreativ zu integrieren. Zwar kann man Körperteile abtrennen, aber man vermisst Dynamik und Wucht in den ewig gleichen Ballereien. Während man in Dark Souls trotz der zig Tode vom Artdesign sowie der Inszenierung immer wieder auf gefährliche Pfade gelockt wird, sorgen die oftmals sterilen Kulissen, die lieblosen Nichtspielercharaktere, die beschränkten Erkundungen und die technischen Defizite zusammen mit der statischen Kampfmechanik sowie der schwachen KI für frustrierende Wiederholungen. Zwar hat dieses Action-Rollenspiel seine Momente, das Leveldesign ist angenehm verschachtelt, aber selbst in den solide inszenierten Bosskämpfen will keine Faszination aufkommen. Was einige bei der Diskussion über die Soulsreihe vergessen, wenn sie über die Schwierigkeit, die Bosse oder die Gnadenlosigkeit sprechen, ist die geniale Weltschöpfung, die für magische Momente sorgt. Erst die kreative Vision hinter dieser Fantasy macht sie so anziehend. Daran scheitern die Schweden mit ihrer Science-Fiction, auch weil sie sich strukturell so nah an das erfolgreiche Original heran begeben. Wer "neue Standards im RPG-Bereich" setzen will, muss viel innovativer sein und sollte deutlich weniger kopieren. Spiele wie Salt and Sanctuary, The Surge und vor allem Nioh konnten sich über eigene Ideen emanzipieren. Immortal Unchained ist kein kompletter Murks, aber hier wiegen die Beschränkungen und Wiederholungen der Soulsreihe viel schwerer, sie sorgen für deutlich mehr Frust und Langeweile, weil es kein kreatives Gegengewicht gibt.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Shooter-Mechaniken in einer Welt à la Dark Souls? Was mich auf dem Papier neugierig gemacht hatte, sorgte trotz gutem Leveldesign in der Praxis schnell für Ernüchterung.
XboxOne
Shooter-Mechaniken in einer Welt à la Dark Souls? Was mich auf dem Papier neugierig gemacht hatte, sorgte trotz gutem Leveldesign in der Praxis schnell für Ernüchterung.
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Ab dem ersten Verkaufstag konnten Spieler das so genannte Primes Pack als DLC mit exklusiven Waffen, Rüstungen & Co erwerben.
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
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